Читать книгу Das Zeichen seiner Liebe - Junia Swan - Страница 8

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3. KAPITEL

Am nächsten Morgen ließ Beaufort Dorothy das Frühstück ebenfalls aufs Zimmer bringen, da er nicht wollte, dass irgendjemand sah, wie sie aß.

Bereits kurz nachdem die Sonne aufgegangen war, holte er sie ab. Die junge Frau blickte ihn müde an, gähnte mit weit aufgerissenem Mund und streckte die Arme in die Höhe.

„Um Himmels willen“, murmelte er angesichts ihrer Demonstration fehlenden Benehmens, umschloss ihre Handgelenke und zog diese tiefer. „Du hast noch einiges zu lernen“, stellte er fest, als sie ihn ansah.

„Ih muhde!“, stöhnte sie und rieb sich die Augen, während er sich darum bemühte, über ihre Aussprache hinwegzuhören.

„Was soll das heißen? Bist du es nicht gewohnt, früh aufzustehen?“

Da schüttelte sie energisch den Kopf, legte ihre Arme zusammen und unter ihre Wange, sodass es aussah, als würde sie schlafen. Sie schloss die Augen, atmete ruhig, dann öffnete sie diese wieder und formte die Sonne, malte ihm das Bild eines Sonnenaufgangs und wie der helle Ball immer höher stieg. Ungefähr zwischen Aufgang und Mittag hielt sie inne und tippte in die Luft.

„Meine Güte“, entfuhr es ihm. „Du verschläfst den halben Vormittag?“

Sie zuckte mit den Achseln und lächelte mit einem kleinen Nicken, woraufhin er sich mit gespreizten Fingern durchs Haar fuhr, um sich zu fassen. Ja, es lag viel Arbeit vor ihrem Lehrer. Allerdings wirkte der Mann überaus streng und entschlossen, weshalb er ihm zutraute, gewisse Erfolge bei Dorothy erzielen zu können.

Da Beaufort keine weitere Zeit verschwenden wollte, griff er nach Dorothys Hand und führte sie vor den Gasthof. Seine Männer erwarteten ihn schon, die Pferde standen bereit. Beaufort umfasste die Taille seiner zu-künftigen Frau und setzte sie, wie am Tag zuvor, schräg auf seinen Hengst. Gleichzeitig schwangen sich alle Männer in die Sättel und es dauerte nur wenige Minuten, bis sie den Ort hinter sich zurückgelassen hatten. Diesmal schlang Dorothy vertrauensvoll einen Arm um seine Hüften und lehnte den Kopf gegen seine Brust, wobei sie nicht mehr so verzweifelt wie am vergangenen Tag wirkte. Er konnte nicht anders, als eine Hand an ihre Schläfe zu heben und sie an sich zu drücken, um ihr auf diese Weise zu vermitteln, dass ihr nichts Böses passieren würde.

Als er eine Weile später den Kopf beugte und mit seinem Kinn ihr Haar streifte, bemerkte er, dass sie entspannt die Augen geschlossen hatte, als gäbe es nichts mehr zu befürchten. Dieses Vertrauen in seine Person erfüllte ihn mit Unbehagen. Er hatte es nicht verdient. Bald würde sie es erkennen und dann wäre es zu spät für sie. Für den Rest ihres Lebens wäre sie ihm ausgeliefert, einem Mann, der nur an den eigenen Vorteil dachte.

Der Pfarrer erwartete sie bereits, als sie Somerset Abbey erreichten. Damit seinem Sohn das Erbe nicht entging, hatte der Earl den Priester dahingehend bestochen, die Eheschließung vorzudatieren und zwar auf die Woche vor dem Tod der Carmichaels. Damit wären sie auf alle Fälle auf der sicheren Seite. Davon abgesehen hatte er auch deren Nachlassverwalter mithilfe einer großzügigen Spende da-hingehend bewegen können, die Verlesung des Testaments aufzuschieben, was sich nun bezahlt machte.

Dorothy blickte sich ängstlich um, als Beaufort sie aus dem Sattel hob.

„Du kannst dich gleich in dein Zimmer zurückziehen“, versprach er. „Doch zuvor müssen wir noch den amtlichen Teil hinter uns bringen.“

Ohne, dass sie etwas sagen oder deuten musste, verstand er ihre Frage.

„Wir heiraten. Jetzt.“

Unwillkürlich umklammerte sie seinen Arm.

„Hab keine Angst! Ich bin hier. Niemand wird dir wehtun!“

Sie schluckte und nickte. Dann ließ sie sich brav wie ein Lamm ins Innere des Hauses führen.

Als Dorothy nicht lange danach ihr unmelodiöses „Ja“ zu ihrer Ehe gab, wechselte Beaufort einen schnellen Blick mit seinem Vater, der entsetzt die Augenbrauen zusammenzog. Die Beule auf ihrer Stirn unterstrich den desaströsen Zustand, in dem sie sich befand. Abgesehen davon, dass es die kürzeste Hochzeit wurde, die Beaufort jemals erlebt hatte, war es auch die merkwürdigste. Dorothy hing an allen Lippen die sich bewegten, seien es die des Pfarrers oder seine und wirkte dadurch noch unzulänglicher. Nicht einmal eine halbe Stunde später war er mit einem Eheweib gesegnet, um das er sich in Zukunft kümmern musste und Beaufort seufzte erleichtert, diesen formalen Akt nun ohne größere Zwischenfälle hinter sich gebracht zu haben.

Sein Vater war Beaufort dankbar, dass er Dorothy in ihre Gemächer führte und nicht am Tisch im Speisesaal Platz nehmen ließ. Der Earl hatte die Mängel seiner Schwiegertochter mit einem Blick erfasst und ihn schauderte innerlich. Aber Thomas hatte es so gewollt und mit der richtigen Strategie würde er tatsächlich ein angenehmes Leben führen können. Immerhin.

„Man wird dir bald das Essen servieren“, erklärte Beaufort und schloss die Tür von Dorothys Zimmers hinter sich.

Da sie vor ihm in den Raum getreten war, hatte sie seine Lippen nicht gelesen, was ihm erst bewusst wurde, als sie nicht reagierte. Deswegen trat er zu ihr, legte eine Hand auf ihre Schulter und drehte sie zu sich. Dann wiederholte er, was er gesagt hatte. Dankbar nickte sie.

„Danach kannst du dich ausruhen.“

Wieder nickte sie.

„Am Nachmittag kommt die Schneiderin, um deine Maße zu nehmen.“

Ein Lächeln glitt über ihre Züge, während sie mit den Händen über ihren Körper strich.

„Und danach wird dich dein Lehrer aufsuchen.“

Sie zuckte zusammen, als hätte er sie geschlagen, hob gleichzeitig fragend die Augenbrauen.

„Du kennst ihn. Er unterrichtete dich, als du noch bei deinen Eltern gelebt hast.“

Entsetzt wich sie vor ihm zurück, wobei sie den Kopf schüttelte und die Arme abwehrend von sich streckte. Er konnte pure Angst aus ihrer Haltung ablesen.

„Es ist unvermeidlich“, versuchte er sie zu beruhigen. „Es ist unerlässlich, dass du weißt, wie man sich in Gesellschaft benimmt und sich klar ausdrückt. Du bist jetzt eine Baroness, Herrgott!“

Mit einem Aufschluchzen wandte sie sich ab, versteckte das Gesicht hinter ihren Händen und erinnerte ihn damit an ihre erste Begegnung. Er trat hinter sie, wollte ihre Hände an den Handgelenken nach unten ziehen, doch sie wehrte ihn ab, schlug sogar nach ihm. Verwirrt starrte er sie an. Ein Verhalten wie dieses konnte er ihr nicht durchgehen lassen. Mit einem Schritt war er wieder bei ihr, packte sie fest, zog die Hände von ihrem Gesicht und fixierte ihre Arme an ihren Seiten, während er sie fest umschlungen hielt. Da schrie sie wieder wie ein Tier und er presste ihr die andere Hand auf den Mund. Ihre Augen waren weit aufgerissen, als er sie so drehte, dass sie ihn ansehen musste. Sie verstummte und er bemerkte, wie sich ihr Brustkorb in schnellem Rhythmus hob und senkte.

„Bist du still?“, fragte er und sie nickte schwach.

Langsam zog er die Hand von ihrem Mund zurück und bemerkte, dass ihre Lippen zitterten.

„Du wirst dich damit abfinden müssen“, erklärte er fest, doch sie schüttelte den Kopf. „Du hast keine andere Wahl und wenn ich dich festbinden muss.“

Streng zog er die Augenbrauen zusammen, sodass sich eine steile Falte auf seinem Nasenrücken bildete und kämpfte gleichzeitig gegen eine unbekannte innere Schwäche an, die in ihm Mitleid aufsteigen ließ. Ihre Augen schwammen noch immer in einem Tränenmeer und er fragte sich, was ihr solche Angst bereitete. Doch sie schüttelte stur ihren Kopf.

„Du hast mir versprochen, eine folgsame Ehefrau zu sein.“

Zerknirscht kaute sie auf ihrer Unterlippe, die Wimpern ein wenig gesenkt, als würde sie nachdenken.

„Su-an“, murmelte sie. „Wo?“

„Ich habe gesagt, dass es nicht so schnell geht, bis sie hier ist. Immerhin sind auch wir gerade erst angekommen.“

Da hob sie den Blick wieder zu ihm und studierte ihn forschend, als wollte sie in ihm lesen. Schnell wandte er den Kopf ab, gab sie frei und trat einen Schritt zurück. Um ihrer Musterung nicht länger ausgesetzt zu sein, schritt er auf die Tür zu. Dort drehte er sich noch einmal zu ihr um.

„Ich warne dich“, sagte er langsam und betonte jedes Wort, „solltest du versuchen zu fliehen, werde ich dich anbinden, nachdem ich dich zurückgeholt habe. Und ich werde dich finden, lass dir das gesagt sein!“

Er konnte beobachten, wie sich Dorothy versteifte und die Hände ballte.

„Das Gleiche gilt, wenn du dich vor deinem Lehrer versteckst.“

Sie riss ihre Augen vor Entsetzen noch weiter auf.

„Hast du mich verstanden?“

Niedergeschlagen nickte sie, dann wandte sie sich ab, als wollte sie ihm nicht länger zuhören. Er öffnete die Tür und ließ sie allein zurück.

Der Appetit war Dorothy vergangen. Die Angst jenem Mann gegenübertreten zu müssen, der sie während ihrer gesamten Kindheit gequält hatte, lähmte sie so sehr, dass die Anprobe an ihr vorüberzog, ohne, dass sie diese zelebrieren hätte können, wie sie es vorgehabt hatte. Immerhin würde sie schöne Kleider bekommen und der Gefühlsüberschwang darüber war überwältigend, dauerte jedoch nur kurz, denn die Aussicht, danach vor ihren Lehrer treten zu müssen, erstickte alle Freude in ihr. Als hätte sich die Zeit gegen sie verschworen, raste sie nur so dahin und schneller als erhofft, wurde sie von einem Diener in einen schlicht eingerichteten Raum geführt. Ein großer Schreibtisch stand darin, etwas von einer Tafel entfernt. Drei kleinere Pulte standen nebeneinander und Dorothy ahnte, dass hier die Kinder des Hauses einst unterrichtet worden waren. Eine Rute hing an einer Wand und als der Blick der jungen Frau darauf fiel, zog sich in ihr alles vor Angst zusammen. Um das Zittern ihrer Hände kontrollieren zu können, faltete sie diese und presste sie fest zusammen. Dabei traten ihre Knöchel weiß hervor.

Als der Lehrer den Raum betrat, fühlte sie seine Anwesenheit sofort. Schon als Kind hatte sie ein erstaunliches Feingefühl entwickelt, die Gegenwart dieses verhassten Mannes zu bemerken, noch bevor er in ihr Blickfeld trat. So auch jetzt. Es war, als legte sich eine eiskalte Hand auf ihren Rücken, von wo aus sich ein Frösteln über ihren gesamten Körper ausbreitete. Doch sie ließ sich nichts von der Pein anmerken, die ihr zunehmend das Atmen erschwerte. Reglos starrte Dorothy auf die Tafel, weigerte sich, ihren Kopf in seine Richtung zu drehen. Sie zuckte nicht zusammen, als er vor sie trat und sie kühl musterte.

„Hat Beaufort dich also gefunden“, stellte er, mit zu Schlitzen verengten Augen, fest und sein Mund kräuselte sich unheilvoll. „Es liegt im Wesen der göttlichen Ordnung, dass ein jegliches Geschöpf erfasst, wozu es bestimmt ist. Ein Davonlaufen ist sinnlos, denn die Lektionen holen einen ein. Je länger man allerdings wartet, desto schwieriger gestalten sich diese. Du bist davongelaufen, hast gedacht, ihnen entkommen zu können. Deswegen wird es für dich umso schmerzhafter werden.“

Dorothy schluckte und blinzelte. Mittlerweile hatte sie das Gefühl, jemand würde ihren Hals zusammendrücken, sodass sie keine Luft mehr bekam.

„Und jetzt sage mir, wo du warst.“

Die junge Frau presste die Lippen zusammen und schwieg. Auch wenn sie wollte, brächte sie kein Wort über ihre Lippen, welches sein Wohlgefallen finden würde.

„Hör mir gut zu, Mädchen“, stieß der Lehrer wütend hervor und wählte bewusst höhnische Worte. „Ich werde dir jede Provokation vergelten. Beaufort hat mir alle Mittel zugestanden. Er hat dich in meine Hände übergeben und ich werde nicht versagen.“

Die Härchen auf Dorothys Armen stellten sich auf und sie meinte, ihr Herz würde vor Angst aus ihrer Brust springen.

„Und nun sprich! Wo warst du? Formuliere bedacht und klar!“

Voll Verzweiflung öffnete die junge Frau ihren Mund.

„Ih wah ba Suan iiim Wahd“, stammelte sie leise.

„Was soll das sein?“, fauchte der Lehrer. „Wie kannst du es wagen, so mit mir zu sprechen? Du willst mich wohl an der Nase herumführen?“

Da schüttelte Dorothy nachdrücklich den Kopf und hob die Hände, um ihm mit Gesten zu erklären, dass sie es nicht besser konnte.

Blitzschnell, sodass sie fast nicht mitbekam, was er machte, hatte der Lehrer nach der Rute gegriffen. Dann packte er ihre Hände und befahl ihr, diese vor ihren Körper zu halten. Tränen sammelten sich in Dorothys Augen, doch sie folgte seiner Anweisung während sie die Lider senkte. Er schlug mehrmals fest auf ihre Finger, bis sie es nicht mehr ertragen konnte und diese wegzog. Doch ihr blieb keine Zeit, um sich in Sicherheit zu bringen, denn schon im nächsten Moment schnürte er ein Seil um ihre Handgelenke, welches er hinter ihren Rücken zog. Obwohl es ungefähr zwei Fuß lang war, konnte sie die Hände nicht nach vorne bewegen oder anheben. Sie wusste, was als nächstes kommen würde. Wusste, dass es nichts bringen würde, den Mund so fest zusammenzupressen, wie es ihr möglich war. Er war immer stärker gewesen und er würde nicht ruhen, bis er ihr all seine quälenden Bestrafungen zuteil hatte werden lassen.

Als es endlich vorbei war und ein Diener sie in ihr Zimmer gebracht hatte, floh sie in eine Ecke. Dort kauerte sie sich auf den Boden, zog die Knie an und legte ihre Stirn darauf. Der Lehrer hatte ihr die Fesseln nicht abgenommen, weshalb sie sich immer noch nicht uneingeschränkt bewegen konnte. Leise begann sie zu weinen. Ihre Finger, ihre Zunge, ja sogar die Mundwinkel schmerzten aufgrund seiner rüden Behandlung. Wie einst fühlte sie sich vollkommen ausgeliefert und machtlos. Denn der Mann, der sie entführt und geheiratet hatte, hatte sie dem Lehrer ohne zu zögern überlassen.

Mehrmals versuchte eine Dienerin Dorothy dazu zu bewegen, aufzustehen und am Tisch Platz zu nehmen. Alles war für das Abendessen gedeckt, das sie wieder allein einnehmen sollte. Doch Dorothy ignorierte die Magd und schüttelte den Kopf. Das Kauen würde ihr weh tun, abgesehen davon konnte sie wegen der Fesseln keinen Bissen an ihren Mund führen. Deswegen sah sie keine Veranlassung dazu, sich zu erheben. Ratlos zog sich das Dienstmädchen zurück.

Eine knappe halbe Stunde später fühlte Dorothy die Anwesenheit eines anderen Menschen in ihrer Nähe, doch weigerte sie sich, aufzusehen. Auch als derjenige sie am Oberarm anstupste, reagierte sie nicht. Eine Hand legte sich unter ihr Kinn und drängte es unerbittlich nach oben und ihre Augen trafen unweigerlich auf die von Beaufort. Streng sah er sie an.

„Du hast mir versprochen, eine folgsame Ehefrau zu sein“, erinnerte er sie ernst. „Und nun das. Was denkst du dir dabei?“

Er ist schuld daran, dass es dir nun so schlecht geht, flüsterte eine Stimme in ihrem Inneren. Am liebsten hätte sich die junge Frau aus seinem Griff gewunden, doch fehlten ihr jegliche Möglichkeiten dazu.

„Komm und iss!“

Im nächsten Moment griff er unter ihre Achseln und hob sie empor. Als sie aufrecht vor ihm stand, senkte sie den Kopf. Bis jetzt war ihm wohl entgangen, dass sie ihre Hände nicht heben konnte. Deswegen drehte sie sich so, dass sie mit dem Rücken zu ihm stand. Seine Augen glitten über ihr Kreuz und hielten auf dem Seil inne. Mehrere sekundenlang starrte er darauf, ratlos, welches weitere Vorgehen in diesem Fall das klügste wäre.

„Ich nehme an, dies ist eine Maßnahme deines Lehrers?“, fragte er in den Raum hinein und strich sich mit einer Hand über den Kopf, während er überlegte, was er nun tun sollte, um dem Lehrer keinen Strich durch die Rechnung zu machen und durch seine Unterstützung schlussendlich seiner Frau zu helfen. Immerhin war der andere Mann erfahren und seine Methoden waren sicherlich wissenschaftlich belegt.

Langsam drehte sich Dorothy wieder zu ihm. Diesmal wich sie seinem Blick nicht aus, sondern sah ihn flehentlich, mitleiderregend und resigniert an.

„Ich glaube, es schadet nicht, wenn ich sie dir während des Essens abnehme“, murmelte er und trat hinter sie.

Während er die Knoten löste, bemerkte er rote Striemen an ihren Handgelenken. Wieder zwang er sich dazu, sein Mitgefühl für sie zu verdrängen. Diese Maßnahme war immerhin zu ihrem Besten. All dies geschah, damit sie ein Teil der Gesellschaft werden konnte.

Um sich abzulenken, schob er sie zum Stuhl und deutete ihr, sich zu setzen. Folgsam ließ sie sich auf die Sitzmöglichkeit sinken und ihm entging nicht, dass sie unter der Tischplatte mit den Fingern über die aufgeschürfte Haut strich.

Er setzte sich ihr gegenüber und wartete ungeduldig, dass sie zu essen begann. Beaufort hatte bereits mit seinen Eltern gespeist und war nicht mehr hungrig. Eigentlich hatte er vorgehabt, sich auf das morgige Gespräch mit dem Nachlassverwalter der Familie Carmichael vorzubereiten. Dass er sich nun um seine junge Frau kümmern musste, machte ihm einen gewaltigen Strich durch die Rechnung. Als sie nicht reagierte, beugte er sich vor und schlug auffordernd mit der flachen Hand auf die Tischplatte. Da zuckte sie zusammen und hob den Kopf.

„Iss endlich!“, herrschte er sie an.

Ihm entging das Zittern ihrer Hand nicht, als sie nach der Kelle griff und sich damit aus der Schüssel Suppe auf den Teller füllte, wobei sie ein wenig verschüttete. Dann nahm sie den Löffel, tauchte ihn ein und hob ihn an die Lippen. Er bemerkte, dass sie den Mund so wenig wie möglich öffnete und sehr vorsichtig schluckte. Zufrieden stellte er fest, dass der Lehrer offensichtlich eine Menge von seinem Handwerk verstand, denn Beaufort hatte nicht mit sichtbaren Verbesserungen ihres Benehmens bereits am ersten Tag seines Unterrichts gerechnet. Seine Frau hielt die Augenlider auf den Teller gesenkt und Beaufort meinte die Anstrengung, welche sie diese gepflegten Umgangsformen wohl kosten mussten, in jeder ihrer Bewegungen zu erkennen. Zuversichtlich dachte er, dass sie sich bald daran gewöhnt haben würde und es sich für sie dadurch nicht mehr derart anstrengend gestalten würde. Dass jeder Bissen Dorothy unerträglich schmerzte, ahnte er nicht. Doch mit jedem weiteren Löffel, verstärkte sich die Qual und als sie diese nicht mehr ertragen konnte, legte Dorothy den Löffel neben den Teller.

„Bist du fertig?“, fragte er erstaunt, in Erinnerung an den vergangenen Tag, als sie alles wie ein Tier verschlungen hatte.

Da sie ihn nicht ansah, schlug er erneut mit der flachen Hand auf den Tisch. Wieder fuhr sie zusammen, doch hob sie ihm ihr Antlitz folgsam entgegen.

„Bist du fertig?“, wiederholte er ungeduldig.

„Ja“, formten ihre Lippen.

„Gut. Ich habe noch einiges zu erledigen. Komm her, damit ich dir das Seil wieder anlegen kann!“

Sofort erblasste sie, doch im nächsten Moment sprang sie derart ungestüm auf, dass ihr Sessel nach hinten kippte und laut auf dem Boden aufschlug. Sie versuchte, ihm zu entfliehen, doch er war ebenfalls bereits auf die Beine gekommen und hatte sie mit wenigen Schritten eingeholt. Mit einem Arm umschlang er ihre Taille und hinderte sie daran, zu entkommen.

„Bättä!“, schrie sie außer sich. „Nei! Bättä!“

Ihre Rufe ließen erneut Grauen in ihm aufsteigen und er verschloss ihr mit der anderen Hand den Mund.

„Sei endlich still! Es ist zu deinem Besten, verflucht! Willst du das denn nicht einsehen?“

Mit einer Vehemenz, die er ihr nicht zugetraut hätte, schüttelte sie den Kopf und kämpfte gegen ihn an. Beaufort nahm an, dass sie nicht mitbekommen hatte, was er ihr gesagt hatte. Um sie wieder zur Besinnung zu bringen, umfasste er ihre Schultern und begann sie zu schütteln, was sie verstummen ließ. Genervt zog er seine Hände zurück und musterte sie finster.

„Ich werde dich fesseln, weil es das Beste für dich ist!“, erklärte er und versuchte ruhig zu bleiben.

Mit einem Satz sprang sie von ihm fort und stürzte zur Tür. Doch wieder holte er sie ein, bevor sie diese erreicht hatte.

„Willst du, dass ich dich ans Bett binde?“, herrschte er sie zornig an und diese Drohung zeigte endlich Wirkung.

Ihre Schultern sackten herab und sie stellte ihre Abwehr ein. Ohne ihn anzusehen, drehte sie ihm den Rücken zu und hielt still, während er sie wieder fesselte.

„Es wird Zeit für dich, ins Bett zu gehen“, befahl er dann, wandte sich um und ließ sie allein zurück.

Tränenbäche rannen über Dorothys Wangen, nachdem er die Tür hinter sich zugezogen hatte. Wie sollte sie sich entkleiden? Hatte er daran gedacht, dass sie das ohne Hände nicht konnte? Offensichtlich machte sich in diesem Haus ohnehin niemand Gedanken – in ihrem Leben hatte sich nichts geändert. Denn genauso wenig wie sie sich mit gefesselten Händen entkleiden konnte, würde sie ohne zu hören jemals sprechen können. Da konnte sie sich anstrengen so viel sie wollte. Es ging einfach nicht!

„Mylord“, sagte die Dienerin mit zerknirschtem Gesichtsausdruck, „es tut mir leid, Euch stören zu müssen. Doch es ist mir unmöglich die Baroness für die Nacht umzukleiden, wenn ihre Hände gefesselt sind.“

Daran hatte Beaufort gar nicht gedacht und er runzelte die Stirn, während er die Zofe musterte.

„Sagen Sie meiner Frau, sie soll zu Bett gehen. Ich werde mich später darum kümmern.“

Die Zofe knickste und eilte davon, während sich Beklemmung in dem jungen Mann breitmachte. Er war nicht sicher, wie sein Körper auf die Nähe ihres Leibes reagieren würde. Denn, dass Dorothys verlockende Rundungen ihn irgendwie verzaubert hatten, war ihm bereits am vergangenen Abend bewusst geworden.

Schluchzend versuchte Dorothy unter die Decke zu kriechen, doch es gelang ihr nicht so recht. Ohne Hände war es fast unmöglich sich zuzudecken. Irgendwann gab sie es auf und blieb einfach auf dem Bauch darauf liegen. Sie hatte Angst. Die Zofe hatte ihr erklärt, dass Beaufort noch einmal kommen würde, um ihr zu helfen. Doch seit er in ihr Leben getreten war, hatte er das nicht ein einziges Mal getan. Im Gegenteil, er hatte ihre Lage zunehmend verschlechtert. Er hatte sie dem Mann ausgeliefert, den sie am meisten hasste und vor dem sie sich entsetzlich fürchtete. Zu Recht, wie sie nun bestätigt fand.

Ununterbrochen wirbelten die Erinnerungen an den vergangenen Nachmittag durch ihre Gedanken und sie meinte, die Kälte der Zangen zu fühlen, als diese schmerzhaft ihre Zunge quetschten, um diese in verschiedene Stellungen zu zwingen. Als würde das helfen! Sie musste weg von hier! Weg! Und zurück zu Susan! Ihre Pein steigerte sich ins Unermessliche und ihr Körper wurde mittlerweile von den Erschütterungen ihres Schluchzens geschüttelt. Sie wusste nicht, ob sie Laute von sich gab, doch hoffte sie, ihren Schmerz in sich eingeschlossen zu haben. Sicherlich würde Beaufort sie knebeln, wenn sich auch nur ein Ton ihrer Kehle entrang!

Es war dunkel im Zimmer, als Beaufort eintrat. Er stellte die Öllampe auf einen Tisch und wandte sich dem Bett zu. Von dort drang ersticktes Weinen an seine Ohren und er schluckte schwer. Es war ihm unverständlich, weshalb sich Dorothy ständig widersetze. Keiner hier wollte ihr schaden! Im Gegenteil! Sie alle kämpften gewissermaßen dafür, dass sie ihren Platz an seiner Seite einnehmen konnte. Aber ohne Fleiß, kein Preis, wie schon ein schlaues Sprichwort besagt.

Trotzdem schnürte es ihm den Hals zu, als er sie nun so verzweifelt auf dem Bett liegen sah. Es tat ihm leid, ihr diese ungemütliche Position zumuten zu müssen, doch wenn der Lehrer meinte, dies wäre der richtige Weg, um aus ihr eine feine Dame zu machen, war er, Beaufort, der Letzte, der sich ihm entgegenstellen würde.

Er setzte sich auf die Bettkante und legte eine Hand zwischen ihre Schulterblätter. Sofort erstarrte sie, wandte sich ihm jedoch nicht zu. Das Zittern ihres Leibes vibrierte bis zu seinem Ellbogen.

„Dorothy“, bat er sanft – für einen Augenblick hatte er vergessen, dass sie ihn nicht hören konnte, „mach dir das Leben doch nicht so schwer!“

Erst als sie nicht reagierte, erinnerte er sich ihrer Unzulänglichkeit und schüttelte sie sanft. Doch auch jetzt machte sie keine Anstalten, sich ihm zuzuwenden. Deswegen umfasste er sie entschlossen und drehte sie auf den Rücken. Sie grub ihre Zähne in die Lippen und presste die Augen zusammen, was Zorn in ihm aufsteigen ließ. Immerhin wollte er ihr helfen! Wie konnte sie nur so störrisch sein! Wütend widmete er sich dem obersten Knopf des einfachen Kleides. Da es noch von der Dienstmagd aus dem Wirtshaus stammte, wurde es vorne geöffnet. Sofort klaffte der Stoff auseinander und gab den Blick auf das feinere Unterkleid frei. Unwillkürlich sog er Luft tief in seine Lunge und öffnete den nächsten Knopf. Dorothy erstarrte noch mehr und riss die Augen auf. Die wilde Angst in ihrem Blick erschütterte ihn, doch er fuhr fort, sie zu entkleiden.

„Nei!“, schrie sie. „Nei! Bättä!“

„Sei still!“, befahl er am Rande seiner Kräfte. „Ich tue dir nichts!“

Doch sie warf ihren Kopf hin und her und versuchte sich von ihm fort zu drehen, dabei verrutschte der Stoff ihres Dekolletees und entblößte ihre linke Brust. Diesmal stieß er den Atem aus, ließ die Hände sinken und starrte auf den sanften Hügel, der ihn tatsächlich in Versuchung führte. Offensichtlich spürte Dorothy die kalte Luft auf ihrer Haut, denn sie hielt in ihrem Kampf inne und sah an sich herab. Als ihr bewusst wurde, was Beauforts Aufmerksamkeit auf sich gelenkt hatte, errötete sie und versuchte sich auf den Bauch zu drehen. Doch er legte eine Hand auf ihre Schulter und hinderte sie somit daran.

„Nei! Bättä!“, keuchte sie und dieses Flehen rief ihn zur Räson und er hob eine Hand zu dem Stoff ihres Kleides und schob ihn über jene verführerische Stelle.

Dabei glitten seine Fingerkuppen über die weiche Haut ihrer rosigen Brustspitze. Die Hitze dieser Berührung durchflutete ihn bis hin zu jenem Körperteil, der sich ohne Schamgefühl begeistert aufrichtete. Nun lag Dorothy vollkommen still, ihre Augen wirkten wie zwei riesige Kreise, in denen sich eine Angst widerspiegelte, die ihn erschütterte.

„Ich werde dir nicht wehtun“, versprach er, darum bemüht, jedes Wort sorgfältig zu formulieren. „Aber ich muss dir helfen, dich zu entkleiden. Dafür werde ich noch einmal deine Fesseln lösen.“

Da nickte sie und er spürte, dass ihre Muskeln zuckten, als wollte sie sich auf den Bauch drehen, um ihm den Zugang zu ihren Handgelenken zu ermöglichen. Er half ihr dabei, nur um zu beobachten, dass sie, als sie befreit war, von ihm fortkroch und auf der anderen Seite aus dem Bett glitt. Daneben blieb sie stehen und wandte ihm den Rücken zu. Er folgte jeder ihrer Bewegungen mit den Augen, als sie die restlichen Knöpfe öffnete. Nun musste sie das Kleid ausziehen, doch sie hielt vollkommen still, als wäre sie gelähmt. Langsam stand er auf und trat hinter sie. Dann hob er die Hände und legte sie auf ihre Schultern. Vorsichtig, um sie nicht zu erschrecken, schob er den Stoff tiefer und entblößte sie Stück um Stück. Er konnte nicht widerstehen und senkte den Kopf, drückte einen Kuss auf ihre Wange, die so weich war wie das Blatt einer Rosenknospe. Ohne es geplant zu haben, umfasste er mit den Händen ihre Brüste, die darin nun wie in schützenden Schalen lagen. Er hörte sie keuchen und fühlte sie noch mehr erstarren. Trotzdem machte sie keine Anstalten, ihn abzuschütteln, sondern ertrug scheinbar stoisch seine Nähe. Langsam zog er sie näher zu sich heran, sodass sie sich an ihn lehnen musste und seine Wange an ihrer Schläfe zu liegen kam. Sanft begann er sie zu streicheln, wobei er das aufgeregte Pochen ihres Herzens deutlich spürte. Er hob eine Hand und legte sie an ihre Halsschlagader, wo ihr Puls raste. Wie gerne hätte er sie umgedreht, um sie in Ruhe betrachten zu können oder seine Hand tiefer gleiten zu lassen, um sie weiter zu erforschen. Doch obwohl sie sein Inneres in Aufruhr versetzte, zwang er sich dazu, Ruhe zu bewahren und seinem Verlangen nicht nachzugeben. Ein letztes Mal umfasste er sie mit beiden Händen, um sich ihre Kurven einzuprägen. Dann löste er sich von ihr, ließ seine Hände tiefer gleiten und schob den Stoff über ihre Hüften, der leise zu Boden glitt. Nun stand sie nackt vor ihm, doch er wandte sich, auf der Suche nach einem Nachthemd, ab. Erst in diesem Augenblick wurde ihm bewusst, dass sie so etwas noch nicht besaß. Deswegen griff er nach ihrer Hand und führte sie zum Bett. Auffordernd hob er die Decke an und sie schlüpfte schnell darunter. Ängstlich musterte sie ihn.

„Ich bringe dir eines meiner Hemden“, erklärte er, drehte sich um und verließ das Zimmer.

Das Zeichen seiner Liebe

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