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Polarisierung in Kriegszeiten

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Eine Polarisierung ist in Kriegszeiten also wie gesehen tatsächlich sinnvoll. Seit den Anschlägen des 11. September 2001, spätestens seit George W. Bush diese Kriegserklärung freudig angenommen hat, ist es wieder angesagt zu polarisieren: Bei seinem Deutschland-Besuch im Sommer 2002 in Berlin kam es zu heftigen Protestkundgebungen. Es ist erstaunlich, wie militant Kriegsgegner sein können. Wenn der Besuch des Präsidenten eines verbündeten Landes bereits eine derartige Polarisierung hervorruft, beweist das: Der Krieg hat längst begonnen, und wir sind mittendrin!

Jedes Volk hat das Recht, sich gegen Angriffe von außen und von innen zu verteidigen; wer sich als Opfer fühlt, hat das Recht, sich gegen Täter zu wehren. Das tun die Palästinenser in ihrem Kampf gegen die israelische Besatzung, wie sie es nennen, und die Israelis gegen den Terror der Palästinenser, wie es von ihrer Seite heißt. Die Piloten, die das World Trade Center zerstört haben, waren davon überzeugt, sie würden sich wehren.

Als Oberkommandeur der Militärmaschinerie der USA hat Bush nach dem 11. September 2001 zunächst vernünftig gehandelt: Es ging um Krieg, und er hat ihn geführt. Was gibt es Schöneres als einen „gerechten“ Krieg zu führen, noch dazu, wenn man selber keine Waffe in die Hand nehmen muss?! Ein guter Kriegsherr darf nicht fürchten, sich unbeliebt zu machen, weder bei seinen Feinden, noch bei denen, die stillschweigend zusehen, die so tun, als ginge es sie nichts an, noch bei den ewigen Verhandlern, die so tun, als könnte man zu einer Lösung kommen, wenn Politiker miteinander reden, reden und wieder reden.

Was aber tut ein Warlord im Frieden? Die Diktatoren im alten Rom sind nach dem Ende des Krieges zurückgetreten und haben sich wieder ins Privatleben zurückgezogen. Diese Möglichkeit ist für den Präsidenten der USA bisher verschlossen, da sie in der Verfassung nicht vorgesehen ist. Ohne mit der Wimper zu zucken, hat sich George W. Bush als „Kriegspräsident“ bezeichnet, als wäre es das Selbstverständlichste von der Welt. Krieg hat den Vorteil, dass sich ein ganzes Land hinter dem jeweiligen Präsidenten vereint, während im Frieden alle glauben, sie könnten ihn kritisieren – und genau das ist ihm passiert; verstanden hat er es vermutlich bis heute nicht.

Welch bizarre Posse: Der gewählte Präsident eines demokratischen Landes braucht den Krieg, und er fürchtet den Frieden; deswegen war sein Interesse am Krieg so groß, deswegen hat er darauf hingearbeitet, diesen Krieg als Dauerzustand zu etablieren, und er hatte mit seinen Bemühungen zunächst Erfolg: „Wenn ihr nicht auf meiner Seite seid, dann seid ihr auf der Seite des Terrors.“

So einfach ist das, jedenfalls im Krieg. Im Frieden ist es etwas differenzierter, vielleicht zu kompliziert für den vorigen Präsidenten der USA: Man müsste miteinander reden, womöglich zuhören. Dagegen hatte er die Parole ausgegeben: Keine Diskussion! Keine Verhandlung! Geschweige denn einen Dialog, keinen fairen Streit (vgl. folgendes Kapitel), sondern Kampf!

Was tut er aber, wenn er diesen Krieg nicht gewinnt? Nicht gewinnen kann? Der Krieg „gegen den Terror“ ist mit Waffengewalt prinzipiell nicht zu gewinnen.

Krieg im Gehirn

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