Читать книгу Tante Daffis Haus - Hannah Opitz - Страница 6

Die Bar

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Ihr Vater hatte seine Drohung wahr gemacht. Die nächsten Tage wich Elias ihr wie ein Schatten nicht mehr von der Seite. Da aber nichts Besonderes, sie Bedrohendes, geschah und Elias immer Rückmeldungen an ihren Vater schicken musste, wurde er kurz vor Neujahr „abgezogen“.

Es war bereits Ende Januar und sie hatte ihn knapp einen Monat nicht mehr gesehen. Auch, wenn sie das niemals zugegeben hätte, aber sie vermisste ihn. Und ihr war entsetzlich langweilig ohne ihn. Nächsten Monat würde sie im Studentenwohnheim der Uni im Veilchenviertel einziehen, wo ihr Vater der Präsident war.

Die Schule, an der er zusätzlich noch Rektor war, bestand im Grunde aus mehreren Schulen. Es gab eine Grundschule, wo Luna ja eine der ersten Schüler überhaupt gewesen war, eine Mittelstufe, die sie allerdings, genau wie die Oberstufe, nicht besucht hatte, und eben die Universität. Ob der Staat von diesen Schulen und der Universität wusste, wusste sie nicht. Aber es war ihr auch egal.

Da sie sich in ihrer Wohnung zu sehr langweilte – ihr Noch-Freund war ja immerhin noch in England – beschloss sie, in eine Bar, die sich ganz in der Nähe ihrer Wohnung befand, zu gehen.

Es war allerdings weniger eine Bar, sondern mehr eine Disco, aber das kam ja auf dasselbe raus: Es waren viele Menschen da, die sich besoffen und gut gelaunt waren – in der Regel zumindest.

Aber Luna war nicht ganz so allein, wie sie sich das gewünscht hätte.

Bereits als sie reinkam, fiel er ihr auf. Elias war wieder da. Wer weiß – vielleicht war er nie weg gewesen? Sie warf ihm einen genervten Blick zu, aber er schien sie gar nicht zu sehen.

Entschlossen ging sie in seine Richtung, sprach aber, nicht allzu weit von ihm entfernt, einen anderen jungen Mann an.

„Hi!“, sagte sie lächelnd, „Ich bin Luna! Und wer bist du?“

„Ich? Tut mir leid, du bist so schön, du hast mein Hirn so sehr verblendet, dass ich soeben alles vergessen habe!“, erwiderte er flirtend.

Luna lachte und warf ihren Kopf in den Nacken.

„Du bist süß, willst du mir deine Nummer geben?“, fragte er zwinkernd.

„Aber sicher! Ich könnte dir auch noch ganz andere Nummern zeigen!“, behauptete sie kokett.

Sein Gesicht überflog ein schwer einzuordnendes Grinsen, das aber verflog, als er jemanden erblickte.

„Entschuldige bitte, aber ich fürchte, die Kleine hat etwas zu viel getrunken!“, behauptete Elias und nahm Luna bei der Hand.

„Hab ich nicht! Ich habe noch gar nichts getrunken!“, protestierte sie.

„Ja, das mag ja sein, aber sie ist leider minderjährig. Und Sie wollen doch keine Anzeige von ihrem Vater, einem im Übrigen sehr einflussreichen Mann, bekommen, oder?“, erwiderte Elias, an den jungen Mann gewandt.

Dieser schluckte. „Nein?“, sagte er unsicher.

Elias nickte. „Komm mit!“, zischte er Luna zu. Er zerrte sie durch den Hintereingang nach draußen.

„Was sollte das?“, fuhr sie ihn an.

„Dasselbe könnte ich dich fragen, Prinzessin!“, erwiderte er, nicht minder wütend.

„Der Typ war voll süß!“, behauptete sie und zeigte auf die Tür.

„Ach! Und was denkst du, wird er tun, wenn er herausfindet, was du bist?“, erwiderte Elias.

„Das ist doch egal!“, erwiderte Luna schmollend.

„Egal, egal, egal! Dich interessiert aber auch gar nichts!“, regte er sich auf.

„Doch, mich hat dieser süße Junge da drinnen interessiert! Aber das konntest du ja nicht zulassen, dass ich mal ein bisschen Spaß habe! Herrgott nochmal, ich brauche keinen Aufpasser!“, schrie sie ihn an.

„Tz! Aufpasser! Pah! Das war doch nur Zufall, dass wir hier sind!“, erwiderte Elias.

„Wir?“, wiederholte Luna verwirrt.

Er nickte.

Etwa zur selben Zeit, allerdings noch an der Bar, saßen zwei Männer da und tranken jeder ein Bier.

„Und du glaubst, das klappt?“, wollte der eine Mann wissen.

„Mit Sicherheit! Hast du nicht gesehen, wie sehnsüchtig er sich das Feuerwerk an Silvester angesehen hat? Ich wette, bei ihr war es genauso. Diese kleine Auszeit hat ihnen bestimmt gut getan. Naja, was heißt gut, ich meine – naja, du weißt schon“, erwiderte der andere Mann.

„Dellis, bist du dir wirklich sicher? Ich meine – die Beiden haben sich doch schon immer gestritten und das war eben ja auch nicht anders!“, protestierte wieder der erste Mann.

Dellis lachte. „Sie sind Werwölfe. Werwölfe in der Ranzzeit. Und, dass sich die Beiden streiten, ist doch gut. Sie sind halt beide sehr temperamentvoll und sehr leidenschaftlich. Das müsstest du doch eigentlich auch wissen, Freddy! Mal davon abgesehen – es fängt doch schon mal gut an! Immerhin hat er sie davon abgehalten, mit einem anderem Mann zu flirten“, erklärte Dellis.

Freddy seufzte. „Aber, dass sie mit einem anderen Mann geflirtet hat, zeigt doch schon“

„Dass sie ihn eifersüchtig machen will, genau! Hast du ihren Blick gesehen, als sie reinkam? Er war das Erste, was ihr ins Auge gefallen war. Aber, statt ihn zu ignorieren und sich möglichst weit weg von ihm aufzuhalten, ist sie schnurstracks in seine Richtung und hat den nächstbesten Jungen angebaggert. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, sie sind beide mehr Wolf als sonst was!“, unterbrach Dells ihn.

„Also ich weiß ja nicht!“, war Freddy sich noch unsicher.

In diesem Moment kam eine Frau auf die beiden Männer zu.

„Clema, Liebling! Was gibt’s Neues?“, wurde sie von Dellis empfangen.

„Ich bin ihnen etwas nachgegangen und habe gelauscht. Es scheint so, als würden sie sich wieder streiten. Er hat ihr erzählt, dass wir auch hier sind. Sie ist jetzt wirklich sehr wütend“, erzählte Clema.

„Na, dann kann es ja nicht mehr lange bis zur Aussöhnung dauern! Ich sag es euch: Noch vor Morgendämmerung werden wir Großeltern werden!“, behauptete Dellis.

„Aber bitte nicht zu bald!“, schaltete sich eine weitere Frau ein.

„Hallo Liebling!“, sagte nun Freddy und gab seiner Frau einen Kuss.

„Was soll das heißen? Spioniert ihr mir jetzt nach oder was?“, fuhr Luna Elias gerade an.

„Nein, wieso sollten wir das tun?“, erwiderte er empört.

„Weil du sonst nichts kannst!“, erklärte sie geradeheraus.

„Wie bitte?“, fragte er beleidigt.

„Jawohl! Du kannst nichts! Deshalb willst du ja Leibwächter werden, weil es für einen Ministerposten nie gereicht hätte!“, behauptete sie und funkelte ihn an.

„Jetzt reicht es mir!“, schrie er und verwandelte sich in einen Wolf.

Darauf hatte sie gewartet. Schnell tat sie es ihm nach.

Unruhig umschlichen sich die beiden Wölfe.

„Du nimmst das zurück!“, knurrte er.

„Niemals!“, knurrte sie.

„Doch, das wirst du!“, behauptete er und setzte zum Sprung an.

Anstatt dem entgegenzusetzen, kauerte sie sich auf den Boden und merkte nur ansatzweise, wie ihr Schwanz sich ganz seltsam zur Seite stellte. Ihm war es aber scheinbar auch nicht aufgefallen.

Ängstlich spürte sie, wie er sie am Nacken packte. Sie bewegte sich nicht. Dann – ein, zwei Stöße an ihrem Hinterleib – war es das, was sie dachte, was es war?

Entsetzt verwandelte sie sich wieder in ihre menschliche Gestalte und drehte sich schnell auf den Rücken. Er hatte ihr Genick bei der Verwandlung freundlicherweise losgelassen. Sie gab ihm eine Ohrfeige. Sofort verwandelte auch er sich zurück.

„Was zur Hölle war das?“, fragte sie ihn mit blitzenden Augen.

„Ich – ich habe nicht die geringste Ahnung, wirklich! Es – es kam einfach so über mich! Wirklich, Prinzessin, es tut mir leid! Es wird nie, nie wieder vorkommen, versprochen!“, beteuerte er, nicht minder geschockt als sie.

Er wollte sich erheben, doch sie hielt ihm am Hemd fest. Sie grinste. „Du findest mich sexy, gib es doch zu! Du willst mit mir schlafen und mich die gesamte Zeit über küssen! Und du kannst nichts dagegen tun!“, zog sie ihn auf.

„Verdammt, hast du damit recht!“, erwiderte er nur und küsste sie.

Und was für ein Kuss das war! Luna fühlte nichts mehr, außer diesem Kuss.

Er stand auf und hob sie hoch, ohne, dass ihre Lippen voneinander ließen.

„Wo geht es jetzt noch mal zu deiner Wohnung?“, fragte er zwischen ihren Küssen.

„Hab ich vergessen!“, flüsterte sie und küsste alles, was sie von ihm erwischen konnte.

„Ich glaube, es war da lang“, meinte er. Aber auch seine Konzentration war aufs Äußerste gestört. Es gab nur noch diesen einen Gedanken...

„Sex! Ich sage euch, die haben heute noch den wildesten Sex ihres Lebens!“, behauptete Dellis.

Sie saßen noch immer an der Bar.

„Bist du dir sicher?“, wollte nun auch Clema wissen.

„Aber sicher bin ich mir sicher! Ich kann nur hoffen, dass das alles Werwölfe werden, sofern sie in der Wolfsgestalt Kinder gezeugt haben. Alles Andere könnte bei der Geburt sehr schwierig werden“, meinte er nachdenklich.

„Wie meinst du das?“, fragte Janina, Frederik Zahnmeisters Frau, die vor einigen Jahren von einer äußerst schlimmen, in der Regel tödlich verlaufenden Krankheit befallen wurde. Allerdings wussten sie davon Abhilfe zu schaffen: Clemas Mutter, die ja kein Urvampir war, hatte sich bereit erklärt, sie zu beißen. Seither war sie ein Vampir. Dass Salida kein Urvampir war, war deshalb wichtig, da Janina somit auch nicht zu ihrer „Sklavin“ werden konnte, das funktionierte nur bei Urvampiren.

„Nun – bei normalen Werwölfen läuft das so ab: Die Gestalt bei der Geburt eines kleinen Werwelpen ist abhängig von der Gestalt seiner Mutter bei der Zeugung. In der Regel ändert sich diese Gestalt – sollte es die eines Wolfes sein – nach Neumond wieder. Ist es nun aber kein Werwolf, und die Mutter war bei der Zeugung aber in Wolfgestalt, wird es zu einer Frühgeburt kommen, da sich nicht nur die Gestalt anpasst, sondern auch die Dauer der Schwangerschaft. In der Regel bei Wölfen nur zwei Monate. Wir müssen also Daumen drücken!“, erklärte er.

„Also ich bezweifle ja noch immer, dass sie was miteinander anfangen!“, erwiderte Freddy kopfschüttelnd.

„Doch, doch!“, meinte Dellis.

„Aber warum gerade jetzt?“, warf Clema ein.

„Nun – ehrlich gesagt hat es mich gewundert, warum nicht schon früher? Ich meine – gut, sie haben sich seit fast zehn Jahren oder so nicht mehr richtig gesehen, geschweige denn ein Wort miteinander gewechselt, da ging das ja nicht.

Aber Werwölfe sind schon viel früher geschlechtsreif als andere Wesen. Deshalb hatten wir uns ja, nachdem sich die Streitereien und so weiter immer mehr häuften und sich vor allen auf den Winter polarisierten, darauf geeinigt, die Kinder auf verschiedene Schulen zu schicken, da wir alle vier keine Lust hatten, Teenagereltern als Kinder zu haben.

Aber jetzt sind sie erwachsen. Es wäre fast schon eine Sünde, sie weiter zu trennen. Wir Werwölfe verlieben uns nun nur einmal im Leben – aber dann so richtig! Wir können zwar uns selbst und andere täuschen, aber es gibt nun einmal nur die eine, ganz große Liebe – und Treue bis in den Tod“, erzählte Dellis.

„Das hört sich ja alles schön an, Liebling, aber ich glaube, ich sehe lieber trotzdem nach, ob sie noch leben“, erwiderte Clema bestimmt.

„Ich komm mit!“, beschloss Janina sofort.

Die Männer nickten und tranken aus. Bezahlt hatten sie schon. Also gingen sie raus.

Aber es war weit und breit niemand zu sehen.

Dellis schnupperte. „Riecht ihr das?“, wollte er wissen.

„Oh, ja!“, erwiderte Freddy und schüttelte sich.

„Was? Was denn?“, wollten Clema und Janina wissen.

Die Männer schüttelten sich.

„Der süßeste Duft, den ich je gerochen habe!“, behauptete Freddy.

Dellis nickte. „Ja, allerdings!“, behauptete er.

„Was für ein Duft?“, hakte seine Frau genervt nach.

„Wenn Werwolfweibchen in die Ranzzeit kommen, werden sie immer aggressiver, das hast du ja gemerkt. Das geht so lange, bis sie schließlich einen verführerischen Duft verströmen, genau wie bei den echten Wölfen eben. Das macht die Werwolfmänner so was von verrückt. Hui! Ja, das ist sehr intensiv, hier! Puh! Lasst uns weiter gehen! Einfach dem Geruch nach!“, meinte er, sich frische Luft zu wedelnd.

„Ach das ist das! Ich dachte erst, es wäre Parfüm oder so etwas!“, stellte Janina erstaunt fest.

Clema nickte. Sie liefen einfach immer dem Geruch hinterher. Irgendwann waren sie bei dem Haus angekommen, in dem sich Lunas Wohnung befand. Dellis wollte eintreten.

„Halt! Ihr wollt da doch nicht wirklich hochgehen?“, fragte Clema entsetzt.

Janina schüttelte den Kopf.

„Doch! Du auch, oder?“, wandte sich Dellis an Frederik.

Dieser nickte.

„Komm, wir lauschen! Ich will wissen, ob ich recht hatte!“, meinte Dellis entschlossen.

Nur wenige Minuten später waren sie wieder unten.

„Und?“, wollte Clema mit einem vorwurfsvollen Blick wissen.

„Ich hatte recht“, meinte er nur knapp und wollte gehen.

„Sind sie sehr laut?“, hakte Janina vorsichtig nach. Wollte sie das überhaupt wissen?

„Kann man so sagen“, antwortete ihr Mann nickend.

Die Frauen schluckten. So etwas hätten sie ihren kleinen, lieben Kindern niemals zugetraut!

Tante Daffis Haus

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