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Dem Anthropologen ist nichts Menschliches fremd

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Die Kooperation mit Disziplinen wie Medizin/Gerichtsmedizin, Biochemie, Soziologie, Archäologie, Geologie, Ur- und Frühgeschichte, Ethnologie, vergleichende Kulturwissenschaften und anderen liefert darüber hinaus Erkenntnisse zu Ernährungssituation und Herkunft, zu Aussehen und Sozialverhalten, zu den Bestattungssitten und vielem mehr – gelegentlich lässt sich sogar erkennen, woran ein Individuum gestorben ist. Wesentliche Zusatzinformationen liefert die Archäometrie mit ihren vielfältigen biochemischen Untersuchungsmethoden (DNA, Spurenelement- und Isotopenanalysen), die nicht nur Abstammungslinien oder mögliche Verwandtschaftsbeziehungen aufdecken kann, sondern auch Hinweise auf den Ernährungsstatus oder einen möglichen Migrationshintergrund zu liefern vermag.

Ausgangsmaterial sind in der Regel die Knochen und Zähne unserer Vorfahren, die je nach Liegemilieu am ehesten lange Zeiträume überdauern. Wie aus der Chipkarte eines Personalausweises vermögen die Fachleute aus diesen Überresten einen regelrechten Steckbrief herauszulesen, aus dem zum Beispiel hervorgeht, dass eine im Alter von etwa dreißig Jahren erschlagene, knapp 1,60 Meter große Römerin im Alter von zwei Jahren abgestillt wurde, mit sechs bis sieben Jahren unter einer Krankheit oder Mangelsituation litt, sich einige Jahre vor ihrem Tod den Arm gebrochen und mindestens einmal entbunden hat, von heftigen Zahnschmerzen geplagt wurde, über längere Zeit schwere Lasten tragen musste, in einer vom Fundort weit entfernten Region aufgewachsen und möglicherweise die Tochter eines in der Nähe bestatteten Mannes ist. Unter günstigen Erhaltungsbedingungen stehen zuweilen auch Mumien mit Haut und Haar oder Überresten innerer Organe zur Verfügung. Deren Untersuchung vermag noch weitergehende Hinweise darauf zu liefern, dass sie in den letzten Monaten ihres Lebens vor allem vegetarisch lebte, einen Bandwurm in sich trug, zuletzt eine Fischmahlzeit verzehrt hat und rothaarig war. Dass in dem Gesichtsausdruck von Mumien die Schrecken der letzten Sekunden vor dem Tod fixiert seien, ist allerdings ein Mythos. Die Totenstarre setzt bei Raumtemperatur erst nach 1–2 Stunden ein, ist nach 6–12 Stunden voll ausgebildet und löst sich nach 2–3 Tagen wieder. Eine der zuerst betroffenen Körperregionen ist das Kiefergelenk, weswegen – wie aufmerksame Krimi-Zuschauer wissen – die zum Tatort gerufenen Gerichtsmediziner stets dort mit ihren Untersuchungen beginnen.

Wenn an mehreren Skeletten, die auf einem Friedhof geborgen wurden, entsprechende Befunde erhoben werden, lassen sich diese Individualdaten auf Populationsebene zusammenführen. Dann kann man beispielsweise berechnen, welchen Anteil an der jungsteinzeitlichen Bevölkerung von Aiterhofen Senioren ausmachten oder wie hoch die durchschnittliche Lebenserwartung eines Mannes aus der Bronzezeit im Raum Heilbronn im Alter von vierzig Jahren noch war – mit Hilfe sogenannter Sterbetafeln, die vom mathematischen Prinzip her auch heutigen Rentenberechnungen zugrunde liegen.

15000 Jahre Mord und Totschlag

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