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Vorwort

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«Natur, Mensch, Gesellschaft» (NMG) – so wird im Lehrplan 21 das Schulfach der Volksschule genannt, das in der wissenschaftlichen Gemeinschaft in der Regel mit dem Begriff «Sachunterricht» bezeichnet wird. Die Konkretisierung des Sachunterrichts durch diese drei Begriffe verdeutlicht, worum es gemäss Lehrplan 21 in diesem Fachbereich geht. Die Schülerinnen und Schüler sollen ihre Lebenswelt zur Frage werden lassen und deren Strukturen in umfassender Weise fachlich neu erschliessen und somit hinterfragbar werden lassen. Sie sollen sich in der Wissensvielfalt orientieren und zunehmend kompetent handeln lernen. Gleichzeitig macht der Dreiklang auch deutlich, dass das Schulfach seine fachwissenschaftlichen Grundlagen aus verschiedenen grossen Wissenschaftsbereichen bezieht, aus Natur- und Technikwissenschaften ebenso wie aus den Kultur-, Geistes- und Sozialwissenschaften. Der NMG-Unterricht soll jedoch dadurch nicht zu einem Sammelgefäss für verschiedene einzelfachliche Didaktiken, sondern zu einem Integrationsfach mit eigener Dignität werden. Die einzelnen Wissenschaftsbereiche werden aus diesem Grunde im Lehrplan 21 nicht als separat verstandene Bezugsdisziplinen, sondern als fachliche Perspektiven aufgeführt, die es im Unterricht sinnstiftend zu verbinden gilt. Dies bietet dem Fachbereich neben zahlreichen Chancen auch spezifische Herausforderungen.

Konsens herrscht in der Fachwelt dahingehend, dass die zentrale Idee des Sachunterrichts sich in der Integration der wissenschaftlichen Bezüge zeigt. Es stellt sich also zunächst die Frage, wie sich die Kultur eines Fachs fassen lässt, das mehrere fachliche Perspektiven aufweist. An der damit verbundenen Frage nach dem Verhältnis von Disziplinarität und Interdisziplinarität wird – mit unterschiedlichen Konjunkturen – seit den 1970er-Jahren in unterschiedlichen theoretischen Konzeptionen gearbeitet. Insbesondere die Konzepte aus den 70er-Jahren wurden in der Fachwelt zwar hoch gelobt, waren aber in Bezug auf Ihre Praxistauglichkeit eingeschränkt und fanden daher kaum Verbreitung. In der Zwischenzeit wurden vor allem perspektivenbezogene Arbeiten und Konzepte verfolgt, dies jedoch ohne den Grundanspruch der Interdisziplinarität explizit aufzugeben.

Mit dem Aufkommen des fächerübergreifenden Anliegens einer Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) erhielt dieser Grundanspruch eine neue Bedeutung und Dringlichkeit. Aus der Zusammenarbeit zwischen Expertinnen und Experten aus den Bereichen Sachunterrichtsdidaktik und BNE an der damaligen Pädagogischen Hochschule Solothurn wurden folgende Leitgedanken für einen integrativ verstandenen Sachunterricht erarbeitet:

•«Der Unterricht dient dem übergeordneten Ziel, die Schülerinnen und Schüler bei der Erschliessung der Lebenswirklichkeit zu unterstützen und ihre Bereitschaft und Fähigkeit zu fördern und zum Handeln zu ermutigen. Deshalb ist eine Rückbindung an übergeordnete Bildungsziele im Sinne der Allgemeinbildung notwendig.

•Für den Unterricht werden komplexe, gesellschaftlich und fachlich relevante Themen gewählt; diese Themen werden sachgerecht und unter Hinzuziehen relevanten Wissens aus den Bezugswissenschaften des Sachunterrichts bearbeitet. Ausgangspunkt dazu ist die Formulierung einer übergeordneten Fragestellung.

•Die Themen des Unterrichts werden so umrissen und aufbereitet, dass sie die Balance halten zwischen der Orientierung an fachwissenschaftlicher Relevanz und der Orientierung an der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler. Der Unterricht vermittelt den Schülerinnen und Schülern belastbares Wissen sowie grundlegende Erfahrungen und Einsichten aus relevanten Gebieten wissenschaftlichen Denkens.

•Die Wissensbestände und Vorgehensweisen verschiedener fachwissenschaftlicher Perspektiven des Sachunterrichts werden bei der Bearbeitung komplexer Themen nicht additiv nebeneinandergestellt, sondern anhand einer übergeordneten Fragestellung zu einer Gesamtsicht vernetzt. Mittel dazu ist ein interdisziplinär reflektierter perspektivenverbindender Sachunterricht.

•Die verschiedenen ‹Modi der Weltbegegnung› und ein konstruktivistisches Lernverständnis, das das individuelle Lernen der Schülerinnen und Schüler in den Mittelpunkt stellt, charakterisieren den Sachunterricht.»[1]

Das vorliegende Studienbuch zeigt, wie diese Leitgedanken in der Lehrerinnen- und Lehrerbildung an der Pädagogischen Hochschule Luzern weiterentwickelt werden, und gibt praktische Hinweise, wie Sachunterricht anders verstanden und umgesetzt werden kann. Es ist erfreulich, dass Studierende mit diesen neuen Zugängen konfrontiert werden und Modelle für eine integrative Unterrichtsgestaltung kennenlernen. Das Studienbuch leistet damit einen wertvollen Beitrag im Hinblick auf einen integrativ konstituierten NMG-Unterricht.

Prof. Dr. Christine Künzli David und Prof. Kuno Schmid

Nachdenken und vernetzen in Natur, Mensch, Gesellschaft (E-Book)

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