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Theologische Rede von Schuld und Vergebung als Täterschutz

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Katharina von Kellenbach

Sollte uns der Sprung in die große Macht nicht gelingen, dann wollen wir unseren Nachfolgern wenigstens eine Erbschaft hinterlassen, an der sie selbst zugrundegehen sollen. (J. Goebbels, letzter Tagebucheintrag; zit. in Speer 1975, 105–106)

Eine deutsche christliche „Theologie nach Auschwitz“ muss sich nicht nur dem Zeugnis der jüdischen Opfer und dem jüdisch-christlichen Dialog öffnen, sondern auch den theologischen und ethischen Fragen stellen, die sich aus ihrer personellen und ideologischen Nähe zu den Tätern nationalsozialistischer Mordprogramme ergeben. Im Folgenden soll die gescheiterte Strafverfolgung von NS-TäterInnen auf ihre Bedeutung für das christliche Reden von Schuld und Sühne, Vergebung und Gerechtigkeit befragt werden. Dabei nehme ich die kirchliche Stellungnahme gegen die alliierte Strafverfolgung der Kriegsverbrecher in Nürnberg, die Geheime Denkschrift der EKD von 1949, zum Ausgangspunkt meiner Analyse christlicher Theologie und Praxis, die „Versöhnung“ zum höchsten Gut erhob und dies politisch wirksam einsetzte.

Das christliche Paradigma von Schuldbekenntnis und Vergebung wurde 1945 zum öffentlichen Ritual der Selbstbezichtigung und Entschuldigung. Kirchliche Bekenntnisse „solidarischer Schuld“ gingen dabei Hand in Hand mit politischem Widerstand gegen die alliierte Entschlossenheit, NS-Verbrecher zu bestrafen und das öffentliche Leben zu entnazifizieren (Vollnhals 1989). Allgemeine Bekenntnisse der Schuld, so meine These, ersetzten die Verurteilung individueller TäterInnen. Statt auf dem Rechtsweg die Verantwortlichkeit fassbarer Individuen präzise festzustellen und angemessen zu ahnden, schützten unbestimmte kollektive Schuldbekenntnisse bestimmte Angeklagte. Ihre konkrete Strafverfolgung wurde aktiv vereitelt (Klee 1991). Christliche Vergebung im Glauben an Christi Sühnetod sollte auch ohne Buße, Sühneleistungen oder symbolische Akte der Wiedergutmachung gegenüber den Opfern möglich sein. Die herrschende christliche Versöhnungstheologie kam dem Interesse der TäterInnen, ihre Vergangenheit zu vergessen und ihre Verantwortung abzuschieben, entgegen. Christliche Versicherungen der Universalität der Sünde und der Gleichheit aller Sünder vor Gott verdeckten individuelle Zuständigkeiten, verbreiteten aber vage Schuldgefühle. Diese diffusen Schuldgefühle verstärkten sich insbesondere in der zweiten und dritten Generation, die ein Vermächtnis ungesühnter Verbrechen antreten mussten.

Von Gott reden im Land der Täter

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