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Kapitel 5 Heimtückisches Gewissen

Ich ließ mich von Camys Gebrabbel berieseln, während ich auf dem Bett ihrer Zimmergenossin lümmelte und mich durch die Collegebroschüren wälzte. Da mein Aufbruch aus Fort Payne mehr als nur überstürzt war, hatte ich keinen blassen Schimmer, was genau ich hier eigentlich studieren wollte. Das Angebot war riesig. Erschwerend kam hinzu, dass ich mich hier weder beworben noch eingeschrieben hatte. Ich sollte mich glücklich schätzen, wenn ich überhaupt noch hier aufgenommen wurde.

Frustriert warf ich den Flyer auf den Stapel, der sich bereits auf dem Fußboden befand.

»Und, schon entschieden?« Camy lag auf der Seite und hatte den Kopf auf ihre Hände gestützt. Ihren Zopf hatte sie gelöst, wodurch sich ihre farbenfrohe Haarpracht wie ein Wasserfall über ihre Schultern ergoss und bis auf das Kopfkissen fiel, das sie sich unter den Arm geklemmt hatte.

»Ich glaube, ich werde erstmal einige Orientierungskursen besuchen und sehen, wo überhaupt noch ein Platz frei ist.« Ich machte es ihr gleich und seufzte, als ich mir das Kissen zurechtklopfte und anschließend meinen Kopf darauflegte.

»Wird wohl das Beste sein.«

»Woher hast du gewusst, was du studieren willst?«, fragte ich und sah sie hoffnungsvoll an.

Sie drehte sich auf den Rücken und streckte ihre Beine in die Luft. »Das stand irgendwie schon immer fest. Mein Vater ist Detective Chief Inspector, meine Mutter Police Officer. Schon im Kindergarten habe ich für Recht und Ordnung gesorgt. Sehr zum Leidwesen meines Bruders. Er konnte keine Scheiße bauen, ohne dass ich ihn nicht deswegen verpetzt hätte.« Ihre Beine plumpsten zurück auf die Decke und sie grinste mich schelmisch an.

»Erzähl mir was von deinem Bruder«, bat ich sie und setzte mich auf. Ich rutschte nach hinten, bis mein Rücken an der Wand lehnte. Dabei achtete ich akribisch darauf, keines der unzähligen Fanposter, die daran klebten, abzureißen. Camys Mitbewohnerin hatte einen ziemlich eigenwilligen Musikgeschmack. Von Taylor Swift bis Billie Eilish war alles vertreten. Direkt über mir hing sogar ein Poster von 6six9nine.

»Clayton …«, fing Camy an, »ist ein herzensguter Mensch, der leider ein Talent dafür hat, sich in beschissene Situationen zu bringen.« Sie holte tief Luft und schüttelte leicht mit dem Kopf. Ich rutschte höher und beugte mich etwas vor. Ich hatte das starke Gefühl, das Clayton das genaue Gegenteil von Camy war.

»Schon auf der Highschool hat er es geschafft, eine beachtliche Sammlung an Vorstrafen zu sammeln. Drogen, Alkoholmissbrauch, Diebstahl – er hat alles mitgenommen, was in irgendeiner Weise verboten war.« Clayton war also ein typischer Bad Boy. Interessant …

»Es war seine eigene Art gegen unsere Eltern zu rebellieren«, fuhr sie fort.

»Eure Eltern müssen doch regelmäßig durch die Decke gegangen sein.«

Camy lachte auf eine verstörende Weise und setzte ich auf. »Machst du Witze? Die sind nicht nur durch die Decke gegangen, die haben die halbe Bude eingerissen wegen Clayton.«

Ja, das konnte ich mir wirklich gut vorstellen.

»Als Clayton dann wegen versuchter Vergewaltigung angezeigt wurde, eskalierte es völlig. Mein Vater schmiss ihn raus und jagte ihn förmlich bis nach Tampa.«

What the Fuck!

Mehr fiel mir darauf nicht ein. Sprachlos saß ich auf dem Bett und glotzte Camy an.

»Keine Sorge, die Anzeige wurde fallen gelassen. Diese Bitch wollte ihm nur eins auswischen. Er hatte überhaupt nichts dergleichen getan.«

Trotzdem! Mit so einer Anzeige in der Tasche erhielt man doch automatisch den Stempel als Schwerenöter. Bei einer anderen Gelegenheit musste ich Camy unbedingt fragen, was genau es damit auf sich hatte.

»Tampa war für ihn die Rettung gewesen. In einer neuen Stadt ohne seine ›Gang‹ wurde es langsam besser. Im ersten Semester hat er sich echt reingehangen und wir dachten wirklich, er fängt sich wieder.«

»Aber?« Ich wusste, es gab ein Aber.

»Aber«, sie seufzte und ließ den Kopf hängen, »dann lernte er Tobias kennen. Seitdem geht es wieder bergab. Das ist einer der Gründe, warum ich hier studiere.«

»Was ist der andere Grund?«, fragte ich nach, obwohl meine Gedanken zu diesem Tobias abdrifteten. Der musste ja der Teufel höchstpersönlich sein, wenn er so einen Einfluss hatte.

»Mein Ex? Hast du mir nicht zugehört?« Camy riss mich aus meinen Gedanken, ehe ich sie weiter vertiefen konnte.

Shit! Nein, hatte ich nicht. Ich war viel zu sehr in die Studienhefte versunken gewesen und hatte kein einziges Wort von ihr mitbekommen. Doch das wollte ich ihr nicht sagen. Der Verbalanfall von vorhin hatte mir gereicht und ich wollte nicht herausfinden, wie sie auf meine Ignoranz reagierte. Auch wenn ich ihr nicht absichtlich nicht zugehört hatte.

»Klar, habe ich das«, sagte ich zögerlich und verzog den Mund zu einer komischen Grimasse. Camy verdrehte genervt die Augen. »Eigentlich wollte ich mit ihm nach Utah gehen. Doch nach seiner ›Ich bumse mich durch die halbe Stadt‹-Aktion hatte sich das für mich erledigt.«

Stimmt, da klingelte etwas in meinem Hinterkopf, als sie das wiederholte.

Scheinbar waren doch ein paar Informationen bis in mein Hirn vorgedrungen. Schnell nickte ich, um ihr zu signalisieren, dass ich doch zugehört hatte.

»Als Clay dann letztes Jahr in den Semesterferien völlig bekifft nach Hause kam und es mit Dad wieder nur Streit gab, habe ich mich hier eingeschrieben. Damit ich auf ihn aufpassen kann.« Sie zuckte mit den Schultern, als wäre dies nichts Besonderes. Ich fand jedoch, dass das eine wirklich selbstlose Tat von ihr gewesen war. Sie stellte ihre eigenen Träume hinten an, um für ihren Bruder da zu sein. Etwas, was ich für meine Mutter nicht tun würde. Nicht mehr tun würde, um genauer zu sein. Bei meiner nächtlichen Flucht hatte ich mir geschworen unabhängig von ihren Launen zu handeln. Nach den ganzen Jahren, in denen ich mich ihren Marotten unterordnen musste, würde ich jetzt mein eigenes Ding durchzuziehen. Egal, wie verzweifelt sie versuchen würde, mich zurückzuholen.

Warum in aller Welt überkam mich dann aber plötzlich ein schlechtes Gewissen?

Am liebsten hätte ich mich umgedreht und meinen Kopf so lange gegen das Poster mit der Rapperfratze gehauen, bis dieses beschissene Gefühl in meinem Bauch wieder verschwunden war. Doch ich wusste, es würde nichts bringen.

Camy sprang auf und strich sich das Oberteil glatt. »Ich bin am Verhungern. Lust auf Pizza? Da könnte ich dir gleich die Cafeteria zeigen.«

Mein Magen meldete sich tatsächlich bei dem Wort ›Pizza‹. Ein Blick auf mein Handy verriet mir, das es bereits später Nachmittag war. Wir hatten den halben Tag hier im Zimmer rumgehangen.

Nicht, dass ich mich beschwert hätte. Es gab definitiv schlechtere Arten, seinen Tag zu verbringen. Zum Beispiel mit Trübsal blasen vor der geschlossenen Collegeverwaltung. Was hatte ich nur für ein Glück, das mir so ein Schicksal erspart geblieben war.

Camy öffnete die Zimmertür und schaute mich erwartungsvoll an. Doch ich blieb sitzen und zögerte. »Ich müsste nur noch kurz telefonieren. Macht es dir etwas aus, schon allein vorzugehen? Ich komme gleich nach.« Trotz der Aussicht auf was Fetttriefendes hielt mich eine Sache zurück. Etwas, das mir wieder in den Kopf geschossen war, während Camy von ihrem Bruder erzählt hatte. Etwas, von dem ich wusste, dass es nicht besser werden würde, je länger ich es hinauszögerte.

Das Telefonat mit meiner Mutter stand noch aus.

Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich sie noch eine ganze Weile schmoren lassen. Doch ich wusste, wie sehr es meinen Vater belastete. Schon allein, weil ich mir sicher war, dass meine Mutter ihm die ganze Zeit die Ohren vollheulte, weil ich mich nicht bei ihr meldete. Und dann war da auch noch dieses heimtückische Gewissen, das sich aus der Versenkung zurückmeldete und mich anflehte, ihr zu vergeben.

Bevor ich mich vollends auf Tampa und Camy einlassen konnte, musste ich diese eine Sache noch hinter mich bringen. Danach stand meiner Freiheit nichts mehr im Weg. Außer vielleicht die Absage der Uni, die ich am Montag bekommen könnte, weil ich es versäumt hatte, mich innerhalb der Bewerbungsfristen hier einzuschreiben.

Das jedoch waren Probleme der Zukunft. Jetzt musste ich zunächst die Probleme von gestern klären, um überhaupt an morgen denken zu können.

Dark Addiction

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