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Kapitel 3

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Die Zeit verging. Abend für Abend wurde die „Satanella“ aufgeführt, und Abend für Abend zog die Oper eine Menge von Schaulustigen und Musikfreunden in die strahlenden Räume des Opernhauses.

Natürlich wurde das Geheimnis der Autorschaft bald gelüftet, und so geschah es, dass diejenigen, die sich eigentlich nur für die Sängerin begeistert hatten, diese Teilnahme nun auch der Oper zuwandten und umgekehrt.

Donna Dolores konnte natürlich nicht Abend für Abend die anstrengende Partie der Satanella singen und wechselte deshalb in dieser Rolle mit der Primadonna der Oper ab. Sie war eine geheimnisvolle Persönlichkeit, über die viel gesprochen wurde, man befragte den Intendanten, in dessen Hause sie wie eine Tochter verkehrte, aber er verriet ihre Herkunft nicht. Niemand hatte gehört, dass sie schon anderswo aufgetreten war, sie war gekommen und hatte gesiegt – ein Mädchen aus der Fremde im Reiche der Kunst. Man brannte förmlich darauf, mehr von ihr zu wissen, zu erfahren – vergebens. Denn die schwarze Tereza, ihre Kammerfrau, war unbestechlich, und Senor Ramo Granza, ihr Kammerdiener und Sekretär in einer Person, ein kleiner, nussbrauner, geschmeidiger Brasilianer, war noch unzugänglicher, sowohl Geld als guten Worten. Er war zugeknöpft von der weißen Krawatte bis zu den Lackstiefeln.

An den Abenden, an welchen Donna Dolores die Satanella sang, saß regelmäßig auch Alfred von Falkner in seiner Loge. Er wollte die Musik studieren, hatte aber keinen Blick für die Bühne, solange Donna Dolores auf ihr stand.

„Man sollte meinen, Sie fürchteten sich vor den faszinierenden Augen der Satanella“, sagte Richard Keppler eines Abends zu ihm. Denn auch der Maler fand sich regelmäßig ein und war immer wieder aufs Neue entzückt von der plastischen Darstellungsweise der Fremden.

Alfred zuckte die Achseln.

„Sie hat eine wunderbar schöne Stimme, und ich komme, sie zu hören“, erwiderte er kühl, „aber das verpflichtet mich nicht, die Sängerin anzusehen. Ihre Erscheinung ist mir unsympathisch.“

Dagegen ließ sich natürlich nichts einwenden.

Es war etwa einen Monat nach jenem Abend beim Professor Balthasar, als Donna Dolores bei dem Atelier Richard Kupplers vorfuhr.

Senor Ramo sprang vom Bock und öffnete seiner Dame die Wagentür. Die Sängerin, wie gewöhnlich in Schwarz gekleidet, verließ den Wagen und betrat das Vorzimmer des Ateliers, das sich Keppler hier, mitten im grünen Stadtpark, selbst erbaut hatte und zu dem die reisende Welt von überall herbeiströmte. Man bewunderte sogar die Frühstücksreste des Meisters und brach vor dem halb vollendeten Bilde eines Schülers in Entzücken aus, in der Meinung, vor einer Schöpfung des Genies zu stehen.

Donna Dolores durchschritt die wohldurchwärmte, komfortabel und künstlerisch ausgestattete Vorhalle und öffnete die Tür, ohne anzuklopfen. In dem mit Oberlicht versehenen Raume stand Keppler, Pinsel und Palette in der Hand. Aber das gewaltige Historienbild, an dem er sonst arbeitete, hatte er zurückschieben lassen – eine andere Staffelei war herbeigerollt, und darauf stand im prächtigen goldenen Renaissancerahmen das halbvollendete lebensgroße Porträt der Satanella.

Der Meister war so versunken in den Anblick des Bildes, dass er nicht einmal hörte, wie das Original hinter ihm erschien, und so bot Dolores ihm auch keinen guten Tag, sondern huschte lautlos durch den purpursamtnen Vorhang ins Nebenzimmer, dem Buen Retiro des Meisters, wo in einem Korbe verpackt das Satanellakostüm lag.

Lautlos und schnell warf sie ihr schwarzes Kleid von sich und das andere über, dann löste sie das Haar und trat mit einem Mal neben das Bild. Keppler erschrak beinahe, dann glitt sein Auge von der Leinwand auf die Sängerin, er verglich die Wirklichkeit mit der Kunst. Fast ängstlich prüfte er die Wirkung des farbensatten Bildes – dieses feuerfarbenen Kleides von starrer Seide im Schnitt der Renaissance, über einem Rock von Goldbrokat gerafft. Und über die rauschenden roten Falten wogte das üppige goldrote Haar in jenen wunderbaren Reflexen, wie sie eben nur dieses Haar hatte. Das zweizackige Brillantdiadem raffte die schweren Wellen zurück in den Nacken und funkelte über der weißen Stirn mit teuflischem Leuchten, denn die beiden rückwärts gebogenen Zacken flammten wie kleine Hörner, das Wahrzeichen Satanellas.

Mit einem Seufzer der Enttäuschung warf Keppler die Palette zur Seite. „Ich bin ein Stümper“, sagte er traurig, „denn ich stehe ratlos vor der Natur. Mir fehlen die rechten Töne für Ihr farbensattes Bild, Madonna Diavolina!“

„Zinnober, Meister, viel Zinnober, Karmin und Ocker“, scherzte die Sängerin. „Um Sie damit rot anzutünchen wie den Hans Styx im Orpheus! Ja, wenn ich allein vor dem Bilde stehe, dann sieht mein Auge diese Übergänge vor sich, dann weiß ich, wie Ihr weißer Nacken, Ihr Antlitz sich hervorheben muss aus dieser Flut von Rot und Gold. Stehen Sie selbst aber neben dem Bilde, so möcht' ich schier verzweifeln, denn dann verwirren sich die Begriffe – ich werde farbenblind!“

„Das macht, weil Sie mit dem Kopfe begonnen haben –!“

„Nein, Ihre Augen machen das“, rief er heftig. „Ich war ein Tor, Ihre Stellung so anzuordnen, dass Sie mich ansehen mussten – mit diesem Ausdruck ansehen mussten!“

Sie lächelte gezwungen.

„Ich werde an eine weidende Gänseherde denken“, sagte sie, „vielleicht verändert dieses Bild den Ausdruck meiner Augen.“

„Sie spotten und haben recht“, antwortete Keppler finster, indem er die Palette wieder aufnahm. „Die Satanella muss diesen Ausdruck im Auge haben – wie wäre sonst die Rolle denkbar, die sie im Leben spielt?“

Er beugte sich nach seinem Farbenkasten, und Donna Dolores stieg auf die Empore, um ihre Stellung einzunehmen: ein halbes Abwenden der Figur, das die volle Pracht des goldigen Haarmantels zeigte, aber das Haupt zurückgeworfen mit dem Lächeln der Siegerin auf den Lippen.

„Ich bin bereit, Apelles“, sagte sie.

Keppler warf einen flüchtigen Blick auf sie und begann zu arbeiten, stumm, die Lippen aufeinandergepresst. Endlich richtete er den Blick auf sie.

„Ein schlechter Maler, der sein Modell langweilt“, sagte er.

„Sie sind verstimmt“, erwiderte Dolores, „ich kenne das. Es gibt schwarze, trübe Momente im Künstlerleben, wo uns das eigene Schaffen nicht genügt, wo wir uns gestehen, dass wir dem Ideal noch nicht nahe sind, das in uns lebt.“

Keppler erwiderte nichts. Er mischte die Farben und setzte dem Bilde einen neuen Ton auf. Prüfend trat er einen Schritt zurück und stieß dann einen leisen Schrei aus.

„Ich hab's –!“, rief er erfreut. „Ich habe den richtigen Ton gefunden, der das Goldhaar mit dem Rot des Kleides harmonisch verbindet, habe ihn gefunden, ohne dass ich ihn gerade jetzt gesucht –“

„Auch in die dunkelste Stunde dringt der siegende Lichtstrahl der Kunst“, sagte Donna Dolores, nicht ohne Vorwurf in der Stimme, „sie verlässt ihre Jünger nicht, und wenn sie verzweifeln wollen, sendet sie ihnen das Gelingen.“

„Und hier habe ich auch den goldigroten Reflex des Haares“, sagte Keppler froh. Dann trat er vor die Sängerin hin.

„Sie haben ein gutes Wort gesprochen, madonna mia, das Wort von der Kunst, der treuen Kunst. Ich hatte nicht gedacht, dass Satanella sie so tief erfasst hätte.“

Ein spöttisches Lächeln flog um ihren Mund.

„Auch du, Brutus?“, sagte sie. „Meister, Sie sind ein feiner Menschenkenner, Sie senken Ihr klares, unbeirrtes Auge so tief in die Seele und halten mich dennoch für eine jener Künstlerinnen, denen die Kunst nur ein Goldquell, ein Mittel zum Zweck ist?“

„Sie sind für mich ein Diamant, der in hundert verschiedenen Facetten strahlt, Donna Dolores, jeden Tag in einer andern. Sie sind ein Rätsel, das ich noch nicht zu lösen vermochte, das verschleierte Bild von Sais, das ich so gern enthüllen möchte – wenn ich nicht davor scheute. Ich fürchte, es könnte eine entsetzliche Wahrheit bergen.“

„Den Pferdefuß“, schloss sie spöttisch.

„Ja, wenn Sie diesen Ton anschlagen, könnte man daran glauben“, erwiderte Keppler, indem er weit ermalte, „das ist der rechte Satanellaton. Und mir ist's lieber, Sie schlagen den an, denn gegen ihn finde ich immer noch eine Waffe, die Waffe des Zweifels an Ihnen.“

„Daran tun Sie recht“, erwiderte sie kaltblütig.

Er sah voll zu ihr empor. „Sie nennen mich einen guten Menschenkenner – Sie haben unrecht, Madonna. So oft ich das Rechte in Ihnen gefunden zu haben glaubte, so oft fühle ich mich betrogen. Ich weiß nicht, ob Sie sehr edel sind oder sehr böse.“

„Sehr böse“, sagte sie lächelnd und sah zu ihm hinab, eine Welt voll Mutwillen in den Augen.

Keppler warf die Palette aufs neue hin und trat mit gekreuzten Armen vor Dolores. In seinem scharf geschnittenen bartlosen Antlitz arbeitete eine mächtige Bewegung, sein sonst so klares Auge blickte düster.

„Pausieren Sie“, sagte er, „ruhen Sie aus – inzwischen will ich Ihnen ein tolles Märchen erzählen.“

„Ein Märchen?“ Befremdet sah sie ihn an.

„Ja, ein Märchen. Oder meinen Sie, es geschehen keine Dinge mehr auf Erden, die Märchen genannt werden? Nur gibt es Märchen für kleine und Märchen für große Kinder.“

„Wohlan, ich höre!“

Donna Dolores trat von dem Hochsitz herab und setzte sich in einen der altertümlichen Sessel, wie sie in allen Arten im Atelier standen. Keppler lehnte sich gegen einen Pfeiler.

„Es war einmal ein armer Bauernjunge“, begann er, nachdem er seine Bewegung etwas bemeistert, „der musste die Ziegen und Gänse des Dorfschulzen hüten, von früh bis spät. Und während sich seine Schützlinge mit lautem Meckern und Schnattern an den grünen Halmen und Kräutern labten, lag der arme Junge in seinen zerrissenen Kleidern im Riedgras und träumte mit offenen Augen von einer fremden, schönen Welt, die seine Seele ahnte, aber nicht begriff. Eines Tages musste er in die Stadt laufen mit einer Botschaft – sie betraf kuhwarme Milch für die brustkranke Frau eines großen Malers, und der Junge stürmte mit seiner Botschaft direkt ins Atelier des Meisters. Mit weit offenen Augen stand der Gänsehirt vor der Herrlichkeit, die im Goldrahmen auf einer Staffelei vor ihm lehnte, und er vergaß die Ziegen, die Gänse, die Milch. Acht Tage später lief der arme Junge seinem Brotherrn davon, zu dem großen Maler; er möge ihn um Himmels willen bei sich aufnehmen und zu seinem Schüler machen. Zum Glück für ihn war der Maler ein Menschenfreund mit tiefem Blick; er erkannte, was unter den rohen Schlacken dieser Seele schlummerte. Er läuterte sie und lehrte selbst den Knaben – und ehe er starb, legte er den ersten Lorbeerkranz um die Schläfen des Schülers. Der aber schritt weiter auf seiner Ruhmesbahn, unaufhaltsam, aber einsam. Bis plötzlich eine Fee aus dem Dunkel hervortrat – das heißt, er hielt sie für eine Fee – und spann sogleich ein Netz von goldroten Haarfäden um sein Herz – ein Netz, das er nicht zu zerreißen vermochte –“

Keppler brach ab und schlug die Hände vor sein Antlitz – er stöhnte laut.

Dolores war blass geworden.

„Es war nur ein Irrlicht, das Ihnen wie eine Fee erschien“, sagte sie, sich erhebend.

Da trat er ihr entgegen und fasste ihr Handgelenk, um sie am Gehen zu hindern.

„Es war eine Fee“, rief er fast flehend, „o nehmen Sie mir nicht diesen Wahn! Dolores, ich bin nicht mehr jung – über vierzig Jahre bin ich durchs Leben gepilgert. Und wenn ein Mann in diesen Jahren liebt, dann liebt er zu mächtig, um seine Liebe ersticken zu können. Woran ich jahrelang nicht gedacht, jetzt will mir's nimmer aus dem Sinn – jetzt sehe ich durch die Räume meines Hauses eine Künstlerfrau schweben, eine Künstlerfrau wie zu Tizians Zeiten mit goldrotem Haar und dunklen Augen. Glauben Sie an solche Träume, Dolores?“

„Nein“, sagte sie tonlos.

„Dolores –!“

„Ich glaube nicht daran“, fuhr sie fort, „denn es gibt kein solches Glück. Ich hab' mir gelobt, mich nur dann zu vermählen, wenn's hier in meinem Herzen zu sprechen anfängt. Aber es spricht nimmer – hat noch nicht gesprochen – weil ich kein Herz habe. Wo es bei anderen pocht und glüht und pulsiert, da bleibt es bei mir kalt und still. Eine Künstlerfrau ohne Herz, das wäre ein Unglück für Ihr Haus, mein Freund.“

Keppler ließ ihr Handgelenk los und wandte sich ab. Er war sehr blass geworden.

„Dolores, Dolores, was haben Sie mir getan!“

„Ich habe Ihnen Schmerz bereitet – aber besser zu frühen, als zu späten Schmerz. Sie haben mir viel geboten, ein Herz, eine Hand, ein Heim, und Sie wissen nicht einmal, wer ich bin und woher ich stamme, ob ich nicht vielleicht einen erborgten Namen führe –“

„Ich weiß nur, dass in dem Namen Dolores das Glück meiner Zukunft ruht.“

„Dolores heißt der Schmerz. Wäre ich die Teufelin, die ich auf der Bühne darstelle, so hätte ich vorgegeben, an die Verwirklichung Ihrer Träume zu glauben – dann würde Ihr Heim binnen Kurzem eine Hausfrau haben. Aber es könnte sein, dass einstens doch noch ein zündender Funke in meine Brust fiele und mein Herz erwachte – was dann? Nein, mein Freund, suchen Sie Ihr Lebensglück nicht im Schmerze – es liegt anderswo.“

„Und meinen Sie, es sei kein Schmerz, entsagen zu müssen?“ fuhr Keppler auf.

„Er ist geringer als der Schmerz, sich betrogen zu wissen. Und ich hätte Sie betrogen, wenn ich Ihnen von Liebe gesprochen, von der meine Seele nichts weiß.“

„Wie grausam Sie sind – Sie reichen mir in dem Korb nicht einmal den bittersüßen Bissen ›ewige Freundschaft‹ – ›Achtung‹ oder wie die Korbtrabanten sonst heißen mögen?“ rief Keppler finster.

Es zuckte wie ein Lächeln um ihre Lippen. „Oh, wenn Sie sich danach sehnen –“

„Gut, gut, verlachen Sie mich noch!“, rief er heftig. „Das ist ja dein Gewerbe, Satanella!“

„Richard Keppler – hüten Sie sich!“

Zornsprühend, flammend vor Entrüstung stand sie vor ihm, hoch aufgerichtet, schön wie noch nie. Da beugte er sein Knie vor ihr und verbarg sein Haupt in den rauschenden Falten ihres Kleides.

„Nicht so, Dolores, nicht so“, sagte er mit gebrochener Stimme. „Wissen Sie nicht, dass das Herz im Übermaß seines Schmerzes selbst das schmäht, was es liebt? Wohlan – gehen Sie Ihren Pfad weiter – ich will Sie nicht auf den meinen lenken. Ich will Ihnen entsagen – vergessen aber kann ich nicht –“

„Sie werden ein Weib finden, das besser ist als ich –“

„Wer sagt Ihnen, dass ich ein solches will? Dolores, Sie haben heute die Blüten von dem Baum meines Lebens gebrochen zum – Verwelken!“

„Ein neuer Lenz wird neue Blüten treiben – unverwelkliche“, sagte sie leise und beugte sich zu ihm hinab. „Gott segne Ihr edles Herz – und denken Sie meiner ohne Groll. Ich konnte, ich durfte nicht anders handeln.“

Sie reichte ihm die Hand, und er drückte seine Lippen darauf – zum Lebewohl am Scheidewege.

„Verzeihung – ich glaubte nicht zu stören.“ Keppler fuhr empor bei dem Klang dieser tiefen Stimme, und Donna Dolores trat erblassend zurück. In der Tür stand Alfred von Falkner.

„Man sagte mir nicht, dass Sie Sitzung hätten –“, fuhr er fort, und die Ironie in dem Worte „Sitzung“ klang doppelt schneidend aus seinem Munde, „sonst wäre ich nicht hier eingedrungen.“

„Sie stören nicht mehr“, erwiderte Keppler gefasst, „der Satanellatraum ist für heute ausgeträumt – und für immer“, setzte er leise hinzu.

Falkner trat vor das Bild und musterte es lange.

„Das wird wieder ein Meisterwerk“, sagte er endlich, „ich sah selten ein so flammendes Farbenmeer in so wunderbarer Harmonie.“

„Mein Verdienst ist nur das des Farbenmischens“, erwiderte Keppler schlicht, „das Bild gab mir der künstlerische Geschmack der Donna Dolores Falconieros.“

Falkner wandte sich halb um zu der Genannten, die noch bleich und wortlos am Sessel lehnte, umwogt und umrauscht von Farbe und Licht.

„Es ist schwer, beim Anblick Ihres lichten Haars an Ihre südliche Abkunft zu glauben, Senora“, sagte er.

„Ich habe kein Interesse daran, irgend jemandes Glauben in dieser Beziehung zu beeinflussen“, erwiderte sie kühl.

„Ach, das klingt sehr stolz, wie –“

„Komödiantenstolz“ – vollendete sie ruhig.

„Wenn Sie es selbst so bezeichnen –“, erwiderte er achselzuckend, „so muss ich natürlich meinen Vergleich unterdrücken .“

Nun zuckte sie die Achseln, und zwar so unendlich gleichgültig, dass Falkner die Augenbrauen zusammenzog und sich auf die Lippen biss.

„Ich gehe, um mich umzukleiden“, sagte Dolores zu Keppler und war im nächsten Augenblick hinter dem roten Vorhang verschwunden.

„Ich komme mit einer Bitte, Maestro“, begann Falkner nach einer Weile, während der Maler regungslos vor der Staffelei stand, „aber ich werde sie heute nicht aussprechen, denn Sie scheinen verstimmt zu sein. Mein ungerufenes Erscheinen –“

„Ich sagte Ihnen schon, dass Sie nicht störten – man kann nicht stören, wo es nichts zu stören gibt“, fiel ihm Keppler ungeduldig ins Wort.

„Gut, ich beuge mich“, erwiderte Falkner sarkastisch. „Sie übten mit Donna – wie heißt sie doch – ein lebendes Bild, eine Szene aus der ›Satanella‹.“

„Was soll das, Herr von Falkner? Sie würden mich verbinden, wenn Sie meinen Namen mit dem der Donna Dolores ganz außer allem Zusammenhang ließen.“

„Ihr Wunsch genügt“, entgegnete Falkner.

„Wenn Sie sich indessen wundern sollten –“ begann Keppler wieder.

„O nein“, fiel ihm der andere ins Wort, „das Wundern muss man sich abgewöhnen, wenn man Künstlerkreise, besonders aber Ateliers besucht.“

Keppler biss sich auf die Lippen und schwieg.

„Und Ihre Bitte?“, sagte er endlich, „doch ich errate sie – irgendeine Zeichnung meiner Hand für einen Wohltätigkeitsbasar – nicht wahr?“

„Nein, das nicht“, entgegnete Falkner belustigt, „man vertraut mir solche Brandschatzungsgänge nicht mehr an, seitdem ich diese Ehre einmal bestimmt abgelehnt habe. Noch ist es auf Ihre Kunst abgesehen. Unser Nachbar vom Falkenhof, der Herzog von Nordland, der allsommerlich auf ein paar Monate sein Waldschloss bezieht, wünscht sich und seine Töchter von Ihrer Meisterhand gemalt zu sehen und lädt Sie zu diesem Zweck feierlichst durch mich ins Waldschloss ein.“

„Ich habe andere Pläne für diesen Sommer –“ entgegnete Keppler –“kann man gegen diesen fürstlichen Wunsch oder – Befehl nicht ankämpfen?“

„Schwerlich“, erwiderte Falkner, „eine Ablehnung wäre hier eine – Unart.“

„Und deshalb muss man eine lang geplante Reise aufgeben?“, seufzte der Maler unmutig. „Den leichten Kittel an den Nagel hängen, um im Frack vor der Staffelei zu stehen? Und dazu der Zwang des Hoflebens!“

„Dieser Zwang wird im Waldschloss ganz abgelegt, der Herzog und seine Töchter bewegen sich so frei und ungezwungen wie Landedelleute. Und überdies – die Motive sind Ihres unsterblich machenden Pinsels würdig.“

„Die Prinzessinnen sollen reizend sein, ich hörte davon, indes –“

„So überlegen Sie“, schloss Falkner. „Ich reise in einigen Tagen nach der Hauptstadt von Nordland ab und bringe dann dem Herzog Ihre Antwort. Man erwartet Sie übrigens keinesfalls vor dem Mai im Waldschloss, und da wir jetzt im März leben, so haben Sie noch Zeit, Ihre Satanella zu vollenden.“

In diesem Augenblick trat Donna Dolores wieder ein. Sie hatte den Hut schon aufgesetzt und hielt eine mit Juchten überzogene Kassette in der Hand.

„Ich fahre jetzt ein wenig spazieren und kann deshalb meine Garderobe nicht mitnehmen“, sagte sie zu Keppler, „draußen wartet mein Wagen – addio Maistro!“

Sie reichte dem Maler die Hand und neigte ihr Haupt eine Linie tief vor dem Freiherrn, indem sie der Tür zuschritt. Doch als sie den letzten Knopf ihres Handschuhs zuzuknöpfen versuchte, entglitt die Kassette ihren Händen und fiel zu Boden. Der Deckel sprang auf, und heraus rollte außer verschiedenen juwelenblitzenden Nadeln, Ringen und Spangen das seltsam geformte Diadem der Satanella. Es fiel hart an die Kante eines Sessels, und eine der hornartigen Zacken brach dabei ab. Die Herren eilten herbei und lasen die schimmernden Dinge vom Boden auf.

„Echte Diamanten –“, sagte Falkner unwillkürlich, indem er den Reifen an die zerbrochene Zacke zu hängen suchte, „Diamanten von wunderbarem Feuer!“

„Glaubten Sie, dass ich unechte Steine trüge?“ Der Ton, in dem Donna Dolores es sagte, klang fast beleidigt.

„Sie sind wenigstens üblich für Theaterschmuck, Senora!“ erwiderte Falkner, „aber ich begreife Ihre Laune. Nur ist sie sehr kostspielig –“

„Oh, mein Vorrat reicht hin, um mich als ›Selica‹ in Feuergarben zu hüllen“, meinte sie mit natürlicher Freude, ohne eine Spur von Prahlerei.

„Dann erlauben Sie mir, Senora, Sie zu Ihrer ungewöhnlich guten Ernte zu beglückwünschen“, sagte der Freiherr mit verletzendem Spotte im Tonfall.

Dolores richtete sich hoch auf und sah ihm fest in die Augen. „Ich bedauere, Ihre Glückwünsche nicht annehmen zu können, denn ich singe weder um Geld noch um Diamanten.“

Falkner verbeugte sich leicht und reichte ihr den Diamantreifen. „Pardon, Senora! Mein Irrtum war wohl verzeihlich –“

„Sehr verzeihlich“, nickte sie, „denn Sie kennen mich ja nur im Nebelschleier Ihres Vorurteils.“

Noch ein leichtes Nicken, und Donna Dolores war verschwunden.

„Sesam, öffne dich“, rief Falkner, als der Wagen davonrollte und er selbst an der Schwelle des Ateliers zum Gehen bereitstand, „diese Theaterprinzessin gibt schwere Rätsel auf und verlangt starken Glauben. Klappern gehört zum Handwerk, Donna Rothaar, soviel wissen wir Laien auch.“

In seiner Wohnung fand Falkner ein Telegramm vor, in dem seine Mutter ihn unverzüglich wegen des nahe bevorstehenden Todes seines Oheims, des Lehnsherrn, nach dem Falkenhof berief.

Die Falkner vom Falkenhof

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