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Kapitel 7 Zuckersüße Gefühlsentgleisung

Unsere Bäuche waren vollgestopft mit Pizza, unter den Armen balancierten wir Schokoladenriegel und Chips zurück zum Studentenwohnheim.

Mittlerweile war es später Abend und allmählich erlosch das Tageslicht und machte Platz für die Lichter der Stadt. Der graublaue, wolkenlose Himmel wurde immer wieder von bunten Laserstrahlen durchbrochen, die von den umliegenden Klubs in die heranbrechende Nacht geschossen wurden. Dazu vibrierten tiefe Basstöne über die Häuserwände und durch den Boden. Jetzt krochen auch die verbliebenen Studenten aus ihren Löchern und zeigten sich. Wer nicht mit zur Summerbreak-Party gefahren war, stürzte sich ins Nachtleben von Tampa.

Und hier gab es eine große Auswahl an Aktivitäten. Neben unzähligen Klubs und Bars waren vor allem die Stippklubs bei den weiblichen Campusbewohnern überaus beliebt. Meinte Camy jedenfalls.

Und jetzt, wo ich mit eigenen Augen sah, wie die Frauen gekleidet waren, glaubte ich ihr auch. Die meisten von ihnen trugen Klamotten, die eher einem schmalen Gürtel glichen als einem Rock. Die Rückansichten der an uns Vorbeistolzierenden bestätigte dies, denn auch hier sah man mehr Arschbacke als Bein.

Camy konnte nicht umhin, abfällig zu schnauben, als die nächste Truppe Schnepfen an uns vorbeigestakst war. »Ich habe nichts gegen nackte Haut, aber kann man die nicht wenigstens mit ein wenig Würde präsentieren?«

Dem konnte ich nur zustimmen. Die meisten Outfits wirkten wenig gekonnt, sondern vielmehr billig und dienten offensichtlich nur dem einen Zweck: Um jeden Preis aufzufallen.

Von mir aus sollten sie nur. Wie hieß es so schön? Wer hat, der kann. Hätte ich so eine Figur, würde ich mich wohl auch in so eine Wurstpelle zwängen und mich in den Blicken der Männer aalen.

Hatte ich aber nicht.

Ich war zu klein, mit zu vielen Kurven, sodass ein Minikleid an mir eher wie ein Kartoffelsack wirkte und ich wie ein Gartenzwerg aussah. Erschwerend kam hinzu, dass ich mich permanent unwohl in meiner Haut fühlte. Wenn einem von klein an eingebläut wurde, dass man das Gegenteil von schön ist, fällt es schwer, ein gesundes Selbstbewusstsein aufzubauen. Der Lieblingsspruch meiner Mutter, wenn ich vor dem Spiegel mit meinem Aussehen herumexperimentiert hatte, lautete: »Aus einer Nebelkrähe macht man keinen Silbervogel.« Das sagte doch eigentlich alles.

Ehe ich weiter darüber nachdenken konnte, erreichten wir das Wohnheim und flitzten in Camys Zimmer zurück. Genau in dem Moment, wo wir unsere süßen Sünden auf den Fußboden fallen ließen, klingelte ihr Handy. Während sie es aus der Gesäßtasche ihrer Jeans angelte, schnappte ich mir die Jelly Beans und schmiss mich rücklings auf das Bett ihrer Mitbewohnerin. Ich riss die Tüte auf und stopfte mir gleich eine ganze Hand von den Dingern in den Mund. Ich liebte Jelly Beans, vor allem die Rosafarbenen, die wie Zuckerwatte schmeckten.

Camy hingegen stand mittig im Zimmer und verzog Mund und Nase so, als hätte sie gerade einen tiefen Atemzug aus einer öffentlichen Damentoilette genommen.

»Waf if?«, schmatzte ich mit halb vollem Mund und hielt mir schnell die Hand vor die Lippen, da ich sonst die Jelly Beans wieder ausgespuckt hätte.

»Eine Nachricht von meinem Bruder. Dieser Vollidiot. Sieh dir das an.« Schnurstracks schmiss sie das Handy in meine Richtung. Es landete ungebremst auf meinem vollen Pizzabauch. »Uff.« Schnell schluckte ich die letzten Beans runter und rappelte mich auf. »Danke für die Vorwarnung.«

»Sorry, aber diese Knalltüte macht mich rasend.«

Nachdem ich mich von der Wurfattacke erholt hatte, hielt ich mir das Handy vors Gesicht und betrachtete das Bild. Auf dem ersten Blick erkannte ich nichts Auffälliges. Nur vier Kerle auf einer Beachparty. Dank der Bilder, die Camy mir zuvor gezeigt hatte, erkannte ich ihren Bruder auf Anhieb. Jedoch hätte ich auch so gewusst, wer ihr Bruder war. Er sah genauso aus wie Camy, nur eben als männliche Variante. Die schmale Nase, die hohen Wangenknochen und die mandelförmigen Augen, die durch dichte, dunkle Augenbrauen umrandet waren. Einzig die schwarzbraunen Haare und der Dreitagebart unterschieden ihn von seiner Schwester.

Zwei schlanke, aber durchtrainierte Typen, standen links und rechts von ihm und hatten je einen Arm um seine Schultern gelegt. In der anderen Hand hielten sie rote Plastikbecher in die Höhe, während sie ausgiebig lachten. Immer noch konnte ich nichts Verwerfliches sehen.

Angestrengt ließ ich den Blick weiter wandern und blieb an dem Kerl hängen, der lässig auf einem Knie vor den anderen hockte. Das musste Tobias sein. Laut Camy der Inbegriff des Bösen.

Seinen linken Arm hatte er auf dem Oberschenkel aufgestützt, in der anderen Hand hielt er etwas, das wie ein kleines buntes Windrad aussah.

So eins, wie man normalerweise in die Terrassenkübel der Pflanzen steckte, damit es sich im Wind drehte. Er brachte es zum Kreiseln, denn er hatte den Kopf seitlich gedreht und die Lippen gespitzt. Daher ging ich davon aus, dass er das Windrad anblies, damit es sich bewegte.

Seine dunkelblonden Haare waren strähnig und hingen ihm tief ins Gesicht. Entweder schwitzte er oder er kam gerade aus dem Wasser. Durch den dunklen, verschwommenen Hintergrund konnte ich es nicht genau sagen und eigentlich war es auch egal. So oder so faszinierte mich der Anblick. Dadurch, dass das Bild mit Blitz aufgenommen worden war, glänzte seine Haut wie dunkler Waldhonig. Das brachte die schwarze Tätowierung auf seinem rechten Arm zur Geltung.

Moment, dieses Tattoo hatte ich doch schon einmal gesehen …

Der Typ in dem SUV, der mir zugezwinkert hatte. Das war er gewesen …

Die Schlange wand sich um seinen Unterarm. Die Schwanzspitze ruhte auf seine Handrücken, wohingegen sich der herzförmige Schlangenkopf auf seinem Oberarm befand. Ich zoomte heran, da ich unbedingt den Schlangenkopf näher betrachten wollte, wurde aber jäh unterbrochen, da mir Camy das Handy entriss und wie wild auf das Display tippte. »Hier! Siehst du das?« Das Handy drückte sie mir wieder so dicht vor die Nase, dass prompt der Bildschirm durch meine Atemluft anlief.

»Was genau meinst du? Ich sehe nur, dass sie Party machen.« Nachdem ich das Handy aus meinem Gesicht entfernt hatte, schaute ich sie stirnrunzelnd an. Und konnte es kaum fassen. In ihren Augen standen dicke Tränen. Bereit, ihre Wangen herunterzulaufen, sobald sie die Schleusen öffnete.

Ich schluckte trocken. Hoffentlich fing sie nicht an zu weinen. Es bereitete mir ungeheures Unbehagen, wenn andere in meiner Gegenwart weinten.

Sie tippte zweimal auf das Handydisplay und schob anschließend Daumen und Zeigefinger in die Breite, um das Bild erneut zu vergrößern. »Sieh dir seine Augen an.«

Ich presste meine Augen zu schmalen Schlitzen zusammen und musterte die Pupillen ihres Bruders. »Du meinst, weil sie so rot sind?«

Sie nickte und schluckte gepresst. Sofort verstand ich, woher ihre Sorge rührte.

Eine durchaus berechtigte Sorge, sofern ich in den vergangenen Stunden gut genug zugehört hatte. Schließlich konnte Clayton auf eine turbulente Zeit zurückblicken, die die Vermutung steigen ließ, dass hier Drogen im Spiel waren und die roten Augen nicht vom Schlafmangel kamen.

Ich scrollte wieder aus dem Bild, schloss die Galerie, legte das Handy auf den Nachtisch und stupste Camy mit der Schulter an. »Die roten Augen können viele Gründe haben. Zu viel Alkohol, zu wenig Schlaf, Salzwasser vom Meer oder vielleicht benutzen die dort diese Nebelmaschinen. Ich könnte mir vorstellen, dass dieses chemische Zeug gewaltig in den Augen brennt.«

»Das glaube ich nicht und ich schwöre, wenn ich Clayton erwische und er stoned ist, dann …« Sie schniefte laut, auch wenn sie versuchte, die Tränen zurückzudrängen und die Enttäuschung mit Wut zu überspielen. Ich musste sie schleunigst beruhigen. Wenn sie losheulte und ich wie gelähmt neben ihr saß und nichts machte, würde sie mich für eine herzlose Kuh halten und mich wieder auf die Straße setzten.

Denk nach! Was sagt man in so einer Situation?

Verfluchter Scheißdreck!

Ich hatte nie gelernt, wie man tröstete oder Mut zusprach oder jemanden aufmunterte. Wenn ich traurig war oder jemanden zum Reden brauchte, hatte sich meine Mutter stets mit verschränkten Armen vor mich gestellt und gemeint: »Selbst Schuld, Evelyn. Ich kann dir bei deinen Problemen nicht helfen, das musst du schon selbst klären.«

Und genau das hatte ich getan. Problem an der Sache war, wenn man selbst nie getröstet wurde, lernte man auch nicht, wie man andere tröstete.

Das würde mir jetzt zum Verhängnis werden.

In einem letzten Versuch probierte ich, Camy zu beruhigen. »Bevor er nicht wieder zurück ist und du mit ihm reden kannst, bringt es nichts, Mutmaßungen anzustellen. Am Ende steigerst du dich in etwas rein, für das es im Nachhinein eine logische Erklärung gibt. Camy, das hier ist nur ein harmloses Partyfoto und kein Bild, auf dem er eine Line zieht.«

Sie öffnete den Mund, doch bevor sie zu reden anfangen konnte, legte ich ihr die Hand auf die Lippen und fuhr fort: »Ohne deinen Bruder zu kennen, gebe ich dir den Rat abzuwarten und ihm eine Chance zu geben, damit er sich erklären kann. Das wäre nur fair.«

Mit einem Klaps auf meinen Handrücken sorgte sie dafür, dass ich ihren Mund wieder freigab.

»Aua«, schimpfte ich und rieb mir über die gerötete Hautpartie. Ganz schön garstig dafür, dass ich ihr nur helfen wollte.

Während ich ihr wieder in die Augen blickte, sah ich, wie die Emotionen über ihr Gesicht rasten. Sollte ich wahrhaftig das Richtige gesagt haben? Scheinbar schon, denn die Tränen verschwanden endlich und der puterrote Kopf nahm wieder eine normale Hautfarbe an. Nur ein roter Hauch verlieb in ihren Wangen.

Nach einer gefühlten Ewigkeit schnaubte sie laut, bevor sie die Schultern kreisen ließ und erneut tief durchatmete. »Du hast recht. Vielleicht gibt es eine harmlose Erklärung für all das.«

»Genau«, pflichtete ich ihr bei, da mir nichts Besseres einfiel.

»Morgen, wenn er zurückkommt, werde ich mit ihm reden und danach kann ich immer noch ausflippen. Es tut mir leid, manchmal gehen die Gefühle etwas mit mir durch.« Reuevoll rieb sie sich die Hände im Schoss und schielte mich aus den Augenwinkeln heraus an.

»Ach, tatsächlich? Habe ich gar nicht mitbekommen.« Entrüstet riss ich die Augen auf und schüttelte langsam mit dem Kopf. Das zauberte Camy endlich wieder ein Lächeln auf die Lippen. Ungalant schniefte sie und wischte sich mit der Hand unter der Nase entlang. »Ich glaube, wir werden uns echt gut verstehen. Du scheinst das genaue Gegenteil von mir zu sein. Fährst wahrscheinlich so gut wie nie aus der Haut und bleibst auch in den chaotischsten Situationen gelassen.«

Träge zuckte ich mit den Schultern. »Ich bin die Ruhe in Person. Meistens jedenfalls.«

»Evy Pierce, du bist schon eine sonderbare Rarität.« Laut lachend schlang sie die Arme um meinen Hals und drückte mich an sich.

Unbeholfen tätschelte ich ihr übers Kreuz. »Ähm, danke?«

»So, genug Drama für heute, wo sind die sauren Drops? Ich brauche Zucker für meine Nerven!« Sie ließ mich los und fing an, in dem Berg aus Süßigkeiten zu kramen.

Tragödie abgewendet. Vorerst …

Dark Addiction

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