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Gaudium et spes

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Die Zusammenarbeit der mitteleuropäischen Bischöfe funktionierte über mehrere Schienen. Nach Frankreich hin war der Straßburger Koadjutor Elchinger ein wichtiger Vermittler. Die Theologen aus dem Jesuiten- und dem Dominikanerorden hatten ihre eigenen internationalen Kontakte und Seilschaften. In enger Zusammenarbeit mit den deutschen Theologen arbeiteten die Professoren aus Nijmegen und Leuven, die über das niederländische Dokumentationszentrum eine eigene Medienschiene bedienten, aus deren Fundus viele Konzilsväter ihre Informationen bezogen.

Doch gute Zusammenarbeit bedeutet nicht Übereinstimmung in allen Fragen. Besonders bei der Erarbeitung der Pastoralkonstitution Gaudium et spes machten sich unterschiedliche Bewertungen zwischen den französischen und den deutschen Konzilsvätern und Theologen bemerkbar. Dem Text der Pastoralkonstitution wurde vor allem von deutscher Seite vorgeworfen, er sei zu optimistisch, was das Verhältnis zur Welt angehe. In den Worten des Kölner Kardinals Frings, auf dem Konzil vorgetragen in der Fassung seines Peritus Joseph Ratzinger:

„Die Gedanken des Schemas 13 scheinen in einem gewissen Gegensatz zur ‚Imitatio Christi‘, der Nachfolge Christi des Thomas von Kempen zu stehen, da der ehrwürdige Verfasser dieses Buches doch Weltverachtung und Weltentsagung predigte. Das Schema 13 predigt jedoch nicht Hingabe an die Welt, sondern nur Diskussion mit der Welt, Verkehr mit der Welt, Gespräch mit der Welt zu dem Zweck, die Welt für die Botschaft Christi zu öffnen und die weltlichen Bezirke mit christlichen Gedanken zu durchdringen. Das bringt natürlich gewisse Gefahren mit, die bei völliger Weltentsagung nicht vorhanden sind. Es besteht die Gefahr, daß derjenige, der sich berufen glaubt, die Welt zu verchristlichen, selber von der Welt dazu verführt wird, weltlich zu denken.“7

In den Entwürfen war den deutschen Bischöfen und Theologen die Sünde zu ungenügend dargestellt. Die Theologie des Kreuzes und die Eschatologie waren unzureichend ausgefaltet. Aber die französischen Theologen, die den Text entworfen hatten und von deren Gedankengut geprägt waren, entgegneten:

„Wenn wir den Menschen von heute anreden wollen, können wir nicht unmittelbar mit den höchsten Gegebenheiten der Theologie und des Glaubens beginnen. Wir müssen vielmehr mit dem Gemeinsamen, allen Verständlichen und Zugänglichen anfangen und dann schrittweise vorwärtsgehen. Wir dürfen auch überhaupt nicht mit allzuviel Fachtheologie aufwarten, sondern müssen aus dem Getto der Fachlichkeit heraustretend uns ohne deren Schutz ganz einfach der Wirklichkeit stellen, vor deren Härte wir uns nicht selten in den festgefügten Fragen und Antworten unseres Fachwissens verbergen.“8

Die große Leistung von Gaudium et spes, den innertheologischen Standort verlassen zu haben und auf die Kirche von außen unter Berücksichtigung der Eigengesetzlichkeit der Lebens- und Sachbereiche zu blicken, führte zu einem Dissens zwischen deutschen und französischen Theologen. Innerkirchlich ist die Verschiedenheit des Blickwinkels bis heute spürbar.

50 Jahre nach dem Konzil hat die Memoria eine neue Dimension. Sie bezieht sich auf eine umfassende Rezeption aller Beschlüsse des Konzils, auf die Wiedergewinnung der Dynamik des Ereignischarakters dieser Kirchenversammlung, auf den „Geist“ einer ecclesia semper reformanda. Sie setzt die Bereitschaft zum Dialog, zum Knüpfen von Netzwerken, zum Aufeinander-Zugehen voraus. Was in den Jahren des Konzils geschehen ist, bleibt ein Lehrstück für die Art und Weise, Kirche zu sein.

Anmerkungen

1 Tagebuch Otto Semmelroth, 19. Oktober 1962. Günter Wassilowsky bereitet eine Edition dieses Tagebuchs vor.

2 Vgl. Tanner, N.: Kirche in der Welt: Ecclesia ad extra. In: Alberigo, G. u. G. Wassilowsky (Hrsg.): Geschichte des Zweiten Vatikanischen Konzils (1959–1965). Band IV. Mainz–Leuven (2006), S. 313–448: bes. 443–448.

3 Tagebuch Heinrich Tenhumberg, 22. September 1964. Archiv Priesterhaus Berg Moriah, Simmern.

4 Congar, Y.: Mon journal du Concile. Paris (2002), 31. Oktober 1962.

5 Tagebuch Otto Semmelroth, 15. September 1964.

6 Treffler, G. (Hrsg.): J. Kardinal Döpfner. Konzilstagebücher, Briefe und Notizen zum Zweiten Vatikanischen Konzil. Schriften des Archivs des Erzbistums München und Freising 9, Regensburg (2005), 3.

7 Kardinal Frings, J.: Für die Menschen bestellt. Erinnerungen des Alterzbischofs von Köln. Köln (1973), 290.

8 Ratzinger, J.: Die letzte Sitzungsperiode des Konzils (Konzil 4). Köln (1966), 33.

Ermutigung zum Aufbruch

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