Читать книгу Es geschah aus Liebe - Ernst Meder - Страница 20

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»Frau Aydin« er blickte demonstrativ auf seine Uhr, da sie absichtlich fünf Minuten zu spät gekommen war »mit Ihrem Vorgesetzten hatte ich eigentlich fünfzehn Uhr verabredet.« Der Tadel sollte gleich zu Beginn des Gesprächs für klare Verhältnisse sorgen, wer hier etwas zu sagen hatte. Hinter seinem Schreibtisch sitzend blickte er sie auffordernd an endlich mit ihrem Bericht zu beginnen, ohne sie aufzufordern, sich zu setzen.

»Herr Dr. von der Heyde wie sie wissen kann man ein Gespräch mit einem Zeugen nicht einfach abbrechen, wenn dieser sich gerade an Einzelheiten erinnert. Hätte ich ihm sagen sollen, vergessen sie ihre Rede nicht aber ich muss jetzt zum Oberstaatsanwalt und Bericht erstatten wir brechen hier ab«?

Leichte Zornesröte stieg in seinem Gesicht hoch und er war sich der Provokation durchaus bewusst, konnte aber schlecht in einen Ermittlungsprozess eingreifen, der eventuell entscheidende Hinweise lieferte.

»Man kann seine Termine durchaus so legen, dass Folgetermine pünktlich eingehalten werden können. Aber Schwamm drüber mir ist die Wichtigkeit solcher Vernehmungen fraglos bewusst.«

Ein versteckter Tadel, der teilweise zurückgenommen wurde, um ihm die Schärfe zu nehmen. Wenn sie klug war, würde sie es verstehen.

»Mit Ihrem Vorgesetzten habe ich mich dahingehend abgestimmt, dass ich zeitnah und umfassend über die Untersuchungen im Falle von Frau Sarah Winkler unterrichtet werde. Ich will doch hoffen, dass Ihre Ermittlungen bereits zu Fortschritten geführt haben und Sie kurz vor einer Verhaftung stehen.«

Die süffisante Frage nach der Verhaftung war ihm bei seinen Ausführungen gekommen und er hatte nicht widerstehen können sie zu erinnern, worin ihre Aufgabe bestand.

»Hätte es eine Verhaftung gegeben, hätten wir Sie natürlich umgehend unterrichtet, schließlich soll doch die Öffentlichkeit vom Erfolg der Ermittlungsbehörden informiert werden.« Auch sie konnte süffisant sein, wenn er sie herausforderte.

»Aber nein wir konnten bisher keine besonderen Erfolge verzeichnen, der Vorgang erweist sich als ungewöhnlich problematisch da weder Spuren am Tatort gefunden wurden, noch Zeugen hilfreiche Aussagen machen konnten. Die Hinweise aus der Gerichtsmedizin werden voraussichtlich ins Leere führen da weder DNA-Material am oder im Körper gefunden wurde. Herr Dr. Dressel hat noch am Wochenende die Untersuchung vorgenommen, damit die Ermittlungen ohne Zeitverzug geführt werden konnten. Die Berichte der KTU sowie des Labors liegen noch nicht vor.«

»Sie wollen jetzt aber nicht behaupten, dass dies alle Erkenntnisse sind, die sie in den letzten zweiundsiebzig Stunden gewonnen haben. Ich möchte wissen was Sie vor mir zurückhalten und weshalb.«

Bei dem Hinweis auf die zweiundsiebzig Stunden war ihm ein Fehler unterlaufen denn die alte Kriminalisten-Regel, auf die er anspielte, lautete »sind die ersten achtundvierzig Stunden verstrichen, ohne dass es eine Spur zum Täter gibt, wird es träge.«

»Es ist in jeder Mordermittlung von Bedeutung da man nach dieser Zeit von einem langsamen Erkalten von Hinweisen und Erinnerungen ausgeht.«

Diese Regel ist dann nicht mehr von Bedeutung, wenn der Mörder bereits seit mehr als fünfundzwanzig Jahren mordete, was sie jedoch für sich behielt. Keine Munition für sein Pressestatement so ihre eigene Vorgabe.

»Meine Ausführungen haben korrekt den derzeitigen Stand wiedergegeben, Spekulationen zu verbreiten bin ich weder willens noch befugt. Es bleibt Ihnen unbenommen sich mit Herrn Rotluff meinem Vorgesetzten ins Benehmen zu setzen und ihm ihre Bedenken gegen meine Ausführungen mitzuteilen. Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte, ich habe einen Mord aufzuklären.«

»Sie bleiben ...«, dann brach er ab, da Ayla Aydin bereits die Bürotür öffnete und den Raum verließ. Vor der Tür atmete sie befreit aus, lächelte der Sekretärin zu und ging endgültig. Sie wusste, ab sofort hatte sie einen neuen Feind in der Staatsanwaltschaft, der nur darauf wartete, dass sie einen Fehler beging.

Noch konnte sie sich auf den Rückhalt ihres Förderers verlassen, aber Rotluff war inzwischen achtundfünfzig Jahre. Auch wenn seine Frau jeden Tag zählte, bis er den Polizeidienst verließ, um endlich mit ihm die bisher verweigerten Reisen zu unternehmen so hoffte er, dieses Horrorszenario noch lange vermeiden zu können.

Bei einer Feier in leicht angetrunkenem Zustand hatte er ihr seinen Traum vom Ruhestand erzählt. In seiner Vorstellung spielten eine lange Angelrute ein Schemel und ein Kescher eine dominierende Rolle. Noch hatte er seiner Frau seine Träume unterschlagen aber seine Befürchtung, dass einer von ihnen seinen Traum begraben musste, bereitete ihm größere Sorgen, als er sich eingestand.

»Wir haben einen neuen Feind?« Sven, der im Auto auf sie gewartet hatte, konnte in ihrem Minenspiel lesen, als wären sie ein langjähriges Ehepaar. Diese Abhängigkeit die eine direkte Partnerschaft so mit sich brachte, hatte ihre Vorteile aber auch nicht wenige Nachteile. Einer dieser Nachteile lag darin, dass man nach und nach zu einem offenen Buch für seinen Partner wurde, der darin lesen konnte, ohne umzublättern.

»Er wollte mehr wissen, als ich zu geben bereit war, also musste ich eine Grenze ziehen. Aber ich habe ihn nicht beleidigt« fügte sie lächelnd hinzu.

»Das sieht er sicher nicht so« Sven Nagel zuckte mit den Schultern, er war noch nicht mit dem Oberstaatsanwalt in Berührung gekommen, aber dessen Ruf eilte ihm durch die Flure der Mordkommission voraus.

»Wir müssen noch einmal zu der Familie von Sarah«, unterbrach sie seine Gedanken, »uns fehlt noch zu viel aus ihrem Umfeld und Freundeskreis außerdem möchte ich mich mit ihrer Schwester unterhalten. Bisher wissen wir nur, dass sie Studentin und vierundzwanzig Jahre alt ist. Meine Hoffnung ist, dass ihre Schwester mehr weiß als die Eltern. Vielleicht sogar etwas über den neuen Freund« fügte sie hoffnungsvoll hinzu.

Dass dieser Mord der in seiner Komplexität nicht so schnell lösbar war, wie man sich das als Ermittler wünschte, war bereits in dem Moment klar, als sie die verzweifelte Suche der Kriminaltechniker beobachtete. Dieser Eindruck wurde bestätigt, als die Zahl der Toten durch die Aufzählung von Günther sein Alleinstellungsmerkmal verlor.

Wenn ein Täter seit mehr als fünfundzwanzig Jahren mordete, ohne dass er Spuren an den Tatorten hinterließ, die zu seiner Festnahme führten, dann kam diesem Aspekt entscheidende Bedeutung zu. Keiner der vorherigen Beamten hatte dies ins Kalkül gezogen, da keiner die gesamte Tragweite erfasste.

Jeder hatte für sich ermittelt und nach einer gewissen Zeit die Akten ins Archiv verbannt, um nicht an die Erfolglosigkeit erinnert zu werden. Schließlich ging es ja nur um einen oder zwei Morde. Niemand zog in Erwägung, dass hier ein Serientäter am Werk war, der seine Taten über einen langen Zeitraum so perfektionierte, dass Spuren vermieden wurden.

Oder hatten sie es hier mit einem Täter zu tun, der wusste, wie Kriminaltechnik funktionierte und selbst in dem Bereich tätig war. Hatten sie es mit einem Kriminaltechniker oder einem Polizisten zu tun?

Das abrupte Bremsen riss sie aus ihren Gedanken, und als sie aufblickte, sah sie in das grinsende Gesicht ihres Partners, der auf das Haus von Familie Winkler wies. »Wir sind da.«

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