Читать книгу Zu Dritt. Threesome - I. Tame - Страница 7

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Verdammt! Wir haben keine Butter mehr, kein Brot, keine Marmelade … gar nichts mehr!!

Genervt schlägt Mika die Kühlschranktüre zu. Es ist zehn Uhr morgens, da schläft seine Mutter noch. Kein Wunder, sie ist ja auch erst gegen zwei Uhr nachts schlafen gegangen. Und wenn sie heute Mittag aufsteht, wird sie ihren üblichen Kater haben. Und dann ist nichts da, womit sie sich ein kleines Frühstück machen kann. Mika könnte sich ohrfeigen. Er hat es einfach vergessen. Da er jederzeit eine Kleinigkeit bei der Arbeit essen kann, ist ihm der Einkauf ‘entfallen‘.

Seine Mutter ist Alkoholikerin. Nicht übermäßig im Sinne von: bis zur Besinnungslosigkeit betrunken. Doch sie trinkt ihre regelmäßige Dosis, so dass sie weder in der Lage ist zu arbeiten, noch sich um alltägliche Dinge zu kümmern, die für jeden anderen selbstverständlich sind. Behördengänge, Haushalt und Einkaufen zum Beispiel bereiten ihr große Mühe; strengen sie sehr an. An Arzttermine muss Mika sie sowieso erinnern. Und meistens begleitet er sie, wenn sie wackelig auf den Beinen ist.

Mit seinen zwanzig (fast einundzwanzig) Jahren hat Mika es sich selber zur Pflicht gemacht, für sie zu sorgen – soweit er es kann. Eigentlich wollte er nach der Realschule mit Achtzehn versuchen, eine Lehrstelle zu bekommen. Eine ganz normale Ausbildung und dann ‘richtig‘ Geld verdienen. Aber das ist einfach nicht drin bei dem knappen Zuschuss vom Amt. Er musste sich einen Job suchen und dazu verdienen. Er ist der einzige Mensch, den seine Mutter noch hat. Sein Vater ist irgendwann abgehauen, als Mika vier Jahre war. So richtig erinnern kann er sich nicht an ihn. Das einzige, was er weiß ist, dass sein Vater Schwede ist. Sein Nachname – Sundberg - wird ihn ein Leben lang dran erinnern. Ansonsten gibt es lediglich einige Flashback-Szenen, die vor seinem inneren Auge ablaufen, wenn er an seinen Vater denkt. Das ist aber auch schon alles. Nur die paar Fotos in einem alten Schuhkarton, den seine Mutter hütet wie einen Schatz, sind von seinem Vater geblieben. Vermutlich ist er wieder zurück nach Schweden. Das ist Mika egal. Soll er doch bleiben, wo der Pfeffer wächst. Mika gibt ihm eindeutig die Schuld an dem seelisch desolaten Zustand seiner Mutter.

Früher war sie so hübsch. Eine Ausstrahlung wie ein Engel: blond, blaue Augen und ihrem sanften Blick hatte Mika nie viel entgegenzusetzen, wenn er mal bockig war.

Während er liebevoll über das Erscheinungsbild seiner Mutter aus vergangenen Tagen nachdenkt, zieht er die Haustüre hinter sich zu und rennt die zwei Etagen runter, um schnell einige Dinge im SB-Markt um die Ecke einzukaufen. Er hat nur noch dreißig Euro für die notwendigen Einkäufe. Jetzt muss er sich aber beeilen, damit er noch rechtzeitig zur Arbeit kommt.

Mit einem Einkaufskorb geht er zügig die Regale ab und wirft die Sachen hinein. Die Verkäuferinnen kennen - und mögen ihn! Sie wissen, dass er alleine mit seiner Mutter lebt und sich so gut es geht um sie kümmert. Und außerdem ist er ein ruhiger, schüchterner Junge. Da stehen die Muttis drauf!

Und worauf stehen die jüngeren Kolleginnen? Na, auf alles andere! Angefangen bei den weizenblonden strubbeligen halblangen Haaren, über seine Augen, die an blaue Saphire erinnern bis hin zu seiner sportlichen Figur und einem Lächeln, das die Damen regelmäßig aus den Socken haut. Eine ein Meter achtzig große verheißungsvolle Herausforderung. Dass Mika oft ein bisschen unsicher und zurückhaltend ist … oh Mann, das gibt ihnen den Rest. Die Kassiererin sieht erfreut zu ihm hoch.

„Na, Mika? Dich hab‘ ich ja schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen. Alles in Ordnung zu Hause?“

Mika lächelt. „Ja, alles klar! Ich hab´s nur eilig, weil ich zur Arbeit muss.“

„Mika!“ kommt es leicht vorwurfsvoll zurück, als die Dame an der Kasse den Inhalt seines Korbes sieht. „Warum unterstützt du sie auch noch dabei?“ Sie zieht kopfschüttelnd die Flasche Gin über den Scanner.

Mika zuckt verlegen mit den Achseln. „Sie lässt es doch sowieso nicht. Besser, ich weiß, wie viel sie trinkt und was.“

Sie nickt mitfühlend. „Du hast ja Recht, Mika. So, das macht dann 25 Euro 94. Danke!“

Mika nimmt sein Wechselgeld, packt die Sachen in eine Tüte, die ihm die Kassiererin zwinkernd zuschiebt, winkt kurz und ist schon wieder im Laufschritt auf dem Weg nach Hause. Jetzt noch schnell alles hochbringen und dann nichts wie los.

Quietschend bremst Mika sein Fahrrad vor dem ‘Café Bohne‘ ab. Hier kellnert er, steht hinter der Theke und hilft auch schon mal in der kleinen Küche, wenn es Personalprobleme gibt. Er liebt diesen Job, er liebt die Leute und er liebt diesen Laden. Anfangs war es eine Notlösung, weil er dringend Geld verdienen wollte. Doch inzwischen ist es sein zweites Leben. Das Ambiente in diesem Café ist einfach super. Und nicht gerade wenige Leute beneiden ihn darum, dass er einen Großteil seiner Zeit hier verbringen darf, während sie nur nach der Schule, in der Mittagspause oder an freien Tagen im Studium hier vorbeischauen. Er schiebt sein Rad in den Hinterhof, schließt es ab und betritt über die Hintertüre das Lokal.

„Hi, Mika!“ begrüßt ihn sein Chef.

„Hi, Ralf! Tut mir leid; ich bin ein paar Minuten zu spät…“

Ralf winkt ab. „Wenn alle so ‘ne Arbeitsmoral hätten wie du, Mika … die neue Tussi, die in der Küche helfen sollte, hat sich einfach nicht gemeldet. Kannst du gleich mal Uschi helfen?“

„Klar!“ Mika nimmt schnell eine frische schwarze Kellnerschürze aus dem Schrank und bindet sie sich um die Hüften.

„Halli-Hallo“ begrüßt er seine Lieblingskollegin fröhlich.

Uschi Lindenberg, 40 und ein wenig mollig um die Hüften, strahlt über das ganze Gesicht, als Mika hereingefegt kommt.

„Ah, da ist ja mein Sonnenschein. Oh, Mika, du kommst mir gerade Recht. Ich weiß, es ist nicht die tollste Aufgabe, aber einer muss sie ja erledigen…“.

Sie presst mitleidig die Lippen aufeinander und deutet mit einem Holzlöffel auf die andere Seite der Arbeitsplatte. Da stehen ein kleiner Korb mit Zwiebeln, ein Küchenmesser und ein Brett bereit.

„Oh…“ kommt es weniger fröhlich über Mika’s Lippen.

„Sorry, aber ich muss doch den versprochenen Zwiebelkuchen backen. Fast eine ganze Klasse 16jähriger kommt heute Mittag und freut sich schon drauf.“

Mika steht bereits an seinem Platz.

„Na, dann!“ Ohne weiteren Kommentar beginnt er seine Arbeit. Eine dreiviertel Stunde später ist er fertig – fix und fertig. Tränen rinnen über sein Gesicht und seine Finger stinken dermaßen nach Zwiebeln, dass sogar Uschi einen kleinen Schritt beiseite geht, als er heulend an ihr vorbei zum Waschbecken schlurft. Dort wäscht er sich intensiv die Hände.

Als er das Lokal betritt, sind seine Augen so verheult, dass er die Einrichtung des Cafés gar nicht richtig erkennen kann. Gemütlich gepolsterte Stühle und einige kleine Sitzecken mit alten Sesseln und Bänken. Die Wände sind in hellen Pastelltönen gestrichen. Kaffeebohnen in allen Variationen hängen als Fotoimpressionen an den Wänden. Die Theke selber ist ein Meisterwerk aus edlem dunklen Holz und Chrom. Eine verspiegelte Rückwand mit Regalen für Gläser, Flaschen und Accessoires lässt das Lokal noch ein wenig größer erscheinen. Angenehme, leicht vor sich hinplätschernde Musik, gibt den Gästen genug Raum, um sich zu unterhalten.

Gott sei Dank sind noch nicht so viele Leute da. Mika schnieft und zieht seine verrotzte Nase hoch. Er trocknet sich die gewaschenen Hände ab und versucht dabei, den Tränenfluss halbwegs zu stoppen, indem er seine Augen abwechselnd links und rechts über seine Schultern reibt.

„Mika!!! Was ist passiert?!“ Eine erschrockene Mädchenstimme ertönt von der Kopfseite der Theke.

Auch das noch! Jana!! Mika lacht verschämt auf.

„Nichts“, wehrt er ab. Doch Jana glaubt ihm nicht, weil er immer noch schnieft und über den Mund ausatmet. Endlich hat Mika ein Taschentuch gefunden und putzt sich die Nase.

„Heute gibt’s Zwiebelkuchen“, ertönt es nasal.

Jana lacht erfrischend laut auf… und Mika geht das Herz über. Wenn Jana wüsste, wie sehr er in sie verknallt ist! Hach!! Während Mika mit Jana lacht, fährt sein noch etwas wässriger Blick über ihre gesamte Erscheinung. Jana ist wirklich bildhübsch. Nicht nur ihre Klamotten sind immer ausgesprochen trendy. Mit ihren ein Meter sechzig und dem zierlichen schlanken Körper wirkt sie auf den ersten Blick wie ein Schulmädchen. Ihre Haare sind stufig kurz geschnitten und weiß blondiert. Der Ausdruck ihrer himmelblauen Augen trifft Mika zuweilen wie ein Laserschwert. Sobald Jana die Zunge über ihre herzförmigen Lippen gleiten lässt, um zum Beispiel einen Rest Sahne abzulecken, kann Mika nicht anders. Er starrt sie an – völlig selbstvergessen. Und dann wird ihm wieder bewusst, dass er diesen Mund wohl nie im Leben küssen wird.

Warum nicht? Jana gehört - in Mika’s Augen - einer anderen Gesellschaftsschicht an. Das hört sich in der heutigen Zeit total blöd an, ist aber für Mika so. Ihre Eltern sind so stinkreich, dass sie Jana erst gar nicht auf das örtliche Gymnasium gehen lassen wollten. Sie sollte in ein Internat. Doch neben der Tatsache, dass Jana einen sehr hübschen Kopf hat, ist dieser auch ausgesprochen stur. Und so hatte sie sich schon damals durchgesetzt, damit sie bei ihren Freunden bleiben konnte.

Aber Mika? Mika hat einen Realschulabschluss und ist jetzt ungelernter Kellner. Er kann froh sein, dass Jana’s Eltern ihr nicht den Umgang mit ihm verbieten. Mika weiß, dass er ihnen wahrscheinlich Unrecht tut, doch im Ernstfall… Ein leiser Stich zieht durch sein Herz. Hoffnungslos! Jana selber würde ihn wahrscheinlich auslachen, wenn er versucht, sich ihr zu offenbaren. Mika scheucht seine traurigen Gedanken beiseite.

„Was möchtest du trinken?“ fragt er, während er sein Taschentuch in den Mülleimer wirft.

„Hmm…“ sie überlegt. „Gib mir bitte eine Cola! Ich brauch‘ was Kaltes! Danke!“

Jana schlendert zum Fenster, um sich einen guten Platz zu suchen. Von hier aus kann man in der Fußgängerzone super gut die Leute beobachten.

„Alles klar!“ Mika nimmt ein Glas und holt eine Cola raus. Er öffnet das Fläschchen und bringt alles zu Jana rüber.

„Danke Dir, mein Schatz“, Jana lächelt zu ihm hoch. Wie er es liebt, wenn sie das sagt! Sie sagt es nur zu ihm und darauf ist er stolz. Da kann er sich so richtig einen vormachen… Ja, peinlich! Aber man nimmt halt, was man kriegen kann.

„Gerne!“ Mika lächelt zurück, dreht sich um und will wieder hinter die Theke gehen. Doch Jana hält ihn am Unterarm fest.

„Mika?“

Er sieht ein bisschen erschrocken auf sie herab.

„Ja?“ fragt er vorsichtig.

„Hast du nicht einen Moment Zeit? Setz dich doch zu mir. Ich langweil mich sonst so, bis die anderen kommen.“

Bei den „anderen“ handelt es sich um Jana’s eingefleischte Clique. Manchmal – wenn er das nötige Kleingeld hat – geht auch Mika mit ihnen zusammen aus.

Wenn Jana ihn um etwas bittet, dann denkt Mika meistens nicht mehr, dann macht er es einfach. Also sinkt er fast zeitgleich mit ihrer Bitte auf den Stuhl gegenüber und heftet seinen Blick wie Klettband an Jana’s Lippen.

„Stell dir mal vor“, ihr Ton wird augenblicklich vertraulich. Sie ist aufgeregt. „Du weißt doch, dass ich in dieses Fitness-Studio gehe – hinten am Bahnhof.“ Mika nickt.

„Da ist vor ungefähr einer Woche der Mega-Typ aufgetaucht. Keno! Der Wahnsinn!! Alle sind total aus dem Häuschen.“ Sie legt eine bedeutungsschwangere Pause ein. „Aber ich … ich werd‘ ihn mir schnappen!“

Mika’s Rücken wird immer runder. Scheiße! flucht er in Gedanken.

„Denn heute … hab ich ihn einfach angesprochen. Ich hatte so was von Glück, weil die anderen Weiber vormittags ja nie zum Training gehen. JA!!“ Jana ballt die Siegerfaust und strahlt über das ganze Gesicht.

„Und?“ fragt Mika tonlos.

„Und??? Er ist heute Abend auch im ‘Crawlers‘ bei der Travestie-Show.“ Jana legt den Kopf schief. „Davon hab ich dir doch schon vor zwei Wochen erzählt… Aach, Mika!! Das kannst du doch nicht schon wieder vergessen haben.“

In der Tat hat Mika es „vergessen“. Wenn wieder mal Ebbe in seiner Kasse ist, vergisst Mika gnadenlos alle Vergnügungen, die er sich eventuell vorgenommen hat. Es geht eben oft nicht anders. Schon blöd genug, dass er bei fast allen Unternehmungen absagen muss. Entweder er arbeitet oder er kümmert sich um seine Mutter und den Haushalt. Oder … er hat kein Geld. Und der Eintritt heute Abend kostet zehn Euro. Die hat er jetzt nicht mehr, weil er ja noch einkaufen war. Und Kohle kriegt er erst morgen. Klar, es gibt auch noch Trinkgeld nach seiner Schicht. Doch er will nicht gleich wieder so viel ausgeben. Also: vergessen!

Jetzt grinst Jana noch breiter. „Guck mal, was ich hier habe!!! Freikarten! Ist das nicht unglaublich?!! Eine für dich und eine für mich!! Frag‘ mich nicht, wie ich das geschafft habe…“

„Wow“, Mika weiß nicht was er sagen soll.

„Los!! Frag‘ schon!!“ wiederspricht Jana sich selber lachend.

„Wie denn?“

„Ich hab dem Chef vom ‘Crawlers‘ einen langen Zungenkuss gegeben, haha!!! Gut, was?!!“

„Janaa“, Mika legt die Stirn in Falten. „Warum machst du so was?! Der ist doch bestimmt schon um die Sechzig!“ Innerlich schreit er ich auch, ich auch!!!

„Er ist Achtundvierzig, du Spinner! Freust du dich denn gar nicht?“ Jana wedelt mit einer der Karten vor Mika’s Nase herum. Mika lehnt sich zurück und verschränkt die Arme vor der Brust. Ihm ist das unangenehm.

„Ich kann mich nicht immer von dir einladen lassen…“ setzt er geziert an. „Du gibst mir so schon viel zu oft Drinks aus. Die Leute denken noch, ich will dich ausnutzen!“

Jana droht ihm mit dem Zeigefinger.

„Hör auf, so einen Unsinn zu reden! Was andere Leute sagen oder denken, ist mir sch… so was von egal! Du bist mein Brüderchen, das ich nie hatte!!“

Sie grinst fröhlich und steckt ihm die Karte in die Hemdtasche, während er aufsteht, weil Gäste hereinkommen. Brüderchen, na toll!! denkt er niedergeschlagen.

„Mein sexy Brüderchen“ ergänzt Jana mit verschmitztem Augenaufschlag und prostet Mika mit ihrer Cola zu.

Mika lächelt verlegen, schüttelt kurz den Kopf und geht schnell die neuen Gäste bedienen. Danach lässt er sich wieder Jana gegenüber nieder.

„Du musst heute Abend als Rückendeckung in meiner Nähe bleiben, o. k.?“ bestürmt sie ihn wieder eifrig. „Heute Morgen im Studio hat dieser Keno mich doch tatsächlich ein wenig herablassend behandelt. Das macht mich ganz wuschig!“ Jana kneift kurz die Augenlider zusammen und verzieht schmollend die Lippen.

Du machst mich auch … wuschig … mindestens, denkt Mika und unterdrückt ein sehnsüchtiges Aufseufzen. Doch auf die Idee, dass er Jana vielleicht auch einmal anders als lieb und sanft behandeln sollte, kommt Mika nicht. Er kennt nur ihre klaren Ansagen und daran hält er sich. Und heute hat sie auch noch den Lippenstift in diesem unglaublichen Rot aufgelegt. Am liebsten würde Mika sich über den Tisch schmeißen und wie ein paarungswütiges Frettchen ihre Lippen zernagen.

„Wir werden ja seh’n“, erwidert er lahm. Und vielleicht kommt er ja mit seiner Freundin, frohlockt Mika innerlich und macht sich damit selber Mut.


Zu Dritt. Threesome

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