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VIERTE HOMILIE. * Kap. I, V. 18—25. *

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1.

Kap. I, V. 18—25.

V. 18: „Denn es offenbart sich Gottes Strafgericht vom Himmel her über jede Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit von Menschen, die die Wahrheit im Banne der Ungerechtigkeit gefangen halten.“

Beachte das kluge Vorgehen des Paulus, wie er mit heil- und segenverheißenden Worten beginnt und dann die Rede hinüberleitet auf Gedanken, die Furcht einflößen sollen. Er hat oben davon gesprochen, daß das Evangelium Heil und Leben bringe, daß es eine Kraft Gottes sei, daß es Heil und Gerechtigkeit wirke; nun kommt er mit Gedanken, die geeignet sind, bei denen Furcht zu erregen, die es nicht halten. Da nämlich die Mehrzahl der Menschen sich nicht so sehr durch Verheißung von Heil und Segen als durch die Furcht vor Unheil zur Tugend leiten läßt, so sucht der Apostel seine Leser von beiden Seiten her zu gewinnen. Aus demselben Grunde hat auch Gott nicht bloß das Himmelreich verheißen, sondern auch mit der Hölle gedroht. Auch die Propheten haben in derselben Weise zu den Juden gesprochen. Sie mischen beständig Verheißungen und Drohungen untereinander. So schlägt denn auch Paulus in seiner Rede verschiedene Töne an, und zwar nicht beliebig, sondern das Heil- und Segenverheißende stellt er voran, das Unheilvolle läßt er nachfolgen. Dabei bringt er zum Ausdruck, wie jenes der vorgefaßten Absicht Gottes entspringe, dieses aber eine Folge schuldbaren Leichtsinnes der Menschen sei. So stellt auch der Prophet das Gute voran, wenn er spricht: „Wenn ihr willig seid und mir gehorcht, sollt ihr des Landes Gut genießen; wenn ihr euch aber weigert, und euch zum Zorne neigt, soll das Schwert euch fressen“ 59. Auf dieselbe Weise geht Paulus hier in seiner Rede vor. Gebt acht! Christus, sagt er, ist gekommen und hat Sündenvergebung gebracht, Gerechtigkeit und Leben; aber nicht so ohne weiteres, sondern durch das Kreuz. Das Große und Staunenswerteste dabei ist nicht, daß er uns so reichen Segen gebracht, sondern daß er so viel gelitten hat. Mißachtet ihr seine Geschenke, dann bricht das Unheil über euch herein. „Denn es offenbart sich“, sagt er, „Gottes Strafgericht vom Himmel her.“ Wieso läßt sich das erweisen? Wenn ein Gläubiger so fragt, dann führen wir ihm die Aussprüche Christi an; ist es aber ein Ungläubiger, ein Heide, dann macht ihn Paulus mundtot mit dem nun folgenden Hinweis auf das Gericht Gottes. Er führt so den unwiderleglichen Nachweis aus der Geschichte der Heiden selbst. Das ist nämlich das ganz Sonderbare bei Paulus, daß er den Bestreitern der christlichen Wahrheit nachweist, wie sie selbst durch das, was sie Tag für Tag tun und reden, ihre Übereinstimmung mit derselben bekunden. Doch davon später; jetzt wollen wir uns an den vorliegenden Text halten. Also:

„Denn es offenbart sich Gottes Strafgericht vom Himmel her.“ Jawohl, das ist gar oft schon hier auf Erden der Fall, z. B. bei Hungersnot, Pest und Krieg. Da erleidet jeder im besondern und alle zusammen gemeinsam Strafe. Was ist aber das Befremdliche an der Strafe, die dann (im Jenseits) kommen wird? Daß sie größer ist (als alle irdische Strafe), daß sie alle trifft und daß sie nicht denselben Zweck hat: die diesseitige Strafe hat nämlich den Zweck der Besserung, die jenseitige den der Wiedervergeltung. Das bringt auch Paulus zum Ausdruck, wenn er spricht: „Wir werden nun gezüchtigt wie Kinder, damit wir nicht mit der Welt verdammt werden“ 60. Jetzt kommt ja gar manchen vieles nicht als ein Strafgericht von oben vor, sondern als Verschulden von Menschen; dann aber wird es offenkundig sein, daß die Strafe von Gott kommt, wenn er nämlich als Richter auf dem schrecklichen Throne sitzen und die einen in den Feuerofen, die andern in die äußerste Finsternis und wieder andere zu andern unentrinnbaren, unerträglichen Strafen abführen lassen wird. Warum sagt er aber nicht offen so: „Der Menschensohn wird kommen mit Zehntausenden von Engeln und Rechenschaft fordern von einem jeden“, sondern: „es offenbart sich das Strafgericht Gottes“? — Seine Zuhörer waren erst Neugetaufte; darum sucht er sie zunächst durch etwas zu gewinnen, was von ihnen ohne Schwierigkeit zugestanden wurde. Außerdem scheint es mir, daß er mit Rücksicht auf die Heiden seine Rede so einleitet; später kommt er ja auf das Gericht Christi zu sprechen.

„Über jede Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit von Menschen, welche die Wahrheit im Banne der Ungerechtigkeit gefangen halten.“ — Hier bringt der Apostel zum Ausdruck, da es viele Wege der Gottlosigkeit gibt, der Weg der Wahrheit aber nur einer ist. Denn bunt und vielgestaltig und unterschiedlich ist der Irrtum, die Wahrheit aber ist eine. Zunächst meint er das wohl in bezug auf die Glaubenslehre; in der Folge bezieht er es auch auf das Leben, indem er von Ungerechtigkeit der Menschen spricht. Und in der Tat gibt es vielerlei Ungerechtigkeiten. Bei der einen handelt es sich um den Besitz, so z. B. wenn einer seinem Nebenmenschen Schaden daran zufügt; bei einer andern um die Weiber, so wenn einer sich von seinem Eheweibe trennt und die Ehe eines andern zerstört. Auch das versteht Paulus unter „Übervorteilen“, wenn er spricht: „Daß keiner zu weit gehe und seinen Bruder im Geschäfte nicht übervorteile“ 61. Andere wieder treten zwar nicht dem Weibe und dem Besitze, wohl aber der Ehre des Nächsten nahe. Auch das ist Ungerechtigkeit. „Denn ein guter Name ist besser als viel Reichtum“ 62. Manche (Erklärer) sind der Ansicht, daß die Ausdrücke („Gottlosigkeit“ und „Ungerechtigkeit“) von Paulus nur in bezug auf die Glaubenslehren gemeint seien. Es hindert aber nichts, abzunehmen, daß er es auf beides (sowohl auf die Glaubenslehren wie auch auf das sittliche Verhalten) bezieht. Was aber das heißt: „welche die (christliche) Wahrheit durch Ungerechtigkeit gefangen halten“, ersieh aus dem, was folgt:

* V. 19: „Weil das Erkennbare an Gott unter ihnen offenkundig geworden ist; denn Gott hat es ihnen ja kundgemacht.“ *

2.

Aber sie haben die Gott gebührende Ehre hölzernen und steinernen Götzen erwiesen. Wenn einem die Schätze des Königs anvertraut worden wären mit dem Auftrage, sie zu des Königs Ehre zu verwenden, er aber verschleuderte sie an Diebe und Dirnen und Gaukler und schaffte ihnen mit dem Gelde des Königs ein glänzendes Leben, wie würde ein solcher, als der schwersten Majestätsbeleidigung schuldig, bestraft werden! Ebenso haben auch die Heiden, welche die Kenntnis von Gott und seiner Herrlichkeit empfangen hatten, dadurch die Wahrheit gleichsam „gefangen gehalten im Banne der Ungerechtigkeit“, daß sie die Gott gebührende Verherrlichung Götzenbildern zuteil werden ließen und haben so gegen die Kenntnis von Gott, soviel an ihnen lag, eine Ungerechtigkeit begangen, da sie dieselbe nicht zu dem gehörigen Zwecke verwendeten. Ist euch nun das Gesagte klar geworden oder soll ich es noch klarer wiederholen? Es wird wohl notwendig sein, es zu wiederholen. Was ist also der Sinn des Paulus-Wortes? Gott hat den Menschen von Haus aus die Kenntnis von sich mitgegeben; aber die Heiden haben diese Gotteserkenntnis an hölzerne und steinerne Figuren weggeworfen und so gegen die Wahrheit eine Ungerechtigkeit begangen, allerdings nur soweit dies in ihrer Macht lag; denn die Wahrheit über Gott bleibt ja trotz alledem unverändert bestehen und behält ihre Ehre unverrückt. Woher weißt du aber, lieber Paulus, daß Gott den Heiden diese Kenntnis von sich von Hause aus mitgegeben hat? „Weil“, sagt er, „das Erkennbare an ihm offenkundig geworden ist.“ Aber das ist ja doch nur eine Behauptung, kein Beweis. Beweis mir doch und zeig mir es, daß die Gotteserkenntnis offen vor ihnen lag und daß sie freiwillig davon abirrten! Woher wäre sie ihnen denn offenkundig? Hatte sich Gott ihnen etwa kundgetan durch eine Stimme von oben? Nein; aber er hat etwas getan, was mehr als eine solche Stimme auf sie einwirken konnte: er hat ihnen die ganze Schöpfung vor Augen gestellt, so daß der Gelehrte wie der Ungelehrte, der Skythe und der Barbar, durch die Betrachtung ihrer Schönheit belehrt, zu Gott emporsteigen kann. Deshalb sagt der Apostel:

V. 20: „Denn das Unsichtbare an ihm ist seit Welterschaffung an denen, die sich darüber Gedanken machen, sichtbar geworden.“

So hatte ja auch der Prophet gesagt: „Die Himmel erzählen die Herrlichkeit Gottes“ 63. Was werden darum die Heiden an jenem Tage des Gerichtes sagen können? Wir haben dich nicht erkannt? — So habt ihr denn nicht den Ruf des Himmels vernommen, den er einem entgegenschickt, wenn man ihn nur anschaut? Mußte euch nicht die Ordnung des Alls lauter als Drommetenschall in die Ohren tönen? Habt ihr nicht in einemfort die unverrückbaren Gesetze vor euch gesehen, nach denen sich der Wechsel von Tag und Nacht vollzieht? Nicht die feste und unverrückbare Ordnung von Winter und Frühling und der andern Jahreszeiten? Nicht die Regelmäßigkeit in der Bewegung des Meeres, bei all seinem Rauschen und Wogen? Nicht die schöne Ordnung im Weltall, das durch seine Schönheit und Größe den Schöpfer kundtut? Das alles und viel mehr noch faßt Paulus zusammen, wenn er spricht: „Denn das Unsichtbare an ihm ist seit Welterschaffung denen, die sich darüber Gedanken machen, sichtbar geworden: seine ewige Majestät und Gottheit, so daß sie keine Entschuldigung haben.“ Das letztere war ja wohl freilich nicht der Zweck, warum Gott die Welt erschuf, wenn er auch tatsächlich erreicht worden ist. Nicht um den Heiden die Entschuldigung abzuschneiden, hat er eine solche Predigt (wie sie die sichtbare Schöpfung hält) veranlaßt, sondern damit sie zu seiner Erkenntnis gelangen sollten. Sind sie trotzdem zu dieser Erkenntnis nicht gelangt, so haben sie sich selbst jede Entschuldigung abgeschnitten.

Hierauf legt Paulus dar, wieso sie sich jede Entschuldigung abgeschnitten haben. * V. 21: „Weil sie, obwohl sie Gott erkannten, ihm doch nicht als Gott Ehre erwiesen.“ *

Das ist das eine ihrer schweren Verschulden; das andere, das auf das erste folgt, ist, daß sie Götzenbilder anbeteten. Es ist dies dieselbe Anklage, wie sie Jeremias erhebt, wenn er spricht: „Zwei üble Dinge hat dieses Volk getan: mich haben sie verlassen, die Quelle lebendigen Wassers, und sich löcherige Zisternen gegraben“ 64. Als ein Zeichen davon, daß sie Gott zwar erkannten, aber von dieser Erkenntnis einen ungehörigen Gebrauch machten, führt dann der Apostel an, daß sie eine Mehrheit von Göttern anerkannten. Er fährt darum fort: „Obwohl sie Gott erkannten, haben sie ihm doch nicht als Gott Ehre erwiesen.“ Er gibt auch den Grund an, warum sie in diese Torheit verfielen. Und welcher ist es? Sie kehrten durch ihr Pochen auf die Vernunft in allem das Unterste zu oberst. Er spricht dies aber nicht so aus, sondern gebraucht noch einen viel schlagenderen Ausdruck. Er sagt:

„Sie verfielen auf Ungereimtheiten bei ihren Verhandlungen für und wider, und ihr unverständiges Herz wurde mit Finsternis geschlagen.“

— Wenn es jemand unternimmt, in mondloser Nacht einen unbekannten Weg zu gehen oder auf dem Meere zu fahren, so gelangt er nicht nur nicht ans Ziel, sondern er findet bald seinen Untergang. Ebenso haben auch die Heiden kläglichen Schiffbruch erlitten, als sie es unternahmen, den Weg zum Himmel zu gehen, dabei aber das Licht wegwarfen und sich dafür der Finsternis ihrer Vernunft anvertrauten. Sie suchten in Körpern den Körperlosen und in Gestalten den Gestaltlosen. Nebstdem führt der Apostel aber auch noch einen andern Grund ihrer Verirrung an, indem er sagt:

V.22: „Sie nannten sich Weise und wurden zu Narren.“

Da sie sich viel von sich einbildeten, hielten sie es unter ihrer Würde, den Weg zu gehen, den ihnen Gott zu gehen befohlen hatte, und versanken dabei in törichte Vernünfteleien. Im folgenden führt der Apostel diesen Untergang im Meeressturm näher aus und zeigt zugleich, wie kläglich und unentschuldbar derselbe sei, indem er sagt:

V.23: „Und sie vertauschten die Herrlichkeit des unvergänglichen Gottes mit der Nachbildung eines vergänglichen Menschen, von Vögeln, Vierfüßlern und Kriechtieren.“

3.

Der erste Vorwurf gegen die Heiden ist, daß sie Gott nicht fanden; der zweite, daß sie gute und offenkundige Gelegenheiten dazu hatten; der dritte, daß sie sich für Weise ausgaben; der vierte, daß sie Gott nicht nur nicht gefunden hatten, sondern daß sie die ihm gebührende Verehrung auf Dämonen und hölzerne und steinerne Götzenbilder übertrugen. Auch im Korintherbriefe demütigt Paulus den Stolz der Heiden, aber nicht in der gleichen Weise wie hier. Dort gibt er ihnen gewissermaßen einen Hieb mit dem Kreuze, indem er spricht: „Etwas Törichtes bei Gott ist immer noch weiser als die Menschen“ 65. Hier aber zieht er, ohne einen Vergleich anzustellen, ihre Weisheit geradezu ins Lächerliche, indem er darauf hinweist, daß sie Torheit sei und nur prahlerischer Schein. Damit du ferner siehst, daß sie die Gotteserkenntnis besaßen, dieselbe aber auf solche Weise preisgaben, sagt er: „Sie vertauschten.“ Wer etwas vertauscht, der gibt etwas hin, was er hat. Sie wollten nämlich etwas mehr finden und hielten sich darum nicht innerhalb der gegebenen Grenzen und schritten über dieselben hinweg. Sie waren eben neuerungssüchtig. Es liegt das überhaupt im Wesen der Griechen. Ihre Weisen traten darum gegeneinander auf; Aristoteles erhob sich gegen Plato, gegen diesen knurrten die Stoiker, kurz, einer war der Feind des andern. Man sollte sie daher nicht so bewundern wegen ihrer Weisheit als sie vielmehr verabscheuen und hassen, weil sie eben dadurch zu Toren geworden sind. Denn wären sie nicht so versessen gewesen auf ihre Vernunftweisheit, auf ihre Schlüsse und Trugschlüsse, so wäre es ihnen nicht so ergangen, wie es ihnen ergangen ist. — Hierauf spinnt der Apostel seine Anklage gegen sie noch weiter aus und zieht ihren ganzen Götzendienst ins Lächerliche. War schon das Vertauschen (der Gotteserkenntnis) überhaupt lächerlich, so war es ganz und gar unentschuldbar, daß es gegen solche Dinge geschah. Gegen wen vertauschten sie den wahren Gott und was für Dingen erwiesen sie göttliche Ehre? Betreffs der Gottheit hätten sie sich über Fragen wie folgende Gedanken machen sollen: daß es einen Gott gebe, daß er der Herr aller Dinge sei, daß er sie aus dem Nichtsein ins Dasein gerufen habe, daß er seine Vorsehung und Fürsehung walten lasse; denn darin bestehe ja die Ehre der Gottheit. Welchen Dingen aber erwiesen sie solche? Nicht einmal Menschen, sondern Bildern von Menschen. Ja, sie blieben dabei nicht einmal stehen, sondern sie kamen herab bis zu den unvernünftigen Tieren oder vielmehr zu Bildnissen derselben. Beachte da das weise Vorgehen des Paulus, wie er zwei äußerste Grenzpunkte festsetzt: nach oben Gott, nach unten Kriechtiere — eigentlich nicht einmal Kriechtiere, sondern deren Nachbildungen —, um den Heiden ihren hellen Wahnsinn recht klar vor Augen zu halten. Die Kenntnis, die sie von dem hätten haben sollen, der unvergleichlich erhaben ist über alle Dinge, machten sie den niedrigsten aller Geschöpfe dienstbar. — Doch was hat das, fragst du, mit den Weisheitslehrern der Heiden zu tun? Doch ja, das Gesagte geht alles sie an; denn sie waren es, die die Erfinder alles dessen, die Ägypter, zu Lehrern hatten. Sogar Plato, dem Anscheine nach der fähigste Kopf unter ihnen, tut sich etwas zugute darauf, und sein Lehrer Sokrates hatte eine heilige Scheu vor solchen Götzen. Ließ doch er dem Äskulap einen Hahn opfern, woraus zu verstehen ist, daß die Bilder von unvernünftigen Tieren, sogar von Kriechtieren, als Götter galten. Neben den Kriechtieren kann man auch den Apollo und den Dionysos (unter die Götter eingereiht) sehen. Manche von diesen Weisheitslehrern haben sogar Stiere, Skorpionen, Drachen und allerhand anderes Gewürm in den Himmel versetzt. Allenthalben gab sich der Teufel Mühe, die Menschen bis herab zu den Bildern von Kriechtieren zu bringen und ihn (den wahren Gott) herabzusetzen bis unter die vernunftlosesten aller Tiere, während Gott sie emporführen wollte zum Himmel. Nicht allein daraus, sondern auch anderswoher kann man ersehen, daß sogar der Höchststehende unter den Heiden (Plato) dem geschilderten Götzendienst ergeben war. Wo er nämlich die Dichter (als Zeugen) anführt und sagt, man müsse ihnen in ihren Lehren über die Götter Glauben schenken, bringt er (als Beweis) nichts anderes vor als eine Menge solchen Plunders und meint, man müsse diese vielen Lächerlichkeiten für die wahre Gotteslehre halten.

V. 24: „Darum übergab sie Gott in den Lüsten ihres Herzens zur Unreinigkeit, daß sie untereinander sich ihre eigenen Leiber schänden ließen.“

Hier weist der Apostel darauf hin, daß auch am Umsturz der Gesetze die Gottlosigkeit schuld war. Das „übergab“ ist hier soviel wie „überließ“. Wenn ein Heerführer bei zunehmender Heftigkeit der Schlacht davongeht, so übergibt er seine Soldaten den Feinden, nicht so, daß er sie gerade zu ihnen hinstößt, sondern daß er sie ohne seine Hilfe läßt. So zog sich auch Gott von den Heiden zurück, nachdem er von seiner Seite alles getan hatte, sie aber das von ihm Dargebotene nicht annehmen mochten und so sie selbst zuerst ihn verlassen hatten. Sieh nur! Er hatte ihnen als Predigt von ihm das ganze Weltall vor Augen gestellt; er hatte ihnen Verstand und Vernunft gegeben, womit sie imstande waren, das Rechte zu erkennen. Doch von nichts von allem dem machten sie Gebrauch zu ihrem Heil, sondern sie verkehrten es sogar ins Gegenteil. Was sollte Gott noch weiter tun? Sie mit Gewalt zwingen, zu ihm zu kommen? Das ist nicht das richtige Mittel, jemanden auf den Pfad der Tugend zu führen. Es blieb also nichts anderes übrig, als sie sich selbst zu überlassen, damit sie auf diese Weise durch Erfahrung klug würden und von ihren schändlichen Gelüsten abließen. Wenn ein königlicher Prinz seinem Vater zur Schande sich in die Gesellschaft von Dieben, Räubern und Grabschändern begibt und den Umgang mit solchen Leuten dem väterlichen Hause vorzieht, so ist am besten, sein Vater läßt ihn gehen, bis er durch die Erfahrung belehrt wird über die Größe seiner Torheit.

4.

Warum nennt aber der Apostel kein anderes Laster mit Namen, z. B, Neid, Geiz u. dgl. sondern bloß Unzucht? Nun, ich glaube, er spielte damit auf Zustände an, wie sie seinen Zuhörern und den Empfängern seines Briefes bekannt waren. — „Zur Unreinigkeit, daß sie untereinander sich ihre eigenen Leiber schänden ließen.“ Beachte da die recht treffende Ausdrucksweise des Apostels! Sie brauchten, will er sagen, gar nicht andere, die sie schändeten, sondern das, was ihnen ihre Feinde hätten antun können, das taten sie sich selbst an. Dann faßt er noch einmal den Grund (der sittlichen Verirrungen) auf, indem er sagt:

V. 25: „Sie vertauschten die Wahrheit Gottes mit der Lüge, sie brachten ihre Weihegeschenke und Opfergaben den Geschöpfen dar und setzten den Schöpfer beiseite.“

Was ganz besonders lächerlich ist, führt der Apostel im einzelnen an, was weniger grob erscheint, im allgemeinen; die ganze Beweisführung läuft aber darauf hinaus, zu zeigen, daß die Anbetung der Geschöpfe ein Merkmal des Heidentums ist. Beachte auch, was der Apostel noch für ein Wort beifügt! Er sagt nicht bloß: „Sie brachten ihre Opfergaben den Geschöpfen dar“, sondern: „und setzten dabei den Schöpfer beiseite“. Im ganzen Abschnitt erhebt er gegen die Heiden diesen Vorwurf, durch diesen Beisatz aber spricht er ihnen jedwede Entschuldigung ab.

„Der gepriesen ist in Ewigkeit. Amen.“

— Doch dadurch, will er sagen, erlitt Gott keinen Schaden. Er bleibt ja doch gepriesen in Ewigkeit. Hiermit bringt der Apostel zum Ausdruck, daß Gott die Heiden nicht etwa sich selbst überlassen hat, um sich an ihnen zu rächen; er litt ja nicht dadurch. Mochten sie ihn schmähen, er wurde durch ihre Schmähungen; nicht getroffen, seine Ehre erfuhr keine Minderung, er ist und bleibt doch der Gepriesene allezeit. Wird ja doch oft auch ein Mensch dadurch, daß er sich der Weisheit befleißt, unverletzbar durch Schmähungen, um wieviel mehr muß es nicht Gott sein, der seinem Wesen nach unsterblich und unveränderlich ist, dessen Ehre unverlierbar und unantastbar ist.

Auch Menschen werden Gott ähnlich, wenn sie nicht zu verletzen sind durch Schimpf, den ihnen andere antun wollen, wenn sie durch Schmähungen von andern nicht geschmäht, durch Hiebe nicht getroffen, durch Verspottungen sich nicht verspottet fühlen. Ja, wie ist das möglich? fragst du. Nun, es ist möglich, ganz wohl möglich, wenn du dich nämlich nicht kränkst, was immer geschehe. Ja, sagst du, wie soll ich mich denn nicht kränken? Nun, sag’ mir, wenn dein kleines Kind gegen dich unartig ist, faßt du das etwa als Beleidigung auf? Kränkst du dich darüber? Keineswegs. Ja, wenn du dich kränktest, würdest du da nicht lächerlich? In dieselbe Stimmung müssen wir uns nun dem Nebenmenschen gegenüber versetzen, und wir werden nichts Unangenehmes zu erleiden haben. Sind ja doch solche, welche uns schmähen, unverständiger als kleine Kinder. Wir wollen nicht ängstlich bestrebt sein, ja keine Beleidigung zu erfahren, und wenn uns eine angetan wird, sie zu ertragen wissen. Dann ist unsere Ehre wirklich sicher. Wieso? Weil das letztere (auf keine Beleidigung zu achten) bei dir steht, das erstere (dir keine zuzufügen) beim andern. Siehst du nicht, wie der Diamant den verwundet, der auf ihn schlägt? Ja, sagst du, das hat der Diamant von Natur aus. Und du kannst frei gewollt das sein, was jenem von Natur aus zukommt. Wieso? Siehst du nicht, daß die Jünglinge im Feuerofen nicht verbrennen und Daniel in der Löwengrube unversehrt bleibt? Auch jetzt kann das geschehen. Umgeben uns ja auch Löwen — der Zorn, die böse Lust —; sie haben scharfe Zähne und zerfleischen den, welcher ihnen in den Rachen fällt. Sei du darum ein anderer Daniel und laß die Leidenschaften nicht ihre Zähne in deine Seele schlagen. — Aber, sagst du, bei Daniel war das Ganze rein ein Werk der Gnade. Ja, aber die Tat des freien Willens war doch voraus gegangen. So steht auch uns die Gnade zur Seite, wenn wir uns ebenfalls so bewähren wollen. Mögen uns diese Bestien auch hungernd umlauern, sie werden uns nicht anpacken. Denn wenn sie scheu zurückweichen beim Anblick des Leibes eines Dieners (Gottes), wie werden sie erst Ruhe geben, wenn sie Glieder Christi — das sind nämlich die Gläubigen — vor sich sehen? Geben sie aber keine Ruhe, dann liegt die Schuld an denen, die sich ihnen (als Beute) vorwerfen. Denn es gibt auch viele, die diesen Löwen einen reichen Schmaus darbieten, indem sie Huren aushalten, Ehen zerstören, an Feinden Rache nehmen. Solche werden freilich zerrissen, bevor sie noch am Boden anlangen. Dem Daniel widerfuhr dies nicht, aber auch uns wird es nicht widerfahren, ja es wird für uns noch viel günstiger ausfallen als für ihn. Dem Daniel fügten die Löwen bloß keinen Schaden zu; uns werden die Beleidiger, wenn wir wachsam sind, sogar noch Nutzen bringen. So wurde ja auch Paulus bereichert gerade durch seine Verfolger, Job durch seine vielen Schicksalsschläge, Jeremias durch die Schlammgrube, Noë durch die Sintflut, Abel durch seines Bruders Arglist, Moses durch die Mordgier, so Elisäus, so ein jeder jener großen Männer: nicht durch geruhsames Wohlleben, sondern durch Leiden und Trübsale erwarben sie sich ihre herrlichen Ruhmeskronen. Darum sprach auch Christus, der wohl wußte, daß das die Vorbedingung zu wahrem Ruhm sei, zu seinen Jüngern: „In der Welt werdet ihr Bedrängnis haben; aber vertraut, ich habe die Welt überwunden“ 66. — Was sagst du nun aber dazu, wendet man ein: Sind denn nicht doch auch viele zusammengebrochen unter der Last der Trübsale? Nicht durch die Trübsale an und für sich, sondern durch ihre eigene Schwachmütigkeit. — Aber der (da droben), der zugleich mit der Versuchung auch den glücklichen Ausgang und die Kraft gibt, sie zu überstehen, stehe uns allen bei und reiche uns seine Hand, auf daß wir einmal ruhmvoll verherrlicht werden und die himmlische Krone erlangen durch die Gnade und Liebe unseres Herrn Jesus Christus, mit welchem dem Vater und dem Hl. Geiste sei Ehre, Ruhm und Herrlichkeit jetzt und allezeit bis in alle Ewigkeit. Amen.

Kommentar zum Briefe des Heiligen Paulus an die Römer

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