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VISION UND ZIEL: REICH GOTTES VOR ORT

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Wer leitet, braucht eine Vision, eine beschreibbare Vorstellung von der Zukunft. Das gilt auch für jene, die die Kirche leiten. Aber wie kann eine solche Vision für die Kirche aussehen? Aus welchen Quellen speist sie sich? Bei Übungen mit kirchlichen Leitungspersonen bin ich immer wieder mit einem seltsamen Mangel an konkreten Zukunftsbildern konfrontiert. Die Frage: wie sieht die Kirche der Zukunft aus, jener Kirche, die Sie sich wünschen, von der Sie träumen? – sie stößt nicht selten auf Schweigen. Die Bilder erschöpfen sich in Extrapolationen der Gegenwart. Ich höre von neuen Sozialformen oder pastoralen Großräumen. Ja, aber wofür steht diese Kirche? Was ist ihre Aufgabe in dieser konkreten geschichtlichen Stunde? Warum sollte sich ein junger Mensch hier einfinden? Erstickt der Alltagsdruck der Kirchenverwaltung den Mut und die Kraft zum Träumen?

Die Vision des Jesus von Nazareth war das Reich Gottes (Mk 1, 15). Beheimatet in der jüdischen Tradition steht die Erfahrung der Gottesherrschaft im Zentrum seines Lebens. Es wird real in Heilungen und Exorzismen, wo Menschen von Krankheiten und Besessenheiten befreit werden. Es wird konkret in den Mählern Jesu mit Zöllnern, Sündern und Ausgestoßenen; in der bedingungslosen Zusage der Vergebung der Sünden und in der Seligpreisung der Armen. Das Böse ist unwiderruflich entmachtet (Lk 10,18). Das Reich Gottes ist Wirklichkeit und kann nicht aufgehalten werden. Es beschreibt eine persönlich-existenzielle und eine gesellschaftlichpolitische Wirklichkeit, in deren Zentrum die Gerechtigkeit steht (Eigenmann 1998; vgl. Polak/Jäggle, 603–638).

Die Vision des Jesus von Nazareth kann Quelle und Kriteriologie auch für zeitgenössische Visionen sein. Die Vision der Kirche hat einen besonderen Charakter: sie ist vorgegeben – und bedarf zugleich ihrer zeitgerechten Vergegenwärtigung und Neuübersetzung. Sie beschreibt eine Zukunft, die bereits Gegenwart ist, von Gott her eröffnet. Sie ist Verheißung und Zusage, Hoffnung und Wirklichkeit, Zumutung und Anspruch in einem. Vor allem aber: sie ist kein Privileg von Leitungspersonen, sondern allen Gläubigen anvertraut. Die Vision der Kirche ist daher immer eine geteilte, eine gemeinsam geprüfte und entwickelte. Wäre charismatischen Visionären daher nicht immer mit etwas Vorsicht zu begegnen? „Das Geheimnis der heiligen Kirche wird in ihrer Gründung offenbar. Denn der Herr Jesus machte den Anfang seiner Kirche, indem er frohe Botschaft verkündigte, die Ankunft nämlich des Reiches Gottes, das von alters her in den Schriften verheißen war“ (LG 5). Daher hat die Kirche die Aufgabe, dieses Reich „anzukündigen und in allen Völkern zu begründen“. Leitung bedeutet, die Gläubigen und die Kirche bei der Wahrnehmung und Verwirklichung der Vision vom Reich Gottes zu begleiten und zu unterstützen. Weil sich das Reich Gottes geschichtlich und konkret offenbart, wird Leitungspraxis in jeder Situation, an jedem Ort verschieden aussehen.

Lebendige Seelsorge 3/2014

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