Читать книгу Die Geschichten von Knuud und Ksavver anno 2069 - Jochen Nuding - Страница 12

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[ 3 ] ‚Heiße Leine‘ - müde Beine

Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt - eine bekannte Redewendung, die Knuud heute am eigenen Leib erfahren musste. Zwar hatte er ein schönes Frühstück im Garten genossen, aber leider war ihm dieser Genuss nur sehr kurz vergönnt. Zuerst dachte er noch:

„Ok, halt ein weiterer Kunde mit einem Problem“.

Das war nach dem ersten, genau genommen nach dem zweiten schrillen Klingeln an diesem Tag. Nachdem er das erfolgreich für den Kunden gelöst und aufgelegt hatte, kam er aber nicht mal mehr zum Kaffee nachgießen, bis ihn der dritte schrille Anruf die Dringlichkeit der Kundenprobleme durch die Adern schoss. Damit war es das noch lange nicht. Danach ging es gerade so weiter. Den ganzen Tag bis zum Abend.

Deutlich gefrustet zieht er abends nun folgende Tagesbilanz:

„What a day - was für ein Tag, uff! Die Mosh-Techniker hätten mich doch ruhig über das dringend über Nacht ausgerollte Systemupdate auf die neuste ‚My-Own-Smart-Home-Sicherheitsrichtlinie‘ in Kenntnis setzen und vorwarnen können. Aber nein - es blieb mir ja kaum noch Zeit und Luft zum Atmen - uff! Muss jetzt erst mal durchatmen und runterkommen - gut, dass dieses Update nur Geschäftskunden betrifft, die auch irgendwann Feierabend haben. Nach so einem Tag kann mich die ‚Heiße Leine‘ auch mal gerne haben! Da hätte ich lieber auch mal etwas ganz anderes - Füße und Seele baumelnder Weise. Etwas Kreatives, ja, das wäre toll. Meine Frau hat es gut! Na ja, egal, zuerst mal in den Garten auf den Liegestuhl und etwas zum Trinken mitnehmen. Wenn ich mir es genau überlege, war es überall im Prinzip immer das gleiche Problem. Das wäre sicher auch anders und einfacher und weniger nervenaufreibend für mich abzuwickeln gewesen. Ob das ein Nachteil meiner Heimarbeit ist? Hoffentlich kann ich das bald klären.“

Dann liegt Knuud endlich auf seiner Liege im Garten und zieht mit extra langem Strohhalm an seinem leckeren Fruchtgetränk. Das ist für ihn ideal zum Entspannen. Bereits beim dritten Zug, als er gerade die Augen schließt und ihm ein Seufzer im Sinne von „Ahh, tut das gut!“ entfleucht, genau in dem Moment, als er nun bereit ist und beginnen will, es wirklich richtig zu genießen und dabei zu entspannen, vernimmt er eine Stimme, die ihm irgendwie bekannt vorkommt. Doch sicher, er muss sie schon einmal zuvor gehört haben. Deutlich dringen die Worte an sein Ohr:

„Hallo Herr Nachbar! Na schon Feierabend?! Toll wie Sie mich heute morgen raus geboxt haben! Da haben Sie mich schwer beeindruckt! Geil, dass ich so einen kompetenten Nachbar habe!“

Boing, da ist er wieder: der Schock! Nicht ganz so schrill wie mit der Anruf-Verstärker-Glocke seines Chefs. Aber er spürt ihn ganz genau. Besonders, als ihm reflexartig die Kinnlade runter fällt, dabei der extra lange Strohhalm, aufgrund der Biegespannung einen Impuls in die andere Richtung bekommt und ihm aus dem Mund schnalzt und das lecker gekühlte Erfrischungsgetränk über die Beine verspritzt. So nah, fast unheimlich nah, ist ihm der Schock - und keine Möglichkeit zu entscheiden ob er den ‚Anruf‘ annehmen oder eventuell aus familiären Gründen zum Beispiel ablehnen und auf ‚Auto-Antwort‘ umstellen soll.

Der Nachbar, der ihn durch den hohen Zaun nicht direkt sehen, aber doch wahrnehmen kann, beschneidet ihm seinen verdienten Feierabend. Die Grenzen beginnen in seiner Gegenwart zu verfließen und Knuud fühlt sich regelrecht ohnmächtig. Er braucht einen ganzen Augenblick, um trotzdem in einen kurzen Smalltalk zu verfallen, den er glücklicherweise zügig beenden kann mit dem Hinweis auf seine gerade heimkehrende Familie. Uff, das ist neu, das ist anders. Das ist nicht nach seinem Plan und schon gar nicht nach seinem Wohlbefinden. Das steht für ihn irgendwie sofort fest, als er die Kinder und seine Frau in die Arme schließt. So kommt für ihn wenigstens ein Stück Gewohnheit und Geborgenheit wieder zurück in seine Gefühlswelt.

Die Geschichten von Knuud und Ksavver anno 2069

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