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Kapitel 2

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In nachdenklicher Stille schritten beide nebeneinander. Marzo versuchte Ordnung in seine Gedanken zu bringen. Noch immer beherrschte vor allem Verwunderung über diese merkwürdige Person seinen Geist und er fragte sich, ob und wenn welche Bedeutung sie für ihn haben würde. Er konnte sich dem Gefühl nicht entziehen, dass hier besondere Umstände dabei waren sich zu entfalten. Verstohlen warf er gelegentliche Blicke in ihre Richtung. Was Sienna dachte oder fühlte war für ihn jedoch nicht zu erkennen.

Plötzlich schreckte er auf und wurde jäh aus seinen Gedanken gerissen. Aus dem Halbschatten des Waldes heraus hatten sich ihnen in Lederkluft gekleidete Gestalten in den Weg gestellt. Schwarze Tücher verdeckten ihre Gesichter und zeigten nur drei Paar kalt blitzende Augen.

Es schien ihm als ob sie dachten, der einfachste Weg an sein Hab und Gut zu kommen wäre es seiner Leiche abzunehmen.

Marzo sah Sie aufsässig an. Was nahmen sich diese dreckigen Diebe heraus, ihn in seinem eigenen Wald überfallen zu wollen? Immerhin war er fast jeden Tag am Waldrand zu Agramon unterwegs. Schwarze Tücher als Maskierung? Er hatte vom zunehmenden Einfluss der Falschmünzer und deren Bruderschaft in Agramon gehört, aber hier hatte er noch nie welche gesehen.

Weniger bewusst als durch Instinkte geleitet, machte Marzo einen Seitenschritt und stellte sich, wie er meinte, schützend vor Sienna und seine Füße fest in schulterbreite auf. Er drehte den Gegnern seine linke Körperhälfte zu, und ballte die Fäuste vor seiner Körpermitte.

„Es scheint, als hätten wir diesmal einen Helden vor uns“ hörte er einen der im Hintergrund stehenden knurren. An den Augen konnte man das verächtliche Grinsen der beiden anderen erkennen, allerdings ließ keiner auch nur für den kürzesten Moment den Blick von Sienna und ihrem Begleiter. „Das sind keine Anfänger“ dachte er sich und schluckte, als er merkte wie routiniert seine Widersacher sich in dieser Situation verhielten.

„Ich alleine gegen drei erfahrene Kämpfer? Verdammt, das sieht übel aus. So habe ich mir meinen ersten Kampf nie ausgemalt.“

Langsam schlossen die drei Falschmünzer zu ihnen auf und begannen sie einzukreisen. Auch wenn es sich nur noch um Sekunden handeln konnte bis der Angriff erfolgte, lief vor Marzos Auge alles in Zeitlupe ab. Er konnte erkennen, wie der augenscheinliche Anführer der Drei mit einem kurzen Wink Anweisungen zur Aufstellung und dem unmittelbar bevorstehenden Angriff gab. Er sah wie sich das diffuse Waldlicht durch ein Loch im Blätterdach auf einem der nun gezogenen Kurzschwerter brach. Er konnte den modrigen Waldboden riechen und wunderte sich, trotz der Situation, warum dieser hier so viel übel riechender war als anderswo im Wald.

„Ihr verschwindet jetzt besser, sonst werdet ihr es bereuen, Diebesgesindel!“, Der junge Lord Marzo versuchte seine Stimme fest und sicher klingen zu lassen, auch wenn ihm so gar nicht danach zumute war. Ein wahrer Held beeindruckt seine Feinde alleine durch sein Auftreten und verschafft sich damit einen Vorteil im Kampf. Zumindest hatte er das gehört.

Doch irgendwie hatte das nicht den gewünschten Erfolg, im Gegenteil, sie schienen, nach ihrer Körperhaltung, eher amüsiert und entspannt als auf der Hut. Marzo sank leicht in sich zusammen. Was sollte er nur machen?

Der Anführer stellte sich mit offenen Armen vor den jungen Lord und forderte ihn damit spöttisch dazu auf anzugreifen.

Es musste sein.

Dies war die einzige Chance - und die musste er ergreifen.

Hier konnte er sich als richtiger Krieger erweisen und es seinem Vater und so merkwürdig es klang, auch dieser hochnäsigen Elfe beweisen, beweisen was in ihm steckte.

Mit einem ebenso wilden wie ungeschickten Angriff stürmte Marzo nach vorn - aber sein Gegner war viel zu schnell. Die Faust ging ins Leere und das Knie seines Gegners bohrte sich schmerzhaft in seine Magengegend. Noch bevor er wusste wie ihm geschah traf ein Schlag sein Gesicht und schickte ihn sofort zu Boden. Wie in weiter Ferne hörte er das Lachen der drei Schurken. In seinen Ohren klingelte es unangenehm laut und sein Hals pochte quälend.

„War das alles du Welpe?“, höhnte ihn der Anführer an, augenscheinlich nicht an einer Antwort interessiert.

Es war aus.

Der Kampf war vorbei, noch bevor er richtig begonnen hatte und er wusste nicht, was ihn mehr schmerzte. Sein bevorstehender Tod, oder die Möglichkeit sich niemals bewiesen haben zu können.

„Das ist genug!“

Gelassen stütze sich Sienna auf ihren Stab, als ob das ganze eine Plauderei unter Freunden wäre.

„Ihr hattet eure Unterhaltung. Aber jetzt solltet ihr gehen“

Siennas weiche Stimme klang entspannt und nicht gerade furchteinflößend. Aber die Bestimmtheit ihres Tonfalls ließ die drei Angreifer kurz verunsichert zögern. Nachdem ihr Anführer ihnen mit einem kurzen Handzeichen signalisierte, wie geplant anzugreifen, bewegten sie sich jedoch wieder vorwärts, wenn auch spürbar vorsichtiger.

„Nun … ihr wurdet gewarnt.“

So etwas wie Vorfreude lauerte in ihren Worten und Marzo beäugte die Situation mit blankem Erstaunen vom Boden aus.

Schneller als seine Augen ihr folgen konnten war die Elfe plötzlich inmitten ihrer Gegner. Mit einer einzigen, fließenden Bewegung traf sie die ersten beiden Gegner mit einem wirbelnden Tritt und einem weit ausholenden Schlag ihres Stabs, und schickte im gleichen Augenblick auch den dritten Gegner in der Vollendung dieses Schwungs zu Boden.

Marzo konnte es nicht fassen. Auch diesmal war der Kampf vorbei bevor er begonnen hatte.

Sienna stand, sich demonstrativ gelangweilt auf ihren Stock abstützend, daneben als ob nichts passiert wäre. „Na komm Marzo steh auf, wir müssen weiter“, sie reichte ihm ihre Hand.

Unsicher zog sich der junge Mann an ihr nach oben. „Wie... habt Ihr das gemacht?“

Voller Misstrauen beäugte Marzo ihre schlanken Arme und das samtweich anmutende Gesicht. Nicht ein einziger Schweißtropfen war zu sehen. Langsam beschlich ihn ein ungutes Gefühl. Die Frauen die er kannte waren zu so etwas normalerweise nicht in der Lage.

Verlegen klopfte er den Dreck von seiner Hose und fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund. Eine kleine Blutspur zeugte davon, dass er sich die schmerzende Oberlippe nicht bloß einbildete.

„Mir geht es blendend“, sagte er wie zu sich selbst, warf sich den schweren Beutel über und setzte seinen Weg fort. Er hätte vor Wut schreien können, würde er sich nun umdrehen, dann wäre ihm sicher das breite, fröhliche Grinsen in Siennas Gesicht aufgefallen.

Irgendwann, er wusste gar nicht mehr wie lange es her war, hatten sie den Weg verlassen um quer durch das Unterholz zu marschieren. Lord Marzo achtete nicht mehr darauf. Seine Beine schmerzten, sein Rücken war ein einziger großer blauer Fleck und der Magen knurrte wie eine Herde wütender Garudas. Er starrte nur stur auf den Boden direkt vor sich um nicht schon wieder über eine verdammte Wurzel zu stolpern.

Was tat er hier eigentlich? Anstatt ihm etwas von der heiligen Norwiga zu erzählen hatte Sienna nur noch geschwiegen - oder Marzo war einfach zu sehr mit sich selbst beschäftigt um ihr zuzuhören. Der Zwischenfall mit den Falschmünzern ließ ihn nicht mehr los. Sienna erschien ihm seither mächtig und unheimlich. Würde er den Beutel fortwerfen und weglaufen, hätte ihn die Elfe sicherlich nach wenigen Augenblicken eingeholt und ebenfalls so zugerichtet wie die drei Wegelagerer zuvor.

„So, wir sind da“, bemerkte Sienna gut gelaunt. Als Marzo mühsam den Blick hob, sah er mitten im dichten Wald eine kleine Blockhütte stehen. Sie mussten sich irgendwo am Bergpass der Vergessenen befinden. Die alte und unheimliche Festung Albenstein lag hier irgendwo in der Nähe, schauderte der junge Mann.

„Warte ich nehm dir den Beutel ab“, leicht ergriff Sienna ihr Gepäck und setzte es an der Eingangstüre ab. Irgendwo tief im jungen Lord wollte sich noch ein Teil darüber wundern wie die Elfe das nun wieder fertig gebracht hatte - dieses schwere Ding einfach so anzuheben, aber langsam wunderte ihn gar nichts mehr. Die Welt war in diesen Zeiten eben voller Verrückter - so musste es sein.

Das Häuschen, vor dem er stand, schien sehr alt zu sein. Es war von einer dicken Moosschicht bedeckt und von Pilzen und Farnen überwuchert. Ein dünner, aus dem kleinen Schornstein aufsteigender Rauchfaden, war das einzige Zeichen, dass hier jemand lebte.

Seltsam, dachte er sich, seit seiner frühesten Kindheit hatte er sich hier und in der Nähe des Passes aufgehalten, aber ihm war noch nie aufgefallen, dass hier jemand wohnte.

Vielleicht war die Bewohnerin eine der bösartigen Hexen des Waldes, wie die alte Susan nahe der Stadtgrenze. Andererseits war der Dunkelwald sehr weitreichend.

„Sohn Finsterforsts, betritt die Behausung und stelle Dich Deinem Schicksal!“

Marzo drehte sich erschrocken zur Elfe herum. Was sollte das bedeuten? Bevor er wusste wie ihm geschieht, hatte sie ihn schon sanft aber bestimmt in die Hütte geschoben.

Es war sehr dunkel und es roch modrig. Es schien als wäre Jahrhunderte lang niemand mehr hier gewesen. Unerwartet trat aus dem Schatten eine Person. Marzo versuchte seine Augen an die Dunkelheit zu gewöhnen und fixierte sein Gegenüber. Vor ihm stand eine Frau, ebenso groß wie er, mit langen schwarzen Haaren. Sie trug goldene Schulterstücke und einen imposanten Brutharnisch. Eine gewaltige Axt war auf ihrem zugegebenermaßen sehr männlichen, muskulösen Rücken geschnallt. Langsam schritt sie auf den Lord zu.

„Hast du Hunger junger Mann? Ich hab noch einen Rest Suppe im Kessel, natürlich nur wenn du magst.“

Die bloße Erwähnung der Wortes ´Essen´ löste spürbare seelische und körperliche Schmerzen in Marzo aus. Egal ob sie nun eine Hexe oder eine Kriegerin war, dies schien ihre Hütte zu sein und sie hatte etwas zu Essen bei sich.

„Danke meine Dame. Das wäre zu gütig.“

Das Stück Brot aus der Hosentasche und die warme Suppe beruhigten seinen Magen und hoben auch seine angeschlagene Stimmung wieder. Während des Essens sprachen beide kein Wort, dennoch schaute sich der junge Mann zwischen den Bissen staunend in der Hütte um.

Das Innere glich eher einer Waffenkammer als einem Wohnraum. Wo andere Leute Bilder dekoriert hatten, hingen Schwerter und Schilde an der Wand. Statt Blumensträußen lagen Dolche auf dem Nachttisch. Äxte, Keulen, Lanzen, Speere.

All das schien diese mysteriöse Frau aufzubewahren, die Gebrauchsspuren deuteten gleichermaßen die rege Benutzung dieses Arsenals an.

Er hatte noch nie so viele Waffen verschiedener Form und Herstellung gesehen - und sein Vater hatte seinerseits schon genug gehortet. Diese Kriegerin schien sich für ganz besonders harte Zeiten zu rüsten.

Trotz all seiner Neugier traute er sich dennoch nicht ihr eine Frage zu stellen, wer sie war und was sie hier machte, er betrachtete nur voller Begeisterung die seltenen Stücke. In Gedanken stellte er sich vor diese Waffen zu schwingen. Mit viel Eleganz und Anmut wie es sein Vater tat.

Der Ruhm und die Ehre einer Schlacht, der Triumph im Kampf, das war es was er sich in diesem Augenblick wünschte. Dann hätte er die Falschmünzer vorhin auch alleine besiegt und nicht… der Gedanke an die Niederlage kratze und bohrte stark in seinem Inneren und ließ ihn nicht los. Man hatte ihn einfach belacht und verprügelt wie einen wehrlosen Welpen und eine mädchenhafte Elfe musste ihn retten.

„Hat es geschmeckt?“ Die Frau riss ihn aus seinen düsteren Gedanken.

„Interessant meine Dame. Es ... es ging so … Was war das denn für eine Suppe?“

„Das... willst du nicht wissen Jüngling. Glaube mir. Manches schmeckt einfach besser, wenn man nicht weiß was es ist.“, sie lächelte und entblößte eine Reihe schneeweißer Zähne.

„Meine Dienerin Sienna führte dich zu mir Menschensohn, aber musstest du nicht noch aus einem anderen Grund in den Wald?“

„Wie? Nein ich ... bei Stahlbrecher - das Holz!!!“, hastig sprang Marzo auf und warf dabei seinen Stuhl nach hinten um. Diese ganze Geschichte hier hatte ihn ja von der Arbeit abgehalten.

„Wo... wo ist bloß mein Beil?“

„Nun, wenn es nicht Beine bekommen hat, dann liegt es noch immer an dem Ort wo du meine Dienerin getroffen hast.“, entgegnete die Unbekannte lachend.

„Verdammt! Verdammt! Mein Vater wird äußerst ungehalten sein!“, unruhig rannte Marzo im Zimmer auf und ab. Den halben Tag war er mit der Elfe unterwegs gewesen, hatte sich im Wald verlaufen und kein bisschen Holz gesammelt - und wofür? Für ein bisschen Suppe und die Gesellschaft einer ihm unbekannten, beängstigenden Frau in Kriegsmontur.

„Nun junger Lord, du solltest weniger fluchen. Dies geziemt sich nicht für einen Mann deiner Abstammung.“

„Verzeiht mir meine Dame... aber woher wisst Ihr das ich ein Lord…. egal... ich muss aufbrechen. Wie komme ich am schnellsten wieder nach Hause?“, fragte Marzo eilig.

„Gehe einfach strickt in Richtung Osten und du kannst den Weg gar nicht verfehlen.“

Lord Marzo hob die Augenbraue. Sah er so aus als wäre er ein erfahrener Fährtenleser der sich mit Himmelsrichtungen auskannte?

Die in Gold gehüllte Frau flüsterte: „Osten ist da lang“, sie wies mit ihrer Hand in die entsprechende Richtung.

Marzo tat ein paar zögerliche Schritte, dann drehte er sich wieder herum. Noch immer nagte das Ereignis der erlebten Niederlage an seiner jugendlichen Eitelkeit.

„Meine Dame… ich kann die Auseinandersetzung mit den Falschmünzern nicht vergessen. Ich meine, welch Kampfeskunst Eure… wie sagtet Ihr? Eure Dienerin ausübte - schnell und effektiv! So ganz anderes als die Art Kriegsführung die mein Vater auszuüben pflegt.“

Die Frau lächelte sanft: „Das hat dir wohl gut gefallen junger Lord? Lass dir sagen dass meine Dienerin eine ebenso gute Kämpferin ist - wie es die heilige Norwiga vorherbestimmt hat.“

„Norwiga …?“

Sie nickte. „Und eine Legende wie sie hätte bestimmt nicht gewollt, dass ein Adelsblut all sein Potential in einer Küche oder auf dem Feld vergeudet. Weißt du, ich habe hier immer viel zu tun, ich könnte gut eine helfende Hand gebrauchen und als Gegenleistung mach ich einen waschechten Krieger aus dir. Nicht so einen verweichlichten Säbelwedler wie dein Bruder einer ist.“

„Ihr… Ihr kennt meinen Bruder?“

„Ja...“, flüsterte sie, „Und nun mach dich auf den Weg Adelsblut. Komm morgen um die Mittagszeit wieder hierher.“

Die Frau drehte sich um und ging ohne ein weiteres Wort zurück in die Hütte.

Marzo machte einen fröhlichen Luftsprung und rannte so schnell ihn seine geschundenen Beine trugen den Weg entlang nach Hause. Woher wusste die Frau eigentlich so viel von seinem Bruder? Ach egal! Jetzt war ihm alles egal. Morgen würde er auch anfangen zu trainieren und ein richtiger Krieger werden. So wie die Männer aus den vielen Sagen und Legenden.

Noch nie war Marzo so glücklich gewesen.

Die dunkelhaarige Frau trat wieder aus der Hütte und sah ihm nach. Er hatte es in sich, keine Frage. Er war zäh und stark, aus diesem konnte etwas werden. Sie hob Siennas Beutel auf und schüttete einige kopfgroße Steine heraus, ihr Blick folgte Marzo noch bis er völlig hinter den Bäumen verschwunden war.

„Lord Marzo von Finsterforst ... Sie werden ja immer so schnell erwachsen.“, leicht flackerten ihre Umrisse und von einer Sekunde auf die nächste war die Frau verschwunden.

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