Читать книгу Tante Daffis Haus - Hannah Opitz - Страница 5

Weihnachten daheim

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Luna hatte doch recht lange gebraucht, bis sie zuhause ankam. Es war bereits dunkel. Da die Stadt in den Bergen war, lag auch ein wenig Schnee. Genau genommen war der Schnee der Grund gewesen, dass Luna erst so spät kam. Eigentlich hatte sie schon vor Stunden ankommen wollen, aber ein unerwartetes Schneegestöber hatte zu einer verlängerten Anreise geführt.

Seufzend stellte sie ihren kleinen Koffer vor der Haustür des Hauses ihrer Großtante Daphne ab. Von innen hörte sie Gelächter und leise Weihnachtsmusik. Die Fenster waren alle hell. Luna nahm sich ein Herz und klingelte. Sie war schon etwas länger nicht hier gewesen. Fast zwei Jahre, um genau zu sein.

Die Haustür wurde geöffnet. Ein kleines Mädchen schaute sie mit großen Augen an.

„Mami!“, rief sie dann aufgeregt, „Mami, es ist Luna!“ Sie schien sie von einem der zahlreichen Fotos, die ihre Eltern von ihr hatten, zu kennen.

Sofort kam ihre Mutter herbei. „Liebes, wie oft soll ich dir denn noch sagen, dass du die Haustür nicht alleine öffnen sollst! Es könnte wer weiß wer vor der Tür stehen und dich vielleicht entführen!“, behauptete Clema und nahm das Mädchen hoch.

„Hallo Liebling, komm doch rein!“, wandte sie sich dann an ihre älteste Tochter.

„Hallo Mama! Das wievielte Kind ist sie denn noch mal?“, erkundigte Luna sich und deutete auf das Mädchen.

„Nummer acht. Die Liebe ist vor ein paar Monaten vier geworden, nicht wahr? Ja, und jetzt erkundigt sie alles, was sie erreichen kann! Komm doch rein, leg deine Sachen ab, der Rest wartet schon“, meinte Clema und machte die Tür hinter Luna wieder zu.

Eine wohlige Wärme umgab Luna. „Zuhause!“, dachte sie seufzend, „Endlich wieder daheim!“

Kaum hatte sie sich auch nur zehn Sekunden in der Empfangshalle befunden, kam auch schon ein gemischtes Rudel Kinder auf sie zu gestürmt. „Luna, Luna!“, riefen sie alle und umarmten sie gleichzeitig.

„Hallo zusammen! Oh, erdrückt mich bitte nicht!“, bat sie ihre vielen Geschwister, die sich irgendwie von Jahr zu Jahr vermehrten, sodass sie schon vollkommen den Überblick verloren hatte, wer wer war.

„Ihr habt sie gehört, Kinder! Lasst eure Schwester bitte erst mal in Ruhe, ja? Sie muss sich bestimmt noch von der anstrengenden Reise erholen! Louis, nimmst du bitte deine Schwester mit hoch, ja? Danke, Liebling!“, kommandierte Clema ihre Rasselbande. Enttäuscht gehorchten die Kleinen.

„Oh, Mann! Täusche ich mich, oder werden das immer mehr?“, wollte Luna entsetzt wissen.

„Du täuschst dich nicht! Es ist jedes Jahr dasselbe. Im Januar werde ich schwanger und im September, Oktober oder November kommen die Kinder. Dabei haben wir doch so wenig Zeit! Aber dein Vater lässt ja, was so was angeht, nicht mit sich reden! Er ist der Ansicht, je mehr Kinder, umso besser. Ja, immerhin muss er die Kinder ja nicht hüten! Das bleibt dann an mir, Kaljena und Mama hängen! Clanin und John helfen uns auch ab und an mal, zum Beispiel, wenn ich gerade an der Uni bin. Dein Vater hat ja genug zu tun“, erzählte Clema.

„Wie kannst du dir bloß die ganzen Namen merken?“, fragte Luna entsetzt.

„Das kann ich ja nicht, das ist doch das Problem! Ich komme mir vor wie eine Rabenmutter, wenn ich andauernd die Namen meiner Kinder verwechsle!“, erwiderte ihre Mutter.

Luna lachte. „Du bist keine Rabenmutter, Mama! Du bist die Beste!“, erklärte sie und umarmte ihre Mutter erst mal richtig.

„Ach, Kind! Schön, dass du wieder da bist!“, meinte Clema lächelnd und betrachtete ihre Tochter.

In diesem Moment trat jemand aus dem hellerleuchteten Wohnzimmer. „Luna?“, fragte die Frau mit strahlenden Augen, „Kind, lass dich ansehen! Bist du gewachsen?“

Luna lachte. „Nein, Oma Clanin, ich bin erwachsen geworden! Immerhin werde ich nächstes Jahr 20, dann bin ich sogar eine vollwertige Hexe!“, erwiderte sie.

Clanin betrachtete ihre älteste Enkelin noch eine Weile entzückt, dann fragte sie: „Wollt ihr nicht wieder reinkommen? Die anderen fragen schon, wo ihr bleibt!“

„Die Anderen? Wer ist denn noch alles da?“, wollte Luna wissen.

„Ach, lass dich überraschen, das wirst du ja eh gleich erfahren!“, erwiderte Clema abwinkend und führte ihre Tochter ins Wohnzimmer.

Und wie voll es da war! Hauptsächlich Familie. Lunas Tanten und Onkel mütterlicherseits waren da, ihre Großeltern mütterlicher- und väterlicherseits, die Hausangestellten Kaljena, Manissara und Franklin und natürlich ihre Großtante Daphne mit ihrer Tochter Gerda, die Beide schwerelos zwischen den Gästen schwebten.

Luna schauderte es bei dem Gedanken, dass Gerda nie erfahren konnte, wie sich das Leben eigentlich anfühlte, Immerhin war sie, genau wie ihre Eltern Daphne und Franklin, gewissermaßen tot. Oder eben untot, wie es so schön hieß.

„Luna, Liebes!“, rief ihr Vater erfreut und umarmte sie, „Was musste ich von dir hören? Hat dir wirklich ein Seelenfresser versucht, die Seele auszusaugen?“

Luna nickte irritiert. Also hatte Elias es ihm erzählt! Na, der konnte was erleben, wenn sie ihn das nächste Mal sah!

Aber da war er ja auch schon, wie ihr auffiel, er hatte direkt neben ihrem Vater gestanden, als sie reingekommen war. Bei ihm standen auch seine Eltern.

„Was denn?“, fragte Luna gespielt irritiert, „Mama und Frederik Zahnmeister in einem Raum und es gibt keine Tote? Ich bin ja so was von enttäuscht von euch!“

Es folgte ein allgemeines Gelächter, was die Atmosphäre erhellte. Im Gegensatz zu ihrer Mutter hatte Luna nämlich noch nicht Waffenstillstand geschlossen und es lagen immer Spannungen in der Luft, sobald sie und Elias Zahnmeister im selben Raum waren – egal, ob sie sich sahen oder nicht.

Elias Zahnmeister seinerseits beobachtete sie vorsichtig.

Nachdem Luna sich mit allen Anderen, einschließlich seiner Eltern, einmal unterhalten hatte, nahm sie ihn am Arm und erklärte nachdrücklich: „Wir müssen reden!“

Sie zog ihn nach draußen, auf die Terrasse.

Sie hatten sich seit dem Zwischenfall mit Professor Dean nicht mehr gesehen.

„Was ist denn?“, wollte er schließlich genervt wissen, als sie nur stumm vor ihm stand und gerade am Herumrätseln war, ob sie seinen inzwischen recht breit gewordenen Oberkörper attraktiv, oder ihn, aufgrund des gesamten Typs, einfach nur abstoßend fand.

Sie raffte ihre Gedanken zusammen und fuhr Elias dann an: „Was fällt dir eigentlich ein, meinem Vater von diesem kleinen Zwischenfall zu erzählen?“

Er lachte auf. „Klein? Du nennst das klein, Prinzessin? Du wärst dabei fast draufgegangen, um nicht zu sagen: Im Grunde warst du bereits tot, als ich reinkam! Ich dachte, das würde deinen Vater interessieren!“

„Ja, aber wie stehe ich denn jetzt da?“, wollte sie von ihm wissen.

„Nun – ich habe ihm nur erzählt, dass der Angriff des Seelenfressers dich so sehr geschockt hat, dass du nicht mehr dazu gekommen bist, dich zu verteidigen. Dennoch war er froh, dass ich noch rechtzeitig dazwischengehen konnte“, erzählte er.

„Und? Was meinte er noch? In Bezug auf mich?“, hakte sie besorgt nach.

„Nun – er – er meinte, jemand sollte ein Auge auf dich werfen, wenn du an unserer Uni bist, dass dir nichts passiert. Und auch – vielleicht so generell“, erklärte er.

„Was meinst du mit „so generell“? Hat mein Vater das wirklich gesagt?“, fragte Luna misstrauisch.

Er schluckte. „Nun – er meinte, er – er will dir vielleicht – einen der Leibwächter beiseite stellen“, erklärte er mit trockenem Mund.

„Was?“, fragte sie entsetzt. Diese Nachricht gefiel ihr nicht.

Elias nickte.

„Nein, das glaube ich nicht! Das kann er doch nicht ernst meinen! Und – ab wann soll das dann anfangen, mit dem Schutz?“, wollte sie ungläubig wissen.

„Nun – ab morgen oder so. Je nach dem, wann du abreist“, erklärte er leise.

Sie lachte auf. „Und das denkst du dir gerade auch nicht aus?“, hakte sie nach.

Er schüttelte den Kopf.

„Und – an wen hat er da so gedacht? Ich meine ja nur – wer soll dann mein Aufpasser werden?“, war ihre nächste Frage.

„Naja, er – er d-dachte da an – nun ja – mich“, stotterte er etwas.

„Was?“, fuhr sie ihn an.

Er nickte. „Ja, Prinzessin, leider ja“, sagte er leise.

„Das glaube ich nicht! Das glaube ich einfach nicht!“, behauptete sie und zog wutentbrannt zurück ins Wohnzimmer.

„Papa!“, rief sie.

„Luna?“, erwiderte er ruhig.

„Ich muss mal ein ernstes Wörtchen mit dir reden!“, erklärte sie lautstark.

Er nickte. „Entschuldigt ihr uns mal kurz?“, bat er ihre Gäste.

Draußen in der Halle legte sie auch gleich zischend los: „Was fällt dir eigentlich ein? Elias Zahnmeister! Ich meine – ich kann es ja noch verstehen, wenn du mir einen Leibwächter aufhalsen willst – aber – es ist Elias! Papa, warum denn ausgerechnet der?“

Ihr Vater seufzte. „Ich weiß, er ist noch nicht ganz fertig, aber er ist gut. Sehr gut sogar. Er lernt auch fleißig. Und, dass er dich beschützen kann, hat er ja wohl schon bewiesen, oder? Außerdem mögt ihr euch ja auch“, erklärte er ruhig.

„Mögen? Wir uns? Ich den? Nie im Leben! Ich hasse ihn! Er ist der schlimmste Mensch auf diesem ganz Planeten!“, behauptete sie, sich vor Wut fast vergessend.

„Schatz, ich kann ja verstehen, dass du etwas aggressiver bist, als sonst, aber jetzt übertreibst du doch etwas!“, meinte er vorwurfsvoll.

„Übertreiben? Ich? Nein, weißt du was? Wenn der und ich länger als einen Tag aufeinander hocken, dann – dann wird es bald Tote geben, das garantiere ich dir!“, behauptete sie.

„Ach! Wir hätten euch schon einen ganzen Tag lang zusammen einsperren sollen, als ihr noch Kinder wart! Als Erwachsene seid ihr ja noch störrischer! Er hat sich auch sofort beschwert! Wäre ich nicht sein König, hätte er überhaupt nicht zugesagt. Außerdem glaube ich nicht, dass ihr euch umbringen würdet“, erklärte er lächelnd, als wüsste er mehr.

Das machte Luna nur noch wütender. „Ach echt?“, schrie sie, „Na, dann pass mal auf! Aber, wenn es am Ende doch so eintreten wird – und du weißt, wer gewinnen würde – dann ist das nicht meine Schuld, denk dran!“

Er schüttelte lachend den Kopf.

Wütend stürmte sie wieder nach draußen, um sich in der kühlen Luft abzukühlen.

„Alphaweibchen kurz vor der Ranzzeit“, meinte ihr Vater nur kopfschüttelnd zu sich selbst und ging wieder ins Wohnzimmer.

„Und? Hast du mehr erreicht, Prinzessin?“, wollte Elias wissen.

„Gott, nein!“, schrie sie.

„Hör mal, ich bin ja auch nicht besonders begeistert von der Sache, aber du musst dich doch nicht gleich so aufregen!“, behauptete er.

„Nicht aufregen? Ich? Pah! Das ist doch überhaupt alles nur deine Schuld! Hättest du meinem Vater nicht von dem Vorfall erzählt, müsste ich jetzt nicht eine Ewigkeit mit dir verbringen!“, erwiderte sie, ihn zornig anfunkelnd.

„Ha! Von wegen! Hättest du mehr auf das gehört, was dein Vater dir beigebracht hatte, dann hätte ich dir doch gar nicht erst helfen müssen! Überhaupt – wie wäre es denn mal mit einem Dankeschön? Immerhin habe ich dir das Leben gerettet!“, protestierte er, nicht minder zornig.

„Darauf kannst du lange warten!“, knurrte Luna angespannt und machte sich zum Sprung bereit. Sie würde ihm zur Not an die Kehle springen!

„Woll'n wir wetten?“, erwiderte Elias, ebenfalls eine angespannte Haltung annehmend.

Keine zwei Sekunden später sprangen sie sich in ihren Wolfsgestalten an. Er warf sie als erstes zu Boden woraufhin sie aufheulte – es klang mehr nach einem Quietschen –, sich aufrappelte und unter ihm weg auf den mit Schnee bedeckten Rasen flüchtete.

„Na, warte, ich kriege dich schon noch!“, behauptete er knurrend und hechtete ihr nach.

Sie rannten eine Weile ausgelassen durch den Schnee, jagten einander und schließlich rannte sie in den Wald.

Er zögerte erst noch etwas, doch dann folgte er ihr. Das Zögern war sein Fehler, denn jetzt hatte er sie verloren. Doch nicht ganz. Er schnupperte. Ihr süßlicher Duft lag noch ganz frisch in der Luft. Sie war hier irgendwo in der Nähe.

Angespannt und leise lauerte sie ihm auf. Dann wackelte sie etwas mit ihrem Hinterteil und sprang ihn dann aus heiterem Himmel an. Der Angriff endete in einer Rangelei über eine kleine Lichtung, wobei sie nach einer gewissen Zeit die Oberhand gewann.

Triumphierend stand sie über ihn gebeugt. Er lag auf dem Rücken. Ihr Atem roch nach verfaulten Eiern, aber sein Mundgeruch war auch nicht betörender.

„Siehst du? Ich gewinne halt doch immer!“, behauptete sie grinsend, was in dieser Gestalt äußerst komisch aussah. „Für einen Außenstehenden mag es vielleicht anders aussehen“, dachte sie sich, in Anbetracht der Tatsache, dass sie bei ihren letzten Rangeleien grundsätzlich immer die scheinbare Verliererin war, „aber er hat zuvor nur immer gewonnen, weil ich ihn gelassen habe! Immerhin bin ich eigentlich die Stärkere! Und das weiß er auch!“

Herausfordernd starrten ihre türkisgrünen Wolfsaugen ihn an.

Plötzlich fiel ihm was ein. „Nun, in dieser Gestalt habe ich freilich keine Chance gegen dich, Prinzessin, aber wie sieht es denn in dieser Gestalt aus?“, erwiderte er und verwandelte sich zurück in seine menschliche Gestalt.

Er lag noch immer unter ihr und es wäre ihr in dieser Situation ein leichtes gewesen, ihn zu töten, und sie war auch kurz davor, einfach nur aus Trotz, weil sie ihrem Vater beweisen wollte, dass er sich irrte. Doch dann stellte sie fast schon erstaunt fest, dass er recht hatte. So sehr sie es sich auch wünschte, sie wäre nie in der Lage gewesen, ihn zu töten.

Um ihm letztlich doch noch eine Chance zu geben, seine Ehre zu retten, verwandelte sie sich nun auch wieder zurück.

„Bitte! Versuch doch, ob du aus meiner Gewalt wieder heraus kommst!“, meinte sie herausfordernd. Er grinste leicht. Oh, wie sie dieses Grinsen hasste! Und zugleich – es brachte ihr Herz dazu, höher zu schlagen.

Es dauerte keine zehn Sekunden, da hatte er sie auch schon herum gerissen und saß nun auf ihren Bauch.

„Mpf!“, machte sie, er war recht schwer, es war ein unangenehmes Gefühl.

„Ich höre?“, sagte er und beugte sich ganz dicht zu ihr runter.

Ihr Herz raste. „Dankeschön“, flüsterte sie.

„Hm? Was hast du gesagt, Prinzessin?“, wollte er herausfordernd wissen.

„Dankeschön!“, rief sie, dann wieder in normaler Lautstärke: „Danke, dass du meine Seele wieder mit meinem Körper vereint hast und mein Leben gerettet hast, OK? So, und jetzt geh runter von mir, das tut weh!“

„Oh!“, machte er erschrocken, offensichtlich war er sich seiner Massivität nur halb bewusst und sprang auf. Dann reichte er ihr seine Hand und half ihr hoch.

Allerdings mit so einem starken Ruck, dass sie wieder ins Taumeln geriet und er sie festhalten musste.

„Oh, entschuldige bitte, Prinzessin, das war wohl etwas zu“, er verstummte.

Luna hätte schwören können, so nah wie jetzt waren sich ihre Gesichter und sie selbst generell noch nie gekommen. Erschrocken blickten sie sich kurz in die Augen und dann flohen ihre Blicke wieder auseinander. Sein Blick schien über sie hinweg zu gehen, immerhin hatte er wohl noch einen enormen Wachstumsschub bekommen und überragte sie jetzt mit einem Kopf. Währenddessen blieb ihr Blick, da sie ja nun so viel kleiner als er war, an seinem Kinn hängen.

Dann wanderte ihr Blick langsam hoch zu seinem Mund. Sollte sie? Sie war sich nicht sicher. Auch er schien sich unwohl zu fühlen, aber dennoch blieben sie noch eine Weile in dieser seltsamen Umarmung.

Vorsichtig kamen sich ihre Münder – nun hatten sie wieder Augenkontakt aufgenommen – immer näher, bis sie schließlich schwören konnte, fast schon seine Lippen zu schmecken. Aber dennoch küssten sie sich nicht. Zu viel Angst hatten sie beide davor. Das passte doch nicht zu ihnen! Sie hassten sich doch!

Nach einer Weile, in der sie so verharrten, meinte Luna schließlich: „Mir ist kalt! Lass uns zurück gehen!“

Er nickte und ließ sie los.

„Wer als Letztes am Haus ist, ist ein lahmer Wolf!“, rief sie dann, um die ernste Stimmung von eben aufzulösen und preschte in ihrer Wolfsgestalt voran.

Er folgte ihr lachend.

„Was meinst du, machen die Beiden da draußen?“, fragte Clema besorgt, als sie ihren Mann in der Küche, die ein Fenster zur Gartenseite hin hatte, entdeckte.

„Es sind Jungwölfe. Sie werden spielen“, erwiderte er ruhig.

„Dellis, also ich weiß ja nicht“, meinte sie ängstlich. „Sie sind doch so wild! Wenn einem von ihnen nun was passiert? Immerhin hat Luna ja gesagt, dass es Tote geben könnte.“

Dellis lachte auf. „Aber Schatz, das glaubst du doch nicht wirklich?“, wollte er vorwurfsvoll wissen.

„Ich weiß nicht recht. Es ist Luna. Sie ist sehr temperamentvoll, aber das brauche ich dir ja nicht zu sagen“, erklärte sie ihre Bedenken.

Ihr Mann nickte. „Ich weiß!“, seufzte er, „Aber die Zwei lieben sich nun mal.“

Clema sah ihn zweifelnd an. „Also ich weiß ja nicht – muss ich dich erst daran erinnern, dass sie sich einmal auf dem Schulhof so sehr ineinander verbissen hatten“

„Ja, ich weiß! Aber sie sind nun einmal Werwölfe. Bei uns funktioniert das alles etwas Anders als beim Rest der Welt. Wir sind nicht immer zärtlich zueinander!“, unterbrach er sie.

„Aber du hast mich noch nie so angegriffen, wie die Beiden sich!“, warf Clema ein.

Dellis nickte. „Ja, natürlich nicht! Du bist ja auch kein Werwolf!“, erwiderte er, „Aber Luna und Elias sind beide Werwölfe!“

„Und diese ständigen Kämpfe sind dann also Wahrzeichen ihrer Liebe oder was?“, fragte Clema wütend.

Er schüttelte den Kopf. „Bloßes Kräftemessen!“, erklärte er.

„Ja, aber er gewinnt doch immer!“, protestierte sie.

„Aber doch nur, weil sie ihn lässt!“, behauptete Dellis.

„Aber wieso lässt sie ihn gewinnen? Das verstehe ich nicht!“, erwiderte seine Frau.

„Ich fürchte, das weiß sie selbst noch nicht so genau. Aber ich weiß es. Sie demonstriert damit eine gewisse Unterwürfigkeit. Sobald eine Werwölfin das bei einem Werwolf macht, ist klar, dass die Beiden ein Leben lang zusammenbleiben werden“, erklärte er.

Clema lachte auf. „Meinst du?“, fragte sie.

Er nickte. „Das ist bei uns so. Wer weiß, was die da im Wald machen? Vielleicht werden wir demnächst Großeltern?“, meinte er.

„Ach, bloß nicht! Es ist ja nicht so, dass wir das Haus bereits randvoll hätten!“, meinte sie. Lachend umarmte er seine Frau.

„Ha! Ich bin Erste! Wer ist hier wohl der lahme Wolf?“, rief Luna jubelnd, als sie am Haus angekommen waren.

Elias blieb lachend und keuchend vor ihr stehen. „Ja, Prinzessin, du bist die Erste!“, erklärte er.

„Wieso nennst du mich überhaupt ständig Prinzessin? Das hast du doch sonst nicht gemacht!“, war Luna mehr als verwundert.

Er grinste. „Aber du bist doch eine Prinzessin!“, erklärte er.

„Ja, das schon“, stimmte sie ihm zu, „aber wir kennen uns doch schon so lange! Außerdem klingt „Du“ und „Prinzessin“ echt doof!“

Elias lachte. „Wie Ihr wünscht, Euer Hoheit!“, erwiderte er und verbeugte sich.

Sie sah ihn strafend an. „Dann lieber du“, meinte sie und reichte ihm ihre Hand. Er küsste sie. Sie spürte, wie ein warmes Kribbeln von ihrer Hand aus ihren gesamten Körper durchzog. Schnell zog sie ihre Hand wieder zurück.

„Hätte nicht gedacht, dass du das wirklich machen würdest“, erklärte sie leise.

Er lächelte. „Wieso denn nicht? Es ist so Brauch, der Prinzessin die Hand zu küssen! Erst recht, wenn sie einem dann auch noch so demonstrativ hingehalten wird“, erwiderte er.

Sie wurde rot. „Lass uns reingehen“, meinte sie.

Er nickte.

Als sie nach einer gefühlten Ewigkeit noch immer in derselben Position dastanden, schlug sie vor: „Geh du doch schon mal vor, mir ist noch so warm, ich muss mich erst noch abkühlen!“

Er nickte wieder nur. „Wie du be – ähm, meinst, Prinzessin!“, meinte er und verabschiedete sich mit einer leichten Verbeugung.

Luna war noch verwirrter als zuvor, als er weg war. Sehnsüchtig dachte sie an die Szene im Wald zurück. Ach, hätte er sie nur geküsst! Oder sie ihn? Aber, wie es schien, war er der Rangordnung mehr untergeben, als sie gedacht hatte.

Tante Daffis Haus

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