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Die Nacht am Strande

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Sternlos und kalt ist die Nacht,

es gärt das Meer;

und über dem Meer, platt auf dem Bauch,

liegt der ungestaltete Nordwind,

und heimlich, mit ächzend gedämpfter Stimme,

wie’n störriger Griesgram, der gutgelaunt wird,

schwatzt er ins Wasser hinein,

und erzählt viel tolle Geschichten,

Riesenmärchen, todschlaglaunig,

uralte Sagen aus Norweg,

und dazwischen, weitschallend, lacht er und heult er

Beschwörungslieder der Edda,

auch Runensprüche,

so dunkeltrotzig und zaubergewaltig,

dass die weissen Meerkinder

hochaufspringen und jauchzen,

Übermut-berauscht.

Derweilen, am flachen Gestade,

über den flutbefeuchteten Sand

schreitet ein Fremdling, mit einem Herzen,

das wilder noch als Wind und Wellen.

Wo er hintritt,

sprühen Funken und knistern die Muscheln;

und er hüllt sich fest in den grauen Mantel,

und schreitet rasch durch die wehende Nacht: –

sicher geleitet vom kleinen Lichte,

das lockend und lieblich schimmert

aus einsamer Fischerhütte.

Vater und Bruder sind auf der See,

und mutterseelenallein blieb dort

in der Hütte die Fischertochter,

die wunderschöne Fischertochter.

Am Herde sitzt sie,

und horcht auf des Wasserkessels

ahnungssüsses heimliches Summen,

und schüttet knisterndes Reisig ins Feuer,

und bläst hinein,

dass die flackernd roten Lichter

zauberlieblich widerstrahlen

auf das blühende Antlitz,

auf die zarte, weisse Schulter,

die rührend hervorlauscht

aus dem groben, grauen Hemde,

und auf die kleine, sorgsame Hand,

die das Unterröckchen fester bindet

um die feine Hüfte.

Aber plötzlich, die Tür springt auf,

und es tritt herein der nächtige Fremdling;

liebesicher ruht sein Auge

auf dem weissen, schlanken Mädchen,

das schauernd vor ihm steht,

gleich einer erschrockenen Lilie;

und er wirft den Mantel zur Erde,

und lacht und spricht:

Siehst du, mein Kind, ich halte Wort,

und ich komme, und mit mir kommt

die alte Zeit, wo die Götter des Himmels

niedersteigen zu Töchtern der Menschen

und die Töchter der Menschen umarmten,

und mit ihnen zeugten

zeptertragende Königsgeschlechter

und Helden, Wunder der Welt.

Doch staune, mein Kind, nicht länger

ob meiner Göttlichkeit,

und ich bitte dich, koche mir Tee und Rum;

denn draussen wars kalt,

und bei solcher Nachtluft

frieren auch wir, wir ewigen Götter,

Und kriegen wir leicht den göttlichsten Schnupfen,

Und einen unsterblichen Huften.

Reisebilder. Erster Teil

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