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2.2.3.5 Die Berücksichtigung von Drittvariablen und Erhebungskontext in Experimentaldesigns

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Die dargestellten Überlegungen zu den Experimentaldesigns beruhen zunächst auf der vereinfachenden Annahme, dass allein unabhängige, im Experiment manipulierte Variable einen direkten Effekt auf die abhängige Variable ausübt. In der Praxis der Marktforschung ebenso wie in der betriebswirtschaftlichen Forschung müssen jedoch oft weitere Variablen für die Erklärung bzw. Einordnung der kausalen Zusammenhänge berücksichtigt werden, da sie einen zusätzlichen Einfluss ausüben. Man spricht hier allgemein von Drittvariablen (third variables), da sie als dritte Variable zu der unabhängigen und der abhängigen Variable hinzutreten und eine, beide, oder den Zusammenhang zwischen beiden Variablen beeinflussen. Zu unterscheiden sind vier wesentliche Typen von Drittvariablen (MacKinnon et al. 2012, S. 2):

• Kovariate: Eine Drittvariable, die weder mit der unabhängigen Variable korreliert, noch einen direkten Einfluss auf deren Zusammenhang mit der abhängigen Variable hat, sondern bei ihrer Berücksichtigung zusätzliche Aufklärung der Streuung der abhängigen Variable leistet (zum Beispiel das Verfügbare Haushaltseinkommen für den Zusammenhang zwischen einer produktpolitischen Maßnahme und der Zahlungsbereitschaft).

• Konfundierende Variable: Eine konfundierende Variable (kurz »confound«) ist eine Variable, die nicht mit erhoben wurde, die aber den Zusammenhang zwischen abhängiger und unabhängiger Variable stark beeinflusst (Beispiel: In einer Studie zur Displaygestaltung für Sommermode im Modehandel und ihren Einfluss auf den Absatz wird das Wetter nicht berücksichtigt, so dass nicht beachtet wird, dass sich Sommermode bei gutem Wetter unabhängig von der Displaygestaltung besser verkauft).

• Moderator: Als Moderatoren werden Drittvariablen bezeichnet, die die Richtung und/oder die Stärke des Zusammenhangs zwischen der unabhängigen und der abhängigen Variable beeinflusst (zum Beispiel die Information über die Absicht hinter einer ungewöhnlichen Werbetaktik für ihre Wirkung auf die Einstellung zur werbenden Marke).

• Mediator: Eine Drittvariable wird als Mediator bezeichnet, wenn sie kausal durch die unabhängige Variable beeinflusst wird, und dieser Mediator dann einen kausalen Einfluss auf die abhängige Variable ausübt (so wirkt beispielweise eine Werbemaßnahme meist über den Mediator »Einstellung zur Werbung« auf die Einstellung zur Marke).

Drittvariablen müssen sorgfältig kontrolliert (konfundierende Variablen) bzw. in das Experimentaldesign integriert werden, damit die kausalen Beziehungen, die das Experiment prüfen soll, nicht verzerrt werden. Bei der Prüfung auf mögliche konfundierende Variablen können Vortests (auch als Pretests bezeichnet, bei denen es sich um vorab durchgeführte Studien handelt, die nicht mit den Pretests in Pretest-Posttest-Designs verwechselt werden dürfen) durchgeführt oder Messinstrumente in der Hauptstudie eingesetzt werden. Vortests bieten im Gegensatz zur Confound-Kontrolle erst in der Hauptstudie die Chance, die konfundierenden Einflüsse für die Hauptstudie auszuschließen, und zugleich vorab zu prüfen, ob die experimentelle Manipulation stark genug ausgefallen ist (Perdue und Summers 1986; Vargas et al. 2017). Einen hervorragenden vertiefenden Überblick über Fragestellungen zur praktischen Durchführung von Experimenten und der Behandlung von Drittvariablen bietet der Beitrag von Spilski et al. (2018). Zur empirischen Prüfung der Einflüsse von Kovariaten, Moderatoren und Mediatoren in Experimenten wird in jüngere Zeit vielfach das Makro PROCESS für SPSS, SAS und R verwendet (https://www.processmacro.org/index.html), zu dem auch eine umfassende statistische Einführung existiert (Hayes 2018).

Neben den Drittvariablen muss bei der Gestaltung von Experimenten in der Marktforschung auch der Erhebungskontext berücksichtigt werden. In der Werbeforschung ist beispielsweise nach wie vor die direkte, offen als Teil des Experiments erkennbare Exposition der Probanden mit den Werbestimuli (Forced Exposure) das dominante Paradigma (McQuarrie 1998). Eine solche Vorgehensweise kann sicherstellen, dass sich die Probandinnen und Probanden tatsächlich mit dem Stimulus auseinandersetzen. Forced Exposure führt aber auch dazu, dass die in der Praxis wichtige Werbevermeidung ausgeschlossen wird, und es besteht die Gefahr eines durch die Experimentalsituation künstlich erhöhten situativen Involvements, und damit einer Verzerrung der Ergebnisse z. B. zur Erinnerung an das Werbematerial oder zur kognitiven Auseinandersetzung mit den Stimuli und ihrem Kontext (Germelmann et al. 2020). Germelmann und Gröppel-Klein (2009) schlagen daher für Werbemarktforschung eine systematische Prüfung gemäß Abbildung 13 vor (Germelmann und Gröppel-Klein 2009, S. 248).


Abb. 13: Kriterien zur Wahl von Forced exposure (F.e.), F.e. mit Realitätsfaktoren oder quasi-biotischer Exposure in Experimentaldesigns

So kann vorab festgestellt werden, ob für ein Experiment z. B. durch Verschleierung des eigentlichen Experimentalziels ein realistischerer Kontext geschaffen werden kann, oder ob durch die Präsentation der Werbestimuli in einer natürlichen Umgebung und ohne offenkundige Experimentalsituation die negativen Effekte von Forced Exposure vermieden werden müssen. Gerade im Hinblick auf die Einbettung in eine natürliche Umgebung sind Online- Experimente im Vorteil, da hier beispielsweise in einem Online-Shop verschiedene Kommunikationsmaßnahmen getestet werden können, ohne dass die Experimentalsituation offenbar wird.

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