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1.2.2 Geodätische Entzerrung der ptolemäischen Koordinaten 1.2.2.1 Die ptolemäischen Koordinatenangaben

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Vergleicht man die ptolemäischen Koordinaten eines Ortes mit dessen Koordinaten im modernen geographischen Bezugssystem, ist festzustellen, dass diese i. Allg. große Unterschiede aufweisen. Bei den Längenangaben ist dies u. a. auf die unterschiedlichen Nullmeridiane des ptolemäischen und modernen Bezugssystems zurückzuführen. Aber auch nach Berücksichtigung dieser bekannten Längendifferenz verbleiben noch große Differenzen. Ursache der Koordinatendifferenzen sind verschiedenartige Fehler in den ptolemäischen Koordinaten.

Bei den ptolemäischen Koordinatenangaben tritt als kleinster Bruchteil eines Grades

1/12° = 5′ auf. Die Analyse der Häufigkeit des Vorkommens der einzelnen Minutenwerte (5′, 10′, 15′,...) ergab, dass nicht alle Koordinatenwerte tatsächlich eine Auflösung von

5′ besitzen, auch andere, gröbere Auflösungen ≥ 10′ treten auf. Für die hier behandelten Regionen gilt, dass kaum Koordinaten mit einer Auflösung von 5′ vorhanden sind, was ihre Genauigkeit schmälert.

Die Auflösung der Koordinatenwerte gibt jedoch nicht ihre wirkliche Genauigkeit wieder. Die wahren Fehler der ptolemäischen Koordinaten können wesentlich größer sein, als die Auflösung vermuten lässt. Dies liegt an systematischen und groben Fehlern in den Koordinaten. Nach deren Berücksichtigung bzw. Entfernung verbleiben noch Restfehler zufälliger Natur, deren Größe in engem Zusammenhang mit der Auflösung steht.

Bei den systematischen Fehlern der Koordinaten handelt es sich offenbar um Verschiebungen und maßstäbliche Verfälschungen. Über ihre genaue Ursache lässt sich im Einzelnen nur mutmaßen. Neben der Unterschätzung des Erdumfangs durch Ptolemaios, welche eine maßstäbliche Skalierung der Längen mit einem Faktor > 1 verursacht, ist zu vermuten, dass Ptolemaios die Unterschiede antiker Stadiondefinitionen unwissentlich nicht berücksichtigte. Während die maßstäblichen Verzerrungen scheinbar weiträumig sind, d. h. in Ländergröße gleichartig auftreten, liegen kleinere Gruppen von Orten vor, die gegeneinander verschoben sind. Ursache für die Verschiebungen können Referenzorte sein, von denen aus die Bestimmung der Lage umliegender Orte stattgefunden hat (messtechnisch oder rechnerisch). War die gegenseitige Lage der Referenzorte nur ungenau bzw. fehlerhaft bestimmt, übertrugen sich die Fehler in Form von Verschiebungen auf die betreffenden Ortsgruppen.

Die systematischen Fehler lassen sich mit einer mathematischen Funktion beschreiben. Dies ermöglicht, nachdem die Größe der systematischen Fehler einzelner Ortsgruppen bestimmt ist, eine Berechnung entzerrter Koordinaten im modernen Bezugssystem (Transformation) für bis dahin nicht identifizierte Orte und damit deren Identifizierung.

Die von Ptolemaios verwendeten Daten aus Itinerarien und Vermessungen besitzen zwangsläufig als Messgrößen oder daraus abgeleitete Größen zufällige Fehler. Auch bei der Aufbereitung und Zusammenführung der Daten durch Ptolemaios kam es zu zufälligen Verfälschungen. Die Größe der zufälligen Fehler wird durch die Standardabweichung beschrieben, wobei von ca. 5′ bei den genauesten Koordinaten ausgegangen wird (LELGEMANN et al.).

Des Weiteren treten grobe Fehler in den ptolemäischen Koordinaten auf. Sie können bereits in den von Ptolemaios verwendeten Daten vorhanden gewesen sein, durch Ptolemaios selbst eingefügt worden sein oder bei Abschriften des Ortskatalogs der ”Geographie“ entstanden sein. Die groben Fehler gilt es bei der Verzerrungsanalyse aufzudecken. Dies ist jedoch nur für größere grobe Fehler möglich, kleinere grobe Fehler sind von den zufälligen Fehlern nicht zu unterscheiden.

Aufgrund des Zusammenwirkens der verschiedenartigen Koordinatenfehler kann es vorkommen, dass die von Ptolemaios angegebene gegenseitige Lage zweier Orte widersinnig ist (z. B. viel zu große Entfernung, topologische Fehler wie westlich statt östlich). Als Beispiel seien hier Rhenus fluvius (mittlere Rheinmündung nach Ptolemaios) und Asciburgium mit ihren Identifizierungen Oude Rijn und Moers-Asberg genannt. Die Differenzen zwischen den ptolemäischen Koordinaten (Λ, Φ) und den modernen Koordinaten (λ, φ) beider Orte sind:


Demnach ist die gegenseitige Lage der Orte im ptolemäischen System in der Länge stark verfälscht (Fehler ca. 11/2°). Von einem Schreibfehler ist hier nicht auszugehen, da beide Orte mit ihren Koordinaten jeweils zu ihren nächsten Nachbarorten passen (nur kleinere, zufällige Koordinatenfehler). Die beiden Orte bzw. Ortsgruppen sind also offensichtlich in der Länge gegeneinander systematisch verschoben.

Germania und die Insel Thule

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