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Das mittelalterliche Finnland als kulturgeografischer Begriff

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Nicht nur der Mittelalterbegriff als solcher, sondern auch der Begriff eines mittelalterlichen Finnland ist vielschichtig. In diesem Kapitel, das sich mit kulturellen Strukturen im Mittelalter beschäftigt, meint Finnland hauptsächlich die kulturelle und geografische Ganzheit, die im Wesentlichen den Raum der heutigen Republik Finnland umfasste. Im Mittelalter war das Finnland genannte Gebiet kleiner als das gegenwärtige Staatsgebilde, aber seine Grenzen lassen sich nur schwer genau bestimmen, weil sie sich im Laufe der Zeit veränderten. Das Finnland des Mittelalters ist als synonymer Ausdruck für die finnische Halbinsel zu verstehen, als die man Finnland geografisch gesehen auffassen kann. Wenn hier ohne weitere Erläuterung von mittelalterlichen Finnen die Rede ist, sind die Bewohner dieses kulturgeografischen Gebiets gemeint, die Finnisch oder richtiger verschiedene Mundarten des Finnischen sprachen. Als Urfinnen bezeichnen wir Menschen aus einem Zeitraum vor den Kreuzzügen und der historischen Zeit. Wenn wir von Einwohnern oder von der Bevölkerung Finnlands sprechen, schließen wir auch andere Volkgruppen ein, darunter solche, die nicht Finnisch sprachen.

Für die Kreuzzugszeit bedeuten Finnland und seine verschiedensprachigen Varianten (Finlandia, Finland, Fennia usw.) ein geografisch gesehen kleineres Gebiet, ungefähr das heutige Südwestfinnland, also die Provinz Varsinais-Suomi („eigentliches Finnland“). Entsprechend waren im damaligen Sprachgebrauch Finnen die Bewohner dieses Landstrichs im Unterschied zu denen der Provinz Häme im Binnenland und den Kareliern, die weiter im Osten die Karelien genannte Provinz bewohnten. Die außerhalb des Festlandes befindlichen Åland-Inseln waren wahrscheinlich schon vor den Kreuzzügen zur Wikingerzeit schwedisiert worden.

Die Schweden benutzten für die unter ihre Herrschaft geratenen, östlich des Bottnischen Meerbusens gelegenen Gebiete zunächst den Begriff „Ostländer“ (Österländerna); im 14. Jahrhundert bürgerte sich dafür die singularische Form „Ostland“ (Österland) ein, bis die Bezeichnung „Suomi“ (Finnland) zum Allgemeinbegriff wurde, wie heute zum Beispiel auch Holland auf die Niederlande verweist oder England für Großbritannien steht. Schon im 14. Jahrhundert meinte der Ausdruck „Finne“ alle Bewohner der Schweden eingegliederten finnischen Bereiche.


Carta Marina 1539

Zur Kreuzzugszeit bezogen sich die Begriffe Suomi und anderssprachige Bezeichnungen (Finlandia, Finland, Fennia usw.) auf ein geographisch kleineres Gebiet, etwa auf die heutige Provinz Varsinais-Suomi. Zu jener Zeit waren die Einwohner hier Finnen (suomalaiset) zur Unterscheidung von den hämälaiset, Bewohnern von Häme im Binnenland, und den Kareliern (karjalaiset) weiter im Osten. Die Karte zeigt die Wohngebiete der verschiedenen Stämme und deren typische Erwerbszweige.

Der Finnland-Begriff ist jedoch noch nicht einmal zum Ende des Mittelalters oder am Beginn der Neuzeit gefestigt zu nennen: In einigen Zusammenhängen reichte das als Finnland bezeichnete Gebiet bis zu irgendeinem Fluss im Norden, manchmal sogar bis zu den nördlichen Teilen des heutigen Schweden, während in anderen Fällen die nördlichen Regionen und außerdem die von schwedischsprachiger Bevölkerung bewohnten Küstengebiete im äußersten Winkel des Bottnischen Meerbusens ausgespart blieben. Ein Staatenwesen bezeichnete das Wort „Finnland“ im Mittelalter überhaupt nicht, denn offiziell handelte es sich um ein dem schwedischen Königreich untergeordnetes administratives und geografisches Gebiet. In der Rechtssprache schloss das Königreich nach schwedischer Auffassung auch die Finnen mit ein. Das mittelalterliche Finnland ist mithin ein wechselhafter Begriff, der in seinem jeweiligen Kontext zu interpretieren ist.

Da zur Ausgestaltung der frühfinnischen Gesellschaft kaum Dokumente vorliegen, bleibt unklar, ob die lokalen Gemeinschaften bereits in Provinzen organisiert waren und damals zum Beispiel schon über ein eigenes Rechts- und Verteidigungswesen verfügten. Spätestens im Verlauf der Kreuzzugszeit entstand und festigte sich jedoch in den finnischen Gebieten eine verwaltungstechnische Aufteilung in Provinzen, wie dies auch dem schwedischen System entsprach. Die zur Zeit der Kreuzzüge erkennbaren ursprünglichen Provinzen waren zumindest auf dem Festland der Größe nach wahrscheinlich umfangreicher als die späteren Provinzen. Es besteht jedoch keine genaue Kenntnis darüber, wann sich die Provinz Satakunta von Finnland löste und zu einem eigenen Gebilde wurde, das sich zur Provinz Varsinais-Suomi entwickelte. Häme bezog sich anfangs keineswegs nur auf das Binnenland, sondern umfasste auch Landstriche vom Bottnischen bis zum Finnischen Meerbusen. Im Mittelalter schrumpfte vor allem die Provinz Häme, als sich die Provinzen Ostbottnien an der Westküste, Uusimaa an der Südküste und Savo zwischen Häme und Karelien herausbildeten. 1323 ergab sich durch die Aufteilung der Interessensphären, dass der größte Teil Kareliens in russischen Besitz überging. Trotz aller Unklarheiten bezüglich des genauen Grenzverlaufs ergab sich durch die Grenzziehung auch die Trennung in Einflussbereiche der katholischen und der orthodoxen Kirche.

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