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Kapitel 3. Im Dorf der Wikinger

3.1.

Auch wenn Alf unter dem Schutz von Hagan steht, so merkt er sehr schnell, dass dies eine rauhe Gesellschaft ist.

Es gibt hier andere Kinder, größere Kinder.

Weil Alf über Nacht in diese Gruppe aus Menschen gekommen war, ist es nur natürlich, dass die Jungen und Mädchen dieser Sippe austesten, wie weit sie gehen können.

Alf ist zwar erst drei, aber er ist ein Fremder.

Schon am ersten Morgen erhält er einen unsanften und schmerzhaften Stoß mit einem Ellbogen, der ihn von den Füßen hebt und umwirft.

Knut ist ein Enkel von Hagan, und er grinst über das ganze Gesicht. Das ist also doch nur ein läppischer Junge. Da ist nichts elfenhaftes.

Er stößt Ode an, der ein Jahr älter ist. Ode grinst, und als er das nächstemal an Alf vorbeigeht, fährt er den Ellbogen aus. Dieses mal ist Alf gewappnet. Er hat das kommen sehen, und er wird von diesem “Nichts” beschützt. Das “Nichts” schenkt ihm ein Energiefeld, und Ode schreit vor Schmerz auf, als er in dieses Energiefeld greift. Er wird halb herumgerissen, verliert das Gleichgewicht und fällt um.

Knut fängt plötzlich an zu lachen. Da hat sich Ode aber blöd angestellt. Ode rappelt sich auf und geht auf Knut los. Da brüllt Alvin dazwischen, der Vater von Knut und Ode. Wenn sie sich prügeln wollen, dann gefälligst vor dem Haus. Hier in der Halle des Druiden herrscht Anstand.

Für Alf ist das neu.

Er geht mit nach draußen, wo sich Ode und Knut jetzt in den Haaren liegen. Ode ist der ältere und Knut hat keine Chance. Schließlich mischt sich Hagan ein. Schluss jetzt, bestimmt er. Prügeln ist gut, das macht Kerle aus euch, aber erzählt mir erst mal, worum es hier eigentlich geht.

Eine verlegene Stille entsteht. „Na los doch“, donnert Hagan und Ode beichtet.

Hagan sieht zu Alf. „Komm doch mal her“. Er fasst ihn an den Händen, sieht ihm in die Augen und fragt. „Verstehst du mich? Kannst du das bestätigen, was Ode eben gesagt hat?“

Alf, der zu Hause gelernt hat, dass er Rücksicht auf andere nehmen muss, befreit sich von Hagan und er stellt sich vor Ode, mit dem Rücken zu ihm. „Ode ist schon in Ordnung“, sagt Alf. Er spürt instinktiv, dass Ode ihn erneut schubsten will, und ein jetzt völlig unsichtbares Energiefeld baut sich um Alf auf, und lässt Ode die Haare zu Berg stehen.

Auch Knut spürt diese Energie, und ihn fröstelt urplötzlich, und nun sagt der dreijährige Knirps etwas ungewöhnliches. „ich bin in deine Familie gekommen“, sagt er zu Hagan. „Du hast mich aufgenommen, wie dein eigenes Kind. Knut und Ode sind für mich jetzt wie Geschwister, und ich habe gelernt, meine Geschwister zu beschützen.

Mehr muss ich dazu nicht sagen.“ Naja, ganz so sind die Worte nicht. Alf sagt das mit den Worten, die er als Dreijähriger hat, aber der Sinngehalt ist klar. Er will hier keinen Streit. So wie er unter dem Schutz von Hagan steht, so würde der kleine Knirps auch seine großen „Geschwister“ beschützen.

Hagan lacht schallend auf. Die Situation ist einfach zu komisch. Seine großen Enkelkinder liegen unter dem Schutz dieses Knirpses. Er erfasst aber auch den Sinn der Worte. In seiner Sippe gilt das auch. Die Familie ist alles. Man hat untereinander manchmal Streit, aber man steht gegen Gefahren von außen wie ein Mann.

Auch die anderen Mitglieder der Sippe fangen an zu lachen, und dann steht Hagan auf.

Er winkt seine Enkelkinder zu sich. „Kommt doch einmal her zu mir“. Er sieht die Enkelkinder an und meint, „was dieser Knirps gesagt hat, das könnte auch aus meinem Mund stammen. Benehmt euch anständig. Wenn es einen wirklich ernsten Grund gibt, dann streitet, aber macht Schluss mit solchen Lapalien. Ihr solltet diesem Jungen ein Vorbild sein.“ Er sieht die beiden Jungs durchdringlich an. „Unterrichtet ihn. Nehmt ihn unter eure Fittiche, und hört auf mit diesem kindischen Unsinn.“

Am Nachmittag, als Alf müde wird, nimmt ihn Mona mit auf ihr Lager. Mona ist die Schwester von Ode und Knut, und sie ist schon sieben. Sie legt den Arm um Alf und Alf spürt, dass von Mona keine Gefahr droht. „Schlaf ein wenig“, sagt Mona, aber sag mir, wie du das gemacht hast.“

Sie hatte diesen Energiestrom deutlich gespürt, der Ode zu Fall gebracht hatte. Alf seufzt, kuschelt sich an Mona, und sagt leise. „Ich weiß nicht. Mama kann das auch.“ Das war das erste mal, dass Mona hört, dass dieser Knirps von seiner Mutter spricht, aber als sie nachfragen will, ist Alf schon eingeschlafen.

Wenige Tage später brechen die Jäger erneut auf. Dieses Mal kommen sie mit Beute zurück.

Sie schleppen einen Elch und sie tragen die Körper von fünf Wölfen. Fleisch ist kostbar. Auch das Fleisch der Wölfe würde gutes Fleisch geben und Kraft schenken.

Einen Elch hat Alf noch nie gesehen. Er nähert sich diesem riesigen Tier vorsichtig, und begutachtet ihn. Dann dreht er sich zu den Wölfen um und umarmt den ersten toten Wolf.

Er sieht sich um, und die Männer sehen, dass Alf weint. Jodan geht zu Alf hin und legt den Arm um ihn. „Was ist, was macht dich so traurig?“ Alf sieht Jodan mit seinen nassen Augen an, dann wischt er sich energisch die Tränen aus dem Gesicht. „Das waren meine Brüder“, erklärt er bestimmt.

Als Jodan das ihrem Mann in dieser Nacht erzählt, nickt er bedächtig. „Ich spüre, das in diesem Kind etwas Besonderes steckt. „Vielleicht wird dieses Kind uns eines Tages beschützen.“

Wenige Wochen später ist ein besonderes Ereignis. Fast die gesamte Sippe klettert diesen schmalen Pfad hinauf zu dem heiligen Hain. Es ist in den Abendstunden. Sie tragen Fleisch und selbstgebrautes Bier, und als sie oben ankommen, werden die Kinder ausgeschickt, um Feuerholz zu sammeln. Es gibt in der Sippe viele Kinder und die Aufgaben sind klar umrissen. Die Kinder haben Pflichten, und dazu gehört es auch, Feuerholz zu sammeln. Die Männer rammen einen Pfahl in den Boden, und einer der Knechte wird an den Pfahl gebunden. Er wehrt sich, aber Hagan tritt zu ihm und spricht energische Worte.

Der Mann verstummt. Alf steht zu weit weg, und er kann nicht hören, was Hagan sagt. Dort im engeren Kreis um diesen Pfahl sind nur die Krieger der Sippe zugelassen. Mona hält Alf an den Schultern fest. „Wir Kinder müssen Abstand halten, wenn die Alten reden“, sagt sie bestimmt.

Die Männer schichten das Holz zu einem Berg.

Die Sonne geht gerade hinter dem Berg unter, und Hagan beginnt jetzt zu reden. Es sei ein besonderes Jahr. Sie hätten Glück und Erfolg gehabt, aber nun würde die lange Zeit des Winters einbrechen. Es sei jetzt an der Zeit Odin, Thor, und Freya für ihre Güte zu danken.

Noch etwas sei geschehen. Odin hätte ihnen eine Elfe geschickt, und sie würden ihm für dieses Geschenk jetzt etwas zurückgeben.

Alf sieht fragend zu Mona, aber die hält ihn an den Schultern fest, und schüttelt leicht mit dem Kopf. „Warte“, sagt sie leise.

Hagan nimmt jetzt einen Schluck von dem Bier.

Auch die andern Krieger der Sippe trinken einen Schluck aus den Lederschläuchen, und sie zündeten jetzt Fackeln an und beginnen um den Holzhaufen zu tanzen.

Sie trinken immer wieder kleine Schlucke. Sie singen, und der Tanz wird rhythmischer. Die Frauen beginnen im Takt zu singen, sie beginnen jetzt rhythmisch zu klatschen. Während die Sonne untergeht und der Himmel langsam seine Helligkeit verliert, tanzen sich die Männer in Trance. Die Frauen stehen um sie herum und stampfen mit den Füssen. Die Kinder bleiben hinter den Frauen, im äußeren Kreis. Dann flammen weitere Fackeln auf. Um die tanzende Schar der Männer brennt jetzt ein großer Kreis aus Fackeln. Die Männer singen, die Frauen klatschen und stampfen. Auch sie geraten in Trance, und dann wird eine der Fackeln an Hagan weitergereicht.

Der Mann in der Mitte schreit mittlerweile wie am Spieß, aber das Schreien ist kaum zu hören, so laut sind die Gesänge und der stampfende Rhythmus.

Alf ist inzwischen müde, aber er ist auch gebannt von diesem Schauspiel. Irgendwie entzieht sich seiner Wahrnehmung, dass der Mann in der Mitte vor Angst und Panik schreit. Dann wandern weitere Fackeln in die Hände der Männer, und plötzlich entsteht eine Stille, in der sich jetzt deutlich das Angstgeschrei des Mannes ausbreitet.

Plötzlich wird Alf bewusst, was jetzt geschehen wird.

Hagan geht auf den Haufen zu, und er ruft, dass das Opfer jetzt vollbracht werden müsse. Gabe gegen Gabe. Dann steckt er die Fackel in den Holzhaufen und brennt ihn an. Die andern Männer treten von allen Seiten an den Haufen und stecken die Fackeln hinein. Der Scheiterhaufen beginnt zu brennen und lodert in den Himmel. In dem Geknister und Geknacke des Feuers geht das Geschrei des Mannes jetzt unter.

Die Männer nehmen jetzt wieder Schlucke aus ihren Schläuchen und setzen ihren Tanz fort.

Mona hatte Alf fest an den Schultern gepackt. Er kann sich nicht rühren, aber der dreijährige Knirps versteht deutlich, dass dort ein Mensch bei lebendigem Leib verbrannt wird, und das nur, weil Alf zu den Wikingern gekommen war. Die Tränen laufen ihm nur so herunter.

Während sich die Menge immer mehr in Trance tanzt, klappt Alf zusammen. Er bekommt es nicht mehr mit, dass er von zwei Händen in die Höhe genommen wird und auf ein Lager gebracht wird.

Es ist seine Amme Josefa, an deren Brust er nun schläft, aber in dieser Nacht wacht Alf mehrfach auf und schreit. Ein Schein bildet sich um Alf und erfasst auch Josefa. Erst als sie ihm die Brust erneut gibt, schläft Alf endgültig ein und findet Ruhe.

3.2.

Am nächsten Tag wird die rituelle Sonnwendfeier fortgeführt. Dieses Mal ist das Fest anders. Alf spürt jetzt, dass die großen Steine und die Stäbe nach einem ganz bestimmten Muster angeordnet sind. Er sieht die langen Schatten, die sie werfen, als die Sonne aufgeht. Er hört die Beschwörungen, und am Abend ist die ganze Gesellschaft wieder in Trance gesoffen.

In dieser Nacht wacht Alf auf, und er beginnt Josefa leise auszufragen. Ja, das sei so, Josefa sei nun schon einige Jahre hier in diesem Dorf, das Leben sei hart, aber sie hätte einige Vergünstigungen. Sie selbst sei aus einer großen Ebene, die sich jenseits des Meeres ausbreitet, und sie wäre vor einigen Jahren verschleppt worden. So genau weiß sie schon gar nicht mehr, wann das war. Sie war noch ein junges Mädchen gewesen, und sie hätte jetzt schon drei Kinder zur Welt gebracht. Nur heiraten, das dürfe sie hier nicht, und sie sei froh, dass Hagan sie ausgewählt hatte, die Amme für Alf zu spielen.

Alf versteht vieles nicht, was Josefa erzählt, aber er hört ihr geduldig zu, so wie er früher Mama immer zugehört hatte, wenn sie ihm Geschichten erzählte.

Am nächsten Tag geht die ganze große Gruppe ins Dorf zurück.

Soviel begreift Alf, dass er in eine Gesellschaft gekommen war, in der die Erwachsenen bestimmen, was getan wird, und dies ist ganz anders, als das, was er aus Berlin kennt.

Er seufzt und bittet Josefa, ihm noch oft solche Geschichten zu erzählen.

3.3.

Hagan ist nicht nur der Anführer des Dorfes, er ist auch der Schmied. Die Männer des Dorfes bringen ihm manchmal ihre Schwerter. Die werden dann geschliffen oder in Holzkohle erhitzt und mit Hämmern bearbeitet. Es scheint eine ganz besondere Kunst zu sein.

Hagan hat in einiger Entfernung des Dorfes ein zweites Haus, und einen durch Palisaden abgegrenzten Bereich, und er macht aus seiner Kunst ein großes Geheimnis.

Er stellt auch Helme her und eisenbeschlagene Schilde. Die sind so schwer, dass Alf die nicht anheben kann. Nicht einmal mit den Schwertern gelingt ihm das.

Die Männer des Dorfes haben ein Boot, das vorne und hinten einen hochgezogenen Drachenkopf hat. Es gibt Ruder und es gibt einen Mastbaum und ein Segel, und jetzt kommen neue Männer und sie bringen eine ganze Ladung an Schwertern mit, die Hagan beginnt zu bearbeiten. Sie werden umgeschmiedet und geschliffen, und das Gehämmere und das Geklingel hallt durch die ganze Bucht.

Auf Befragen von Alf erklärt Josefa, dass die Männer Kontakt zu anderen Familien haben, die alle an der Küste oder auf Inseln leben. Sie würden im Sommer viele Waffen von Beutezügen mitbringen. Hagan wiederum gälte als großer Schmied und Zauberer. Seine Schwerter seien begehrt. Er würde seinen eigenen Zauber in die Schwerter fließen lassen, so dass sie unzerbrechlich werden würden.

Alf sieht Josefa an. „So etwas gibt es?“

Josefa nickt überzeugend, aber sie sagt leise. „Du darfst nur nicht erzählen, dass du das von mir weist. Ich darf über diese Dinge nicht reden, und ob die Schwerter wirklich unzerbrechlich sind, das weiß ich nicht.“

Alf sieht Josefa wieder an. Sie ist inzwischen so etwas wie eine Mutter für ihn geworden. Gewiss, er braucht diese Muttermilch nicht wirklich, aber er genießt die Wärme und Geborgenheit, die von dieser Frau ausgeht. Er kennt auch ihre drei eigenen Kinder. Die beiden älteren üben im Haus die Dienste von Knechten und Mägden aus, obwohl sie noch sehr klein sind. Das sei nun einmal so, erklärt Josefa.

Instinktiv spürt Alf, dass er Josefa sogar beschützt, solange sie ihm die Brust gibt.

Solange sie ihn stillt, gilt sie als unentbehrlich. Alf hat noch deutlich die Bilder des Scheiterhaufens im Kopf, und er fragt Josefa direkt, ob dort auch Frauen verbrannt werden. Josefa meint nur, er solle sich darüber nicht den Kopf zerbrechen, aber Alf ist jetzt klar, dass Josefa verboten worden war, darüber zu reden.

3.4.

Es ist nicht so, dass Alf seine neue Familie als Belastung empfindet. Hagan gilt im Dorf als weise. Mit den Enkelkindern von Hagan hat Alf ein gutes Verhältnis. Es gibt noch mehr davon.

Hagan hat sieben Kinder und vier davon haben schon ein eigenes Langhaus, das sie zusammen bewohnen. Solche Langhäuser bieten mehreren Familien Platz. Die Dorfbewohner finden das richtig, in einer engen Dorfgemeinschaft zu leben. Immer wieder ziehen einzelne Gruppen los. Männer bringen Fleisch, Frauen bringen Beeren, Pilze und Kräuter. Es gibt viele davon.

Einige werden aufgekocht und als Tee getrunken, andere dienen als Gewürz oder als Medizin.

Hagan ist offenbar ein großer Medizinmann. Er hat viele dieser Kräuter in seinem Besitz, und er wird bei Krankheiten gerufen.

Zu Mona hat Alf ein besonderes Verhältnis. Sie lehrt ihn, dass die Kinder miteinander nicht nur raufen, sondern auch zusammen lernen. Es gibt viele Dinge. Es gibt Webrahmen, die nur von den Frauen bedient werden. Manchmal brechen die Frauen auf, ziehen in die Hochebenen, und kommen mit Bergen einer Pflanze zurück, die jetzt gerupft und gedreht wird, bis sie zu langen Fäden versponnen ist. Daraus weben die Mädchen und Frauen Hemden, und die sind offenbar sehr begehrt.

Josefa erzählt Alf, dass die Männer auf ihren Reisen solche Hemden mitnehmen. Sie werden sie in anderen Teilen der Welt eingetauscht gegen Dinge, die für sie wichtig sind. Salz, Bernstein, Gold, Glas, Zinn und Erz.

Hagan hat solche Glasgefäße. Für Alf ist das eben nur Glas, auch wenn das besonders bunt, und schön verziert ist, aber Glas ist in seinem Leben nichts Besonderes. Hier gilt Glas als wertvoll. Nur die Erwachsenen dürfen das in die Hand nehmen.

Die Kinder trinken aus Zinn- oder Holzbechern.

Es gibt aber auch allerlei Steine und verschiedene Figuren, die im Hause von Hagan als besonders wertvoll gelten.

Die Kinder tuscheln manchmal, aber sie dürfen das nicht anfassen.

Im Hause des Hagan gibt es viele Gebote und Verbote.

Auch wenn die Kinder miteinander spielen, balgen und kämpfen, gibt es viel Arbeit, von morgens bis abends. Auch Alf wird mit seinen drei Jahren in diese Arbeiten einbezogen.

„Wer hier essen will, der muss auch arbeiten“ hatte Hagan bestimmt.

Alles ist hier anders als in Berlin. Was in Berlin eher spielerisch war, um den Kindern die Welt aufzuschließen, das ist hier durch einen anderen Rhythmus geprägt. Man kann nirgendwohin gehen und ein Pfund Mehl oder ein Kilo Äpfel kaufen. Alles muss erst mühsam beigeholt werden. Wenn die Frauen in die Pilze oder in die Kräuter gehen, nehmen sie auch Knechte und Mägde mit, und die werden bis zum Zusammenbrechen bepackt.

Jetzt im Herbst gehen die Männer auch zum Holz machen. Jedes dieser Langhäuser hat einen gemauerten Ofen. Die Männer gehen mit Äxten fort und die Knechte schleppen viele Meter Holz ins Tal.

Alf ist noch zu klein, um mitgenommen zu werden, aber er sieht diese vielen Meter Holz, die sich jetzt hinter dem Haus auftürmen. Wird es hier sehr kalt“, fragt er Josefa, und die nickt.

„Sehr kalt.“

Im Sommer laufen die Kinder barfuß, aber Alf sieht bei den Nordmännern eine Art grober Schuhe, die mit Lederriemen an den Beinen festgebunden werden, und er sieht in Hagans Halle auch Fäustlinge aus Fell. Noch werden die nicht gebraucht. Er wird das auf sich zukommen lassen.

Jetzt schon merkt er, dass die Tage kürzer wurden, dass der Regen immer länger und kälter wird. Er sieht, dass das Boot der Männer mühsam ans Land gezogen wird, und dann auf lange Stützen gebockt wird, mit der offenen Seite nach unten.

Er erlebt auch die ersten Herbststürme, die sogar die Wellen in ihre Bucht peitschen, und dann wird es ziemlich ungemütlich, denn Hagan verbietet, Feuer zu machen. „Das Holz brauchen wir für den Winter“, bestimmt er.

Es gibt auch milde und sonnige Herbsttage, dann arbeitet die Männer am Boot, das unter dem Bug ausgebessert werden muss. Sie haben einen Lagerplatz für Holz, das mit Beilen gespalten worden war. Es liegt dort und trocknet, und wartet darauf, dass es irgendwann von den Männern mit ihren Äxten bearbeitet werden wird.

Für die Boote wird nur besonderes Holz verwendet. Es muss astfrei sein.

Alf wächst langsam in das Geschehen hinein. Eine Schule gibt es nicht, und die älteren Kinder werden – so wie die jüngeren auch – in die jeweiligen Arbeiten der Erwachsenen einfach eingebunden. Manchmal von den Frauen, und manchmal von den Männern.

Alf war das früher nie bewusst gewesen, hier lernt er, dass es einerseits typische Arbeiten für Mädchen und Jungen gibt, dass sie aber dann, wenn es um Entscheidungen geht, gleichberechtigte Stimmen haben. Die Frauen gebären die Kinder und das wird hoch bewertet.

Sie sind selbstbewusste Führer des Clans, und wenn im Sommer viele Männer mit dem Boot wegfahren, dann sind es oftmals die Frauen, welche die Entscheidungen alleine treffen, und notfalls das Dorf auch verteidigen müssen.

Jungen und Mädchen werden hier im Umgang mit Messern, Äxten und Schwertern trainiert. Es gibt Mädchen, die genauso geschickt sind, wie die Jungs. Nur in der puren Kraft, da sind die Jungs meist überlegen. Also wird trainiert, wie man sich mit Geschick gegen Kraft wehrt. Es geht immer auch um Kampftaktik und Schnelligkeit.

Alf beobachtet und lernt. Gewiss, so etwas wie eine Schule, das gibt es schon, aber nicht in dem Sinn, wie das in Berlin seines früheren Lebens praktiziert wurde. Er kennt das aber auch nur aus den Erzählungen seiner älteren Geschwister, und er weiß aus diesen Erzählungen zumindest ansatzweise, was Schule und was Aufgaben sind.

Hier ist das anders.

Alf denkt oft an Mama, an Lilly und die anderen.

Auch Papa fehlt ihm, aber dann zuckt er die Schultern und seufzt. Er hatte einmal mit Josefa darüber gesprochen, aber die hatte das nicht verstanden. Wie sollte sie so etwas auch verstehen.

3.5.

Die Kinder und Jugendlichen im Dorf haben vor allem eine Aufgabe. Dort, wo die Bucht sich verengt, dort wo das Meerwasser in die Bucht strömt, und beim Herauslaufen einen Sog erzeugt, dort stehen viele Felsen.

In grauer Vorzeit hatte der Wasserfall, der unweit des Dorfes aus den Bergen fließt, hier einen Binnensee geschaffen, der irgendwann einmal die Verbindung zum offenen Meer gefunden hatte. Es gibt da besonders einen Felsen, da kann man hinspringen, wenn man sehr mutig ist. Es gibt da eine Enge, wo die Fische, die in die Bucht hineinschwimmen, quasi mit den Wellen durch die Enge gepresst werden. Wer sich hier mit dem Speer aufstellt, gute Augen hat, und ein schnelles Reaktionsvermögen zeigt, der kann reiche Beute machen. Die Bucht ist voller Fische.

Die meisten Fische kommen durch das Haupttor zur Bucht, aber auch diese Nebenarme sind voll davon. Jeden Tag stehen dort mehrere Kinder und Jugendliche, um zu jagen. Sie stoßen einfach mit der Lanze ins Wasser, ziehen den Fisch heraus, und werfen ihn hinter sich. Die andern Kinder müssen den Fisch auffangen. Sie nehmen ihn an Ort und Stelle aus und hängen ihn zum trocknen in Streifen an selbstgebastelte Holzstäbe. Die Kinder und Jugendlichen auf dem Felsen wechseln sich ab. Sie stehen fast immer im kalten Wasser und wenn man auf dem glitschigen Felsen ausrutscht, ist man verloren.

Das Wasser ist tief. Der Sog drückt einen sofort unter die Wasseroberfläche und man ertrinkt. Das war schon mehrere Male passiert. Die Fische sind für das Dorf aber lebenswichtig.

In dem Dorf leben mehr als dreihundert Personen. Die brauchen Nahrung und Kleidung.

So stehen die Kinder und Jugendlichen jeden Tag dort auf diesem Felsen und am Felsrand, und fischen. Es sind immer 5, 6 oder acht Mädchen und Jungen. Es gibt da keinen Geschlechterunterschied. Manche Mädchen sind sogar viel geschickter, als die Jungen. Auf jeden Fall sind sich die Kinder der Gefahr bewusst, und das trainiert sie, besonders vorsichtig und geschickt zu werden.

Das ist nicht nur Arbeit. Die Kleineren werden in die Arbeit eingewiesen. Die Jugendlichen können sich ohne Aufsicht sehen. Sie scherzen, lachen und tanzen. Manche finden hier ihre ersten zaghaften Liebeskontakte. Es gibt Fische, die haben eine besondere Art von Gräten, die werden herausgenommen und gesammelt. Sie dienen als Nadeln. Man kann damit nähen oder Kleidungsstücke zusammenstecken.

Abends geht die Gruppe nach Hause, beladen mit Fisch, der nun unter einem Vordach zum Trocknen gehängt wird, so dass er weder von den Hunden, noch von den Mäusen gefressen werden kann.

Der luftgetrocknete Fisch wird später in Holztruhen gelagert. Er dient bei Jagdausflügen als Nahrung und wird auch bei Fahrten übers Meer als Notration mitgeführt. Menschen, die am Wasser leben, die leben vom Fisch.

3.6.

Es gibt viele Hunde im Dorf. Als Alf damals von Hagan ins Dorf gebracht worden war, hatten sich die Hunde respektvoll zurückgehalten. Später hatte Alf zu diesen Hunden Kontakt aufgenommen.

Es sind große struppige Tiere mit schmalen Köpfen und blauen Augen, die von den Männern zur Jagd mitgenommen werden. Sie sind halbwild und sie sind gefährlich.

Alf war für sie ein Fremder, ein potentieller Feind, aber Alf hatte schon am nächsten Tag den Kontakt hergestellt.

Er stand inmitten der Hundemeute, winselte und kläffte und summte. Jodan hatte ihren Mann angestoßen und auf Alf gezeigt, und Hagan hatte tief in Gedanken genickt. Dieses Kind war wirklich etwas Besonderes.

Es war wirklich so. Hagan und die Männer müssen manchmal zu diesen Tieren recht grob sein, um sich vor Aufdringlichkeit zu schützen. Alf macht das anders. Er summt und brabbelt, er kläfft und winselt, und die Tiere gehorchen ihm aufs Wort. Es ist nur damit erklärlich, dass Alf von den Göttern geschickt worden war. Jetzt konnte sich Hagan auch den seltsamen Geruch erklären, den Alf hatte, als sie ihn gefunden hatten.

Als die Jagdgesellschaft viele Wochen später mit den erbeuteten Wölfen kam, und als Jodan ihrem Mann erzählte, dass Alf gesagt hätte, das seien seine Brüder gewesen, da war Hagan in seiner Ansicht bestätigt worden. Alf ist eine Elfe, die Tiergestalt annehmen kann, und er hatte die Anweisung gegeben, die Wölfe in Zukunft zu verschonen.

So wurde Alf zwar in das Dorf integriert, aber er wurde von Hagan vorsichtig und hochachtungsvoll behandelt. Mehr noch als alle anderen Kinder.

Kinder müssen in die Gruppe hineinwachsen. Sie brauchen Anleitung, aber sie müssen auch arbeiten, um ihr Dasein zu rechtfertigen. Sie sind wichtige Mitglieder der Gemeinschaft. Sie sind die Zukunft der Familie, das gilt auch für Alf, aber Alf, der ist für Hagan seit damals etwas Besonderes.

3.7.

Jeder der Männer im Dorf hat irgendeinen Totem, irgendein heiliges Zeichen, das er sich ausgesucht hatte, und das er behütet wie einen Schatz.

Manchmal sind das Bärenknochen, manchmal kleine bronzene Figuren, die um den Hals getragen werden, manchmal Federn, die am Helm stecken oder ein besonderes Armband.

Manche haben auch mehrere solcher Totems, für jeden Zweck einen.

Auch im Dorf gibt es einen Thingplatz und wenn sich irgendein Ereignis ankündigt, dann ruft Hagan sein Dorf auf dem Thingplatz zusammen.

Er liegt unweit des Wasserfalles, auf einer großen Wiese, umgeben von hohen Bäumen. Hier gibt es Holzstämme, die im Boden stecken und die verziert sind mit Köpfen der Bisons, mit Geweihen der Elche und Rentiere. Es gibt dort Knochen, die im Wind wehen und Felle, die von der Sonne und dem Wind gegerbt worden waren.

Selbst das Wasser des Wasserfalles gilt den Nordmännern als heilig. Es ist lebensspendend und dient ihnen als Trinkwasser.

Es ist ein heiliger Platz, der den Göttern geweiht ist. Dieser Platz dient den kleinen, eher alltäglichen heiligen Handlungen, die alleine Hagan durchführen darf, weil er der Seher der Sippe ist.

Hagan hat eine ganze Sammlung von Knochen und Knöchelchen, von Steinen und Glasstücken.

Manchmal greift er in seinen Beutel und wirft diese Steine vor sich auf den Boden, um dann aus der Anordnung der Steine die Zukunft zu lesen. Jagdergebnisse, bevorstehende Heiraten, Erfolge bei Beutezügen, oder beim Handel mit Nachbardörfern. Auch Krankheiten oder Gesundbetung. Alles wird hier auf dem Thingplatz „verhandelt“.

Die Gruppe der Männer und Frauen, die im Dorf eine Stimme im Rat haben treffen sich hier, um wichtige Ereignisse zu besprechen, Beschlüsse zu fassen und Streit zu schlichten.

Ohne das Alf das wusste, hatte Hagan eine Woche nach Alfs Ankunft im Dorf den Rat auf dem Thingplatz zusammengerufen, und er hatte Knochen und Steine geworfen. Er hatte die Anordnung studiert und prophezeit, dass dem Dorf durch die Ankunft des weißhäutigen Jungen in der Gemeinschaft der Nordmänner noch eine wichtige Rolle zufallen würde.

Die Gemeinschaft der Nordmänner glaubt fest an solche Dinge. Hagan ist ihr Seher. Es war bisher immer eingetreten, was Hagan prophezeit hatte.

All diese martialisch aussehenden Männer bilden eine feste Gemeinschaft, die aus Regeln, Zauber und Rollen besteht, die jedem in der Gruppe zugewiesen wird. Es ist eine strenge Ordnung, die aber auch viele Freiheiten zulässt. Als Mitglied der Gruppe ist man etwas Besonderes. Wer Stimmrecht hat, der ist ein Alphatier, ein „Krieger“ oder eine „Mutter“. Ein wichtiger Mann oder eine wichtige Frau eben, dessen Urteil man sich beugen muss.

Die jungen Männer und Frauen, die in den Rat aufgenommen werden wollen, die müssen ihre Reife und das Recht erst unter Beweis stellen, Mitglied in diesem erlauchten Rat zu werden. Man muss sich dieses Recht verdienen.

Die Leibeigenen, die im Dorf leben, die sind von dieser Gemeinschaft ausgeschlossen. Frauen müssen Kinder gebären. Die Leibeigenen müssen Liebesdienste verrichten, aber ihre Kinder, die sie mit Männern des Clans zeugen, die sind wieder nur Leibeigene, ohne jedes Stimmrecht.

Innerhalb des Clans werden zwischen Mann und Frau Ehen geschlossen, die ein Leben lang halten. Weil diese Dörfer klein sind, wird dem Inzuchtproblem dadurch vorgebeugt, dass sich die Dörfler mit ihren Nachbargemeinden austauschen. So sind die verschiedenen Sippen entlang der Küste alle miteinander verwandt und es gib Bindungen, die den Frieden zwischen den einzelnen Dörfern garantierten, solange die Regeln eingehalten werden.

Dazu gehört, dass Brautentführungen als tabu gelten, aber so etwas gibt es. Nicht immer sind die Väter einer jungen Frau einverstanden, wenn ein junger Mann um ihre Hand anhält. Dann kann es zu gewaltigen Konflikten kommen.

Im Moment ist die Lage ruhig. Das Dorf ist ohnehin durch seine Lage gut geschützt und es wird nie alleine gelassen.

Die Wächter im Dorf haben Tonpfeifen und können im Notfall die Dorfgemeinschaft schnell zusammenrufen. Woher sie die haben, weiß Alf nicht so genau. Die Krieger hatten sie irgendwann einmal mitgebracht.

3.8.

Der Herbst geht langsam in den Winter über.

Irgendwann Ende Oktober setzt sich Alf nachts plötzlich auf. Er stößt Mona an und flüstert. „Was ist das?“

Irgendwie fühlt sich plötzlich alles an, wie in Watte verpackt. Mona richtet sich auf, dann schlingt sie den Arm um Alf, und zieht ihn unter das Bärenfell. „Schnee“, sagt sie. „Das ist der erste Schnee.“

Alf wird am nächsten Tag warm eingepackt, bekommt so eine Art Lumpen um die Füße gewickelt, dann werden Fellüberzieher über die Füße gestülpt, und mit Riemen festgebunden. Er erhält eine Mütze und eine warmes Fell um die Schultern als Schutz vor der Kälte. Handschuhe bekommt er nicht. “Es ist noch warm”, sagt Jodan, “jetzt brauchst du das nicht.”

Als Mona dann die Tür öffnet, staunt Alf. Die ganze Landschaft ist wie in Puderzucker gepackt, vielleicht kniehoch. Dichte, große Flocken fallen vom Himmel, so dass man fast nichts sieht. Das kennt Alf noch nicht, und er fasst vorsichtig in diese weiße Schicht.

Großmutter Jodan hatte gesagt es sei noch warm, aber Alf merkt schnell, dass der Schnee die Hände kalt macht. Mona zeigt ihm, dass er die Hände fest mit Schnee einreiben muss, damit sie durchblutet werden. Die Nordländer kennen sich damit aus.

Der Schnee bleibt nicht lange liegen, dann schmilzt er wieder, und hinterlässt eine triste braune Landschaft mit Pfützen. In diesem Matsch ist nicht gut zu laufen. Nicht, wenn man keine Gummistiefel hat.

Die Lederstulpen saugen sich voll mit Wasser, obwohl sie aus Seehundfell sind, und machen die Füße kalt. Die Wikinger haben kein Rezept, um sich dagegen wirksam zu schützen, und in diesen Tagen geht nur der vor die Tür, der als Wache eingeteilt ist. Der Fischfang auf der Klippe wird eingestellt.

Es dauert nicht lange, dann kommt der nächste Schnee. Diesmal bleibt er, und es wird merklich kalt, und jetzt erhält Alf Handschuhe, die mit einem Lederriemen um den Hals gehängt werden, damit er sie nicht verliert. Dies sei überlebenswichtig, erklärt Mona.

Das Wasser des kleinen Baches friert zu, am Ufer bildeten sich lauter Eiskristalle. Der Schnee türmt sich immer höher und Hagan ruft die Männer zusammen.

Sie treffen sich wieder im heiligen Hain. Hagan wirft dieses Mal größere Knochen, die im Schnee einsacken, und aus der Spur der gefallenen Knochen liest der Seher die Zukunft. Er nickt, tief in Gedanken, sammelt seine Knochen ein, und bestimmt, dass die Männer in zwei Tagen zur Jagd aufbrechen. Zwei Wochen lang. Keinen Tag länger.

Die Männer schnüren Bündel mit Fellen und Trockenfisch, sie schirren die Hunde, und sie nehmen vier leichte Schlitten und Schneeschuhe mit, die aussehen, wie geflochtene Teller. Man kann sie unter die Füße schnallen, um nicht im Schnee einzusinken. Dann steigen sie den schneebedeckten und gefährlichen Weg in die Berge hinauf.

Zwei Wochen später sind sie wieder da. Diesmal brauchen Sie Hilfe, um die schwere Last ins Tal zu schleppen und ein ganzer Trupp von Frauen, Jugendlichen, Kindern und Knechten steigt jetzt den gefährlichen, glatten Pfad hinauf, um die Last anzunehmen, und in kleinen Portionen ins Tal zu schaffen.

Der Weg ist wirklich gefährlich, und beim Abstieg stürzt einer der Knechte, und fällt den ganzen Berg herunter.

Der Sturz ist aus solcher Höhe, dass der Mann am Boden zerschellt. Er war beim Stürzen mehrfach angeschlagen, und ist schon tot, als er auf dem Boden auftrifft.

Das macht die andern nur noch vorsichtiger, und sie kommen heil ins Tal.

Die Schlitten werden an langen Seilen den Berg hinunter gelassen. Niemand hätte sie dort hinunter tragen können.

Die Jäger hatten wirklich reiche Beute gemacht.

Hagan ruft sofort alle Stimmberechtigten zusammen. Sie begutachten die Beute. Es gibt zwei Bären, zehn Elche und 12 Rentiere. Auf Wölfe hatten sie dieses Mal verzichtet. Bei dieser Jagd war es ums Fleisch machen gegangen, und um Häute von Tieren, die wärmen.

Die reiche Beute löst im Dorf Jubel aus. Hagan hatte erneut bewiesen, dass er als Seher unübertroffen ist. Der tote Leibeigene wird verscharrt. Er zählt nicht.

Alf bestaunt diese riesigen Geweihe und die Häute. Das Fleisch war bereits zerteilt worden und ist tief gefroren. Auch diesmal tritt er an die Bärenfelle. Er fasst mit den Händen hinein, verbirgt sein Gesicht in dem dichten Fell und weint.

Es hilft nichts. Bärenfelle sichern das Überleben der Menschen im Winter. Man braucht sie, weil das die einzigen Felle sind, die gegen extreme Kälte schützen. Alf sollte später noch erfahren, was extreme Kälte bedeutet.

Vier Wochen später schickt Hagan die Jägergruppe erneut ins Hochland und auch diesmal kommen sie mit Beute zurück. Diesmal stürzen aber zwei Hunde den Berg hinunter und einer der Jäger kommt ins Rutschen und fällt.

Die Höhe war nicht so groß, aber der Jäger bricht sich beide Beine. Das ist unter diesen Umständen lebensgefährlich, und nun zeigt Alf zum ersten Mal, dass er unter dem Schutz der Cantara steht. Auch diesmal kann er nicht einmal etwas dazu.

Die Jäger bringen den Gestürzten in sein Haus.

Sie legen ihn in die Nähe des Feuers, und Hagan untersucht den Mann. Seine Medizin aus Kräutern ist in diesem Fall wirkungslos. Dann geht er, um seine Zauberutensilien zu holen. Nur Odin kann ihm jetzt noch helfen.

Alf bleibt, und er schlängelt sich jetzt durch die Männer und Frauen, stellt sich neben den Mann, und fasst mit seinen kleinen Händen nach den Beinen des Mannes.

Was dann passiert, das erschüttert die Nordmänner zutiefst.

Um diese Hände zeigt sich urplötzlich ein Schein.

Alf klettert zu dem Mann auf das Lager, und legt seine Hände auf beide Beine, Das Licht wird immer heller und größer. Alf hockt dort, mit geschlossenen Augen und summt.

Er macht den Männern Angst und als Hagan kommt, führen sie Hagan sofort zu Alf und zu dem Gestürzten. Hagan sieht in die Runde seiner Jäger, dann geht er in die Knie und breitet die Arme aus. Auch er fängt jetzt an zu brabbeln und zu summen, und dass steigert sich zu einem auf- und abschwellenden Gesang. Die Männer und Frauen gehen jetzt alle auf die Knie und begleiten den Zauberer in seinem Gesang, der sich wie ein dicker Brei in der Hütte ausbreitet und alles umhüllt.

Alf sitzt dort neben dem Kranken. Die Augen sind geschlossen, der Schein um seine Hände sprüht Funken.

Er sitzt die ganze Nacht und den ganzen nächsten Tag, und auch die nächste Nacht und den nächsten Tag, dann bricht er über dem Gestürzten zusammen.

Hagan und seine Leute hatten sich abgewechselt und Wache gehalten. Hagan wurde stets auf dem laufenden gehalten, und als Alf zusammenbricht, befiehlt er, das Kind warm einzupacken. Er ruft nach der Amme, und er lässt Alf in sein Haus bringen. „Kümmere dich um dieses Kind“, befiehlt er, und Josefa spürt, dass ihr Leben jetzt von der Fürsorge für dieses Kind abhängt.

Dann geht Hagan wieder zu dem Gefallenen, der tief schläft. Er greift mit der Hand unter die Decken. Dort ist es sehr warm, aber er fühlt keine Fieberhitze. Er nickt, tief in Gedanken versunken, und befiehlt, den Kranken weiter zu bewachen. Er ist einer der erfahrensten und angesehensten Jäger. Hagan will auf den Mann nicht verzichten.

Schließlich geht er tief in Gedanken versunken in sein Haus zurück.

Die Beute war längst mit Äxten zerteilt und sicher aufbewahrt. Sie würden wohl genug Fleisch haben, um einen Teil des Winters zu überstehen.

Alf schläft und schläft und schläft. Die Amme liegt neben ihm und wärmt ihn.

Irgendetwas wichtiges hatte sich ereignet, das Hagan noch nicht ganz versteht, und Hagan geht an diesem Tag in seine Schmiede, befiehlt den Helfern, das Feuer zu schüren, und er beginnt das Eisen zu glühen und fast wütend mit dem Hammer zu bearbeiten, tief in Gedanken versunken. Er braucht das jetzt, diesen Abstand zu dem Ereignis.

Am Abend geht er zu dem Kranken. Er hat die Augen geöffnet. Dann schwingt er seine Beine aus dem Lager, und stellt sich vorsichtig auf. Er macht bedächtige und wackelige Schritte, dann setzt er sich wieder hin, und verlangt, ihm das Essen ans Bett zu bringen.

Hagan ist jetzt völlig überzeugt. Es war ein Wunder geschehen. Odin hatte ihnen einen Elfen geschickt. Er sieht Björre an und fragt. „Weist du, was da gerade mit dir passiert ist?“

Björre nickt. Er weiß von dem Sturz, er war von den Schmerzen ohnmächtig geworden, und er weiß, dass seine Beine mehrfach gebrochen waren. Mit solchen Brüchen kann man nie mehr laufen. Dennoch hatte er das heute getan. Er spürt ganz deutlich, dass seine Muskeln an Kraft verloren hatten, und dass er die Beine noch nicht richtig belasten kann, aber diese Beine tragen seinen Körper.

„Ich hatte das Gefühl, durch einen langen dunklen Tunnel zu fliegen“, berichtet er. „Dann bin ich aufgewacht und ich habe mich gesund gefühlt. Naja. Ich muss ein wenig vorsichtig sein. Könnt ihr mir sagen, was da genau passiert ist?“

Er lässt es sich nicht nehmen, jetzt alle paar Stunden aufzustehen, und ein paar Schritte zu gehen. Es geht von Mal zu Mal besser und sicherer.

Am nächsten Tag macht er sich auf, um Alf zu besuchen.

Alf war inzwischen kurz wach geworden, er hatte die Amme völlig leergetrunken, dann war er wieder eingeschlafen.

Björre steht lange vor dem schlafenden Kind. Dann dreht er sich um und geht in die große Halle von Hagans Haus zurück.

„Ist das alles wahr, was du mir erzählt hast“, fragt er, und als das Hagan und alle anderen bestätigen, sagt Björre, „dann ist dieser Junge wirklich von Odin zu uns geschickt worden. Wir sind Odin zu viel mehr Dank verpflichtet, als wir das auf dem letzten Herbstwendfest gezeigt haben.“

Hagan nickt und Björre verkündet, er wolle im nächsten Sommer einen Beutezug starten, um Odin mit der Beute zu danken. Alle jungen Männer, die sich jetzt beweisen wollten, die sollten ihn begleiten.

Hagan legt dem Haudegen die Hand auf den Arm und ruft bekräftigend „Jouh, so soll es sein.“

Alf wird jetzt jeden Tag wach. Er trinkt. Er muss sich entleeren und er schläft wieder ein. Das geht eine ganze Woche so.

Björre hatte inzwischen jeden Tag geübt, und die Beine tragen ihn immer besser. Er ist auf dem Weg der völligen Genesung, und verspürt einen Bärenhunger.

Nach einer Woche wacht Alf endgültig auf. Er trinkt und liegt lange neben der Amme. Er hat seine Ärmchen um die Amme geschlungen und atmet ruhig, dann bittet er Josefa, sie solle ihm etwas erzählen.

In einem solchen Haus gibt es keine Wände, die den Schall zurückhalten. Es gibt Zwischenwände aus Holz, Stützen und Abtrennungen aus Decken und Fellen, und so kann man fast jedes Wort hören, was in diesem Haus gesprochen wird, wenn man die Ohren aufmacht.

Es bleibt nicht verborgen, dass Alf jetzt dort mit der Amme liegt und leise mit ihr spricht.

Jodan hält ihre Familie zurück, „lasst diesem Jungen die Ruhe, die er braucht. Er muss viel Kraft verloren haben, als er Björre geholfen hat. ich bin sicher, er wird in einigen Tagen wieder mit uns an einem Tisch sitzen.“

So ist es.

Alf liegt noch zwei Tage mit der Amme im Bett, kuschelt, trinkt an ihrer Brust, und erzählt leise mit ihr, dann steht er auf, macht seine Notdurft, kommt zu den andern an den großen hölzernen Tisch und meint, „ich habe jetzt Hunger.“

Hagan fällt fast der Kiefer herunter, und er schickt Mona, Fleisch zu holen, und hängt das auf einen Spieß über das Feuer.

Er schickt Knut und Ode, um Björre zu holen, und der kommt mit seinen sieben Söhnen, seiner Frau und mit seinen fünf Mädchen. Es wird ein vergnüglicher Tag.

Die Männer trinken Bier aus großen Krügen. Sie hauen sich auf die Schultern und sie stimmen Kampfeslieder an. Die Frauen beobachten das ganze Geschehen und sie lächeln.

Der kleine Alf sitzt mitten unter den gestandenen Männern und ein leichter Glanz umgibt ihn, wie eine Art Heiligenschein. Die Männer bekommen das irgendwann nicht mehr mit, aber die Frauen sehen das ganz deutlich. Dieses Kind ist mehr, als nur ein Menschenkind.

In der Nacht kriecht Alf wieder zu Josefa. Er trinkt an ihrer Brust. Er schlägt die Ärmchen um ihren schönen warmen Körper, und er flüstert in der Sprache der Nordmänner „Mama“.

3.9.

So etwas wie Geburtstage gibt es bei den Nordmännern nicht. Alf ist mittlerweile dreieinhalb und dieser Winter ist sehr kalt.

Die gesamte Bucht friert zu und man kann zu Fuß die Eisfläche überqueren, ohne Gefahr, einzubrechen. Für die Kinder und Jugendlichen ist das eine große Gaudi.

Nur die Meerenge ist eisfrei, weil die Strömung verhindert, dass die Enge völlig zufriert. Dennoch wird schon lange nicht mehr gefischt. Die Gischt spritzt hoch, wenn sie an die Felsen schlägt, und die Felsen in der Enge sind seit Wochen mit einer dicken Eisschicht überzogen. Niemand würde es wagen jetzt dort zu fischen.

Nicht nur die Kinder, auch die Männer haben jetzt ihren Spaß.

Das Eis wird an mehreren Stellen aufgehackt. Die Männer ziehen sich aus und tauchen nackt in das eiskalte Wasser. Dann rennen sie nackt durch den Schnee, bis sie dampfen. Die Hunde rennen übers Eis und kläffen vor Freude, und manch einer rutscht auf dem Eis aus. Auch Hunde können dumme Gesichter machen.

An anderen Tagen halten sie Angeln durch die Löcher in das eiskalte Wasser und fangen Fische.

Sie braten sie an Ort und Stelle. Die Eisschicht ist so dick, dass man darauf sogar ein Feuer anzünden kann, ohne Gefahr. Dazu wird Bier und eine Art Grog getrunken. Ein alkoholisches Gebräu, das die Wikinger von ihren Fahrten mitbrachten.

In diesem Winter spricht man aber auch viel über Abenteuer. Einige junge Paare hatten sich gefunden, und die jungen Männer wollen den Sommer abwarten und sich als Mann beweisen, bevor sie sich ihr Ja-Wort geben.

Irgendwie hat der Winter in diesem Jahr den Schrecken verloren, seit Alf bei den Nordmännern wohnt.

Bevor im Februar neuer Schnee kommen würde, schickt Hagan die Männer noch einmal hinauf in die Berge. Es ist eine beschwerliche Tour. Etliche der Männer kommen mit Erfrierungen zurück, aber auch diesmal bringen sie Beute mit, die jetzt reichen würde, den Nahrungsbedarf bis zur Schneeschmelze zu sichern.

Alf war größer geworden. Er würde im Sommer vier werden und er spricht die Sprache der Nordmänner immer besser und sicherer. Er bildet ganze Sätze, und er zieht erste logische Schlussfolgerungen.

In diesem Winter hilft er noch zweimal, als Menschen des Dorfes krank werden. Eine der Frauen hat eine schwere Bronchitis und Fieberanfälle, einer der Jungen hatte sich beim Tauchen unterkühlt und leidet unter Lebensgefahr.

Beides Mal hilft Alf durch die Energie aus seinen Händen, und er bittet in beiden Fällen Josefa, ihm zu helfen. Josefa muss sich mit unter die Decke legen und Wärme spenden.

Er hat keinen Einfluss darauf, was da mit ihm geschieht, aber Josefa wird so etwas wie seine Assistentin und sie wird langsam unentbehrlich.

Alf trinkt weiter an ihrer Brust, die immer noch reichlich Milch gibt und er genießt dieses Gefühl der Wärme und der Geborgenheit, auch wenn er jetzt Josefa schon genauso viel beschützt, wie umgekehrt.

3.10.

Als der Schnee schmilzt und als die Bucht wieder auftaut, lassen die Männer das Boot ins Wasser.

Es war ausgebessert worden, und wird jetzt im Wasser überprüft.

Dann gehen die Männer ein letztes mal hinauf in die Berge, in denen der Schnee immer noch hoch liegt, und kommen mit Beute zurück.

Sie würden das Fleisch brauchen, wenn sie in See stechen, und auch das Dorf wird das Fleisch brauchen, um die ersten Wochen nach dem Winter zu überstehen.

Als dann das Sonnwendfest gefeiert wird, brechen alle auf, um hinauf in das Tal zu ziehen, das jetzt grün und bunt wird.

Dieses mal werden keine lebenden Opfer gebracht. Die Nordmänner hängen Felle, Tierköpfe und Lanzen in die hohen Stehlen, so dass die Schatten im Wind tanzen. Es ist ein Fest, ganz in Erwartung des großen Abenteuers, das von Björre angeführt wird, der ein erfahrener Seemann ist, und der die Sterne lesen kann.

Dann bricht die Crew auf. Fünfzig Mann. Es sind viele junge Männer dabei, die ihre ersten Abenteuer bestehen werden. Hagan hatte ihre Schwerter geschärft, und ihre Helme und Schilder geprüft. Sie haben Proviant und Süßwasser an Bord und sie werden in diesem Boot auch schlafen.

Jede Meeresüberquerung ist ein Abenteuer. Es gibt Sturm, hohe Wellen und Wind. Fast schlimmer ist brennende Hitze und Flaute, dann wenn man sich ganz auf die Rudermannschaft und die eigene Kraft verlassen muss.

3.11.

Im Dorf bleiben genügend Leute zurück. Die Kinder und Jugendlichen gehen wieder fischen.

Tierhäute werden verarbeitet, und es wird genäht und gewebt. Die Kinder tollen durch die bunten Wiesen, und von Zeit zu Zeit wird eine Jagdgruppe in die Berge geschickt.

Alf ist viel zu klein, um da mitzugehen. Er bleibt im Dorf. Er nimmt bei den täglichen Abläufen teil, und er entwickelt immer öfter diese Fähigkeit, Kraft zu schenken und zu heilen.

Alf ist erst vier, aber er wird von den Menschen im Dorf respektiert und verehrt.

Einmal tritt Hagan auf Josefa zu, und Alf stellt sich instinktiv schützend vor Josefa. Er sieht Hagan durchdringlich an und Hagan dreht sich schließlich um und geht wortlos.

Der Junge hatte ein Leuchten in seinem Blick gehabt, so dass ihm unheimlich geworden war.

Er begreift, dass Josefa unter dem Schutz von Alf steht. Hagan ist zwar der Anführer des Dorfes, aber er ist auch ein Seher, und er sieht in dieser Verbindung aus Alf und Josefa jetzt als etwas Positives. Er wird diese Verbindung achten, solange Alf diesen Schutz aufrechterhalten würde.

Alf ist immer noch ein kleiner Junge, und er kann manche Dinge nicht tun, die von den größeren Kindern getan werden, aber er beobachtet und lernt.

3.12.

Als die Krieger dann im Herbst wiederkommen, bringen sie reiche Beute mit. Sie waren die Weser hinauf gefahren, und sie hatten mehrere Dörfer, Städte und Klöster geplündert.

Sieben von ihnen waren gefallen, etliche hatten im Kampf Wunden davon getragen, aber sie hatten viele Gefäße, Amulette, Ringe, Kreuze und Ketten erbeutet, die meisten aus Gold, etliche aus Silber. Es gibt Krüge aus Zinn, Pfannen und Töpfe, Rüstungen und Schwerter, und Stoffe aus Leinen und Wolle, und sie haben dreißig Leibeigene dabei, Männer, junge Frauen und Kinder, die von der Fahrt übers Meer, den Wind, der Seekrankheit und dem Durst ausgezehrt und elend aussehen.

In diesem Herbst gibt es ein großes Freudenfest.

Endlich kann man Thor, Odin und Freya gebührend huldigen, und sie hängen fünf der Männer in die Steelen und opfern sie den Göttern bei lebendigem Leib.

Für die Nordmänner ist das ein Teil ihres Glaubens, und auch die 5 Leibeigenen dürfen sich nicht beklagen. Viele ihrer Landsleute waren von den Nordmännern erschlagen worden. Sie selbst waren gefangen genommen worden, und sie dürfen nicht darauf hoffen, jetzt ein glückliches Leben zu führen. Wer weiß. Vielleicht ist der Tod der fünf Geopferten sogar besser, als jahrelange Knechtschaft.

Für Alf ist das dieses Mal nicht mehr so schlimm.

Er lebt jetzt seit über einem Jahr bei den Nordmännern, und im Alter von drei oder vier Jahren passt man sich schnell an eine neue Umgebung an. Alf ist auf dem besten Weg, einer der Nordmänner zu werden.

Dieses Herbstfest ist auch deshalb etwas Besonderes, weil sich fünf Paare das Ja-Wort geben. Die jungen Männer waren mit Erfolg und Ruhm wiedergekehrt. Man würde sich über den langen Winter von ihren Taten erzählen, und die Mädchen liegen in den Armen der jungen Männer, die sie lieben, und die sich das erste Anrecht auf einen Sitz im Rat verdient hatten.

Die Hochzeitsrituale werden oben auf dem Hochplateau durchgeführt, noch bevor die fünf jungen Gefangenen verbrannt werden und so ist dieses Opfer gleichermaßen ein Opfer an den großen Gott Odin, an den Kriegsgott Thor und an Freya, die als Göttin der Liebe gilt. Sie würde die Paare von nun an beschützen, wenn man dieses Opferbündnis immer wiederholen würde.

Das Fest ist eine Mischung aus überschäumender Freude und Bluttat, aber für die Nordmänner ist das ganz nach ihrem Geschmack. Ein überschäumendes Fest aus Tanz, Ekstase, Liebe, Völlerei, Besäufnis und Blut.

Der Festakt wird mit einer Liebesnacht irgendwo da im Dunkel der Nacht gekrönt, bei der vielleicht die ersten Kinder dieser neuen Ehen gezeugt werden.

Alf darf nur als Zuschauer bei diesem Fest teilnehmen, denn er ist immer noch ein kleines Kind, aber er nimmt dieses neue Ereignis tief in sich auf.

In der Nacht liegt er an der Brust der Amme und auch er genießt dieses Gefühl aus weicher Wärme, das ihm da entgegenströmt.

Was Alf nicht mitbekommt, das ist, dass in dieser Nacht drei der jungen Mädchen geschwängert werden, die von den Männern als Leibeigene mitgebracht worden waren.

Auch das ist für die Nordmänner typisch. Die Leibeigenen haben zu dienen, auf welche Art auch immer. Sie sind das Eigentum der Krieger, mit dem man nach Belieben verfahren kann.

Hätte man in der Zwischenzeit das Dorf überfallen, wäre mit den Frauen und Kinder der Nordmannen genauso verfahren worden. Heute mag das brutal klingen, aber damals machte man sich darüber keine Gedanken. Das ist das Recht des Siegers, und der Besiegte muss sich fügen.

Auch Josefa war eines Tages in die Gefangenschaft geraten, und es war ihr nicht anders gegangen, als den jungen Mädchen jetzt.

Sogar Alf profitiert davon. Nur weil Josefa schwanger geworden war, hatte sie genug Milch, um ein Kind zu stillen. Ihr eigenes drittes Kind hatte sie inzwischen abgestillt, um ganz für Alf da zu sein. Hagan hatte das von ihr verlangt, und Josefa hatte sich fügen müssen. Davon Hatte Alf natürlich keine Ahnung. Er war nur der Nutznießer dieser Regelung.

Der Wolfsmann

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