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» Als ich in Berlin ankam, habe ich meinen ersten Plattenspieler am Ku’damm gekauft und meine ersten sehr hohen Schuhe. «

Liebe Senta Berger, können Sie eigentlich den Kurfürstendamm in Berlin rauf- oder runtergehen, ohne ununterbrochen an wesentliche Ereignisse Ihres Lebens erinnert zu werden?

Das kann ich natürlich nicht. Der Kurfürstendamm spielt eine ganz große Rolle in meinem Leben. Als ich in Berlin ankam, habe ich meinen ersten Plattenspieler am Ku’damm gekauft und meine ersten sehr hohen Schuhe. Ich war im Restaurant „Maison de France“ essen, wo man eigentlich nur hineingelassen wurde, wenn man mit einem Ausländer als Begleitperson kam. Dort habe ich meinen ersten Krabbencocktail gegessen. Erst habe ich mich furchtbar gegruselt, aber dann fand ich es wunderbar. Auch die vielen Kinos und einfach alles, halt der Ku’damm. Allerdings verbinde ich damit auch ein bisschen meine anfängliche Einsamkeit, die sich dann aber sehr schnell in eine Zweisamkeit verwandelte. Ich habe während der Dreharbeiten in Berlin, da spielte übrigens auch der Ku’damm eine große Rolle, meinen Mann, Michael Verhoeven, kennengelernt. Schon am ersten Tag des Kennenlernens habe ich ihn – damals ein frecher, junger, schöner, charmanter Bursche – in meinem alten, klapprigen VW-Käfer mitgenommen. Er hat mich allerdings so irritiert, dass ich gefühlt jede zweite rote Ampel überfahren habe. Später, kaum dass wir uns unserer Liebe und Leidenschaft füreinander bewusst waren, wäre es auch fast schon wieder zu Ende gegangen, denn wir hatten einen furchtbaren Streit. Nach einem gemeinsamen Drehtag sind wir wieder den Kurfürstendamm runtergefahren, denn ich wohnte in der Meineckestraße im Parkhotel Zellermayer. Das war die damalige Volksbühne, gleich um die Ecke bei der Akademie. Ich hatte Michael also mitgenommen und wir stritten unterwegs heftig über Fellini und über den Film „8 ½“.

Ich finde, das hat Stil, wenn sich der erste Streit zwischen zwei veritablen Filmschaffenden – wir kommen auf Ihren Mann, Michael Verhoeven, auch noch kurz zu sprechen – an einem sehr, sehr guten Fellini-Film entzündet. Das hat wirklich Stil!

Obwohl wir verliebt waren, wollte keiner die Karten aus der Hand geben und dem anderen recht geben. Wir haben unsere Positionen vehement vertreten und uns beide so furchtbar aufgeregt, dass Michael versucht hat, während der Fahrt auszusteigen. Ich hätte ihm allerdings gleich sagen können, dass das nicht geht, weil die rechte Tür immer schon geklemmt hat.

Wie gut!

Allerdings war er so frech, dass er dann einfach das Fenster runtergekurbelt hat, und als ich an einer Ampel, kurz vor der Meineckestraße, anhalten musste, ist er durch das Seitenfenster auf den Ku’damm hinausgehechtet. Das hat wirklich einen nachhaltigen Eindruck auf mich gemacht, der einfach nicht zu verwischen ist.

Als Ihre Söhne klein waren, haben Sie Ihre beruflichen Aktivitäten zurückgefahren. Ist Ihnen das schwergefallen?

Überhaupt nicht. Ich habe meine Kinder vielleicht sogar mehr gebraucht als sie mich. Sie waren immer in der Obhut einer großen, liebevollen Familie, denn meine Mutter lebte auch bei uns. Nachdem Simon geboren war, habe ich ernsthaft darüber nachgedacht, meinen Beruf nicht nur zurückzufahren, sondern ihn aufzugeben. Als Simon etwa ein halbes Jahr alt war, ging ich mal im Winter ganz gedankenversunken durch einen verschneiten Wald in der Nähe von München und es kam mir der Intendant des Münchner Residenztheaters, Kurt Meisel, entgegen. Wir begrüßten uns und er sagte: „Senta, Sie schauen so ernst. Was geht in Ihnen vor?“ Ich antwortete: „Wissen Sie, ich überlege gerade, ob ich meinen Beruf aufgeben muss. Ich habe jetzt ein Kind und das kann ich nicht allein lassen. Ich kann es einfach nicht!“ Er erwiderte: „Überlegen Sie sich das gut. Die Kinder werden groß. Sie werden sie entlassen als Mutter, aber dann haben Sie noch Ihren Beruf und Ihr Beruf wird Sie glücklich machen. Überlegen Sie sich das.“ Er meinte das nicht böse, aber letztendlich war es die Wahrheit und ich habe es mir überlegt. Wir sind dann sehr viel mit Reisebettchen, Omi, Vater oder Tante gereist und haben das immer sehr gut hinbekommen. Gemietete Häuser, gemietete Wohnungen. Es war eine Freude, den Simon in Rom aufwachsen zu sehen, wo wir lange gelebt haben, und als dann zwei Kinder da waren, habe ich sehr viel Theater gespielt.

Und ganz großartig finde ich, dass sich die Kinder immer dann, wenn sie beruflich unterwegs waren, sehr loyal und gut verhalten haben – das weiß ich aus verschiedenen Interviews.

Da sind sie bereits zur Schule gegangen und haben sich gesagt, die Mama ist jetzt nicht da, wir dürfen ihr keinen Kummer machen.

Was für fabelhafte Söhne!

Aber wenn die Mama da war, haben sie gemeint, dass sie stark genug ist, es auszuhalten, wenn sie schwänzen.

Das ist eine sehr pragmatische Lebensweise. Ich komme jetzt noch einmal auf Michael Verhoeven zurück, den ich nur oberflächlich kennengelernt habe, und versuche mir ein Bild zu machen. Auf der einen Seite – helfen Sie mir, liebe Senta Berger – hat ihn gestört, dass Sie einen abgebrochenen rot lackierten Fingernagel hatten beim ersten Date, was ja für eine gewisse Akribie spricht, und auf der anderen Seite erwähnten Sie, dass das Arbeitszimmer Ihres Mannes für einen weiteren Haushaltsteilnehmer nicht zu betreten ist, da bereits das Öffnen der Tür von außen kaum möglich ist, weil alles voll ist mit Zeitungen, Büchern und sonstigen Materialien. Das ist ja eher eine widersprüchliche Charakterbeschreibung.

Das finde ich nicht. Ich glaube, dass Michael Frauen wirklich verehrt. Und dazu gehört auch ein gewisses Bild, das er sich von einer Frau macht. Als wir uns das allererste Mal getroffen haben, war ich wohl sehr vorlaut und frech. Wir diskutierten darüber, ob der deutsche Film noch zu retten ist, denn das war das große Thema zu der Zeit, in den 60er-Jahren.

Das Oberhausener Manifest.

Genau. Und die kleine Wienerin mit dem abgeblätterten Nagellack wusste natürlich, wie man den deutschen Film retten könnte, und hat furchtbar g’scheit dahergeredet. Das hat ihn wirklich gestört und er wollte irgendetwas finden, was er nicht an mir mochte. Und das war also ein ungepflegter Fingernagel. Das andere, das Arbeitszimmer, das ist eine Haltung des Sammlers und Jägers. Das kann man nicht mehr ändern. Man kann auch die Türe heute noch nicht richtig aufmachen.

Aber er kommt manchmal raus?

Er kommt manchmal raus, ja.

Er ist ein guter Tänzer.

Toll, einfach fantastisch. Natürlich die Tänze, wo man sich noch in die Augen guckt und wirklich miteinander tanzt. Man kann ja auch offen miteinander tanzen. Ich meine, das, was man jetzt so sieht in den großen Diskotheken, wo man irgendwie aneinander vorbeigroovt, das kann er nicht. Aber Cha-Cha-Cha und Samba zum Beispiel haben wir getanzt und tanzen heute noch. Jedes Jahr zu Silvester zum Beispiel, egal wo und wie, tanzen wir den Donauwalzer. Das ist sehr schön … und ich erzähle Ihnen lauter Dinge, die Sie überhaupt nichts angehen.

» Jedes Jahr zu Silvester zum Beispiel, egal wo und wie, tanzen wir den Donauwalzer. «

Stimmt, aber es ist nicht meine erste Aufgabe, den Gast vor sich selbst zu schützen. Nein, ich habe mich gefragt, welchen Song von Rod Stewart hätte sich Michael Verhoeven für seine Frau ausgesucht? Ich glaube, Michael Verhoeven hätte „A Friend for Life“ gewählt.

Zehn Frauen

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