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Quellen und Periodisierung des Urchristentums

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Außer wenigen und eher beiläufigen Notizen bei paganen Autoren sind wir für die Geschichte des Urchristentums völlig auf innerchristliche Quellen angewiesen. Allerdings ist die Palette breiter als die 27 im Kanon gesammelten Schriften. Zu den außerkanonischen Schriften gehören die Didache/Apostellehre (ca. 110/120 n. Chr.), der Barnabasbrief (ca. 130 n. Chr.), unter den so genannten „apostolischen Vätern“ der erste Clemensbrief (ca. 96 n. Chr.) und die Ignatiusbriefe (110–117 n. Chr.), sowie erste gnostisch beeinflusste Schriften, etwa das Thomasevangelium (ca. 110 n. Chr.) – um nur die allerwichtigsten zu nennen. Sie alle sind zwar nicht in den Kanon aufgenommen worden, aber zeitgleich bzw. nicht später entstanden als die jüngste kanonische Schrift: 2 Petr (ca. 130 n. Chr.). Dabei ist zu bedenken, dass sowohl die zeitliche als auch die geographische Verortung all dieser Schriften auf interne Indizien angewiesen ist. Unter den kanonischen Schriften nennen lediglich die paulinischen Gemeindebriefe und die Offenbarung ganz konkret den Ort, an dem die Adressatengemeinden leben.

Trotz dieser Leerstellen und Grauzonen ist folgende Kategorisierung möglich, die zugleich zu einer Periodisierung der Geschichte des Urchristentums führt: Die Schriften der ersten Phase lassen sich als Gebrauchsliteratur charakterisieren, exemplarisch repräsentiert durch die (authentischen) Paulusbriefe. Sie behandeln konkrete Gemeindeprobleme und ersetzen die mündliche Kommunikation. Die Schriften der zweiten Phase lassen sich als Memoria-Literatur begreifen. Sie erinnern sich des Erbes Jesu (Evangelien) bzw. des Erbes der großen Apostel (Briefe), allen voran Paulus. Anonym (Deuteropaulinen) bzw. pseudonym (Pastoralbriefe) findet eine Paulusrezeption bzw. -weiterschreibung statt. Auch unter dem Namen anderer großer Apostel kommen Briefe in Umlauf (katholische Briefe). Hat Paulus unter eigenem Namen an bestimmte Gemeinden geschrieben, um konkrete Probleme in Angriff zu nehmen, benutzen die Autoren der Memoria-Literatur die Autorität Jesu bzw. die eines der großen Apostel, um große theologische Leitlinien und organisatorische Strukturen zu entwerfen. Dabei werden die Gemeinden an einer personalisierten Tradition ausgerichtet, die ihrerseits allerdings das Produkt von bewusster theologischer Gestaltung ist: Die Evangelisten sondieren und konturieren die ihnen überkommene Jesustradition je neu, die Paulusschule interpretiert ihren Meister spekulativ (Eph/Kol) bzw. pragmatisch (Past), in den katholischen Briefen werden im Namen von Aposteln theologische Traktate kreiert.

Die Zäsur für die Memoria-Literatur fällt ungefähr mit dem Tod der großen Apostel zusammen (Jakobus: 62 n. Chr.; Paulus und Petrus vermutlich während der neronischen Verfolgung: 64 n. Chr.). Kulturanthropologisch gesehen trifft die Verschriftlichung des Erbes ziemlich genau mit dem Zeitraum von 40 Jahren zusammen, in dem die Zeitzeugen aussterben und die Erinnerung deshalb vom kommunikativen ins kulturelle Gedächtnis überfuhrt werden muss. Historisch gesehen war das Jahr 70 n. Chr. für das Urchristentum entscheidend: Mit der Zerstörung des Tempels von Jerusalem fiel einerseits das Identitätssymbol des Judentums in Schutt und Asche, andererseits wurde die Unheilsprophetie Jesu gegen den Tempel, die ihm den Tod eingebracht hat, in für das jüdische Volk erniedrigender Form eingelöst. Für alle, die sich auf den Juden Jesus beriefen, stellte sich damit die Frage nach ihrer Einstellung zu ihren jüdischen Wurzeln und der theologischen Verarbeitung dieser Katastrophe.

Während diese Zäsur deutlich hervortritt, ist die zweite Zäsur, die dann das Ende der urchristlichen Zeit anzeigt, schwierig zu fassen. Inhaltlich lässt sie sich am besten daran festmachen, dass christliche Schriftsteller – jetzt wieder eindeutig identifizierbar – bewusst nach außen treten, für ihre religiöse Einstellung um Verständnis werben bzw. sie verteidigen, auf jeden Fall aber den Dialog mit der paganen Bevölkerung suchen, wie es in den Schriften der Apologeten, beginnend mit Justin, ab etwa 150 n. Chr. der Fall ist.

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