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Einleitung

Für das menschliche Zusammenleben wurde das ethisch Gute in Europa jahrhundertelang über die Kulturtradition der christlichen Religion gesucht und in der Personengemeinschaft als Basis für ethisches Handeln gefunden. In der Neuzeit wurde diese Tradition durch die Aufklärung und den Humanismus dahingehend bereichert, dass der Mensch sich selbst als autonomes Subjekt entdeckte. Dies hatte zur Folge, dass man in ethischer Hinsicht zwischen den Bereichen des Öffentlichen und des Privaten unterschied, freilich mit dem Ergebnis, dass im Laufe der Zeit der religiöse Herkunftshintergrund seine gesellschaftsprägende Kraft verlor und ein öffentlicher, weltanschaulich neutraler Sinnhorizont gesucht wurde. Auf diese Weise wurde die Suche nach dem ethisch Guten der eigenen Herkunft in die Suche nach dem ethisch Besten der Zukunft umgewandelt. Es entstand somit die ruhelose Suche nach der best möglichen Form an Gemeinschaft und Gesellschaft und, dem zugeordnet, nach der besten Wirtschaftsgestalt, kurz „Utopie“ genannt. Im ethischen Denken schlug sich diese Suche nach dem besseren Leben in eine Fülle von ethischen Denkansätzen nieder, die sich bis heute im Begriff des „Ethikbooms“ zu Wort melden. Ein Ergebnis hiervon ist eine Unübersichtlichkeit in ethischen Fragestellungen, von welcher der moderne Mensch in besonderer Weise herausgefordert ist, will er sich gedanklich orientieren. Von diesem Sachverhalt ist darum auch jede Gesellschaftsethik und auch jede Unternehmensethik betroffen. Aufgrund dieser Unübersichtlichkeit kam es im Laufe der Zeit zu einer Vorherrschaft von ökonomischen Nützlichkeitserwägungen, die zum „stahlharten Gehäuse“ der Moderne führte. Im normalen und alltäglichen Leben der Menschen aber bringt diese Vorherrschaft von ökonomischen Nützlichkeitserwägungen ein allgemeines Unbehagen mit sich, welches sich wiederum in einer allgemeinen Sehnsucht nach Stimmigkeit und Überschaubarkeit des Leben kundtut. Das Kapitel I. Zur Klärung der Lage beschreibt und bedenkt nun überblicksartig diesen gedanklichen Weg.

Im Kapitel II. Zeitzeichen wird dieses allgemeine Unbehagen anhand zweier gegenwärtiger Denkansätze näher untersucht: Zum einen ist das die neuzeitlich entworfene Idee des Fortschritts, zum andern die Idee des Pluralismus, denn beide Ideen werden, unabhängig von deren unbestritten positiven Seiten, als nicht mehr hinreichend gemeinschaftsstiftend erlebt. Darum erschallt heute immer wieder im öffentlichen Diskurs der Ruf nach Werten. Da dieser aber ohne Rückbindung an die gewachsene Kulturtradition der Religion erfolgt, besitzt dies keine ethische Aussagekraft, erkenntlich an der beliebigen Formulierbarkeit von Werten. So wird ersichtlich, dass Werte auch trennen können. Ein ruheloser Aktionismus der Schnelligkeit ist die Folge, der die Vereinsamung aller Verantwortlichen in allen Feldern des Lebens mit sich bringt. Nicht nur auf unternehmensethischer Seite wird dieser Ruf nach Werten durch die Methoden der Corporate Identity und des Brandings aufgegriffen. Bei diesen Modellen aber erweist es sich, dass sie nur vorläufige Wege aufzeigen und ethisch keine Klärung herbeiführen können. Kapitel III. Vorläufige Wege wendet sich dieser Problematik zu.

Im Kapitel IV. Wege zur christlichen Klarheit wird dargestellt, wie mit einer Wiederbesinnung auf die christliche Erkenntnistheorie der gedankliche Mangel der Wertediskussion beseitigt werden kann. Mit Hilfe der Unterscheidung von Wahrheit und Wirklichkeit wird ein Denkweg beschrieben, der aus der Unübersichtlichkeit herausführt. Dieser Weg besteht darin, dass allen Menschen, über das bloße Medium des Denkens, ethisch einsehbare und einsichtige Lebensformen zugänglich sind, die Universalien genannt werden können. Mit diesen aber lässt sich Ethik wieder als allen Menschen gemeinsame Suche nach dem Guten beschreiben. Die konkrete Form dieser Ethik ist aber die Personenethik. Um freilich Klarheit über diesen Denkweg zu bekommen, bedarf es der Ordnung im Denken. Diese findet statt über die Rangordnung von Vernunft, Verstand und Urteilskraft zur Religion und zum Glauben, ordnet das Verhältnis von Arbeit und Leben und findet in der christlichen Trinitätslehre die gedankliche Begründung dafür, jeden Menschen mit Würde und Ehre je gleich zu behandeln. Der entsprechende Ausdruck hierfür ist: Person.

Da es Personen - im Unterschied zum Individuum - nur im Plural gibt, ist für ethisches Denken und Handeln vor allem die am gemeinsamen Wohl auszurichtende Willensbildung der Menschen zu bedenken. Und nur innerhalb dieses Geschehens findet jede in Verantwortung stehende Person ihre ethisch verantwortliche Rolle, die Persönlichkeit zu nennen ist. Darum muss die persönliche Willensbildung vor allem von Herzensbildung geleitet sein, die sich dann als persönliche Reife konkretisiert. Eine so verstandene Personenethik redet dann nicht mehr von Werten, sondern von den bleibenden Tugenden. Denn Tugenden sind ihrem Wesen nach nicht verhandlungsfähig oder an bestimmte Verhältnisse anpassbar, wie dies bei den Werten der Fall ist. So erweisen sich die Tugenden für das gemeinschaftliche Leben als unabdingbare, grundlegende Voraussetzungen. Gelingende Führung ist darum bleibend auf die Tugenden verwiesen. Wird aber Führung in der Tugendhaltung vollzogen, eröffnet sich damit zugleich ein ethisches Rahmengefüge, das in einen gelingenden Umgang mit den Phänomenen der Macht, des Vertrauens, des Gewissens und der Verantwortung einweist. Zugleich stellt sich über diese Tugendhaltung die Wiederentdeckung des befreienden Lachens ein, das manche ernste oder bedrückende Situation aus ihrer Erstarrung zu erlösen vermag. Das Kapitel V. Führung im Geiste christlicher Ethik entwickelt all diese Gedanken.

Das Kapitel VI. Haltung als Maß zeigt nun auf, wie der Personenethik eine geistige Haltung entspricht, die das Maß des alltäglichen Lebens und Handelns zu bestimmen vermag. Diese Haltung orientiert sich an der Suche nach Geborgenheit in Gemeinschaft und ist Ausdruck des normalen Lebens. Sie widerspricht dem Pragmatismus als gemeinschaftszerstörender Form, ordnet die Kategorie des Wissens als unvollständige Erkenntnisweise für das Leben ein, führt in erkenntnistheoretischer Hinsicht in die Haltung des Glaubens, der als Ausdruck des erwachten Selbstseins des Menschen bestimmt wird. Ein Ergebnis hiervon ist die Haltung der begründeten Hoffnung. Als zusammenfassende Haltung von allem aber wird die Ordnung der Liebe bestimmt.

Denken und Führen

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