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13.16 Genetisch bedingte Unterschiede der Enzymaktivitäten (Polymorphismen)

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Individuelle Unterschiede in der Empfindlichkeit gegenüber toxischen Stoffen haben schon die Griechen beim Favismus beschrieben. Nach dem Genuss von Favabohnen (auch Saubohnen, Puffbohnen, Pferdebohnen oder dicke Bohnen genannt) kommt es zu Schädigungen der roten Blutkörperchen (Erythrozyten). Die Ursache ist ein Mangel des Enzyms Glucose-6-phosphat-Dehydrogenase, das den durch die Inhaltsstoffe der Favabohnen (Divicin und Isouramil) ausgelösten oxidativen Stress in den Erythrozyten verhindert. Ist die Kapazität dieses Mechanismus unzureichend, führt der oxidative Stress zur Bildung von Methämoglobin, zu oxidativen Veränderungen von Proteinen, Schäden an den Zellmembranen bis hin zum lebensbedrohlichen Zerfall der Erythrozyten (Hämolyse). Über denselben Mechanismus führen verschiedene Antimalariamittel (Primaquin, Pamaquin, Pentaquin und Chloroquin), Sulfonamide, Nitrofurane, Paracetamol, Naphthalin, einige Vitamin-K-Derivate, Acetylsalicylsäure und Probenecid bei hoher Dosis zu hämolytischen Symptomen.

Der Glucose-6-phosphat-Dehydrogenase-Mangel ist geschlechtsabhängig, wird von der gesunden Mutter mit dem männlichen X-Chromosom auf den Sohn oder Tochter, die selbst ein gesunder Träger des Enzymmangels bleibt, übertragen. Von dieser Erkrankung sind weltweit 100 Millionen Menschen betroffen, und es sind über 400 genetische Variationen bekannt.

Menschen haben einen doppelten Chromosomensatz, sodass jeder Mensch in seinen diploiden Zellen auf den beiden Chromosomen entweder zwei unterschiedliche (heterozygote) Abschnitte (Allele) eines Gens oder zwei gleiche (homozygote) Allele des betreffenden Gens besitzt (siehe Abb. 6.1). In der Regel dominiert im heterozygoten Zustand ein Allel über das andere. Das Allel, das die Ausprägung des Merkmals im Phänotyp (das vom Gen gebildete Enzym) bestimmt, wird dominant genannt, das andere als rezessiv bezeichnet.

Von einem genetischen Polymorphismus spricht man, wenn ein abweichender Phänotyp in mindestens 1% der Bevölkerung vorkommt. Liegt die Häufigkeit unter diesem willkürlich festgesetzten Wert, gilt der betreffende Phänotyp als „seltene Variante“.

Im Prinzip können alle biologischen Funktionen einem genetischen Polymorphismus unterworfen sein. Gesundheitliche Relevanz haben zumindest bisher nur Polymorphismen von Enzymen, die am Metabolismus einiger Fremdstoffe beteiligt sind, d. h. Phase-I- und Phase-II-Enzyme oder Enzyme des Metabolismus körpereigener (endogener) Substanzen.

Durch moderne Verfahren ist eine Vielzahl von Variationen von Genabschnitten nachgewiesen worden. Dass bisher nur eine geringe Anzahl von Veränderungen des Phänotyps z. B. des regulierten Enzyms bekannt ist, liegt vor allem daran, dass die Mehrzahl der Veränderungen in Regionen liegt, für die (zumindest bisher) keine Funktion identifiziert worden ist. Außerdem hat eine geringe Expression eines Enzyms bei geringer Substratkonzentration so lange keine Relevanz, solange das Enzym nicht gesättigt, d. h. voll ausgelastet ist.

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