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Der Bärenzwinger

Eine kleine Strecke hinter dem polnischen Schlosse Sava, welches nahe der russischen Grenze liegt, steht auf einer kleinen Anhöhe ein Mauerwerk von etwa zwanzig Metern Höhe, welches aussieht wie ein alter Galgen — aber es ist kein Galgen, es hat nie der menschlichen Gerechtigkeit gedient, und doch sollte dort ein ruchloses Verbrechen seine blutige Strafe finden. Das Gebäude war ein Bärenzwinger, den der Besitzer des Schlosses für drei Bären hatte bauen lassen, die er aus Sibirien mitgebracht hatte.

Ja, Graf Techo war in Sibirien gewesen, zwanzig Jahre, aber nicht als Reisender oder Jäger, sondern als Karrensträfling in einem sibirischen Silberbergwerk — und warum? Weil der russische Fürst Rudinow seiner jungen schönen Frau nachstellte und er ihn mit der Hetzpeitsche aus seinem Hause gejagt.

Zwanzig Jahre hatte er da unten gesessen, in der ewigen Nacht, an eine Karre angekettet, und auf das taube Gestein losgeschlagen und geweint und geflucht und gebetet, Gott möge die Stunde kommen lassen, wo er den Schädel seines Verderbers ebenso zerschlagen könnte wie diese Steine.

Aber sie war nicht gekommen; doch seine Strafe war mit der Zeit abgelaufen und der Tag war gekommen, wo er dem Leben wiedergegeben wurde, aber welchem Leben? Gebeugt und gebrochen hatte er sich auf sein Schloss zurückgezogen, auf jede Rache verzichtend; denn er wusste wohl, dass jeder Versuch, seinen Verderber zur Rechenschaft zu ziehen, ihn nur wieder ins Bergwerk gebracht hätte.

Aber die Stunde kam doch, die Stunde der Rache, ehe er es sich gedacht, ja es gewollt.

Der Krieg war ausgebrochen, die russischen Scharen wälzten sich der deutschen Grenze zu, überall brennend und sengend, obwohl sie im eigenen Lande waren, aber sie wussten, dass ihnen die Bewohner nicht freundlich gesinnt waren, und Einschüchterungen sollten einem Aufstand vorbeugen.

Auch Schloss Sava würde wohl ihrer Zerstörungswut zum Opfer gefallen sein, wenn es nicht, seiner günstigen Lage wegen, zum Hauptquartier eines Armeekorps gewählt worden wäre. Der Führer dieses Korps war Fürst Rudinow. Graf Techo erbleichte, als er das erfuhr, aber er dachte nicht einen Augenblick an Flucht, zu der es auch zu spät gewesen wäre; mit festem Blick trat er dem Feind entgegen. Der aber sah ihm gar nicht in die Augen, er streckte die Hand aus, die der Graf leicht berührte, und sagte kordial:

„Na, alter Schwede, jetzt müssen wir Brüder sein, was geschehen, ist vergessen, jetzt haben wir beide nur einen Feind!“

„Gewiss!“ entgegnete der Graf, „ich habe auch nur einen Feind!“ In Gedanken aber setzte er hinzu: Und der bist du!

Der Fürst ging schnell auf ein anderes Thema über.

„Sagen Sie mir, lieber Graf, da haben Sie ja dort hinter dem Hofe so ein rundes Gebäude stehen, ist das ein Turm oder ein Wirtschaftsgebäude?“

„Weder ein Turm noch ein Wirtschaftsgebäude“, gab der Graf zur Antwort.

„So, nun das ist ja gleichgültig, es ist jedenfalls fest gebaut?“

„Sehr fest“, antwortete der Graf.

„Gut, gut“, sagte der Fürst, „da könnten wir vielleicht ein Geschütz darauf stellen. Es ist möglich, dass wir hier angegriffen werden.“

„Gewiss, sehr gut“, erwiderte der Graf, „aber dann müsste erst ein flaches Dach angebracht werden, denn der Zwinger ist oben offen!“

„Da müssten allerdings starke Balken dazu genommen werden“, sagte der Fürst, „kommen Sie, sehen wir uns die Geschichte einmal an — ich will mich selbst überzeugen, ob die Mauern stark genug sind, den Rückstoß des Geschützes auszuhalten! — Bleiben Sie hier, meine Herren“, wendete er sich zu den ihn begleitenden Offizieren. „Der Herr Graf wird mich führen, es genügt, wenn ich allein gehe.“

Sie gingen nach dem Bärenzwinger. Eine Leiter führte von unten nach einer kleinen Tür, sie stiegen hinauf und traten auf die schmale Galerie, die rings um den Innenraum angebracht war.

Der Fürst neigte sich und betrachtete die Bären, drei starke Tiere. Der Graf warf ihnen Stücke Zucker zu, die sie gierig haschten, wobei sie ihr scharfes Gebiss und ihre mächtigen Pranken zeigten.

„Donnerwetter!“ sagte der Fürst, „das sind ja prächtige Tiere, wo haben Sie die her?“

„Die habe ich mir aus Sibirien mitgebracht!“ rief der Graf mit Bedeutung, „aus Sibirien, wohin du gehörst, Schuft!“ und im nächsten Augenblick hatte er den Fürsten am Kragen und an der Taille gefasst und stürzte ihn in den Zwinger hinunter.

Ein grässlicher Aufschrei war das Letzte, was er von ihm hörte, dann stürzte er fort — jubelnd im Herzen, dass er nun doch gerächt sei. Dann eilte er ins Schloss zurück und rief den Offizieren zu:

„Kommen Sie, meine Herren, nehmen Sie Waffen mit, der Fürst ist verunglückt, er hat das Gleichgewicht verloren und ist in den Bärenzwinger gestürzt. Schnell, schnell, ehe es zu spät ist!“

Aber es war zu spät. Als die Offiziere vor dem Gitter erschienen, das den Blick in das Innere des Zwingers freigab, sahen sie nur noch eine zerfleischte Leiche. Die Bären hatten den Fürsten zerrissen.

Kriegsbilder aus Ost und West

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