Читать книгу Interkulturalität - Hamid Reza Yousefi - Страница 5

Einleitung

Оглавление

Seit der Mitte des 20. Jahrhunderts wird in unterschiedlichen kulturvergleichenden und interkulturellen Studien der Versuch unternommen, Theorien zu entwickeln, um den gewandelten kulturellen Kontexten Rechnung zu tragen. Betrachten wir die Bandbreite der Theorien zum Thema „Interkulturalität“, so wird dieser Ausdruck unterschiedlich definiert:

Interkulturalität

als „Ende des Kolonialismus“,

als „eine Folge der Migrationswelle“,

als „eine Beziehung zwischen mehr als zwei Kulturen“,

als „Voraussetzung einer dritten gemeinsamen Kultur“,

als „eine Folge der Globalisierung“ oder

als „ein Denk- und Lebensweg“.

Eine Einführung zum Thema „Interkulturalität“ zu schreiben, wie es mit dem vorliegenden Studienbuch unternommen wird, ist deshalb keine leichte Aufgabe, weil sich die Ansätze zu diesem Gegenstandsbereich unterschiedlich darstellen lassen, ergänzen oder widersprechen, kreuzen oder begleiten, befruchten oder ignorieren.

Einigen dieser Theorien zufolge ist Interkulturalität eine „Modeerscheinung“ oder eine „vorübergehende Geisteshaltung“. Vertreter anderer Konzepte werfen ihr vor, sie sei „eine kulturdogmatische Richtung“, die „Kulturen als Kugelgestalten und separate Einheiten betrachtet“, oder ein „kulturrelativierendes Modell“, nach dem alles gleich gültig und gleich richtig zu sein scheint.

Einige Vertreter solcher Konzepte schlagen Multi- oder Transkulturalität als mögliche Alternativen zur Interkulturalität vor. Auch diese Theorien haben Konzepte entwickelt, um mit den gewandelten kulturellen Kontexten umzugehen. Von den Befürwortern der Interkulturalität werden diese als homogenisierend und leitkulturorientiert abgelehnt. Zudem gibt es eine Reihe von Konzepten zu interkulturellem Training, interkulturellem Marketing oder zu interkultureller Kommunikation und interkultureller Kompetenz, um die Praxis des „Dialogs der Kulturen“ auf unterschiedlichen Ebenen zu erleichtern. Auf die Fülle dieser oder ähnlicher Theorien soll nur am Rande eingegangen werden.1

Unser Anliegen ist es, eine Theorie der Interkulturalität erstmals, hier zunächst in der Form einer Einführung, umfassend zu formulieren und ihre Teilbereiche zu einem akademischen Fach zusammenzuführen. Dieses Fach hat eine klare erkenntnistheoretische Basis und erfüllt damit die Voraussetzung, systematisch in Lehre und Forschung einbezogen zu werden.

Die Notwendigkeit eines solchen Unternehmens gründet darin, dass Interkulturalität, und damit die interkulturelle Kommunikation, seit ihrer Entstehung im Kontext verschiedener Disziplinen thematisiert wird, die unterschiedlichen Voraussetzungen unterliegen. Zu erwähnen sind hier allen voran Soziologie, Ethnologie, Medienwissenschaft, Theologie, Psychologie, Germanistik (Deutsch als Fremdsprache) sowie Sprachwissenschaften, Pädagogik und Philosophie.

Die Wahrnehmung und Anerkennung der Interkulturalität als eines in sich zusammenhängenden Phänomens ermöglichen es, ihre akademische Heimatlosigkeit zu beenden und in der Zusammenführung der teils beachtlichen Leistungen unterschiedlicher Disziplinen oder Teildisziplinen eine Programmatik zu formulieren, die der Verständigung zwischen und innerhalb kultureller Kontexte und Traditionen theoretisch wie auch praktisch förderlich sein kann.

Interkulturalität umfasst als eine wissenschaftliche Disziplin unterschiedliche Teildisziplinen, vor allem die Theorie der interkulturellen Kommunikation, die selbst unterschiedliche Teilbereiche in sich vereint.

Die Analyse und Erläuterung dieser Teildisziplinen bildet ein Hauptanliegen dieses Studienbuches.

Zuerst soll ein kurzer Überblick über das gegeben werden, was zu erwarten ist: Dieses Studienbuch besteht aus fünf Themenbereichen. Zum Verständnis dessen, was Kultur ist, werden zunächst einige moderne Kulturkonzepte analysiert. Anschließend soll in die Struktur der Interkulturalität als akademischer Disziplin eingeführt werden. Es folgt die umfassende Erläuterung der Korrelatbegriffe interkultureller Kommunikation, Begriffe, die miteinander in Wechselbeziehung stehen. Zur Positionierung der Interkulturalität in der aktuellen Diskussion werden die Ansätze der Trans- und Multikulturalität vorgestellt. Eine solche Analyse soll deutlich machen, wo Konvergenzen und Divergenzen sowie Überlappungen zwischen den Theorien liegen und wie diese miteinander in Beziehung stehen.

Abschließend wird der Frage nachgegangen, warum interkulturelle Kommunikation oft nicht zum erhofften Ziel führt und mit einer Reihe von theoretischen und praktischen Hindernissen einhergeht. Erörtert werden Themen wie Funktionen von Macht und Gewalt oder die Geographisierung des Denkens, der zufolge das rationale Denken europäisch-westlich wird, während das mystisch-holistische Denken in anderen Regionen der Welt zu Hause sein soll.

Diese Einführung wendet sich vorwiegend an die Studierenden der Sozial-, Geistes- und Kulturwissenschaften, zu denen nicht zuletzt auch die Philosophie gehört, sowie an die kommunikations- und sprachwissenschaftlichen Disziplinen, die mit den Diskursfeldern der Interkulturalität in einem Zusammenhang stehen. Sie wendet sich aber auch an den interessierten Laien, der beruflich oder privat seine Kenntnisse über das kulturell Andere erweitern und vertiefen möchte.

Das Arbeiten mit diesem Buch

Dieses Studienbuch kann helfen, die theoretischen und praktischen Dimensionen der Interkulturalität kennenzulernen und mit diesem Wissen die Begegnung mit dem Anderen angemessen zu meistern.

Für die Verdeutlichung der Gesamtproblematik der interkulturellen Kommunikation haben wir zwei Familien miteinander vermischt, die aus unterschiedlichen kulturellen Kontexten stammen. Diese als Tauschfamilien gekennzeichneten Patchworkgruppen begleiten uns durch das gesamte Lehrwerk hindurch.

Weil nicht alle Dimensionen der Begegnung dieser Tauschfamilien diskutiert werden können, wird eine wichtige Aufgabe der Leserinnen und Leser darin bestehen, sich in die Situation entweder der einen oder der anderen Tauschfamilie hineinzuversetzen sowie in diesem Sinn Partei zu ergreifen und zu argumentieren.

Für die Studierenden ist es erforderlich, sich in ihrem Kurs in zwei Gruppen zu unterteilen und dabei die Rolle der Tauschfamilien einzunehmen. Dies setzt eine aktive Auseinandersetzung mit den Kulturregionen unserer Patchworkgruppen voraus.

Um die Inhalte übersichtlich zu gestalten, wird der Text durch Orientierungskästen mit Definitionen, Hervorhebungen, Beispielen, Fragen, Zusammenfassungen und Übungsaufgaben sowie mit Abbildungen und Marginalien strukturiert. Die Abbildungen sind unterschiedlich gerastert bzw. ungerastert:


Die gerasterten Begrenzungslinien, wie bei Kultur A, visualisieren die Offenheit einzelner Sachverhalte und artikulieren die interne Pluralität einzelner Bereiche sowie ihre teilweisen Durchdringungen und deren externe und interne Antagonismen. Wo hingegen, wie bei Kultur B, keine Rasterung verwendet wurde, wird auf eine geschlossene Abgrenzung verwiesen.

Für wertvolle Anregungen und Hinweise wissenschaftlicher, methodischer sowie didaktischer Art bleiben wir Heinz Kimmerle, Dieter Senghaas und Dieter Gernert zu Dank verpflichtet. Unser Dank gilt auch Michael Klemm, der uns Impulse für die Realisierung dieses Buchprojektes gegeben hat, und den Studenten, die uns motiviert haben, dieses Studienbuch zu schreiben, und die uns mit ihren kritischen und weiterführenden Kommentaren manch guten Hinweis zur Abfassung dieses Buches gegeben haben. Für die gute Zusammenarbeit mit dem Verlag, vor allem mit Frau Stephanie von Liebenstein, möchten wir an dieser Stelle herzlich danken.

Hamid Reza Yousefi und Ina Braun Koblenz, im Oktober 2010

Interkulturalität

Подняться наверх