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Unter russischer Flagge

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Das lohnte sich. Nicht einmal bis Buxtehude hatte ich geschlafen, als mich lautes Sprechen und Schreien aufweckte. Als ich die Augen aufschlug, war das Abteil voll Matrosen, die wohl nach Cuxhaven fahren wollten. Sie machten einen schauerlichen Lärm, redeten und schrien durcheinander. Was sie sprachen, konnte ich nicht so recht verstehen, aber es schien mir, als hätten sie zwei russische Matrosen auf dem Korn, denn es wurde viel von der russischen Flotte gesprochen und tüchtig auf die Zustände, die dort herrschen sollten, geschimpft. Aber die beiden Russen bestritten das und behaupteten, dass jeder lüge, der nicht zugebe, dass die russische Flotte die beste der Welt sei.

„Was?“ schrie plötzlich ein deutscher Matrose, der sich bis dahin ziemlich ruhig verhalten hatte, dazwischen, „die beste? Die schlechteste ist sie! Passt auf, ich werde euch was erzählen, was ich selbst erlebt habe, wo ich selbst dabei gewesen bin.“ Und er fing an:

„Es war ungefähr um die Zeit, als die russische Flotte die englischen Fischerboote angegriffen hatte, also etwa zu Anfang des russisch-japanischen Krieges. Ich war damals auf einem großen Dampfer geheuert. Wir lagen vor Port Natal und hatten keine Ladung. Uns wurde schon allen angst und bange, aber der Kapitän hatte Glück, das Schiff wurde von der russischen Regierung gechartert, um der Mittelmeerflotte, die im Anzug war, Proviant entgegenzufahren. In Sidney sollte auch ein russischer Kapitän an Bord kommen, der auch das Kommando über das Schiff übernehmen sollte. Unser Kapitän sollte nur die Führung behalten, sonst aber nichts zu sagen haben.

So was ist eigentlich verboten, denn Proviant ist Kriegskonterbande, und wir gehörten einem neutralen Staat an. Aber was kümmerte uns das, die Hauptsache war, dass wir Ladung hatten.

Also wir fuhren los! Wir hatten schlecht Wetter und fürchteten schon was zu versäumen, aber als wir nach Sidney kamen, war weder von der Ladung Fleisch noch von dem Kommissar eine Spur zu sehen.

Endlich, nach acht Tagen etwa, kommt wenigstens der Kommissar, ein großer Mann mit einem mächtigen Bart und kurz und barsch von Wesen; er mochte zu Hause wohl ein ‚großes Tier‘ sein.

Er war kaum an Bord gekommen — ich glaube, er war noch keine Stunde da — als er ‚Abfahren!‘ kommandierte.

Unser Kapitän, der neben ihm stand, guckt ihn ganz verdutzt an und sagt dann: ,Abfahren? Ich habe ja noch gar keine Ladung?

Ich stand am Steuer, als sie beide miteinander sprachen; ich konnte daher jedes Wort deutlich verstehen.

Der Russe tat, als hätte er nicht gehört, und sagte nochmals: ,Kapitän, lassen Sie das Schiff in See stechen. Ich habe dem Admiral eine Meldung von großer Wichtigkeit zu machen, jeder Augenblick ist kostbar.‘

‚Ich sagte es Ihnen schon!‘ erwiderte der Kapitän, ,das geht noch nicht, ich habe noch keine Ladung eingenommen!“

Der Russe schnitt ein Gesicht und fuhr dann grob heraus: ,Was kümmert Sie das, das ist meine Sache, ich wünsche, dass Sie fahren.‘

Wieder sah ihn der Kapitän ganz verblüfft an und sagte darauf: ,Ich meine nur, ich kann doch nicht ohne Ladung in See stechen!‘

,Warum nicht, wenn ich es befehle? Vorwärts, ich habe Eile!‘

,Wenn Sie das befehlen!‘ sagte der Kapitän, ,nun wohl, das Schiff steht unter Ihrem Kommando, aber ich lehne jede Verantwortung ab!‘

Der Kapitän verbeugte sich, ein bisschen tief, und ein bisschen höhnisch gab er dann den Befehl, das Schiff zur Reise klarzumachen. In drei Stunden dampften wir ab -— mit Ballast ohne Ladung.

Ich war aufs äußerste gespannt, was aus der Sache werden würde, und zerbrach mir den Kopf, was es für einen Zweck haben könnte, uns ohne Ladung hier herumzutreiben.

Darauf, was der Russe im Schilde führte, wäre ich niemals gekommen, auch keiner von allen, die auf dem Schiffe waren, überhaupt kein ehrlicher Mensch!

Na, wir kreuzten denn so zwei Wochen in allen möglichen Gewässern, bis — es mochte zu Anfang der dritten Woche sein — ein Geschwader in Sicht kommt, eine Kriegsflotte!

Es war die russische Mittelmeerflotte, die nach monatelanger Fahrt endlich herübergekommen war.

,Na,‘ dachte ich, ,die werden sich freuen, wenn sie jetzt statt des erwarteten Proviants wichtige Mitteilungen bekommen.‘

Eigentlich taten sie mir ja leid, die armen Kerle, die nach meiner Berechnung kein halbes Pfund frisches Fleisch mehr an Bord haben konnten, und die sicher schon eine geraume Zeit auf halbe Kost gestellt waren. Nun mussten sie so was erleben! —-

Neugierig war ich ja sehr, was der Russe zu melden haben würde. Na, ich kann sagen, auf alles wäre ich gekommen, aber auf das nicht.

Wisst Ihr, was er tat? Er gab Befehl, auf das Admiralschiff zuzuhalten, und wie wir in Rufweite sind, signalisiert er hinüber:

,Melde mich gehorsamst zur Stelle! Habe leider mitzuteilen, dass sämtliches Fleisch auf der Fahrt verdorben, in Fäulnis übergegangen ist und daher über Bord geworfen werden musste, um einer Verseuchung des Schiffes vorzubeugen.“

Sprach’s, grüßte, ließ das Steuer Backbord nehmen, und fort ging’s mit Volldampf voraus.“

Der Erzähler schwieg. Eine allgemeine Pause trat ein, dann ertönte ein schallendes Gelächter.

Die Versammelten sahen sich gegenseitig halb aufgeklärt, halb verständnisvoll an.

Die beiden Russen lachten verlegen, waren aber doch nicht wenig stolz auf ihren schlauen Landsmann. Nur einer, ein deutscher Matrose mit einem redlichen, aber nicht gerade sehr schlauen Gesicht fragte dann:

„Ich denke, er sollte eine wichtige Meldung bringen?“

„Na, das hat er doch getan!“ rief der Erzähler, „der Admiral und der Kommissar steckten doch unter einer Decke, sie hatten gar kein Fleisch gekauft, sondern sich das Geld einfach geteilt, und nun mussten sie doch nachweisen, wo das Fleisch geblieben war. Und das tat eben die Meldung“

Kriegsbilder aus Ost und West

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