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4. „Zwischen Geringschätzung und Wertschätzung“

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Gerhard Wachinger, geb. 1966

Aufgewachsen bin ich im Münchner Umland. Dort habe ich wiederholt eine homophobe Welt erlebt. Ich kann mich erinnern, dass ich in der vierten Klasse zu einem Mitschüler zärtlich war. Da wurde ich vor der Klasse bloßgestellt. Dass man nicht schwul sein darf, war also nicht nur in der Kirche so, sondern in der ganzen Gesellschaft. Später dann nach München zu ziehen und dort zu studieren, war für einen 20-Jährigen eine vielversprechende Aussicht.

Im Priesterseminar habe ich viel unterschwellige Homosexualität erlebt, die sich mir aber oft erst in der Reflexion erschloss. Explizit habe ich nichts erlebt. Mein Coming-out habe ich dann zum Anlass genommen, das Seminar zu verlassen und erst im Zivildienst, anschließend im Hauptstudium meine Identität zu entwickeln. Nachdem dies vorläufig geklärt war, habe ich die Ausbildung zum Pastoralassistenten abgeschlossen. Und während dieser erhielt ich bereits vereinzelt Unterstützung, zum Beispiel vom Ausbildungsleiter, der mich bestärkt hat, mit meinem Weg weiterzumachen. Der christliche Glaube hat mich immer in meinem „So-Sein“ bestärkt; homophobe Äußerungen hingegen haben mich nie vom Gegenteil überzeugt.

In den ersten Dienstjahren war es mir sehr wichtig zu spüren, dass ich auch als schwuler Mann willkommen bin. Deshalb habe ich Signale ausgesendet, die manche richtig gedeutet haben. Zum Beispiel hat ein Jugendlicher sich mir gegenüber geoutet, weil er sich von mir verstanden fühlte. Gleichzeitig wurde mir klarer, dass ich im kirchlichen Dienst nicht die Anerkennung finde, die ich brauchte. Ich musste und wollte sie mir dort suchen, wo dies ohne Verletzungen möglich war. Es brauchte integrierende Erfahrungen, die mich überhaupt im kirchlichen Dienst gehalten haben.

Seit meiner Aussendung 1994 bis zu ihrer Auflösung etwa sechzehn Jahre später war ich in einer Gruppe schwuler pastoraler Mitarbeiter, größtenteils Priester. Für mich war es sehr gut, dort zu spüren, wie das Ganze geht, welche Grenzen und Nöte es gibt. Das war immens wichtig, ein Teil dieser Gruppe zu sein. Ich habe die großen Ängste der Priester gespürt, einige sind sogar psychisch krank geworden. Mich hingegen hat diese Erfahrung ermutigt, einen queerGottesdienst zu gründen.

Im August 2000 war ich begeistert von der Queergemeinde in Münster und suchte bald darauf Mitstreiter für ein Projekt in München. Nach einigem Anklopfen wurde ich fündig, und so bereiteten wir 2001/02 vor, was im März 2002 zum ersten queerGottesdienst in München führte.

Dass anfangs um die 60 Leute, größtenteils schwule Männer, monatlich an den Stadtrand pilgerten, um an einer Abendmesse teilzunehmen, obwohl uns die Möglichkeiten fehlten, sie groß zu bewerben, war überaus ermutigend. Daneben war für mich die Erfahrung sehr wertvoll, wie die Kirchenleitung mit dem Thema umging. Statt Verboten gab es Gespräche mit Vertretern der Bistumsleitung, die ohne diesen konkreten Anlass wohl mit mir und mit uns nie stattgefunden hätten. Ich persönlich habe da eine Wertschätzung erlebt, die manches von der erlittenen Geringschätzung kompensiert hat.

Als nach sieben Jahren der queerGottesdienst infolge des räumlichen Zusammenlegens mit einer homophoben Nachbargemeinde aus dem Stadtteil vertrieben wurde, erlebten wir den Umzug in die Innenstadt als eine Aufwertung unseres Projekts. Die Gastfreundschaft in St. Paul und die „Approbation“ des Namens queerGottesdienst sind weitere Schritte zur Integration von LSBTI-Menschen in der Kirche.

Mittlerweile fühle ich mich als schwuler Mitarbeiter schon fast akzeptiert. Ich fremdele selbst noch etwas damit, wie sehr ich meine geschlechtliche Identität zum Thema machen soll. Noch immer fehlen mir Vorbilder. Ich schwanke zwischen „das ist mir zu persönlich“ und „alle dürfen es wissen“. So gehe ich einen etwas krummen Weg, von dem ich noch nicht recht weiß, was er noch bringen wird. Diese Unsicherheit ist aber eine wichtige Triebfeder, weiterzuarbeiten an einer Kirche, in der das Schwulsein zwar nicht „normal“, aber akzeptiert ist.

Katholisch und Queer

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