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13. Kapitel

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Sie verabredeten sich erneut für den Dienstag kommender Woche. Es war beim Dienstag geblieben, ein anderer Tag kam so gut wie gar nicht in Betracht, obgleich Max das Gefühl hatte, er werde Franz nicht mehr lange treffen können. In den letzten paar Wochen war Franz zunehmend klapprig geworden, und seine Gesichtsfarbe hatte sehr ungesund ausgesehen. Es stimmte ihn traurig festzustellen, dass Franz eigentlich viel zu jung zum Sterben sei. Er war mit seinen fast 80 Jahren sehr viel älter, eigentlich war er dran mit dem Sterben. Aber er war gesund, und das Alter störte ihn nicht weiter – ganz abgesehen, dass ihm die Hüfte und das rechte Knie gelegentlich schmerzten, und dass er mit dem Treppensteigen nicht mehr ganz so flott war wie noch vor drei oder vier Jahren.

Es war Herbst geworden, und die Tage waren oft regnerisch und windig, die Nächte bereits empfindlich kühl. Wann hatte er zum ersten Mal Franz getroffen? Es musste wohl Ende Februar oder Anfang März gewesen sein. Das Datum hatte er sich nicht aufgeschrieben, und es war wohl auch nicht besonders wichtig, sich das genaue Datum zu merken. Immer hatten sie sich dienstags getroffen, und immer im gleichen Restaurant mit dem etwas einfallslosen Namen „Akropolis“. Fast immer hatte er sich einen Spieß kommen lassen, während Franz meistens eine Suppe aß. Dazu hatten sie Rotwein getrunken. Wie oft hatten sie sich bereits getroffen? Max rechnete kurz, und kam auf 24 Mal. Und wie oft würden diese Treffen noch stattfinden? Gewiss keine weiteren 24 Mal.

Max betrat wieder das Restaurant. Er fragte sich, ob Franz, wie in letzter Zeit recht oft, bereits an dem Ecktisch sitzen würde. Dieses Mal war er der Erste, der gekommen war. Kaum hatte er seinen Mantel abgelegt und sich an seinen gewohnten Platz gesetzt, das erschien bereits der Kellner. Er grüßte freundlich und fragte, ob er den gleichen Rotwein bringen solle. Max nickte lächelnd, und er meinte, der Kellner möge auch gleich ein zweites Glas bringen. Das tat er auch, er brachte auch gleich zwei Speisekarten.

Es dauerte fünf Minuten, dann zehn Minuten, und Max fragte sich, ob Franz heute nicht mehr kommen würde. Fünfzehn Minuten später kam ein schlanker, junger Mann, mit Jeans und einer schwarzen, nicht ganz neuen Lederjacke bekleidet, auf ihn zu und fragte, ob er Herr Berber sei.

„Ja, das bin ich. Was kann ich für Sie tun?“ Max schaute auf das Gesicht des jungen Mannes, der eine randlose Brille trug.

„Ich bin Heinrich Hallbeg,“ war die Antwort.

„Aha,“ machte Max, und er bat Heinrich, er möge sich doch setzen. Heinrich setzte sich.

Max betrachtete sich das gleichmäßig geformte Gesicht des Mannes, die glatten, dunklen Haare, die gerade Nase und den breiten Mund. Der junge Mann sah müde aus. Er hatte das, was man heutzutage einen Dreitagebart nennt, dachte sich Max. Dieser Dreitagebart sieht irgendwie unordentlich aus, fand Max.

„Bevor Sie mir sagen, was mit Ihrem Vater passiert ist, nehmen Sie einen Schluck von dem Rotwein – den kann man gut trinken. Und im Übrigen sehen Sie so aus, als könnten Sie einen Schluck gebrauchen.“

Max schenkte dem jungen Mann Wein ein, dann hob er sein Glas und nickte ihm zu. Heinrich, sichtlich nervös, hob gleichfalls sein Glas. Heinrich wirkte fahrig und innerlich gespannt, obgleich er seine Spannung nicht zeigen wollte. Die Augen verrieten ihn.

„So, ich nehme an, Ihr Vater konnte nicht kommen,“ sagte Max, der sein Weinglas abgesetzt hatte. „Er liegt, so nehme ich ebenfalls an, im Krankenhaus, und Sie sind gekommen, um mir das zu sagen.“

Heinrich nickte. Ja, sein Vater sei im Krankenhaus. Er habe ihn gebeten, Herrn Berber bescheid zu geben.

Heinrich schwieg. Er schluckte schwer. Ehe er etwas sagen konnte, sagte Max weiter:

„Und Sie glauben nicht, dass er aus dem Krankenhaus wieder herauskommt.“

Wieder nickte Heinrich. Nach einer kleinen Weile antwortete er:

„Ja, heute früh brach er zusammen. Er fiel im Flur einfach um. Wir riefen den Notarzt an, der ihn gleich ins Krankenhaus, hier in Altona, überwiesen hat. Er war nicht bei Bewusstsein.“

„Können wir ihn jetzt besuchen?“ fragte Max.

Heinrich nahm seine Brille ab, wischte sich über die Augen, setzte die Brille wieder auf und entgegnete:

„Ja. Er hatte darum gebeten, denn er ist jetzt wach. Zumindest war er wach, als ich ihn verließ.“

Ohne weitere Worte winkte Max den Kellner herbei und sagte zu ihm, er werde leider gehen müssen, er bitte um die Rechnung.

„Das tut mir leid,“ meinte der Kellner. Ob das eine Floskel war oder nicht, war nicht wichtig. Max freute sich über diese Bemerkung und erwiderte:

„Das tut mir auch leid. Mein Freund Franz ist im Krankenhaus, wir werden zu ihm fahren. Der junge Mann hier ist sein Sohn.“ Guiseppe deutete eine Verneigung an.

„Bitte, wünschen Sie ihm gute Besserung,“ sagte Guiseppe.

Der Alte spinnt

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