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Kapitel 1 Im Nachtbus Richtung Freiheit

Ich saß im Nachtbus Richtung Florida. Meine zitternde Hand umklammerte mein Handy. Auf dem Display zeigte die Uhr kurz nach Mitternacht. Dahinter strahlte mich mein Desktopbild an. Es zeigte mich und meine Mutter, eng umschlungen mit kunterbunten Haaren auf dem Holifestival in Birmingham. Kaum zu glauben, dass dieses Foto erst wenige Wochen alt war.

Fremde hielten uns oft für Schwestern. Verglichen uns mit Schneeweißchen und Rosenrot. Meine Mutter mit ihrer hellen Haut und den makellosen Gesichtszügen, immer perfekt gestylt, immer im Rampenlicht. Dagegen war ich, mit meinen Sommersprossen, den hellbraunen Haaren, die sich nie richtig bändigen ließen, und den runden Wangen, das hässliche Entlein neben dem wunderschönen Schwan. Ich war weder Schneeweißchen noch Rosenrot. Ich war nur ein dunkler Fleck, der die Schönheit der Sonne befleckte.

Diese Frau dort auf dem Foto war die böse Hexe aus dem Märchenbuch. Strahlendes Lächeln, tiefblaue Augen und glatte Gesichtszüge, die zu einer Dreißigjährigen, nicht aber zu einer Fünfzigjährigen passten. Nichts deutete darauf hin, dass hinter diesem Gesicht eine verdorbene Persönlichkeit steckte, der ich es zu verdanken hatte, dass ich mitten in der Nacht, mit verheulten Augen, in einem nach Schweiß stinkenden Bus saß. Vollkommen allein und ohne eine Ahnung zu haben, was als Nächstes passieren würde.

Danke, Mom, für alles und nichts.

Mein Handy gab den Geist auf, noch bevor ich das Hintergrundbild ändern konnte. Warum ich es überhaupt ausgewählt hatte, wusste ich selbst nicht. Vermutlich als Erinnerung daran, nicht so zu werden wie sie. Schon mich von ihr überreden zu lassen, auf dieses bescheuerte Festival zu gehen, war saudämlich gewesen. Weder hatte ich Freude an solchen Ausschweifungen, noch genoss ich die derartig aufdringliche Präsenz in ihrer Gegenwart. Nur, weil es ihr Geburtstagswunsch gewesen war, hatte ich sie begleitet. Und es sofort darauf bereut. Während sie sich mit den Massen vergnügt hatte, war ich im Abseits gelandet, war mir meine Lieblingsbluse mit Bier versaut worden und ein betrunkener Vollhorst hatte mir in die Handtasche gekotzt. Es war ein grandioser Ausflug mit ihr gewesen. Nicht!

Seufzend steckte ich das Handy zurück in meinen Rucksack und stopfte ihn anschließend unter den Sitz. Es regnete, was dafür sorgte, dass die Klimaanlage des Busses die schwülwarme Luft von draußen hineinblies und das Innere in ein müffelndes Treibhaus verwandelte.

Die Reihen vor und hinter mir waren leer. Nur auf der Rückbank lümmelten ein paar Teenager herum, die lautstark die Musik irgendeines Gossenrappers hörten. Hätte ich für jedes ›Bitch‹ oder ›Pussy‹, dass der Typ grölte, einen Dollar bekommen, dann wären jetzt exakt siebenundzwanzig Dollar mehr in meiner Tasche. Dabei hatte der Song erst angefangen.

Mein Blick wanderte nach draußen. Die Interstate 75 war wie immer total überfüllt. Dass in Fort Lauderdale morgen die letzte Summerbreak-Party stattfinden würde, machte die Situation auf den Straßen nicht gerade besser.

Partybusse, Hipsterkutschen und Autos, aus deren Fenstern mehr Rauch als aus einem Industrieschornstein quoll, rasten an uns vorbei.

Es war mir so was von egal.

Ich wollte nur noch weg aus Alabama. Sehr weit weg.

Gut, Tampa war jetzt nicht am anderen Ende der Welt, aber immerhin brachte es fünfhundert Meilen zwischen mich und meine Mutter.

Fünfhundert Meilen Abstand, die ich brauchte, um mich zu beruhigen. Damit ich die letzten Tage verdauen konnte.

Dass sie krank im Kopf war, hatte ich schon immer gewusst. Dass ihre Psychosen aber solche Ausmaße annehmen konnten, war mir neu gewesen und hatte mich total unvorbereitet getroffen. Ihr Gefühlsausbruch auf meiner Highschool-Abschlussfeier lässt sich wohl am treffendsten mit dem Untergang der Titanic beschreiben. Doch im Gegensatz zu Rose würde sie Jack in den Hintern treten, um auf das letzte Rettungsboot zu gelangen, und anschließend eine riesengroße Show darüber abziehen wie furchtbar sein Tod doch für sie war.

Jap, so ein Mensch war meine Mutter.

Hauptsache im Mittelpunkt. Nie hatten die anderen Schuld und immer war sie das Opfer.

Eigentlich hätte es mich nicht überraschen sollen, dass Mom ausgerechnet an meinem großen Tag einen Streit mit Dad vom Zaun brach. Natürlich vor den versammelten Gästen, die eigentlich meinetwegen gekommen waren. Und als wäre das nicht schon schlimm genug, endete der Abend damit, dass meine Mutter mit einem Küchenmesser bewaffnet auf der Veranda stand und damit drohte, sich die Pulsadern aufzuschlitzen. Klingt logisch. Ein Ehestreit rechtfertigte gewiss einen Suizidversuch auf der Abschlussfeier der einzigen Tochter.

Es eskalierte so sehr, dass wir die Polizei rufen mussten, die filmreif unser Grundstück stürmte und die Party auflöste. Mitgenommen haben sie meine Mutter nicht. Auch eine Vorstellung beim Psychiater hielten sie nicht für angemessen. Ein langes Schläfchen, um den Alkoholpegel wieder ins Messbare zu bringen, und eine kleine Auszeit genügte laut den Beamten, damit meine Mutter ihre Persönlichkeitsstörung wieder in den Griff bekomme.

Selbstverständlich hatte das nicht gereicht.

Am nächsten Morgen hatte sie sogar noch einen Zahn zugelegt und unser halbes Mobiliar zertrümmert. Genauso hatte ich mir meine letzten Tage zu Hause vorgestellt. Ein normaler, rührseliger Abschied wäre ja auch viel zu langweilig gewesen. Standesgemäß verabschiedete man sich in meiner Familie mit Pauken und Trompeten und einem Nervenzusammenbruch der Extraklasse.

Meine Mutter hatte gar nicht mitbekommen, wie ich meine Sachen gepackt und aus dem Haus gestürmt war. Sie war viel zu sehr damit beschäftigt gewesen, sich im Badezimmer einzuschließen, der Flasche Champagner in den Flaschenhals zu heulen und dieser zu berichten, wie bedauerlich ihr armes Leben doch war.

Wenigstens hatte mein Vater Zeit für mich erübrigen können und mich kurz an sich gezogen, mir zweihundert Dollar in die Hand gedrückt und mir viel Glück gewünscht. Und von diesem Geld hatte ich mir die Fahrkarte in die Freiheit gekauft.

Ich rieb mir mit den Fingern die müden Augen und blickte nach vorn. Über der Fahrerkabine hing ein Monitor, der unsere Fahrtstrecke anzeigte. Wir hatten gerade Atlanta hinter uns gelassen und Fort Payne wurde immer kleiner. Geplante Ankunft in Tampa war in sechs Stunden.

Es war an der Zeit, die Augen zu schließen und von der Zukunft zu träumen.

Dark Addiction

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