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3. Widerstand der Kirchen

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Mit der Regierungserklärung Hitlers vom 23. März 1933 begann für beide Kirchen eine Parallelität der Entwicklung18, die sie auch ihre Zusammengehörigkeit entdecken ließ. In der Taktik entstanden aber Differenzen. Da Hitler die Macht der katholischen Kirche fürchtete, wollte er den religiösen von dem politischen Bereich trennen, ohne den Anspruch auf weltanschauliche Durchdringung aufzugeben. Darum ging der Kirchenkampf wesentlich um das Konkordat, um die Verteidigung „der Freiheit des Bekenntnisses und der öffentlichen Ausübung der katholischen Religion“. Da sich Hitler „als Katholik […] in die evangelische Kirche und ihre Struktur nicht hineinfinden“ konnte,19 spielten hier seine Paladine eine wichtige Rolle, obwohl das polykratische Kompetenzchaos auch bei der katholischen Kirche zu unterschiedlichen Ebenen der Auseinandersetzung führte.

Indem Pfarrernotbund und BK Glaube und Bekenntnis gegen ihre deutsch-christliche Auflösung verteidigten, war die erste Phase des Kirchenkampfes bis 1935 eine innerkirchliche, nur indirekt politische Auseinandersetzung. Die wesentlich von Karl Barth verfasste Theologische Erklärung der 1. Reichsbekenntnissynode in Barmen entfaltete Ende Mai 1934 das Bekenntnis zu Jesus Christus „angesichts der die Kirche verwüstenden und damit auch die Einheit der Deutschen Evangelischen Kirche sprengenden Irrtümer der Deutschen Christen“. Gegen die Gleichschaltung von Kirche und Staat betonte sie deren Unterscheidung, die ganz ähnlich 1935 der Münsteraner Bischof Clemens August Graf von Galen und 1942 Alfred Delp vertraten.20

Vor dem Anspruch des Regimes auf Durchsetzung der NS-Weltanschauung sicherten die Kirchen Räume der Dissidenz. Im katholischen Milieu21 konnten Angehörige der aufgelösten Verbände ein Netz von Kontakten aufbauen, in dem sich der Widerstand einzelner bilden sollte. Pfarrer der Bekennenden Kirche stärkten durch ihre Predigten regimekritische Bürger. Gegen das Regiment der Deutschen Christen (DC) beschloss im Oktober 1934 die 2. Reichsbekenntnissynode in Dahlem „Bruderräte“ für die „zerstörten“ Landeskirchen, die mit den „intakten“ Landeskirchen die Vorläufige Kirchenleitung (1. VKL) bildeten.

1935 begann die Konsolidierungsphase des NS-Regimes, während die Kirchen die einzigen nicht gleichgeschalteten, tendenziell widerständigen Organisationen waren. Darum betraute Hitler im Juli 1935 Hanns Kerrl mit den kirchlichen Angelegenheiten. Zur „Wiederherstellung geordneter Zustände“ sollten Kirchenausschüsse mit Vertretern von DC und BK die Reichs- und Landeskirchen leiten, welche der Staat seit März durch Finanzabteilungen kontrollierte; im Juni hatte er für den innerkirchlichen Rechtsstreit eine „Beschlussstelle“ eingerichtet. Nach dem Scheitern der Ausschusspolitik beauftragte der Staat 1937 die juristischen Leiter der kirchlichen Verwaltung mit der Kirchenleitung. Die Abwehr dieser Maßnahmen bestimmte die zweite Phase des „Kirchenkampfes“, der nur von der „konsequenten“ BK und der von ihr gebildeten 2. VKL für die Freiheit der Kirche gegen NS-Staat und Staatskirche geführt wurde.

Zur Verteidigung der Kirche kam der ideologische Widerstand von BK und katholischer Kirche gegen das „Neuheidentum“ und die „Entkonfessionalisierung des öffentlichen Lebens“. 1935 verstärkte Alfred Rosenberg seine Propaganda; maßgebliche Kreise der Partei, vor allem die SS unter Heinrich Himmler, propagierten „Neuheidentum“ und Kirchenaustritte, während Hitler betonte, dass „der nationalsozialistische Staat und die Partei mit der Werbung für eine germanische Religion nichts zu tun hätten“22.

Die katholischen Bischöfe legten einen ideologischen Widerspruch gegen das „Neuheidentum“ ein, weil „Kräfte der Finsternis am Werke sind, das Reich Gottes auf deutschem Boden zu zerstören.“23 Wegen des Totalitätsanspruchs der NS-Weltanschauung musste aber die Verteidigung der Glaubensfreiheit im Gemeinsamen Hirtenbrief vom 10. August 1935 politisch werden. „Wenn die Gesetze des Staates mit dem Naturrecht und den Geboten Gottes in Widerspruch geraten, gilt das Wort, für das die ersten Apostel sich geißeln und in den Kerker werfen ließen: ‚Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen‘“24. Die gleichzeitige Denkschrift an Hitler bezog sich aber nur auf den „Eindruck“, der NS-Staat „sei Träger und Schutzherr des neuen Heidentums“25. Während „der Propaganda des Heidentums der ganze parteiamtliche Apparat zur Verfügung steht“, würde den „Katholiken das Recht der Abwehr in Versammlungen und öffentlichen Kundgebungen nicht zugestanden“. Ähnlich klagte die BK, in ihrem „Glaubenswiderstand“ würde sie „geschmäht und verleumdet und in ihren Wirkungsmöglichkeiten durch den Einsatz von Machtmitteln behindert und eingeengt“26.

Die 1. VKL erklärte im Februar 1935: „In dieser neuen Religion wird das Verhältnis von Gott und Mensch umgekehrt. Der Mensch schafft Gott nach seinem Bilde.“27 Deutlicher warnte die Bekenntnissynode der Evangelischen Kirche der altpreußischen Union (EKapU) vor der „tödlichen Gefahr“ für „unser Volk“:28 „Wer Blut, Rasse und Volkstum an Stelle Gottes zum Schöpfer und Herrn der staatlichen Autorität macht, untergräbt den Staat.“29 Dieser „verliert seine Vollmacht, wenn er sich mit der Würde eines ewigen Reiches bekleiden lässt und seine Autorität zu der obersten und letzten auf allen Gebieten des Lebens macht.“ Diese Kritik ließ das Reichsinnenministerium als Angriff auf Staat und Partei verbieten, so dass die Verlesung zur Verhaftung von rund 700 Pfarrern führte.

Die deutlichste Äußerung der BK war das Schreiben der 2. VKL an Hitler vom 28. Mai 1936.30 Es wurde bei „Sittlichkeit und Recht“ politisch. Die Stimmenauswertung bei den Reichstagswahlen hätte den „Nutzen des Volkes über die Wahrhaftigkeit“ gestellt. „Das evangelische Gewissen, das sich für Volk und Regierung mitverantwortlich weiß, wird aufs härteste belastet durch die Tatsache, dass es in Deutschland, das sich selbst als Rechtsstaat bezeichnet, immer noch Konzentrationslager gibt und dass Maßnahmen der Geheimen Staatspolizei jeder richterlichen Kontrolle entzogen sind.“ Dieser „Denkschriftenwiderstand“ ging über den Kampf gegen die DC sowie den ideologischen Widerstand gegen das Neuheidentum hinaus.

Wegen der politischen Brisanz wurde die Denkschrift nur an Hitler geschickt. Als sie aber im Ausland veröffentlicht wurde, suchte die 2. VKL nach den Übermittlern. Diese inhaftierte der SD, ohne gegen die unterzeichnenden Mitglieder der 2. VKL vorzugehen. Ihre Information der Gemeinden ließ die politischen Spitzen der Denkschrift aus, betonte aber: „Christen sind schuldig, [der Obrigkeit] zu widerstehen, wenn von ihnen verlangt wird, was wider das Evangelium ist.“31 Da „der Kampf gegen Christus und seine Kirche […], versteckt und offen, immer schärfere Formen“ annahm,32 forderte selbst der Reichskirchenausschuss „eine durchgreifende Abstellung der gegenchristlichen Propaganda“33; aber am 12. Februar 1937 trat er zurück, da er Kerrls Vertrauen verloren hatte. Auf dessen Planung einer deutsch-christlichen Kirche antwortete Otto Dibelius mit einem Offenen Brief: „[S]obald der Staat Kirche sein und die Macht über die Seelen der Menschen und über die Predigt der Kirche an sich nehmen will, sind wir nach Luthers Worten gehalten, Widerstand zu leisten in Gottes Namen. Und wir werden das tun!“34 Damit war der Widerstand in statu confessionis begründet.

Der Kölner Erzbischof urteilte Anfang 1937, die NSDAP wolle „grundsätzlich und definitiv die Vernichtung des Christentums und insbesondere der katholischen Religion oder doch wenigstens ihre Zurückführung auf einen Zustand, der vom Standpunkt der Kirche mit Vernichtung gleichbedeutend wäre“35. Dieser Verschärfung entsprach am 14. März Papst Pius XI. mit der Enzyklika ‚Mit brennender Sorge‘. Gegen die NS-Ideologie betonte sie: „Wer die Rasse, oder das Volk, oder den Staat, oder die Staatsform, die Träger der Staatsgewalt oder andere Grundwerte menschlicher Gemeinschaftsgestaltung – die innerhalb der irdischen Ordnung einen wesentlichen und ehrengebietenden Platz behaupten – aus dieser ihrer irdischen Wertskala herauslöst, sie zur höchsten Norm aller, auch der religiösen Werte macht und sie mit Götzenkult vergöttert, der verkehrt und fälscht die gottgeschaffene und gottbefohlene Ordnung der Dinge.“36 Der naturrechtlichen Ordnung hat die „Grundlegung des Rechtslebens und der Rechtspflege“ zu entsprechen. Das NS-Regime wertete die Enzyklika als „offene Kampfansage“37, zumal ihre Verteilung zeigte, dass die Kirche über ein intaktes Netz der Information verfügte. Mit Genugtuung notierte Goebbels: „In der Kirchenfrage radikalisiert sich der Führer zusehendst.“38

Während Kardinal Bertram weiterhin auf Verhandlungen setzte, hielt eine Minderheit des Episkopats diese „für aussichtslos, wenn nicht verhängnisvoll“39 und wollte offensiv vorgehen. Als das Regime den Krieg mit dem Klostersturm zur Verschärfung des Kampfes gegen die Kirche und mit der Euthanasie-Aktion zur Aufkündigung des Rechtes nutzte, fragte sich Galen, „ob wir nicht mehr tun müssen als bisher.“40 Sein Gewissen verwies ihn trotz der Gefahren für die Kirche auf die „Flucht in die öffentlichkeit“. Nicht nur als „Fortführung des uns aufgezwungenen Abwehrkampfes“41, predigte der Bischof im Juli und August 1941 „als Verkünder und Verteidiger der von Gott gewollten Rechts- und Sittenordnung, die jedem einzelnen ursprüngliche Rechte und Freiheiten zuspricht, vor denen nach Gottes Willen alle menschlichen Ansprüche halt machen müssen“. Die Predigt gegen die Euthanasie zeigte die Gefahr für jedermann: „Wenn man den Grundsatz aufstellt und anwendet, dass man den ‚unproduktiven‘ Mitmenschen töten darf, dann wehe uns allen, wenn wir alt und altersschwach werden! […] dann wehe unseren braven Soldaten, die als Schwerkriegsverletzte, als Krüppel, als Invaliden in die Heimat zurückkehren!“42 Galen hielt dabei am Gehorsam gegenüber der NS-Obrigkeit fest; denn „wir Christen machen keine Revolution!“43

Als öffentliche Rede wirkte die Predigt stärker als die Briefe und Eingaben Alois Wurms, Michael von Faulhabers u.a. Am 30. Juli ordnete Hitler die offizielle Einstellung der Euthanasie und des Klostersturms an. Galen war sich mit Faulhaber einig, ein Bischof hat „nicht nur für die religiösen und kirchlichen Rechte in der Volksgemeinschaft einzutreten, sondern auch für die gottverliehenen Menschenrechte. Ohne Achtung für diese Menschenrechte muss die ganze Kultur zusammenbrechen.“44 Das war die Basis für die Bildung des Ausschusses für Ordensangelegenheiten im Sommer 1941, der sich zu einem Kern des Widerstandes entwickelte und entsprechende Vorlagen für den Episkopat lieferte.45 So sehr solche mutigen Äußerungen politisch wirkten und vom Regime verstanden wurden, sie waren Wahrnehmung des kirchlichen Amtes, weil ein „katholischer Bischof nicht schweigen kann, wenn es sich um die Erhaltung der sittlichen Grundlagen jeder öffentlichen Ordnung handelt“46. Aber auch bei Galen zeigten sich Grenzen. So betonte er im September 1941 zwar die ideologische Verwandtschaft von Bolschewismus und Nationalsozialismus, verwarf aber nicht die antibolschewistische Legitimation des Krieges.47

Als das gemeinsame Hirtenwort zu Menschenrechten und Rechtssicherheit am Einspruch Bertrams scheiterte, ließen es trotzdem mehrere Bischöfe im März 1942 in ihren Diözesen verlesen. Im Advent 1942 entfaltete der Berliner Bischof Konrad Graf von Preysing die Menschenrechte und forderte im Gespräch mit Moltke, das Naturrecht im Kreisauer Programm zu berücksichtigen. Der Einspruch gegen Entrechtung und Mord gipfelte im Dekalog-Hirtenbrief der deutschen Bischöfe vom 29. August 1943, dem im Oktober 1943 die „Auslegung des fünften Gebotes“ durch die Bekenntnissynode der EKapU entsprach. Diese Worte nannten auch die Ermordung der Juden, aber die Kriegsverhältnisse verhinderten eine größere Wirkung.

Für die Christen jüdischer Abstammung setzten sich katholische Kirche und BK eher ein; 1934 gründete die katholische Kirche ein Hilfswerk, die BK folgte erst 1938. Aber auch die „intakte“ hannoversche Landeskirche entließ die „nichtarischen“ Pfarrer. Aus der Ablehnung des Rassismus folgte nur bei Einzelnen Hilfe für die verfolgten Juden; die Denkschrift „Zur Lage der deutschen Nichtarier“ von Elisabeth Schmitz wurde 1935 nicht von der BK-Synode behandelt, um Konflikte zu vermeiden. Nach dem November-Pogrom gab es auch mutige Predigten, als aber deswegen Pfarrer Julius von Jan als „Judenknecht“ angegriffen wurde, fand er nicht die Unterstützung der württembergischen Kirchenleitung. Wegen seiner Abendgebete für die Juden wurde Dompropst Bernhard Lichtenberg 1941 denunziert; er starb zwei Jahre später auf dem Weg in das KZ Dachau.

Gerade die mutigsten Stimmen verweisen auf ein Dilemma der kirchlichen Proteste. Zweifellos forderte die Betonung der Grenzen staatlicher Macht das NS-Regime heraus, das sich aber dadurch eher bestätigt fand. Die „bisherigen Erfahrungen im kirchenpolitischen Kampf“ zeigten 1937, „Öffentlichkeit und Massenreaktionen [sind] die von der Partei gefürchtetsten Faktoren, denn in ihnen versinnbildet sich für die Partei am wirksamsten eine noch bestehende Begrenzung ihres universalen Machtanspruchs.“48 Aber nur in Einzelfällen erreichte man eine entsprechende Reaktion in den Gemeinden und der Bevölkerung. Galens Euthanasiepredigt konnte diese Schwelle überwinden, indem er von der Ermordung Behinderter auf das Schicksal verwundeter Soldaten schloss und damit einen existentiellen Nerv vieler traf. Sonst hatte „man“ sich mit dem Regime arrangiert.49

Die Kirchen hielten sich trotz einzelner Kontakte beim politischen Widerstand zurück, aber im Auftrag der BK entwarf der Freiburger Kreis wie der Ausschuss für Ordensfragen Pläne für die Zeit nach dem „Dritten Reich“. Als aber der Kreisauer Kreis 1942 für die Neuordnung „den bereits erfolgten Zusammenschluss von führenden Männern bestehend aus je einem Bischof“50 voraussetzte, erklärten sich Preysing oder andere Bischöfe nicht dazu bereit, während Wurm einwilligte. Auf dessen Zustimmung zum Attentat verzichtete jedoch Eugen Gerstenmaier, weil er „damit überfordert“ schien.51

Christen im Dritten Reich

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