Читать книгу In den Wald - Franz Orghandl - Страница 13

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Leano gab Nina einen Packen gefülltes Fladenbrot. Wie immer hatte es seine Mutter in Zeitungspapier gewickelt und man wurde ein bisschen schwarz davon an den Händen, weil das Fett die Buchstaben auflöste. Nina gab ihm dafür von Papas Ringlottenstrudel, der war in einem Tiefkühlsackerl. Wenn Leano gegessen hatte, was Nina mit ihm tauschte, strich er das Sackerl immer ganz ordentlich glatt und nahm es mit heim. Luan aß nichts als Honigwaben. Die kaute er wie Kaugummi. Zuerst hatte er sie in einem riesigen Gurkenglas zur Schule gebracht und dann bald in Portionen in den alten Tiefkühlsackerln von Ninas Papa. Seine Zähne aber waren weiß und glatt, nicht so wie die von Tillmann Wildinger, die immer kleiner und brauner wurden. Dafür hatte Luan eine sehr heisere, murmelnde Stimme.

„Vielleicht soll der Honig seinen Hals beruhigen“, hatte Mama geraten.

Im Wald gab es auch Honig. Der hing in riesigen Waben in einem Felsspalt. Nina überlegte oft, ob sie Luan und Leano vom Wald erzählen sollte. Sie hatte Angst, dass sie ihr nicht glauben würden und dass sie die beiden dann weniger mögen würde, denn jetzt mochte sie sie sehr. Und dass sie, wenn sie ihnen den Weg zeigen wollte, genauso gegen die Schrankwand liefen wie Konstantin Mayer ins Unterholz.

In der Klasse konnte Nina der Lehrerin nicht zuhören. Das ging sowieso meist schlecht, denn die sprach immerhin von der ersten Stunde bis zur letzten. Nina überlegte, ob die Lehrerin ihr so lange zuhören können würde. Ob sie das von Montag bis Freitag schaffen könnte. Die Lehrerin war nicht gemein und auch nicht nett. Sie hatte eine Brille auf, die irgendwie verbarg, welches Gesicht sie hatte. Es war beinahe so, als hätte sie gar keines. Nina hatte keine Ahnung, wie alt die Lehrerin sein sollte. Auch, dass sie einen Vornamen hatte, war seltsam. Aber den hatte sie, das stand sogar am Türschild der Klasse. „Gabriele“ hieß die Lehrerin mit Vornamen.

„Nina, du sollst im Unterricht nicht aus dem Fenster sehen!“, sagte sie.

„Haha, du sollst nicht aus dem Fenster sehen!“, sagte Stefan.

Solange ich nur nicht zuhören muss, dachte Nina und richtete ihren Blick nach vorne.

„Dass du bei den Schularbeiten gut bist, rettet deine Zeugnisnote nicht“, sagte die Lehrerin. „Und du musst endlich anfangen, Hausübungen zu machen.“

„Haha, du musst Hausübungen machen!“, sagte Stefan.

Nina stand auf und boxte Stefan ins Gesicht. So, wie einem das leider manchmal passierte. Aber natürlich passierte es einem normalerweise nicht im Unterricht. Und obwohl sich Nina gleich wieder setzte, bekam das Gesicht der Lehrerin um ihre Brille herum verschiedene Farben und sie rief:

„Nina, gib mir dein Mitteilungsheft!“

„Haha!“, sagte Stefan unter Tränen.

Nina kramte in ihrer Schultasche, aber sie fand das Mitteilungsheft nicht. Das war nämlich ziemlich klein und man brauchte es gerade so selten, dass es nur zu gerne gleich ganz weg war. Dass sie es nun nicht fand, schien die Lehrerin persönlich zu nehmen.

„Das Mitteilungsheft hat in der Schultasche zu sein!“, rief sie aufgebracht.

Da war Nina ganz ihrer Meinung, aber dort war es nicht.

„Dann werden dir deine Eltern ein neues kaufen müssen!“, rief die Lehrerin weiter.

„Oder ich suche es daheim“, schlug Nina vor.

„Ja, das möchte ich dir wirklich sehr empfehlen“, sagte die Lehrerin.

Zu Hause half Nina Mama beim Spaghetti kochen. Sie machten einen großen Topf Sugo und stellten einen großen Topf Wasser auf. Sie mochten Spaghetti sehr gerne.

„Du, Mama“, sagte Nina.

Mama sah sie mit ihren braunen Rehaugen an und Nina wollte ihr viel lieber etwas Besseres sagen, als dass sie vielleicht zur Lehrerin musste und Papa auch.

„Also die Lehrerin“, sagte Nina.

Mama stöhnte auf, sie wollte nie so gerne etwas von der Lehrerin hören. So begann Nina anders.

„Zuerst hab ich in die falsche Richtung geschaut und dann den Stefan ins Gesicht geboxt“, sagte sie.

„Mann Nina, ins Gesicht boxt man nicht“, sagte Mama.

Sie musste zum Herd springen und die Flamme drosseln, denn das Sugo begann zu spritzen.

„Und wenn man in der Stunde nicht aufpasst, lässt man sich wenigstens nicht dabei erwischen!“

„Ja und dann hab ich noch das Mitteilungsheft vergessen. Oder vielleicht verloren.“

Nina seufzte.

„Und was ist jetzt?“, fragte Mama und pfefferte das Sugo, dass es rasselte.

„Ich glaube, die Lehrerin will gerne ins Heft schreiben, dass ihr kommen müsst.“

Mama stöhnte noch mal auf.

„Es war ja aber eh nicht da“, sagte Nina tröstend.

Mama gab dem aufgeregten Sugo einen Schluck Rotwein und setzte sich zu Nina an den Küchentisch.

„Du, sag mal“, sagte sie. „Papa hat gemeint, du warst gestern ganz spät ganz nass und ohne Abtrocknen im Dunkeln in unserem Zimmer.“

Nina fühlte sich verraten. Mama bemerkte es und sagte vorsichtig:

„Findest du das aber nicht selbst etwas seltsam?“

„Ich hab Papa gesagt, wo ich war“, sagte Nina düster.

„Im Schrank?“, fragte Mama.

Nina haute auf den Tisch. Mama schnappte ihre Hand und hielt sie nieder.

„Hey!“, sagte sie.

Und dann sanfter:

„Im Wald, der im Schrank ist?“

„Der Wald ist nicht im Schrank“, knurrte Nina.

In den Wald

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