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2.1.3 Aufbereitung des Videodatenpools für die Untersuchung

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Im Folgenden wird vor allem in technischer Hinsicht dargestellt, wie die Videodaten in und für die Auswertung aufbereitet wurden28F[29].

Videodaten bieten viele Möglichkeiten, z.B. die Wiederholbarkeit in der Beobachtung und die Dokumentation von nicht-sprachlich indizierten Ereignissen in den untersuchten Videoaufnahmen (vgl. Dinkelaker & Herrle, 2009). Aber sie stellen den Forscher auch vor besondere Herausforderungen. Für die qualitative Auswertung kann insbesondere die Dichte und Reichhaltigkeit von Videodokumenten und die Flüchtigkeit der Szenen zu einer enormen Anstrengung werden, trotz der Reduktion durch Fragestellung und Wahl des Bildausschnittes durch die Kameraführung (vgl. Frankenhauser, 2013).

Um diese Möglichkeiten zu nutzen und sich den Herausforderungen zu stellen, wurde für die Untersuchung ein Weg gewählt, der entlang der dargestellten Kodierverfahren die Daten systematisch im Zuge der Theorieentwicklung reduziert und im Sinne der GTM kodierbar macht.

Als eröffnender Schritt wurde eine beliebig gewählte selbständige Arbeitsphase einer dokumentierten Sportstunde kodiert. Bei der Einteilung der zu kodierenden Segmente wurde der Bedeutungssinn als Kriterium für den Umfang festgelegt. Das bedeutet, dass nicht technische Merkmale, wie Wort, Zeile oder Absatz, per se eingeteilt wurden, sondern dass die Länge eines Segmentes von der Bedeutung des kodierten Ereignisses abhängt29F[30].

Da die direkte Kodierung von Videodokumenten vor allem aufgrund der Ereignisdichte bei der gewählten Mikroperspektive unübersichtlich ist und auch die technischen Möglichkeiten zur direkten Kodierung von Videodaten begrenzt sind30F[31], wurde die entsprechende Sequenz - wie auch später alle kodierten Videodokumente - in Protokolle überführt (vgl. auch Jost, Klug, Schmidt, Neumann-Braun & Reautschnig, 2013). Dabei wurde erstens die gesprochene Sprache transkribiert31F[32] und zweitens wurden als relevant erachtete Beobachtungen32F[33] in das Transkript eingebettet (Beispiele finden sich bei der Auslegung der Ankerbeispiele in den Ergebniskapiteln). Die Verschriftlichung der Beobachtungen war insofern von hoher Bedeutung, da nur hierdurch Ereignisse kodiert werden konnten, die auf nicht-sprachlichen Indikatoren beruhen (z.B. die diagnostische Tätigkeit des Beobachtens, aber auch die Problemlösetätigkeit des Probierens). Die Protokolle wurden innerhalb der Software Atlas.ti (Version 7) mit den Videodaten parallelisiert, so dass die Videos jederzeit zur Auswertung der Protokolle hinzugezogen wurden.

An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass eine durchgehend standardisierte und extensive Form der Transkription der ursprünglichen Videodaten für die Auswertung im Rahmen dieser Untersuchung aus forschungsmethodischen und gegenstandsspezifischen Gründen nicht gewinnbringend und nicht geboten erschien (vgl. Kapitel 2.1). Beide Gründe begegnen sich in der Beziehung von Auswertungsstrategie und Gegenstandsbeschaffenheit33F[34].

Aufgrund der Forschungsgegenstände der Untersuchung war von Beginn an zu erwarten, dass die zu entwickelnden theoretischen Zusammenhänge nicht alleine durch Transkripte34F[35] zu erfassen sind. Für Studie I, mit dem Fokus auf den Gegenstand des selbständigen Lernens von Schülern im Sportunterricht, war aufgrund des in Kapitel 3.1 skizzierten Gegenstandsverständnisses zu erwarten, dass neben sprachlich-reflexiven Aspekten die Bewegungen der Schüler von Bedeutung sein würden. Gleiches gilt für die Betreuungstätigkeiten der Lehrkräfte, den Gegenstandsbereich von Studie II. Hier war anzunehmen, dass Bewegungen der Lehrkräfte im Sinne einer Vorbildfunktion, aber auch verschiedene Formen des Beobachtens als diagnostische Tätigkeit von Bedeutung sein würden (vgl. Kapitel 4.1). Aufgrund dieser beiden Foki nahm die direkte Beobachtung der Videodaten einen hohen Stellenwert im Auswertungsprozess ein.

Dieser hohe Stellenwert hat sich derart niedergeschlagen, dass für die Auswertung - bzw. die Kodierung - Protokolle angefertigt wurden, die einerseits die Sprache der Akteure dokumentiert, aber andererseits, im Sinne eines Beobachtungsprotokolls, potentiell bedeutsame nicht sprachliche Aspekte aufnimmt35F[36]. Da die direkte Kodierung der Videodaten technisch zum Auswertungszeitpunkt nicht praktikabel war, hatten die Beobachtungsprotokolle eine Brückenfunktion, um relevante sprachliche und nicht sprachliche Aspekte der Videodaten zu kodieren, diese kodierten Segmente über verschiedene Videos hinweg zu vergleichen und letztendlich in den theoretischen Auswertungsphasen in modelbildender Absicht zu integrieren (vgl. Kapitel 2.1.1). Essentieller Bezug des Auswertungsvorgehens sind jedoch letztendlich die Videodaten geblieben; sie wurden bis zuletzt zur Kodierung der Beobachtungsprotokolle immer wieder herangezogen (vgl. Kapitel 2.1.3).

Da für dieses Verfahren der eng verzahnten Auswertung von Text- und Videodaten zum Zeitpunkt der Entstehung der Untersuchung kaum Beispiele vorliegen, mussten erst Verfahrensweisen entwickelt werden. Daher liegen die Protokolle nicht in einer einheitlichen Form vor. Während die ersten Protokolle durch einen hohen Umfang der Beobachtungsbeschreibungen geprägt sind, sind die Beobachtungselemente der Protokolle, die gegen Ende der Untersuchung entstanden sind, wesentlich fokussierter. Dies ist in forschungsmethodischer Hinsicht der zunehmenden Einschränkung der Foki bzw. dem selektiven Kodieren geschuldet (vgl. Kapitel 2.1.2)36F[37]. Sprachliche Facetten (z.B. verbale und prosodische Merkmale, Pausen, etc.) waren zum einen aufgrund der engen Verzahnung von Videodaten und Protokollen und vor allem aufgrund der Stoßrichtung der Fragestellung für die Auswertung von geringer Bedeutung gewesen und nahmen nur in der Hinsicht eine Funktion ein, um den Abgleich von Videodaten und Protokoll zu erleichtern. Die Notationszeichen in Tabelle 15 wurden daher ausgewählt, da sie markante sprachliche Besonderheiten als Orientierungspunkte dokumentieren. Sie wurden nicht ausgewählt, um Feinheiten verschiedener sprachlicher Bedeutungen zu kodieren.

Dass die erstellten Protokolle nicht in hohem Maße standardisiert dokumentiert wurden, steht letztendlich auch mit dem qualitativen Forschungsparadigma in Einklang, dem in der Untersuchung gefolgt wurde. Qualitativer Forschungslogik zufolge erlangen Phänomene in den Daten ihre Bedeutung durch die Rolle, die sie in dem zu entwicklenden theoretischen Zusammenhang spielen. Im Sinne theoretischer Sensibilität (vgl. Kapitel 2.1.1) wurden neben den Protokollen auch andere Datenquellen zur Entwicklung der Ergebnisse (vgl. Kapitel 3.2; 4.2) herangezogen. Beispielsweise wurden für die eher „theoretischen Phasen“ des iterativen Auswertungsprozesses (vgl. Kapitel 2.1.1) auch die Arbeitsblätter der Unterrichtsreihe (vgl. Kapitel 7.1) oder Befunde anderer Studien herangezogen. Eine hohe Bedeutung entsteht nicht aufgrund des wiederholten Auftretens eines Phänomens in statistisch signifikantem Maße, die nur durch die strenge standardisierte Vergleichbarkeit der Daten erreicht werden kann.

Nach der Kodierung des ersten Videos wurde gezielt entlang der identifizierten und bereits konzeptualisierten Kategorien nach Vergleichen innerhalb des Videodatenpools gesucht. Ab diesem Zeitpunkt wurden nicht mehr pauschal ganze Videos protokolliert, sondern lediglich jene Szenen in Protokollen verschriftlicht, die auch tatsächlich als relevant erachtet und kodiert wurden.

Die Kodierung wurde ebenfalls mittels der Software Atlas.ti Version 7 durchgeführt (Friese, 2012; vgl. Friese, 2013; Konopasek, 2011; Mühlmeyer-Mentzel, 2011). Die Software ermöglicht sowohl Text als auch Videodaten einzulesen und aufeinander zu beziehen. Außerdem wird die konzeptuelle Arbeit durch Gruppierungsfunktionen, die Bildung von sogenannten Netzwerken und komplexer Retrieval-Funktionen unterstützt37F[38].

Für die Darstellung der Ergebnisse sind zum Teil Standbilder (sogenannte Stills; vgl. Dinkelaker & Herrle, 2009) der Videos entnommen worden, um die Konstellation des jeweiligen Ankerbeispiels zu veranschaulichen. Aufgrund der mittelmäßigen Auflösung der Videos wurden die Stills digital nachgezeichnet.

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