Читать книгу Die Geschichten von Knuud und Ksavver anno 2069 - Jochen Nuding - Страница 11

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[ 2 ] Wie Ksavver in Knuuds Leben kam

Insgeheim freut er sich diebisch, dass er immer noch Herr über die Rufannahme ist, und dass das nicht doch schon automatisch abläuft, wie es sein Chef will, sondern er selber noch diesen einen Wisch machen ‚darf‘. Trotzdem fällt es ihm schwer, wieder seine Fassung zu erlangen. Dass da ‚Spezial-Kunde mit Super-Wichtig-Premium-Support‘ im Display seines Handys steht, hilft da auch nicht wirklich weiter. Es ist nicht leicht für ihn, nach diesem Schreck am Morgen, neutral beziehungsweise sehr freundlich zu sein, wie es sich für den Support der Kunden, die ja stets Könige des Unternehmens sind, gehört. So braucht sein Standard-Satz:

„Guten Morgen, ‚Heiße Leine‘ von ‚My-Own-Smart-Home‘ - Knuud - alles wird gut - am Apparat - wie kann ich helfen? Zu Ihrer Information: das Gespräch wird aus Gründen der besseren Kundenbetreuung aufgezeichnet, natürlich nur, wenn Sie dem nicht widersprechen möchten!" stimmungsmäßig etwas Anlauf, bis er professionell in das Ohr des Kunden dringt.

Während nach der Anrufannahme durch Knuud das Mosh-Smartphone die relevanten Kundendaten wie Kundenkarte und so weiter bereits automatisch nachlädt, da der Kunde anhand der vereinbarten Service-Referenz-Telefon-Nummer bereits erkannt wurde, ertönt eine etwas verzweifelt klingende männliche Stimme aus dem Lautsprecher. Knuud hat diesen in der Regel aktiviert, wenn das Haus leer ist. Er liebt es, mehr Bewegungsfreiheit zu haben, beim Versuch in Kenntnis des beim Kunden vorhandenen Problems zu kommen. Sich frei bewegend statt auf den Bürostuhl geschnallt, fällt es ihm leichter, dieses dann zusammen mit dem Kunden zu lösen.

„Hallo, hallo! Hier Ksavver, endlich erreiche ich jemanden! Ich bin eingesperrt! Ich komme nicht mehr aus meinem Haus raus! ‚My-Own-Smart-Home' hat alles abgeriegelt. Fenster, Türen, alles ist dicht. Meine Frau ist mit dem Kind schon los. Ich wollte heute etwas später als gewöhnlich zur Arbeit. Am ersten Tag nach dem Smart-Home-Fertigbau gestern. Nun komme ich nicht raus! Bitte helfen Sie mir, hallo?!“

Knuuds Bestreben ist es immer, zuerst Ruhe in die Angelegenheit zu bringen und der Panik die Luft aus den Segeln zu nehmen. In vielen Fällen ist das schon die Hälfte der Strecke zur Lösung, die er zusammen mit dem Kunden gehen muss. Gerade das macht ihn bei seiner Arbeit auch so erfolgreich, da es ihm dadurch irgendwie gelingt, den Kunden einen großen Schritt entgegen zu gehen, sie in ihrer Situation abzuholen und ihr Vertrauen zu gewinnen. Auf dieser Basis lässt sich meist konstruktiv und zielgerichtet eine Lösung herbeiführen.

„Hallo Ksavver, alles klar. Soweit bin ich dann jetzt im Bilde, wo das Problem liegt. Ihre Daten liegen mir nun auch vor. Oh, aha! Sie müssten laut Ihrer Kundendaten direkt mein Nachbar sein. Da scheint es mir das Einfachste zu sein, dass ich mal kurz rüber komme zu Ihnen. Ich klingle gleich an Ihrer Haustüre, dann können Sie von innen darauf reagieren indem Sie den Öffnungsmechanismus manuell auslösen. Das müsste die Lösung sein, die Sie dann befreit. Bleiben Sie bitte mal kurz dran, ich bin schon unterwegs!“

„Ahh, ok, prima, danke!“ hört er den Eingesperrten erleichtert aus dem Lautsprecher sagen.

Da steht er auch schon vor der Tür des Nachbar und drückt auf die Klingel. Sowohl Ksavver als auch Knuud hören das ‚Ding Ding D'Dong‘ sowohl live von der Türglocke als auch über ihr Handy, was dem Sound und der Situation einen skurrilen Effekt verpasst. Die Tür geht auf und Ksavver steht befreit, strahlend und erleichtert auf deren Schwelle und begrüßt Knuud nun direkt das erste Mal von Angesicht zu Angesicht:

„Hallo Nachbar, danke nochmal! Mensch, was bin ich erleichtert, dass das so einfach und so schnell ging. Jetzt muss ich aber dringend los! Nur eine kurze Frage habe ich dazu noch: Wie konnte das passieren? So ein Schock am morgen!“

Der Schock auf Knuuds Seite ist inzwischen doch schon verflogen. Er kann aber sehr gut nachempfinden, was Ksavver damit meint. Während der in seinen schnittigen Wagen steigt, gibt Knuud ihm den entsprechenden Änderungshinweis wie folgt:

„Einfach den Algorithmus Ihrer ID anpassen, so dass der Bewegungssensor noch aktiv ist, auch wenn Ihre Frau und Ihr Kind bereits außer Haus sind. Damit sollte das künftig dann nicht nochmal so möglich sein!“

Dankbar für den Profi-Tipp startet Ksavver den Motor seines Flitzers, der durch seine kurz aufheulende Lautstärke jegliche Verständigung unmöglich macht und bedankt sich nochmals bei Knuud mit den Worten:

„Alles klar, Herr Nachbar, das mache ich dann so. Ich muss jetzt dringend los! Es war sehr nett, Sie einmal kennen zu lernen. Noch etwas: Ganz tolle Sache Ihre ‚Heiße Leine‘. Grüßen Sie bitte Ihren Chef von mir. Bis bald!“

Dann drückt er das Gaspedal durch und ist auch schon um die nächste Häuserecke verschwunden. Knuud schaltet zurück aus dem Kundenservice-Modus und redet freudig vor sich hin:

„Wunderbar! Fall eins für heute schon erledigt! Es scheint ja heute ein sehr schöner Tag auf mich zu warten. Herrlich! Da werde ich gleich mein Frühstück im Garten zu mir nehmen und so den morgendlichen Schock endgültig kitten!“

Das war wohl der kürzeste ‚Heiße Leine Tag‘ ever für Knuud. Aber seine zukünftige Tragweite ist ihm zu diesem Zeitpunkt noch in keiner Weise bewusst. Noch ahnt er keineswegs irgendetwas davon, was ihn künftig direkt vor seiner Haustüre beschäftigen würde. Die Freude auf den Garten und das wohlverdiente Frühstück waren wohl immens …

Die Geschichten von Knuud und Ksavver anno 2069

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