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1 Einführung 1.1 Ptolemaios und die Geographie von Germanien

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Die wichtigsten Werke der antiken Literatur, die uns ein Bild vom alten Germanien vermitteln, sind die Germania des Tacitus (um 55 – um 120) und die Geōgraphikē Hyphēgēsis des Klaudios Ptolemaios (um 100–um 170), im Folgenden kurz ”Geographie“ genannt. Während sich der römische Historiker Tacitus jedoch auf die ethnographische Beschreibung der Germanenstämme konzentriert, steht im Mittelpunkt der Darstellung des griechischen Gelehrten Ptolemaios die Kartographie. Er verfasste seine ”Geographie“ in der Mitte des zweiten Jahrhunderts in Alexandria. Diese einst von Alexander dem Großen an einem Mündungsarm des Nils gegründete Stadt war nicht nur ein geistiges Zentrum der griechischrömischen Welt, wo Ptolemaios die bedeutendste Bibliothek des Altertums zur Verfügung stand (CANFORA 2002), sondern auch eine Handelsmetropole, in der Informationen über alle damals bekannten Länder der Erde, über die oikumene, zusammenflossen.

Ptolemaios beschreibt in seinem geographischen Werk zunächst die theoretischen Grundlagen für eine maßstabsgetreue kartographische Darstellung der oikumene. Im Hauptteil der ”Geographie“ gibt er dann die geographischen Koordinaten von mehr als 6300 Orten und topographischen Punkten, wie Flussmündungen, Vorgebirge oder Berge, an. Eine Besonderheit dieses Ortskataloges liegt darin, dass Ptolemaios ein einheitliches, globales Koordinatensystem verwendet, das bis auf den Nullmeridian dem heutigen geographischen Koordinatensystem entspricht. Dabei werden die Breitengrade vom Äquator aus gezählt, der Nullmeridian wird, wie später im System von Ferro, bei den Kanarischen Inseln angesetzt, dem westlichsten Ende der damals bekannten Welt. Die Angabe der Gradzahlen erfolgt in der Form des sog. Milesischen Systems, bei dem die Buchstaben des griechischen Alphabets als Zahlzeichen dienen. Die Minutenwerte werden als Bruchteile von Graden dargestellt. Da hierbei, mit Ausnahme des Wertes 2/3, nur Brüche mit 1 als Zähler verwendet werden, erscheinen einige Werte als Addition einfacher Brüche, z. B. 1/2+1/4 = 3/4. Der kleinste von Ptolemaios im Ortskatalog angegebene Bruchteil eines Grades ist 1/12; dies entspricht 5′. Da Ptolemaios ferner für den Erdumfang einen Wert von 180.000 Stadien angibt (GH VII, 5, 12) und er eine Kreiseinteilung von 360° verwendet, entspricht 1° am Äquator 500 Stadien.

Die kartographische Darstellung der gesamtem oikumene teilt Ptolemaios in eine Überblickskarte und 26 Einzelkarten auf: zehn Karten für Europa, vier für Afrika und zwölf für Asien. Innerhalb dieser Gliederung sind die genannten ca. 6300 Ortsangaben, zu denen die Namen von Völkern und Landschaften ohne Koordinaten treten, auf 84 Länder bzw. Regionen verteilt, deren Grenzen jeweils beschrieben werden.

Im zweiten Buch der ”Geographie“ findet sich Ptolemaios’ Darstellung Germaniens, d. h. des nicht zum Römischen Reich gehörenden Siedlungsgebietes germanischer Stämme. Er nennt dieses Gebiet Germania Megalē (”Großgermanien“, im Folgenden in der lateinischen Form Germania Magna wiedergegeben). Seine Umgrenzung bilden nach Ptolemaios im Westen der Rhein, im Norden die Nord- und Ostsee, im Süden die Donau, im Osten die Weichsel und die Westkarpaten. Das Gebiet Germaniens umfasste also zu jener Zeit nicht nur Teile des heutigen Deutschlands, sondern auch Teile Dänemarks, Polens, Österreichs, Tschechiens und der Slowakei. Umgekehrt gehören zum heutigen Deutschland auch Gebiete, die sich bei Ptolemaios in der Beschreibung der römischen Provinzen Raetia sowie Germania Inferior und Superior finden, wobei er diese beiden germanischen Provinzen in der Darstellung von Gallia Belgica behandelt. Das östlich an Raetia und südöstlich an Germania Magna grenzende Noricum liegt im heutigen Österreich.

Ptolemaios zeigt uns den Zustand Mitteleuropas zur frühen römischen Kaiserzeit. Die Besonderheiten in der Darstellung der einzelnen Gebiete werden in der vorliegenden Arbeit jeweils in den entsprechenden Abschnitten erörtert. Behandelt wird hierbei nicht nur der germanische Raum, sondern auch das angrenzende Territorium des Römischen Reiches.

Germania und die Insel Thule

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