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Kapitel 7

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Mit einem Schrei und einer ängstlichen Bewegung zur Seite schreckte Marc auf, als ihn plötzlich eine Hand an der Schulter berührte.

„Ist alles in Ordnung mit Ihnen?“, fragte eine ältere Stimme.

„Alles bestens!“, antwortete Marc noch vollkommen durcheinander. Er schaute den Mann an, der bei ihm stand und blickte um sich, als ob er den Engel suchte.

„Ich danke Ihnen.“, fügte Marc noch hinzu, „Es ist alles in Ordnung. Ich war wohl nur ein bisschen eingenickt.“

Der Mann lächelte und ging weiter.

Marc schaute sich um, alles war wie vorher. Der See lag ruhig vor ihm, die Kinder spielten auf dem Spielplatz und Passanten liefen an ihm vorbei. Er fragte sich, was er da eben erlebt hatte. War er wirklich eingeschlafen oder war das Ganze ein Tagtraum. Real konnte es nicht gewesen sein, oder etwa doch? Ist er vielleicht in eine Art Trance gefallen und hat tatsächlich einen Engel gesehen und sogar mit ihm gesprochen? Gibt es denn überhaupt Engel oder sind es nicht doch eher Wesen, die uns an etwas glauben lassen sollen, damit wir uns beschützter fühlen?! Er ertappte sich dabei, sich für Dinge zu interessieren, die er eigentlich nicht in sein Weltschema einbauen wollte. Dinge, die außerhalb seiner Vorstellungskraft lagen und für die ihm niemand einen Beweis bringen konnte. Trotz allem fand er es irgendwie interessant, mit solchen Bildern zu denken, und er fing an, den Engel, den er eben gesehen hatte, zu akzeptieren. Ja, er war ihm sogar dankbar, denn dieses unsichtbare Wesen, dass eventuell sogar nur in seinem Kopf existierte, hat ihm das gegeben, was er eigentlich wollte, Entspannung und Ruhe vor dem Ganzen. Der letzte Satz des Engels lag noch in seinen Gedanken. Marc sollte unbesorgt sein, denn er wollte ihm etwas zeigen. Aber was wollte dieses Wesen ihm zeigen? Marc schaute nach oben in den strahlend azurblauen Himmel. Kurz bevor er von diesem Mann geweckt wurde sah er für einen Bruchteil einer Sekunde die Erde von oben. Er musste sich gedanklich weit im Weltall aufgehalten haben, um die Erde so zu sehen. War es das, was er sehen sollte? Und wenn, was sollte er da sehen? Marc versuchte sich noch einmal die Welt von oben vorzustellen. Es gelang ihm ein wenig und er stellte sich vor, dass auf dieser kleinen Kugel so viele Menschen leben und er einer von diesen vielen ist. Irgendwo dort saß er auf einer Bank und dachte gerade an dieses Bild. Von oben sieht alles so ruhig aus. Es schien, als ob alles ganz einfach ist und man ohne weiteres sein Leben verändern kann. Sein Gedanke wechselte und nun sah er sich selbst vor seinem geistigen Auge und sah, wie er in seinen Träumen lebt. Dort war er ein glücklicher Mensch. Aber es war trotzdem anders als früher, wenn er sich das vorstellte. Früher wollte er steinreich sein, in einer großen Villa wohnen, ein großes Auto fahren und sein eigener Chef sein. Heute allerdings lebte er in diesen Bildern in einem einfachen aber schönen Haus. Er war zwar nicht arm, aber steinreich war er dort auch nicht. Er fuhr ein sehr schönes Auto, aber keinen Luxusschlitten. Und eines war noch anders, hier in diesen Bildern sah er noch etwas, was früher nie Teil seiner Träume war, er war gesund.

Haben ihn all die Ereignisse heute so beeinflusst, dass sein Leben sich bereits geändert hatte? Hatten diese ganzen Menschen und Eindrücke den Einfluss, seine Gedanken zu verändern? Es musste so sein, denn warum sonst würde er nun solche Träume haben und nicht mehr die von früher, die doch viel anspruchsvoller waren. Er war fasziniert und nun glaubte Marc an eine Eingebung, die er bekommen hatte. Seine Gedanken waren vielleicht der Schlüssel zu einem besseren Leben. Schon der Obdachlose sagte zu ihm, dass er seine Träume in den Vordergrund stellen sollte und nicht seine Erinnerungen. Die Menschen wurden schon immer von utopischen Vorstellungen angetrieben und nur dank einzelner, die an diese Utopien glaubten, können wir heute mit anderen Menschen telefonieren, autofahren, fliegen, im Internet surfen, das Licht anmachen und noch einiges mehr. Utopien, die sich zum Teil als die größten Erfindungen der Geschichte herausstellten. Und alles ist in den Köpfen der Menschen entstanden, aus Gedanken. Wenn man sich ein Ziel in den Kopf setzt, dass man unbedingt erreichen möchte, was aber fast unmöglich ist, kann man es auch erreichen. Es ist schon vielen Menschen gelungen, weil sie daran glaubten.

Doch konnte auch er seine Träume verwirklichen? Vielleicht begann wirklich alles da oben, weit oben im Weltall. War es vielleicht Gott, dem man von seinen Träumen erzählen sollte, damit sie Wirklichkeit werden, oder waren es die Engel? Gibt es Gott überhaupt? Marc stellte sich vor, dass Gott etwas ist, dass sich zusammenfügt aus dem Glauben der einzelnen Religionen und aus dem Glauben der Menschen, die zwar an etwas glaubten, aber einen Gott, wie wir ihn kennen, nicht verstehen und akzeptieren wollten. Es war eine schöne Vorstellung, dass sich in diesem Wesen, das wir Gott nennen, alle Hoffnungen und Wünsche der Menschen spiegelten. Eine Gestalt, die zwar einzigartig ist, welche sich aber dennoch für jeden einzelnen Menschen anders darstellte. Und wo ist dieses Wesen, diese Energie? Wenn man betet richtet man seine Gedanken nach oben. Aber es wird gesagt, dass Gott überall ist, überall um uns herum. Marc erinnerte sich an einen Spruch aus seinem Konfirmandenunterricht. Die Pastorin bat alle, darüber nachzudenken, und ihr zu sagen, was dieser Spruch bedeutet. Marc wusste es nicht mehr ganz genau, aber so ungefähr konnte er den Spruch wiederholen:

Spalte ein Stück Holz

und ich bin da.

Hebe einen Stein

und du wirst mich finden.“

War dieser Spruch aus der Bibel? Marc erinnerte sich nicht mehr, aber wollte nun endlich versuchen, das Rätsel zu lösen. Damals hatte er seiner Pastorin gebeichtet, dass er es einfach nicht verstehen konnte, welcher Sinn darin lag. Heute allerdings schien es ihm einfacher die Worte zu deuten. Sein Blick fiel auf die Bank auf der er saß und er betrachtete einen ganz kleinen Spalt im Holz. Vorsichtig fuhr er mit seinem Finger daran entlang und dachte daran, dass dieses Holz einmal ein Baum war, bevor man es benutzte und Bank nannte. Ein Baum voller Kraft und Leben. Dann sah er auf den Boden und nahm sich einen der kleinen Steine, die im Sand des Weges lagen. Als er ihn aufhob fragte er sich, ob er ihn nun gefunden hat. Marc schaute sich die Stelle an, an der er den Stein weggenommen hatte. Ein Abdruck war zu sehen, ein fester, runder Abdruck im festen Sand.

Nun wurde es ihm klar. Wenn ein kleiner Stein, den er zwischen zwei Fingern halten konnte, die Macht und die Kraft hatte, diese Erde zu formen und somit dieser Welt an einer kleinen Stelle ein anderes Aussehen zu geben, sollte auch er und jeder andere Mensch in der Lage sein, seinem Leben eine Form zu geben. Er schaute sich noch einmal den Spalt in der Bank an und erkannte nun, welch eine Kraft notwendig ist, um das Holz so zu spalten. Wind, Sonne und Regen waren dafür verantwortlich. Drei Kräfte, die eigentlich gar nicht greifbar waren, aber die dieses Holz bearbeiteten und so ihre Kraft zeigten. In der anderen Hand rollte er den Stein hin und her und merkte auch hier, dass der Wind und der Regen ihm eine runde Oberfläche gegeben hatten.

Marc war erstaunt über diese vielen Gedanken, die er sich machte. Er dachte über Dinge nach, die er vorher als vollkommen normal hinnahm und er erkannte, dass sie alles andere als normal sind, wenn man sich nur damit beschäftigte und sie zu einem Teil des Lebens wurden. So viele unscheinbare Dinge, die nun wie Wunder schienen und eine Größe annahmen, wie das Leben selbst. Wie viele Kuhlen im Boden, die durch Steine entstanden sind, mag er schon gesehen haben und wie oft schon ist er darüber hergelaufen. Nie hat er sie beachtet oder sich gar Gedanken darüber gemacht und nun gab ihm eine der kleinen Kuhlen die Antwort auf eine ganz wichtige Frage, die er sich bewusst nie gestellt hatte. Er selbst muss seinem Leben eine Form geben und nur er konnte entscheiden, ob diese Form spitz und schmerzhaft ist oder rund und harmonisch sein sollte.

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