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Kapitel 4

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Auf dem Spielplatz tummelten sich inzwischen mehrere Kinder mit ihren Müttern und auch einige Väter waren dabei. Eine Polizeistreife lief langsam den Weg entlang und blickte in jede Richtung. Der Blick sah nicht so aus, als ob die beiden Polizisten etwas auskundschafteten. Eher so, als ob sie hofften, dass endlich mal etwas los ist, damit sie was zu tun haben. Marc richtete seinen Blick von den beiden ab, denn diese Uniform sorgte bei ihm immer für sehr nervöse Herzrhythmusstörungen, auch wenn er ein reines Gewissen hatte. In seinem Rucksack kramte er nach einer Flasche Wasser, von der er einen Schluck nahm, und sah auf seinem Handy einen Brief blinken, der ihm sagen wollte, dass er eine SMS bekommen hatte. Das war ihm allerdings egal. Er wollte für ein paar Stunden seine Ruhe von dem ganzen Alltag haben und sich hier im Park auf der Bank ausruhen.

Eine alte Dame setzte sich zu ihm auf die Bank und er begrüßte sie freundlich. Sie reagierte nicht auf ihn, sondern nuschelte nur ein paar Worte, die er nicht verstehen konnte. Sie stand wieder auf und ging. Marc musste über sie lachen, er wusste nicht warum, aber er musste lachen.

„Hallo Onkel Arc!“, rief seine neue Freundin, die er sofort erkannte. Olivia kam auf ihn zugelaufen und blieb vor ihm stehen. Sie reichte gerade bis über die Bank und streckte ihren kurzen Arm aus. Ihr Zeigefinder machte eine noch recht ungeschickte Bewegung, die er aber sofort als Aufforderung erkannte, dass er sich zu ihr herunterbeugen sollte. Olivias Mutter stand bereits bei den beiden und nun beugte sich Marc runter und bekam auf die Wange einen Kuss von der Kleinen.

Sabine musste lachen: „Sie wollte Ihnen unbedingt einen Kuss geben bevor wir gehen. Ich muss sagen, sie hat einen guten Geschmack.“

Sie lachten sich an und verabschiedeten sich. Er hätte Olivia am liebsten bei sich behalten, so lieb hatte er sie in der kurzen Zeit gewonnen. Aber das ging ihm immer so, wenn er mit Kindern zu tun hatte. Er schmunzelte und für einen Moment ging es ihm richtig gut. Er dachte nicht an die Probleme, die er zurzeit hatte und auch nicht an die, die ihm noch bevorstanden. Kurz darauf wurde er aber wieder daran erinnert, denn ein paar Schulkinder, die vorbei kamen, schubsten im Vorbeilaufen einen Herren, der sehr heruntergekommen aussah. Marc rief ihnen hinterher und versuchte auch einen von ihnen zu packen, aber es gelang ihm nicht und seine Rufe wurden nicht gehört. Der Mann bedankte sich bei ihm und stützte sich auf seinen Gehstock.

„Setzen Sie sich doch einen Moment zu mir und erholen Sie sich erstmal von dem Schrecken.“, bat ihn Marc.

„Das ist sehr nett von Ihnen, junger Mann. Danke für Ihre Hilfe.“

„Sie brauchen sich nicht zu bedanken. Es ist eine Unverschämtheit, einen Menschen so zu behandeln, als sei er gar nicht da.“

„Da sind Sie aber einer von ganz wenigen, die das so sehen. Schauen Sie mich an. Mit so einem möchte keiner etwas zu tun haben. Alle sehen nur das hier.“

Der Mann zeigte Marc eine Flasche Alkohol und erklärte ihm, dass er kein Alkoholiker sei, sondern dass er, wie viele von den Obdachlosen, immer eine Flasche dabei hat, damit die Schmerzen gelindert und Wunden gereinigt werden können. Marc war erschrocken, er musste schlucken und brachte kein Wort raus. Auch er hat solche Penner immer in diese Schublade gepackt und nie darüber nachgedacht, was wirklich hinter dem Ganzen steckte.

„Würden Sie mir glauben, dass ich einmal ein reicher Mann war?“, fragte er Marc.

„Ich weiß nicht, nein, vielleicht, keine Ahnung.“

„Mein Name ist ...“, fing der Mann an, brach aber mit einer abweisenden Handbewegung den Satz ab.

„Erzählen Sie ruhig weiter, mich würde Ihre Geschichte interessieren.“

Der Mann schaute Marc an und ein Lächeln brachte seine dunklen Augen zum Aufleuchten.

„Meine Firma hat damals Konkurs gemacht. Ich habe alles verloren, sogar meine Frau ist abgehauen. Nichts mehr, nur die Kleider, die ich am Körper trage, blieben mir.“

Wieder musste Marc schlucken. Er glaubte dem Mann und genau das war das Problem. Er hatte eine Firma und ist nun so tief gesunken. Marc selbst war nur ein Angestellter, wie tief könnte er sinken? Gibt es noch ein tieferes Loch als dieses? Wie froh konnte er sein, dass er noch saubere Kleider hatte und eine Wohnung, wo er sich waschen und sich Essen machen konnte. Er wusste, dass er mit seinem Ersparten noch eine lange Zeit sehr gut leben konnte, aber dieser Mann stellte für ihn nun einen Spiegel dar, in den er schaute und sich in einigen Jahren sah. Die Schuhe des Obdachlosen waren an mehreren Stellen kaputt, das Leder war zerkratzt und man konnte nur bei genauem Hinschauen sehen, dass es einmal teure Schuhe waren. Seine Hose hatte Löcher und war verdreckt. An einigen Stellen kamen mit etwas Fantasie Nadelstreifen zum Vorschein und genauso war es mit seiner Jacke. Ein Hemd konnte Marc nicht sehen. Er ging davon aus, dass er gar nichts darunter trug.

„Das tut mir furchtbar leid.“, sagte Marc leise zu ihm, „Kann ich Ihnen denn irgendwie helfen?“

Der Mann musste lachen. Er schaute Marc an und kniff sich selbst in die Wange.

„Sie mir helfen? Das hat mich noch niemand gefragt. Nein, ich danke Ihnen, aber Sie können mir nicht helfen. Ich bin ein Penner. Ein Penner wie ich sie damals nicht eines Blickes gewürdigt habe. Keine Mark und auch keinen Euro habe ich je einem von ihnen gegeben. Ich habe mich geekelt vor dem Dreck und dem Gestank. Heute bin ich einer von ihnen und bettle oftmals ebenso. Es ist mein Leben und wissen Sie mein Freund, der da oben weiß genau was er macht. Er hat mir Geld gegeben, ohne dass ich etwas dafür tun musste und ich habe es respektlos angenommen und noch respektloser wieder ausgegeben. Dann hat er mir das Geld genommen und ich habe auf einmal Respekt.“

Der Mann zwinkerte, drehte sich um und ging ein paar Schritte. Marc war verdutzt und begeistert zugleich. Wie konnte dieser Mann noch froh sein? Er hatte so vieles verloren und hatte nun keine Hoffnung mehr auf eine Arbeit oder Geld. Der Mann drehte sich noch einmal um, als ob er Marcs Gedanken lesen konnte und sagte: „Lassen Sie Ihre Erinnerungen niemals größer werden als Ihre Träume, denn diese Träume bestimmen die Qualität Ihres Lebens!“

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