Читать книгу Kurdische Märchen und Volkserzählungen - Jemal Nebez - Страница 4

Einführung des Autors und Herausgebers Einleitung

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"Es war einst und war doch wieder nicht. Niemand war größer als Gott, und niemand war schmachvoller als der Mensch. Der KOSA(1)starb, aber er hatte kein Leichenhemd. Er wurde fortgetragen, aber (es gab) keinen Platz für sein Grab. Er wurde hingestellt, aber er hatte keinen Weg. Er wurde in eine Wandnische gelegt, aber seine Augen waren starr. Er wurde an die Zimmerdecke gehängt (wörtl. gelegt), aber er grinste boshaft. Er wurde in eine Scheune gelegt, aber die Scheune stürzte ein. Sie sagten: "Du, Scheune, warum bist du eingestürzt?" Sie antwortete: "Aber warum wächst Gras auf meinem Grund?" Sie sagten: "Du, Gras, warum wächst du auf ihrem Grund?" Das Gras antwortete: "Aber warum knabbert die Ziege meinen Kopf ab?" Sie sagten: "Du, Ziege, warum knabberst du seinen Kopf ab?" Die Ziege sagte: "Aber warum starrt mich der Wolf so an?" Sie sagten: "Du, Wolf, warum starrst du sie an?" Er sagte: "Aber warum verscheucht mich der Hirt?" Sie sagten: "Du, Hirt, warum verscheuchst du ihn?" Er sagte: "Aber warum lässt mich meine Großmutter nicht melken gehen?" Sie sagten: "Du, Großmutter, warum lässt du ihn nicht melken gehen?" Sie sagte: "Aber warum schleckt die Maus das Mehl aus meinem Mörser fort?" Sie sagten: "Du, Maus, warum schleckst du das Mehl aus dem Mörser fort?" Sie sagte: "Aber warum starrt mich die Katze an?" Sie sagten: "Du Katze, warum starrst Du sie an? Die Katze sagte: "Den Kot von Ala(2) in meinen Bart, wenn ich noch länger hier bleibe! Ich (für mein Teil) gehe (jetzt) in die Stadt Teheran und rauche dort Luxus-Zigaretten".

Mit dieser "Frage-Antwort-Litanei", in der niemand mit dem verdammten "KOSA" etwas anzufangen weiß und jeder die Verantwortung dem nächsten zuschiebt, bis endlich die diplomatische Katze dem Ganzen ein Ende bereitet, leiteten die Erzähler in Kurdistan ihre Märchen ein. Der Beginn dieses altüberlieferten kurdischen Textes(3) steht in Reimprosa und enthält ursprüngliche, volkstümliche Ausdrücke.

Die Märchen und Volkserzählungen werden in Kurdistan meist von alten Frauen erzählt. Diese bewahren nicht nur die reine kurdische Sprache, sondern sie stellen auch eine wertvolle Quelle für die mündliche Überlieferung der kurdischen Literatur im Allgemeinen dar. Da die Frauen nur wenig mit fremden Kulturen in Berührung kommen (im Gegensatz zu den Männern, bei denen dieses allein schon durch ihre Wehrdienstpflicht bei den Staaten, die Kurdistan aufteilen, geschieht), ist eine Reinerhaltung des Sprachgutes gut möglich. Die Frauen bemühen sich im Besonderen um diesen Zweig der Literatur, weil sie mit Hilfe seiner die Kinder unterhalten und erziehen können. Die Sagen "Dâstân" und Epen "Naward" werden dagegen vorwiegend von Männern erzählt, weil ihr Inhalt Kriege und Abenteuer darstellt.

Früher gab es Kaffeehäuser "Qâwaxâna" oder Teehäuser "Čâkhâna", in denen sich abends immer ein Geschichtenerzähler "Čîrokbêj" oder ein Sagenerzähler "Dâstângêr̂awa" aufhielt. Er saß auf einem Stuhl, und um ihn herum im Dämmer lauschten andächtig die Versammelten. Ein Öllämpchen verbreitete milden Schein und flackerte auf, wenn ein leichter Windhauch durch die Rauchöffnung im Dach wehte. Vereinzelt huschte ein Schatten der Lauschenden über die Wände und das Brodeln der Wasserpfeife mischte sich harmonisch mit dem lieblichen Gesang der Nachtigallen. Den lehmgestampften Boden bedeckten buntgewebte Teppiche. In der Ecke zwischen Steinen glomm die letzte Glut. So kamen die Leute gesellig zusammen und genossen das Zuhören, während sie aus winzigen Gläschen Tee tranken. Nach beendeter Erzählung diskutierten sie miteinander über ihre Probleme und tauschten Neuigkeiten aus. Hier wurden soziale Kontakte gepflegt.

Der Erzähler endete dann mit folgendem Spruch: "Ich kam auch zurück, aber sie haben mir nichts gegeben!"(4) oder: "Ein Strauß Rosen und ein Strauß Narzissen, möge ich Euren Tod nie erleben!(5).

Kurdische Märchen und Volkserzählungen

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