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Die Rache der Mutter

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Am ganzen Körper zitternd, die Augen vom Weinen gerötet, das Gesicht leichenblass, stand horchend eine Frau an der großen eisernen Schiebetür der Scheune und lauschte auf das Schreien und Lärmen der Kosaken, die drinnen auf Strohschütten lagen und saßen, Schnaps aus ihren Kochgeschirren tranken und mit Zähnen und Fäusten über große Fleischstücke herfielen, die sie aus einem riesigen Kessel, der mitten in der Scheune stand, herausholten.

Ja, es waren Kosaken, fürchterliche Kosaken, früh am Morgen hatten sie das einsame Gasthaus, das auf dem Wege, welcher von Tilsit nach Memel führte, lag, überfallen. Das schöne Gasthaus, dessen Bau erst vor kurzem fertig geworden war und das mit seinen roten Backsteinmauern gerade wie ein Herrenfitz aussah, und es lag auch inmitten dreier Scheunen, alle mit Ziegeln gedeckt und mit großen eisernen Toren geschlossen. Deshalb hatten sie es wohl aufgeschoben, es zu zerstören, und sich begnügt, die ganze Einrichtung des Wohnhauses zu zerschlagen — aber das genügte ihnen nicht, sie hatten auch gemordet, streng nach dem Befehl ihres Generals, alles Lebende zu vernichten, was ihnen in die Hände fiel (historisch). Und so hatten sie alles umgebracht, den Besitzer des Hauses, den Knecht, die Magd, ja sogar zwei Kinder, die noch in ihren Betten lagen — wie die Teufel hatten sie gehaust; die Frau zitterte noch, wie sie jetzt daran dachte, nur sie hatte man am Leben gelassen — aber warum? — nicht aus Menschlichkeit, sondern weil sie ein Essen herrichten sollte — ein Essen — denn sie hatten seit sechs Tagen nur von verschimmeltem Brot gelebt und nur dumpfiges Moorwasser getrunken. Nun aber wollten sie schwelgen. Sie schlachteten einen Hammel und schleppten die Frau in die Küche, wo sie sie zwangen, jeder mit einer Pistole in der Hand, das Fleisch des Hammels in einem großen Kessel zu kochen. Zitternd gehorchte die Frau, was hätte sie auch tun sollen? — Als das Fleisch gar war, ergriffen zwei Kosaken den Kessel und trugen ihn in die Scheune und sagten der Frau, sie solle mitkommen und vor der Scheune warten, um da zu sein, wenn sie etwas wünschten.

Nun stand sie an der Scheune und wartete mit Todesangst, was da kommen sollte; es war ihr gewiss, dass die Kosaken, wenn sie das Fleisch aufgegessen hatten, in der Plünderung des Hauses und der Ställe fortfahren würden — und dann würde wohl auch ihre letzte Stunde geschlagen haben, sie würden sie ermorden. Schaudernd zuckte sie zusammen — und dabei stieß sie mit der Schulter an die eiserne Schiebetür der Scheune — ein Gedanke durchzuckte sie: wenn sie jetzt die Türe zuschob — sie war nur von außen zu öffnen. Kein Fenster in der Scheune, durch das sie herauskommen könnten, keine Leiter darin, den Scheunenboden zu erklettern, um von dort herauszukommen. Wenn sie die Türe zuschob, waren sie alle gefangen; sogar der Kosak, der Wache gestanden hatte, saß mit drin. Ja, sie schob die Türe zu — aber was würde das nützen, einmal würde sie sie doch wieder aufmachen müssen und da war ihr Leiden vielleicht noch schlimmer! — Brauchte sie das zu erwarten? Konnte sie nicht dafür sorgen, dass keiner mehr herauskäme — sie haben mir den Mann und die Kinder ermordet — sie werden mich auch ermorden — es ist kein Mord, es ist Notwehr, was ich tue. Und schnell ergriff sie die Krampe, die der Tür als Griff diente; mit der ganzen Kraft ihres Körpers stemmte sie sich gegen die Tür, die mit einem lauten Kreischen ins Schloss fiel. Dann legte sie den Haken vor, der die Tür festhielt, und stürmte fort — sie hörte gar nicht hin, wie die Kosaken wider die Türe hämmerten, sie stürzte ins Haus, in die Küche, riss ein brennendes Scheit aus der Glut, stürmte fort, zur Scheune zurück über die Leiter hinauf, die zu dem Fenster führte, durch welches die Strohschütten auf den Boden gereicht wurden, öffnete die ziemlich große Bodenluke und schleuderte das brennende Scheit in das trockene Stroh.

Knisternd lief die Glut über die Halme hin, dann lohte die Flamme in die Höhe, und der Bodenraum war ein Feuermeer. Schnell schob die Frau brennendes Stroh durch die Öffnung in der Diele der Scheune, die nach unten führte und kletterte die Leiter herunter.

Unten stand sie lauschend still. —

Furchtbare Verzweiflungsschreie klangen aus der Scheune; Schläge, Fußtritte dröhnten gegen das Tor, „Aufmachen, aufmachen!“ tönte es — „Um Gottes willen aufmachen!“ und neu hagelte der Sturm des Angriffs gegen das eiserne Tor.

Die Frau hatte einen Augenblick still gelauscht, dann schrie sie auf: „Gebt mir meinen Mann, gebt mir meine Kinder wieder, dann will ich euch aufmachen! Euch trifft nur die gerechte Strafe! Euch trifft die Rache einer Mutter!“

Dann stürzte sie davon, ins Haus, zu ihrem toten Mann, zu ihren ermordeten Kindern, warf sich vor ihren Betten nieder und weinte.

Das Toben der Kosaken dauerte noch eine Weile fort und erst als der brennende Dachstuhl seine glühende Last in das Innere der Scheune zusammenstürzend hineinschüttete, erstarb der wilde Lärm in einer großen grauenvollen Stille. . .

Kriegsbilder aus Ost und West

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