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Kapitel 2 Das Haus in Neuschottland

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Noch am selben Abend hatte Jack Bishop von seinem gerade bezogenen Hotelzimmer aus alles Notwendige in die Wege geleitet.

Zuerst hatte er in der Kanzlei des mit ihm befreundeten Anwalts Peter Stoneham angerufen und ihm seine augenblickliche Situation geschildert. Gleich danach hatte sich Jack an sein Macbook gesetzt und ihm ergänzend Kopie des von ihm aufgenommenen Videos aus seiner Bodycam geschickt, das den Ehebruch seiner Noch-Ehefrau eindeutig belegte.

Beim Treffen am nächsten Tag hatte sich Peter Stoneham schon allein deshalb sehr zuversichtlich gezeigt und Jack die von ihm vorbereiteten Scheidungspapiere unterschreiben lassen.

„Wenn ich damit nachher zu Richter Harris gehe, bin ich schon jetzt davon überzeugt, dass die Scheidung unter den von dir gewünschten Konditionen schnell über die Bühne geht und kaum Probleme machen wird. Außerdem habe ich vorhin mit deiner Frau telefoniert.

Sie klang zwar ziemlich zerknirscht, aber ich denke, sie hat begriffen, dass das Band zwischen euch beiden ein für alle Mal zerschnitten ist. Da du ihr das Haus überlassenwillst, wäre es auch ziemlich dämlich, dein großzügiges Angebot abzulehnen. So dumm ist Kerry schließlich nicht.

So, mein Lieber – und was wirst du jetzt so ganz ohne Wohnung und ohne Job machen?“, hatte ihn sein Rechtsanwalt am Ende des Gesprächs noch gefragt, ehe er sich von seinem Mandanten verabschiedete.

„Na ja, ich bin zunächst einmal froh, dass Kerry die Scheidung akzeptieren will. Ich will mit ihr nämlich nicht mehr das Geringste zu tun haben“, hatte Jack geantwortet.

„Was das Wohnen angeht, hab’ ich ja noch das von meinen Eltern geerbte Cottage an der Küste von Neuschottland, das mir seit ihrem Tod ganz alleine gehört.

Und dort in Neuschottland möchte ich in den nächsten Wochen erst mal ein wenig ausspannen. Dabei will ich vor allem versuchen, meine schrecklichen Erinnerungen der letzten Zeit zu verarbeiten. Übrigens ist am nahegelegenen Strand jetzt im August auch ein guter Platz zur Erholung.

Und genau das werde ich tun. Die Stille und Ruhe der dortigen Landschaft genießen. Außerdem werde ich mich wieder intensiver meiner Romanschreiberei widmen und hin und wieder die schöne Landschaft und einige Dinge und Personen aus der Erinnerung heraus malen. Auch wenn ich das Schreiben weit besser beherrsche und damit ja bereits seit Jahren ganz gutes Geld verdiene.

Du wirst also schon bald von mir hören, Peter – hier ist meine neue Adresse, unter der du mich künftig erreichen kannst. Ich bitte dich aber, meine neue Anschrift nur mit meiner Zustimmung herauszugeben.

Und sorg’ bitte dafür, dass die beauftragte Spedition meine Sachen aus meinem ehemaligen Heim zum Ende der kommenden Woche dorthin liefert.

Ach so, ein Letztes noch: Verkauf bitte meinen, in der Garage stehenden alten Jaguar E. Den hab’ ich ja bereits vor meiner Ehe besessen und deshalb geht der Kerry nichts an. Und in Neuschottland kann ich diesen Oldtimer eh’ nicht gebrauchen. Bei dem dortigen Wetter ist mein Mercedes GLS im Winter ohnehin die bessere Wahl.“

Bereits am Nachmittag verließ Jack Bishop Ottawa und fuhr über Montreal und einem Zwischenstopp in Quebec nach Moncton, wo er bis zur Weiterfahrt am nächsten Morgen ein weiteres Mal in einem Motel übernachtete.

Als er am frühen Nachmittag des darauffolgenden dritten Reisetags nach fast 900 Meilen Fahrt an seinem Zielort Lawrencetown ganz in der Nähe der kanadischen Atlantikküste ankam, fuhr er zuerst zu seinem verlassen wirkenden Cottage.

Nach einer kurzen Begehung rund um das aus massivem Granitstein und Eichenholz erbaute Gebäude, schloss er die Eingangstür auf und schleppte seine Gepäckstücke ins vertraute Innere.

„Sieht noch ganz so aus, wie ich’s in Erinnerung habe. Alles gut in Schuss und kaum was zu Putzen. Nur ein wenig Staubwischen müsste man mal“, sagte Jack leise zu sich selbst, als er den abgestellten Strom in der zum Haus gehörenden Garage einschaltete und danach die mit weißen Laken abgedeckten rustikalen Teak- und Eichenmöbel von ihren Schutzhüllen befreite.

Eine knappe Viertelstunde später läutete es an der Eingangstür. Als Jack öffnete, sah er ein bekanntes, von Wind und Wetter gegerbtes Gesicht vor sich.

„Ich wusste doch, dass du das bist!“, rief der langjährige Nachbar seiner Eltern, den auch Jack natürlich noch aus seiner Jugendzeit sehr gut kannte, war er doch der engste Freund seines verstorbenen Vaters gewesen.

„George MacDermott, wie er leibt und lebt. Jagst du noch immer Verbrecher – oder bist du dafür inzwischen zu müde geworden?“, begrüßte Jack den unerwarteten Gast.

„Ich wollte dich nachher ohnehin besuchen kommen und dich über die örtlichen Neuigkeiten ausfragen. Umso besser, dass du neugierige Ermittlernase gleich rübergekommen bist – da kann ich mir den Weg ja jetzt sparen. Ich muss nämlich nachher noch zum Einkaufen. Und Anbieten kann ich dir deswegen im Moment leider auch noch nichts.“

„Dann ist’s ja gut, dass ich zufälligerweise ein kleines Willkommensgeschenk dabei habe“, meinte George MacDermott, als er zugleich einen silbernen Flachmann aus seinem wetterfesten Parka zog.

„Aber sag’ mal, was zur Hölle machst du alter Seelenklempner hier? Das letzte, was ich mitbekommen habe, war, dass du nach deiner Profilertätigkeit bei der Polizei in Ottawa zur Armee gegangen bist.

Haben die dir etwa Urlaub gegeben, weil du was verbockt hast – oder was ist mit dir los?

Deinem verdrießlichen Geschaue nach, das da eben kurz in deinen Augen aufgeblitzt ist, entnehme ich, dass es dir nicht halb so gut geht, wie du den Anschein zu erwecken versuchst. Und wo hast du deine liebreizende Frau gelassen?“

„Tja, du bist ein guter Ermittler. Das warst du schon immer, George. Aber das ist eine lange Geschichte – und sie ist nicht besonders prickelnd“, erwiderte Jack in diesem Moment mit einem versonnenen Blick auf den alten Freund seiner Eltern.

„Dann erzähl’ mal. Ich bin ja mittlerweile pensioniert und lebe mit meiner Rosi jetzt schon seit zwei Jahren im wohlverdienten Ruhestand. Ich hab’ also ’ne ganze Menge Zeit mitgebracht.

Brauchst also keine Angst zu haben – das was du mir gleich beichten wirst, wird nicht gegen dich verwandt. Ist also ganz so, wie früher, wenn du mal wieder meine Äpfel oder die von den Bäumen der Nachbarn geklaut hattest und ich dich anschließend in die Mangel genommen habe.“

„Freut mich zu hören, George – vor allem ich bin froh, dass du noch immer deine Rosanna an deiner Seite hast. Was mich betrifft, sieht das bei mir und meiner demnächst von mir geschiedenen Ex-Frau Kerry leider ein kleines bisschen anders aus. Also hör zu ...“

Nachdem Jack Bishop seinen Bericht beendet hatte, schraubte George MacDermott seinen Flachmann auf und sagte: „Das sind widerliche Erlebnisse, die du da mit dir herumschleppst – und darauf brauchen wir alle beide jetzt erst einmal einen guten Schluck. Gibt’s in dieser Hütte wenigstens Gläser?“

„Gläser hab’ ich schon – aber danke, du alter Schotte. Zum Whiskeytrinken ist es mir noch ein wenig zu früh. Ich bringe um diese Uhrzeit noch keinen Scotch runter.

Weil – erstens muss ich nachher noch zum Supermarkt fahren, damit ich mir heut’ Abend was zum Essen machen kann und dann hab’ ich auch noch genug im Haus zu tun. Ich werde nämlich ab sofort wieder hier wohnen.“

„Blödsinn, Junior. Heute Abend fährst du nirgendwo mehr hin. Du isst nämlich nachher bei uns. Wage es jetzt ja nicht, mir und Rosi das abzuschlagen.

Zum Einkaufen kannst du auch morgen früh noch fahren. Wie ich sehe, hast du den Strom bereits eingeschaltet und auch deinen Kram schon reingeholt – und da es mitten im August ist, wirst du heute Nacht selbst ohne Heizung nicht frieren.

Obwohl ich dieses Anwesen jetzt schon seit dem Tod deiner Eltern in Schuss halte, hab’ ich vorhin nur der Höflichkeit halber geläutet. Dein Vater hat mir nämlich schon vor Jahren einen Schlüssel dieses Anwesens anvertraut, damit ich mich um das Haus kümmere, wenn mal keiner da ist.“

„Das ... das wusste ich nicht“, stotterte Jack Bishop jetzt los. „Soll das heißen, dass du die ganze Zeit über hier den Hauswirtschafter gespielt hast?“

„Nicht nur ich – meine Rosanna hat mir dabei ebenfalls ein wenig geholfen. Wir sind inzwischen ja beide pensioniert, auch wenn Rosi ihrem ehemaligen Job als Schuldirektorin des hiesigen Colleges noch immer ein bisschen nachtrauert.

Und wenn es uns zu langweilig wurde, haben wir uns mit der Pflege und Verschönerung von diesem wundervollen Cottage beschäftigt. Der Gemüse- und Kräutergarten hinter dem Haus war ganz alleine Rosis Idee. Und auch die vielen Blumenbeete rund um die Terrasse und am Eingang stammen von ihr.

Übrigens, was meine Rosi betrifft – sie hat immer gesagt, dass du irgendwann mal wieder hier auftauchen würdest, weil sie sich nicht vorstellen könne, dass du ewig in dieser Betonwüste in Ottawa leben willst. Und, wie man sieht, hat Rosi auch mit der Sache mal wieder recht gehabt.“

„Das hab’ ich wirklich nicht geahnt, aber es ist wundervoll, was ihr hier für mich getan habt. Ich kann das alles noch immer gar nicht fassen. Danke George, vielen Dank für alles.

Da eure Hilfe ja sicher ein bisschen was gekostet hat, würde ich euch gerne eure Auslagen für mein Cottage ersetzen. Sag’ mir also, wie viele Dollars ihr hier bei eurem ungewöhnlichen Hobby versenkt habt.“

„Willst du Rosi und mich etwa beleidigen, Junior?“, entfuhr es dem weißhaarigen Ex-Superintendent der RCMP sofort. „Rosi und ich waren für dich stets so was, wie Tante und Onkel.

Du weißt hoffentlich noch, dass du immer dann, wenn du dich aufgrund deiner jugendlichen Missetaten mal nicht gleich nachhause getraut hast, zu uns gekommen bist, damit ich deinen alten Herrn beruhige, ehe du dich deinem verdienten Anschiss stellen musstest.

Wir zwei haben das gerne für den Sohn unserer besten Freunde getan. Und dass du dann meistens nur mit einem erhobenen Zeigefinger aus der jeweiligen Sache herausgekommen bist, hast du hoffentlich auch noch in guter Erinnerung. Also – halt die Klappe und rede nie wieder davon, okay?“

„Ich weiß jetzt grad’ nicht, was ich darauf antworten soll“, meinte Jack Bishop verlegen, dem bei dieser Rede des alten Freunds seiner Eltern ein paar Tränen in die Augen gekrochen waren.

„Sag deiner Frau, dass ich heute Abend gerne zum Essen zu euch rüberkomme. Aber ich hab’ leider gar nichts dabei, was ich euch schenken könnte. Nicht als Bezahlung, sondern wirklich nur als kleine Aufmerksamkeit. Das kommt wohl davon, wenn man seine Zelte woanders so Hals über Kopf abbricht.“

„Erstens ist das nicht schlimm – und wird auch nicht erwartet. Aber, was ein Präsent für Rosi betrifft, kann ich dir einen kleinen Tipp geben.

Wann immer sie hier im Haus und im Garten gearbeitet – nein, ich korrigiere – wann immer sie sich hier ihre Langeweile vertrieben hat, kam sie danach nachhause und hat von dem wundervollen Bild erzählt, dass über eurem alten Klavier im Wohnzimmer hängt.

Das mit den sturmumtosten Klippen unserer herrlichen Küste, dass du schon vor etlichen Jahren gemalt hast. Genau das meine ich. Und meine Rosanna war immer sehr stolz, dass sie dein besonderes Talent als Maler schon in der Zeit, als du noch bei ihr in die Schule gegangen bist, mit ihren bescheidenen Mitteln gefördert hat.

Da du deinem Bericht von vorhin nach ja hergekommen bist, um neben deiner Schriftstellerei auch deine Malerei weiter voranzutreiben, kannst du ja vielleicht auf dieses herbstliche Bild verzichten, oder es ganz einfach später noch einmal malen. Was meinst du?“

„Ich meine, dass du der beste Nachbar und Freund bist, den man sich in meiner Lage nur wünschen kann, George. Und jetzt weiß ich auch, dass ich die richtige Entscheidung getroffen habe, als ich mich nach dem ganzen Desaster der letzten Tage und Monate entschlossen habe, wieder hierher in mein eigentliches Zuhause zu kommen.“

„Das war jetzt gerade eine gute Antwort, Junior“, entgegnete der sonst eher bärbeißig wirkende George MacDermott mit einem Anklang von Rührung in seiner Stimme.

„Du hast jetzt exakt noch drei Stunden, bis du bei uns zum Dinner anzutanzen hast. Also sei pünktlich, Junior! Rosi kann es nämlich auf den Tod nicht leiden, wenn man zu spät zum Essen kommt. Und ihren alten Rohrstock aus der Schule hat sie auch noch, für den Fall, dass sich ihr jemand zu widersetzten wagt.“

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