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Kapitel 4 Alarm in den Bergen

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Bereits im Januar 2014 hatten sich alle Abteilungsleiter der Wagner-Firmen zusammengesetzt, um über die geplante Minimalerweiterung der neuen Sparte Air Charter zu diskutieren.

Trotz der mittlerweile erfreulich angewachsenen Auftragslage, war nach eingehender Sichtung der von Christine Liebermann bereitgestellten Daten auch Anna Wagner und ihrem Mann Matthias klargeworden, dass die Prognose, wonach es in nächster Zeit kein Kapital für den gewünschten zweiten Hubschrauber geben würde, vorerst noch immer stimmig war.

Inzwischen schrieb man Anfang April 2014 und Anna freute sich jeden Tag ein stückweit mehr auf die von Michael für Mitte Mai gebuchte 4-wöchige Hochzeitsreise an die italienische Rivera.

Michael Wagner war gerade im Begriff, sein Büro zu verlassen, als an einem Dienstagvormittag unerwartet ein alarmierender Anruf von Theo Steins ehemaligem Chef, POR10 Walter Großkreuz, bei der Firmenzentrale der Wagner Air Charter einging.

Deshalb nahm der an diesem Tag anwesende Theo Stein das Gespräch mit dem Leiter der Bundespolizeihubschrauberstaffel am Flughafen Oberschleißheim selbst entgegen.

„Ja, hab’ ich verstanden, Walter. Ich wiederhole nochmal: Vermisster Bell Jet Ranger, weiß und rot lackiert, Kennung D-HBDX, gestartet gestern um 14:00 Uhr in Flintsbach am Inn mit Ziel Bozen. Letzter Radarkontakt um 14:30 Uhr bei Mittenwald mit Flugrichtung Innsbruck. Okay mein Lieber, ich denke, dass wir euch bei der Suche helfen können.“

“Ihr habt’s gehört. Die Kollegen von der Bundespolizei und die Österreicher suchen nach einem vermissten Privathubschrauber im Raum Mittenwald – Brenner. Sie bitten uns um Mithilfe, weil sie momentan zu wenig einsatzbereite Hubschrauber haben.

Nach dem Unfall von zwei Hubschraubern bei unserer Ausbildungseinheit, mussten sie nämlich schon vor etlichen Wochen zwei ihrer Helis zur Flugschule nach St. Augustin abgeben. Daher sind sie derzeit etwas knapp an Maschinen.

Kriegen wir das hin?“, fragte Theo Stein am Ende seiner Rede in Richtung von Matthes und Michael.

„Kriegen wir, Theo. Wir beide fliegen“, meinte Michael knapp zu Theo Stein. „Sag’ Sven und Lutz, sie sollen unseren Heli startklar machen. Ich kümmere mich bei der Flugsicherung um genauere Informationen. Vielleicht wissen die dort mehr.

Was wir jetzt vor allem brauchen, ist der vom Piloten eingereichte Flugplan der gesuchten Maschine. Ach ja, und dann brauchen wir auch noch die Radarbildaufzeichnungen von gestern und heute früh – sofern es letztere überhaupt gibt.“

Nur wenige Minuten später hatte Michael die Chefcontrollerin der DFS11 am Flughafen München an der Strippe.

„Hallo, Sophia. Bei uns brennt’s. Wir sollen uns an der Suche nach diesem Privathubschrauber beteiligen, der gestern Nachmittag nahe Rosenheim in Richtung Bozen gestartet ist und jetzt vermisst wird. Ich denke, du weißt, von was ich spreche.“

„Weiß ich, mein Lieblingspilot. Und du machst grad’ euren Heli klar, weil Walter Großkreuz mal wieder eure Unterstützung benötigt. Ich schicke dir jetzt den Flugplan des Jet Rangers. Eigner und Pilot ist ein Luigi Varese, ein italienischer Geschäftsmann aus Rosenheim.

Laut Flugplan wollte er mit einem uns namentlich nicht bekannten Passagier von Garmisch aus den Brennerpass auf der üblichen Transalpinroute überfliegen. Er hat sich aber am Pflichtmeldepunkt Sierra über der Europabrücke bei Innsbruck schon nicht mehr gemeldet.

Auf dem Radar hatten wir ihn bis zum Überqueren der Grenze bei Mittenwald. Und nachdem er unseren Kontrollbereich verlassen hatte, konnte ihn Austro Control12 Innsbruck radarmäßig zu keiner Zeit erfassen. Sie haben ihn daraufhin mehrfach gerufen, aber keine Antwort erhalten.“

„Okay Sophia, deine Mail ist eben angekommen. Ich seh’ jetzt was du meinst. Es geht also um das Gebiet zwischen Mittenwald und Innsbruck entlang der B2, die ja ab der Grenze zur österreichischen Bundesstraße 177 wird. Haben wir Cross Border Clearance von deinen österreichischen Kollegen?“

„Ja sicher, die haben doch uns um die Hilfe unserer Bundespolizei ersucht, oder nicht? So, wie ich das sehe, wird eure Fahndung ohnehin weitestgehend auf österreichischem Staatsgebiet stattfinden. Meldet euch bei Austro Control Innsbruck auf Frequenz 124,4 MHz, wenn ihr die Grenze bei Scharnitz überfliegt.“

„Machen wir, Sophia – und danke. Wir melden uns, wenn wir starten.“

„Mach’ das – dann bis gleich am Funk“, erwiderte Sophia Kürten. „Und viel Erfolg bei der Suche.“

„Können wir gebrauchen, Sophia. Wir tun unser Möglichstes.“ Damit trennte Michael die Telefonverbindung, sprang in seine Pilotenkombi und lief in Richtung Hubschrauberhangar, wo er schon von Theo Stein und seiner Ehefrau Anna erwartet wurde.

„Seid bloß vorsichtig, ihr zwei. Und Hals- und Beinbruch. Kommt mir ja heil wieder“, rief Anna, als sich Michael auf dem Copilotensitz festschnallte und Theo Stein das Zeichen zum Starten der Turbinen gab.

Knapp eine halbe Stunde später war der jetzt wieder mit der Polizeileuchtschrift versehene EC-635 im Suchgebiet, das inzwischen von Austro Control Innsbruck mittels eines Rasterverfahrens aufgeteilt worden war.

Als Theo und Michael die deutsch-österreichische Grenze überflogen, sahen sie in einiger Entfernung zwei dunkelblaue, von Bundespolizisten geflogene Hubschrauber sowie zwei von ihren Flugeinsatzstellen in Innsbruck und Salzburg aufgestiegene Helikopter der österreichischen Flugpolizei, die seitlich voraus auf einem versetzten Parallelkurs flogen.

„Edelweiß S an Austro Control, wir haben gerade die Planquadrate KC-12 bis KC-18 entlang der Bundesstraße zum Brennerpass abgesucht“, meldete sich Michael Wagner nach einer Weile per Funk, als der EC-635 das südliche Ende des zugewiesenen Suchpatterns erreicht hatte.

„Stehen momentan über der B177 kurz vor der Anschlussstelle an die Autobahn A12 bei Zirl. Keine Sichtung des vermissten Helikopters bisher.“

„Danke, Edelweiß S – bei uns auch noch keine Neuigkeiten von den anderen Maschinen. Dreht bitte um und macht jetzt mit den Bergflanken ostwärts der B177 und den angrenzenden Seitentälern weiter. Die andere Seite übernehmen eure Kollegen von der Bundespolizei und die Autobahn Richtung Innsbruck und weiter in Richtung Brenner werden unsere Hubschrauber von der Flugpolizei absuchen.“

„Das ist verstanden, Austro Control. Wir drehen nach Norden ab und gehen auf Flugfläche 3.00013 mit erneutem Wendepunkt bei Mittenwald. Fliegen dann die gleiche Route auf Flugfläche 4.500 ostwärts der B177 nochmal zurück.“

„Roger, Edelweiß S. Bleiben Sie auf dieser Frequenz.“

„Machen wir, Austro Control. Wir melden uns wieder, wenn wir das angewiesene Gebiet überflogen haben“, erwiderte Michael Wagner, wobei er sich sofort wieder intensiv den von ihm bedienten Außenbildkameras, einschließlich des seit Garmisch-Partenkirchen zugeschalteten FLIR14-Bildschirms widmete.

Nachdem Edelweiß S etliche Seitentäler und die teilweise bewaldeten Berghänge, darunter u.a. auch das ostwärts Seefeld gelegene Skigebiet ohne Resultat abgesucht hatten, durchbrach Theo Stein die angespannte Stille mit einer persönlichen Frage.

„Dein alter Partner Markus Leitner ist doch ein anständiger Kerl – oder?“, begann er etwas verhalten. „Sicher, warum fragst du?“

„Na ja, ich will’s mal so sagen“, erwiderte Theo vorsichtig. „Er hängt seit seiner Notlandung am Klinikum Augsburg immer öfter bei meiner Tochter Lena rum.

Tja, meine Lena scheint ihn als kollegialen Freund zu mögen, aber ich glaube, dass Markus ernstere Absichten verfolgt, die über eine bloße Freundschaft unter Kollegen weit hinausgehen. Und das macht mir halt Sorgen.“

„Was daran ist denn so schlimm? Mein Ex-Kollege Markus ist einer meiner engsten Freunde. Ein Ehrenmann, auf den man sich in allen Lagen absolut verlassen kann. Ist dir diese Verbindung zwischen deiner Tochter und ihm als behütender Vater etwa nicht recht?“, entgegnete Michael Wagner, ohne seine diversen Monitore aus den Augen zu lassen.

„So ein Schmarrn!“ Theo Stein kratzte sich am Kinn, ehe er fortfuhr: „Es gibt da etwas, was Markus nicht weiß“, meinte er dann mit einem ernsten Seitenblick auf seinen derzeitigen Copiloten.

„Jetzt mach’ nicht so’n riesiges Geheimnis draus. Was passt dir an Markus Leitner als Freund deiner Tochter nicht?“, fragte Michael Wagner jetzt schon einigermaßen besorgt.

„Es liegt nicht an Markus. Glaub mir, er wäre genau der Schwiegersohn, den ich mir wünschen würde. Das, was ich dir beizubringen versuche, betrifft einzig und allein meine Lena.“

Theo Stein machte eine kurze Pause, ehe er zuerst langsam – und dann immer rascher weitersprach, wobei er seine verhaltene Wut nur mühsam unterdrücken konnte.

„Meine Lena hat eine ausgesprochen böse Erfahrung hinter sich – und ich wette, Markus weiß davon nichts. Sie hatte nämlich schon mal einen sehr engen Freund, den sie sogar heiraten wollte.

Damals steckte sie noch mitten in ihrer Pilotenausbildung. Und ich geb’s zu, auch ich war von diesem vornehmen Schnösel durchaus angetan. Aber dann kam durch einen Zufall, ziemlich kurz vor der geplanten Verlobung heraus, dass dieser Mistkerl schon verheiratet war und dass seine Frau zu dieser Zeit bereits ein Kind von ihm erwartete.

Das hat meine Tochter – wie du dir vielleicht vorstellen kannst –schwer getroffen. Ich hätte dem Drecksack seinerzeit am liebsten eine kräftige Abreibung verpasst, als Lena meiner Frau und mir die ganze Sache schließlich beichtete. Aber meine Erika hat mich dann doch noch einmal davon abhalten können.

Trotzdem – zu erkennen, dass sie von ihrem Fast-Verlobten derart belogen und betrogen worden war, hat Lena damals nahezu um den Verstand gebracht. Und fast hätte sie genau deswegen ihre Pilotenausbildung beinahe hingeschmissen.

Deshalb wird sie auch Markus gegenüber sehr vorsichtig sein und ihm – trotz seiner tollkühnen Lebensrettungsaktion – nicht sofort und bedingungslos in die Arme fallen. Und ich möchte, dass er das weiß. Weil ich fürchte, dass sonst das nächste Drama im Haus der Familie Stein schon bald seinen Anfang nimmt.“

Michael Wagner hatte interessiert zugehört und dachte einige Minuten über das gerade Erfahrene nach.

„Also gut“, begann er dann. „Ich werde mit Markus reden. Aber so, wie ich ihn kenne, wird ihn auch das nicht daran hindern, deiner Lena weiterhin den Hof zu machen.

Außerdem, ich hab’ Markus noch nie so erlebt. So, wie’s aussieht, liebt er deine Tochter. Ernsthaft. Das kann man schon allein nach dem, was er ständig über sie berichtet, mit Fug und Recht sagen.

Wenn wir beide telefonieren, oder uns gelegentlich treffen, hat er am Ende immer nur dieses eine Thema drauf. Du müsstest nur mal seine begeistert leuchtenden Augen sehen, wenn er über deine Lena spricht.

Tja, und wenn er erfährt, was du mir gerade erzählt hast, wird er zweifellos einen behutsamen Weg finden, das Herz deiner Tochter dennoch zu erobern – trotz dieser hässlichen Vorgeschichte. Da bin ich mir ganz sicher. So, und jetzt widmen wir uns wieder unserem Auftrag. Einverstanden?“

„Danke Micha, ich musste das mal loswerden. Bitte sei nicht sauer, dass ich dich mit meinen familiären Sorgen belästigt habe.“

„Das ist unter Fliegerkameraden doch wohl üblich, um nicht zu sagen, selbstverständlich – und wenn ich sehe, dass du gerade wieder etwas entspannter guckst, werden wir zwei semiprofessionellen Kuppler diese Sache schon irgendwie schaukeln.

Auch, wenn das eigentlich mehr eine Sache für Tante Waltraud wäre. Falls du einverstanden bist, hol’ ich mir deshalb mal ihren Rat, sobald wir mit der Suche nach diesem Herrn Varese und seinem Hubschrauber fertig sind.“

Als Theo Stein den EC-635 am nördlichen Wendepunkt ihrer Flugroute über Mittenwald wieder in Gegenrichtung wendete, meinte Michael:

„Lass uns ein bisschen höher gehen. Am besten fliegen wir mal das Gebiet des Naturparks Karwendel bis zum Quellgebiet der Isar entlang des Hinterautals ab. Nehmen wir die Talstraße als Orientierungslinie.

Auch wenn es schon ein bisschen seltsam wäre, wenn unser gesuchter Heli so weit ab vom Kurs geflogen sein sollte. Denn dazu hätte er ja fast im rechten Winkel nach Osten abdrehen müssen und das hätte selbst ein ungeübter Pilot bemerkt.“

„Nichts zu sehen, absolut niente“, meinte Theo Stein enttäuscht, als er in Höhe der Isarquellen wieder auf Südwestkurs in Richtung des Hohen Gleirschs ging.

Als der EC-635 den rund 2.500 Meter hohen Berggipfel des Hohen Gleirschs wenige Minuten danach überflogen hatte, rief Michael plötzlich: „Da vorne ist was! Siehst du das auch? Im Geröllfeld kurz oberhalb der Waldgrenze.“

„Moment, ich geh’ ein Stück tiefer und dreh’ nochmal ’ne etwas engere Runde.“

Sekunden später bemerkte auch Theo Stein das Objekt, das Michael gemeint hatte.

„Das ist eine abgerissene Tragfläche – oder zumindest ein Teil davon. Aber von einem Flugzeug. Ganz sicher ist das kein Teil unseres gesuchten Helis.“

„Sieht irgendwie militärisch aus“, meinte Michael im selben Moment. „Ich sehe Buchstaben und etwas, was ein stilisiertes Kreuz sein könnte – und die Buchstaben auf diesem Tragflächenteil sind sogar einigermaßen lesbar.

Stopp! Ich fass’ es nicht. Das ist ein deutsches Hoheitsabzeichen. Ein eisernes Balkenkreuz – so, wie man es im zweiten Weltkrieg auf deutschem Militärgerät verwendet hat.

Das heutige Hoheitsabzeichen der Bundesluftwaffe ist demgegenüber ja leicht geschwungen. Das hier ist dagegen absolut rechtwinklig. Ein im Krieg abgeschossener oder verunglückter Luftwaffenflieger also.“

Sofort kam die Antwort von Theo Stein. „Okay, das ist sicher eine historisch interessante Sichtung, die uns bei unserer Suche aber nicht wirklich weiterhilft. Schieß ein paar Fotos und markier’ die Örtlichkeit mit den GPS-Koordinaten auf deiner Karte.“

„Geröllfeld an der Südwestflanke des Hohen Gleirschs, kurz vor der Waldgrenze, der Wald trägt nach meiner Karte übrigens den Namen Angerwald“, diktierte Michael in diesem Moment in sein iPhone.

„Okay Theo, ich hab’s. Wir müssen weiter.“ Dass Theo Stein mit seiner Einschätzung einer völlig nutzlosen Entdeckung in diesem Moment allerdings völlig danebenlag, würde sich jedoch erst an den darauffolgenden Tagen erweisen.

Noch immer überflog Edelweiß S, nach Überqueren des Ausläufers des Hohen Gleirschs, im Anschluss das Karwendelgebiet in südwestlicher Richtung – und zwar genau dorthin, wo die zwischen den umgebenden Hochgebirgszügen liegenden Berge wieder etwas niedriger wurden.

„Es ist zum Verrücktwerden, wo ist dieser Idiot bloß langgeflogen“, meinte Theo Stein, während er den Hubschrauber zuvor wieder auf größere Höhe gebracht hatte.

„Auf der direkten Route zum Brenner entlang der Bundesstraße 177 ist er jedenfalls nicht geflogen, sonst hätten wir in deren Nähe bei unserem zweimaligen Überfliegen vorhin zumindest Spuren eines etwaigen Absturzes entdeckt. Und so weit vom Kurs kann er auch nicht abgekommen sein, zumindest, wenn er ein halbwegs passabler Pilot ist.“

Nach einer kurzen Pause fuhr Theo Stein fort: „Ich denke, wir fliegen jetzt wieder mehr nach Westen und nehmen uns nochmal den ostwärts Seefeld gelegenen Gebirgsausläufer vor. Mittenwald und Umgebung haben die Rettungshubschrauber meiner Ex-Kollegen inzwischen ja ebenfalls bereits ohne Ergebnis abgesucht.“

„Das denke ich auch. Weiter östlich kann er nicht geflogen sein, außer er hätte das mit Absicht gemacht“, erwiderte Michael Wagner, während er sich bei aufgeklapptem Helmvisier die vom intensiven Beobachten angestrengten Augen rieb.

„Außerdem geht das Tageslicht langsam zurück. In den Bergen kommen die Schatten immer viel früher, als auf dem flachen Land“, bestätigte Theo Stein, während er den EC-635 gerade noch weiter hochzog, um wieder mit genügend Sicherheitsabstand in Richtung der Gemeinde Seefeld weiterzufliegen.

„Moment mal!“, rief Michael Wagner in diesem Augenblick. „Da unten voraus, die große Waldlichtung südlich der Bergflanke. Da, oberhalb der Straße, die zu dem einzeln stehenden Gehöft führt.“

„Gesehen“, antwortete Theo Stein knapp. „Du hast recht, da unten steht ein gelandeter Heli am Waldrand. Durch den Schatten der Bäume hätte ich ihn fast nicht bemerkt.“

Wenig später fuhr er fort: „Ja, das ist ein Jet Ranger. Die Lackierung rot und weiß stimmt auch. Gib’s durch – ich lande dann mal. Unser EC-635 passt auf dieser großen Waldwiese noch locker daneben. Platz gibt’s da unten ja genug.“

Nachdem Michael die aus dieser Höhe per Funk gut erreichbare Flugsicherungsleitstelle Innsbruck über ihren Fund unterrichtet und danach auch die Einsatzleitstelle der Bundespolizei in Oberschleißheim informiert hatte, ging der erfahrene Bergpilot Theo Stein behutsam in den Landeanflug.

Sobald der Hauptrotor des EC-635 zum Stillstand gekommen war, stiegen die beiden Piloten aus und näherten sich vorsichtig und, wie sie erst jetzt feststellten, völlig unbewaffnet dem in einiger Entfernung stehenden Hubschrauber.

„Das Luftfahrzeugkennzeichen D-HBDX am Heck stimmt“, meinte Theo Stein, als sie sich langsam dem aus der Ferne verlassenen wirkenden Helikopter näherten. „Merkwürdig – sieht nicht nach ’ner Notlandung aus. Der ist ganz offensichtlich ganz bewusst hier heruntergegangen.“

„Super, und wo sind der Depp und sein Passagier hingelaufen?“, fragte Michael, als er im selben Moment die blutbespritzte Seitenscheibe des Bell-Helikopters genauer erkennen konnte.

„Der ist nirgendwo mehr hingelaufen. Der sitzt nämlich noch auf seinem Pilotensitz – und er ist tot. Sofern das der Pilot ist. Und, falls ich mich nicht täusche, wurde er erschossen“, meinte Theo Stein spontan.

„Scheiße!“, entfuhr es Michael spontan, während er jetzt das Cockpit des Jet Rangers von außen genauer untersuchte.

„Das kam nicht von außen“, sagte er am Ende seines Rundgangs. Und ich wette, dieser Heli ist völlig intakt. Ich seh’ keine einzige Beschädigung. Weder in der Außenhülle, noch im Bereich des Cockpits. Demnach keine Fremdeinwirkung von außen und schon gar kein Abschuss.“

„Die beiden Hubschrauberinsassen haben offensichtlich Streit bekommen, der sich irgendwann nach der Landung entlud. Aber wo ist der PAX15 danach abgeblieben?“

„Wahrscheinlich geflüchtet – hier ist er jedenfalls nicht – und wahrscheinlich ist er auch der Täter, der den Piloten erschossen hat“, antwortete Michael auf die Frage seines Kollegen.

„Das Gehöft da hinten scheint mir bewohnt zu sein“, sagte Theo Stein, während er den gegenüberliegenden Waldrand genauer betrachtete.

„Vielleicht hat jemand von dort aus etwas beobachtet. Und es führen Reifenspuren in Richtung der Straße. Was machen wir jetzt?“, fragt er dann.“

„Na, auf die österreichischen Kollegen warten, was sonst? Oder hast du ’ne bessere Idee?“

„Dann nimm mal dein supermodernes iPhone und ruf an!“, knurrte Theo Stein seinen inzwischen unter dem Bell Jet Ranger herumkriechenden Arbeitgeber an.

„Das hat hier in dieser Tallage nicht den geringsten Sinn. Schau’ her – kein Empfang.“

Zugleich hielt Michael, der jetzt wieder unter dem Bell Jet Ranger hervorgeklettert war, sein Smartphone in die Höhe und zeigte auf die nicht vorhandenen Balken der Empfangsanzeige.

„Deshalb wirst du dich jetzt in unseren Heli setzen und notfalls nochmal auf Höhe gehen, um alles Berichtenswerte an die Kollegen in Innsbruck und München zu übermitteln“, meinte er dann mit einem Grinsen, ehe er mit der Inspektion des unter solch merkwürdigen Umständen gelandeten Jet Rangers weitermachte.

Doch ein erneuter Start des EC-635 erwies sich dank der leistungsstarken Funkanlage des Hubschraubers als überflüssig. Allerdings dauerte es nach Theos abgesetztem Funkspruch noch geschlagene anderthalb Stunden, bis sich die österreichische Flugpolizei am Fundort des vermissten Jet Rangers einfand.

Zuvor kam ihnen jedoch bereits aus Richtung des in der Nähe gelegenen Gehöfts, das sich laut Karte als Kornbichleralm entpuppte, eine ältere, mit einem Knotenstock bewaffnete Frau entgegen, die – als sie sich jetzt sichtbar wütend vor den beiden Piloten aufbaute – sofort loslegte:

„Was moachts ihr da, Bubn?“, rief sie aufgebracht. „Vatreibtst mir mit eiam Krach meine Kia. Die konn i ’etza wieda mühsam einfangn, ihr Deppn. I bin die Resi vo da Kornbichleralm dahindn und ihr parkts mit eiam bledn Hubschrauba auf moana Wiesn.“

„Gute Frau, wir sind von der deutschen Polizei und wir suchen zusammen mit unseren österreichischen Kollegen schon seit heute Morgen nach diesem Hubschrauber, der dort hinter uns steht. Ich heiße übrigens Michael Wagner und das ist mein Kollege Theo Stein,“ sagte Michael, wobei er die gereizte Frau jetzt gewinnend anlächelte.

„Aha, Piefkes seid’s ihr – aa no vo der Schandarmerie – san uns de Unsrigen viuleicht ausganga?“, erwiderte Resi Kornbichler schon etwas weniger genervt.

„Dann muss i jetzt Hochdeitsch redn, sonst vasteht’s ihr mi ja gar ned. Die andern Deppn suchts ihr also, die mir meine Kia mit ihrem Krachmacha scho gestern Namidog vajogt und meine Übernachtungsgäst gestört hom. Wo san’s eigentlich hikema die zwoa windigen Italiener?“

Sogleich wollte sich die Almwirtin neugierig in Richtung des weiter entfernt stehenden Hubschraubers aufmachen, wurde aber von Theo Stein gerade noch aufgehalten.

„Da gehen Sie jetzt besser erstmal nicht hin, Frau Kornbichler – das ist nämlich gar kein schöner Anblick. Aber sagen Sie mal, Sie haben die beiden Männer gesehen, die gestern hier gelandet sind – woher wissen Sie denn, dass das Italiener waren?“

„Weil i mit ihna geredt und sie sauba ausgeschimpft hob. Dass die zwoa Italiener warn, hob i sofort gseng. Und der oane hod mer hundert Euro gebn, damit i mi ned a so aufreg. Und dann san’s do den Weg rauf in den Angerwoid Richtung Birchegg ganga. Wandern gehen wollten’s, hobn’s jedenfalls gsogt.“

„Und ihre Feriengäste, sind die noch hier?“, fragte Michael Wagner besorgt.

„Na, de san scho in der Fria mit ihre Radl zrugg nach Scharnitz aufbroache. De san nimmer do – und neie Gäst kumma erst übamoagn auf’d Nochd.“

„Sehr gut, Frau Kornbichler. Ich denke, dass die Polizei aus Seefeld und Innsbruck in wenigen Minuten hier sein wird, damit der Tote im Hubschrauber abtransportiert werden kann.

Und zumindest die Innsbrucker Kollegen kommen, so leid mir das tut, auch mit dem Hubschrauber. Ich sag’ denen aber gleich, dass sie auf ihre Kühe achten und sie nicht unnötig erschrecken sollen.“

„A Doada, Maria und Josef – wirklich? I glaub’s ja ned,“ entgegnete Resi Kornbichler jetzt ziemlich erschrocken, während sie sich unwillkürlich bekreuzigte.

„Ja, Frau Kornbichler, einer der beiden Italiener wurde in dem Hubschrauber dahinten erschossen. Und deshalb brauchen unsere österreichischen Kollegen nachher sicher auch noch Ihre Aussage. Ich bitte Sie deshalb, zu Ihrer Alm zurückzugehen – ich schicke die Kollegen dann zu Ihnen.“

„Ist guad. I richt eich dann scho amoi a Brotzeit her, weil’s jo immer recht hungrig san, die Herrn Schandarmen.“

„Ein echtes Tiroler Original, diese Frau“, sagte Theo, nachdem er sicher war, dass sich die zu ihrer Alm zurückgehende Resi außer Hörweite befand.

„Das kannst du laut sagen, Theo. Aber sie ist sehr gastfreundlich – auch wenn sie uns Piefkes nicht übermäßig zu mögen scheint.“

Von Seefeld kommend rauschten wenige Minuten später endlich mehrere Geländewagen unter Blaulicht mit Beamten der Landespolizei Tirol heran, die nach einer kurzen Begrüßung sofort anfingen, den Ort des Geschehens abzusichern.

Und schon bald darauf landeten zwei Helikopter der Flugpolizei aus Innsbruck, die mit Bergunfällen erfahrene Kriminalbeamte und ein Einsatzteam der COBRA16 an den Tatort brachten.

„Ich bin Oberstleutnant Franz Dirnberger vom EKO17 COBRA aus Innsbruck“, stellte sich der Einsatzleiter des COBRA-Teams jetzt vor. „Und ihr seid’s die deutschen Kollegen, die anscheinend den richtigen Riecher bei dieser Suche hatten.“

„Sieht wohl ganz so aus, auch wenn wir nur Glück und scharfe Augen hatten“, erwiderte Michael Wagner umgehend. „Ich bin PHK Michael Wagner und das ist mein Freund und Kollege EPHK Theo Stein“, stellte er sich und seinen Pilotenkameraden jetzt vor.

„Die Reservepolizisten aus Bayern – ich hab’ schon von dir und deinen Eskapaden bei der Jagd nach den auch von uns gesuchten Falcone-Vettern gehört“, sagte Franz Dirnberger dann in Richtung von Michael Wagner.

„Tut mir leid, dass eure Leute und die Italiener bisher nur die gräflichen Väter dieser beiden Dreckskerle gefasst haben.“

„Danke Franz – vor allem für deine ehrliche Anteilnahme“, entgegnete Michael mit ernster Miene. Doch sofort verdrängte er die schmerzliche Erinnerung an den gewaltsamen Tod seiner Eltern wieder aus seinen Gedanken.

„Ihr müsst nachher unbedingt noch die Aussage der Almwirtin aufnehmen“, ergänzte er dann.

„Sie heißt übrigens Resi Kornbichler und sie hat die beiden Männer aus dem Hubschrauber gestern bei der Landung getroffen. Da sie recht pfiffig zu sein scheint, denke ich, dass sie euch eine gute Personenbeschreibung liefern kann.

Außerdem hat sie uns alle nachher zu ’ner Brotzeit in ihre Alm eingeladen. Wir werden jedenfalls hingehen, denn wir sind schon seit heute Vormittag unterwegs und brauchen so langsam mal was zwischen die Kiemen.“

„Okay, wir kommen mit“, antwortete Franz Dirnberger mit einem hintergründigen Lächeln sofort.

„Wir sind nämlich auch schon seit heut’ in der Früh ununterbrochen auf den Beinen. Und eine Tiroler Brotzeit ist schließlich nicht zu verachten, zumal wenn sie von meiner Tante Resi zubereitet wird.“

„Deine Tante? – Du kennst die Frau?“, fragte Michael Wagner überrascht.

„Ja, ich bin nämlich in Scharnitz geboren und aufgewachsen und meine Tante Resi ist die ältere Schwester meiner Mutter. Trotz ihrer achtzig Lenze lässt sie es sich – auch nach dem Tod ihres Alois – noch immer nicht nehmen, ihre Alm weiterhin zu bewirtschaften. Bin mal gespannt, was sie sagt, wenn ich nachher durch die Tür komme.“

„Deine Tante ist doch noch keine Achtzig, jetzt flunkerst du uns was vor. Aussehen tut sie nämlich höchstens wie Mitte Fünfzig“, meinte Theo Stein daraufhin mit erstaunter Miene.

„Doch, ich erzähl euch keinen Schmarrn. Die Resi hat sich nur sehr gut gehalten. Die frische Bergluft, ihre Arbeit und das gesunde Essen – ihr versteht?“

Noch während dieser überaus herzlichen Begrüßung hatten die mitgereisten Kriminaltechniker begonnen, die Leiche des Piloten zu untersuchen und anschließend auf einer Trage zu bergen, um sie gleich danach mit einem der österreichischen Polizeihubschrauber in die Gerichtsmedizin nach Innsbruck zu fliegen.

„Gut, ich glaube wir können nach der Brotzeit hier abhauen und nachhause fliegen. Die Österreicher haben das Weitere sicher auch ohne uns im Griff,“ meinte Michael Wagner, nach einer Weile, als ihm Theo Stein direkt widersprach.

„Nöh, mein verehrter Boss. Es wird nämlich langsam dunkel. Deshalb schlage ich vor, dass wir nachher erstmal nach Innsbruck fliegen. Warum? Nun, unsere Tanks sind nach der langen Suche zu gut dreiviertel leer.

Wir würden die rund 150 Kilometer nach Hause zwar noch locker schaffen, aber als erfahrener Bergpilot fliege ich – trotz unserer tollen Nachtsicht-Ausrüstung – nicht gerne im Dunkeln, und schon gar nicht ohne ausreichende Spritreserven.

Daher geht am Auftanken deines kostbaren EC-635 in Innsbruck, meiner Meinung nach, kein Weg vorbei, ehe wir uns morgen früh von dort wieder in aller Ruhe auf den Heimweg machen können.

Im Gebirge weiß man schließlich nie, was alles passieren kann. Und da ist am Ende ausreichend Treibstoff im Tank nach meiner Erfahrung stets der Schlüssel für unfallfreie Einsätze gewesen.“

„Ich beuge mich dem erfahrenen Bergpiloten“, erwiderte Michael Wagner schelmisch grinsend, während er Theo beim Arm nahm und zusammen mit ihm und Oberstleutnant Franz Dirnberger kurz darauf zu Resis Alm marschierte.

„Do seid’s ja ...“, fing Resi Kornbichler gerade an, als sie den dunkelhaarigen Hünen in der schwarzen Polizeiuniform der COBRA erkannte.

„Ja Bua, was machst du denn hier?“, fragte sie überrascht, während sie mit erstaunlichem Tempo auf Franz Dirnberger zueilte und ihn ganz fest an sich drückte.

„I hob di ja scho so lang nimmer gseng, du Hallodri“, fügte sie dann gleich an, wobei ihr ein paar Freudentränen über ihre erstaunlich straffen Backen rannen.

„Tja Tante, du weißt, dass ich immer dann herkomme, wenn du die Polizei zur Brotzeit einlädst“, flachste Franz Dirnberger jetzt.

„Alter Schmarrer!“, erntete er sogleich den Kommentar seiner Tante, die sich noch immer sichtbar freute, ihren Neffen endlich einmal wiederzusehen.

„Hoggt’s euch hi. Mögt’s oan Most dazu?“, fragte sie dann, als auch Michael Wagner schon das auf den Biertischen aufgefahrene Essen lobte.

„Das sieht ja lecker aus, Frau Kornbichler!“ „Sehr lecker sogar“, pflichtete ihm Theo Stein sogleich bei, wobei er schon das erste Stück Tiroler Specks mit leckerem Schwarzbrot und hausgemachter Butter in seinen Mund schob. „Aber wir beide müssen noch fliegen – deshalb wär’ uns ein Mineralwasser lieber.“

„A Kracherl mögn’s, ist auch recht. Aber den Most nehmt’s mit nach Haus. Damit eure Weiberleid aa oamoi was Gscheits zum dringa kriegn.“

Damit wuchtete Resi Kornbichler zwei große Zweiliterflaschen auf den Tisch, die von den beiden deutschen Piloten dankend entgegengenommen wurden.

„Sag’ mal Tante Resi, meine deutschen Kollegen haben mir vorhin gesagt, dass du die Kerle aus diesem Hubschrauber gestern Nachmittag persönlich getroffen und mit ihnen gesprochen hast. Kannst du mir das nochmal erzählen?“

„Also guad, Bua. So um via herum ist dern ihra Hubschrauba gestern do hint auf moana Wiesn gelandt und hot mir meine Kia vojogt. I hob die Deppn dann glei zur Rede gestellt. Sie hob’n gsogt, dass Ausflügler san und nur zwoa Stund zum Wandern aufn Berg genga megn. Und fürs Parken auf moana Wiesn hoben’s mer dann 100 Euro gebn.“

“Kannst du die zwei beschreiben – aber nur, wenn dir das jetzt nicht zu viel wird?“, fragte Franz Dirnberger einfühlsam. „Spinnst jetzt – natürlich konn i des“, antwortete seine Tante vehement.

„Der Ältere von dene zwoa hod mir schliaßlich 100 Euro gebn.“ „War das der hier?“, fragte der COBRA-Teamchef sofort weiter, während er ein Bild auf seinem mitgebrachten Tablett aufrief. „Und hast du den Jüngeren auch sehen können?“

„Jo, der wors. Der hod mir des Geld gebn. Und der Andere war viel jünga. Mitte Zwanzig, wenn’st mi frogst. Schwarze Schneckerl-Hoa und sonnengebräunte Haut hot er ghoabt. A richtiga Italiener hoid.“

Jetzt war es Michael Wagner, der nach dieser mitgehörten Aussage einen Verdacht zu hegen schien. Spontan öffnete er seine Brieftasche und zog zwei andere Fotos hervor, auf denen die mutmaßlichen Mörder seiner Eltern abgebildet waren – und die er schon seit deren Identifizierung mit sich herumtrug.

„Frau Kornbichler – schauen’s doch bitte mal hier. Könnte einer von denen der zweite Mann gewesen sein?“

Resi betrachtete die bei der Jagd auf die Goldtransporträuber nahe Augsburg vom Hubschrauber aus geschossenen, superscharfen Fotos der Falcone-Vettern aufmerksam, ehe sie gleich danach sehr sicher auf das Konterfei von Tonio Falcone deutete.

„Der war’s. Einwandfrei. Der hod nebn dem oidn Italiener gstandn. Und dann hod er si glei hinter den Hubschrauba verdruggt, als i näha kema bin.“

„Danke Tante Resi, das hast du sehr gut beobachtet. Dafür gebührt dir ein Busserl.“ Und noch ehe sich Resi versah, hatte ihr Neffe seiner Verwandten einen Kuss aufgedrückt, der die Wangenröte in Resis Gesicht trieb.

„Franzl, du oida Hirsch! Spinnst jetzt voikomma?“ „Nein Tante, du warst gerade nur Klasse und das verdient eine Belohnung. Ich würd’ mich sehr freuen, wenn du in den nächsten Tagen mal bei mir in Innsbruck vorbeikommen könntest – ich lass dich dann gleich hier von einem unserer Hubschrauber abholen.“

„I oide Frau soll mit so am Höllengrät fliangn – ehe du wos sogst, Franzl – i hob koa Angst – i wollt das nämlich scho immer moi ausprobian. Und moang hob i eh Zeit.“

„So kenn’ ich meine furchtlose Tante. Danke Resi! Das hilft uns sehr. Und sperr’ morgen früh deine Rindviecher ein, denn da wird’s noch mal kurze Zeit laut, wenn ich dich persönlich abholen komme. Sagen wir gegen neun Uhr?“

Des g’langt in d’Haut nei. Bis dahin bin i mit Kia-Fuadn und Melken fertig.“

„Danke, Tante Resi – und verzeihen Sie mir, wenn ich Sie auch so nenne, wie ihr Neffe. Sie könnten nämlich die Schwester von meiner Tante Waltraud sein“, meldete sich Michael Wagner in diesem Moment zu Wort.

„Ich bin begeistert – und obwohl wir uns jetzt erst seit wenigen Stunden kennen, möchte ich Sie gerne zu uns nach Erding bei München einladen – und ich hoffe, dass Sie dafür ein paar Tage Urlaub von ihrer Alm abzweigen können. Sie haben sich das nämlich redlich verdient.“

„Nach Minga – da wollt’ i scho immer mal hin“, erwiderte Resi Kornbichler, während sie sich jetzt bemühte, aus ihrer Sicht reinstes Hochdeutsch zu sprechen. Das dauerte aber nicht lange, denn sofort sagte sie: „Also Bua – i bin die Resi – und wenn du etza no amoi ‚Sie’ zu mir sogst, dann würg’ i di.“

„Hab’s begriffen, Tante Resi – und danke für dein Angebot. Ich bin der Micha und das ist der Theo.“

Noch bevor die köstliche Brotzeit schließlich, unter den anerkennenden Blicken der Almwirtin, von Michael, Theo und ihrem Neffen Franz sowie den inzwischen hinzugekommenen Polizeibeamten des COBRA-Teams mit großem Appetit vertilgt worden war, stellte Michael Wagner eine wichtige Frage.

„Sag’ mal Franz, wie wollt ihr den Jet Ranger dahinten denn zur Spurensicherung nach Innsbruck bringen? Habt ihr daran gedacht, dafür einen auf diesem Muster geschulten Piloten mitzubringen?“

„Nein, haben wir nicht. Wir wussten ja beim Abflug in Innsbruck noch gar nicht, dass wir hier einen, nur noch mit einem Toten besetzten, ansonsten aber intakten Heli antreffen würden.“

„Okay, ich hätte da eine Idee – und falls die nicht funktioniert, fliege ich das Teil selber nach Innsbruck, auch wenn ich nur in der Ausbildung ein paar Flugstunden auf diesem Muster hatte.“

„Ist das nicht ziemlich gefährlich?“, fragte Franz Dirnberger spontan. „Na ja – an sich schon, vor allem, weil wir nicht wissen, ob der Heli tatsächlich noch völlig in Ordnung ist. Auch wenn meine Sichtprüfung nichts Gegenteiliges ergeben hat. Aber wart’s ab, ich muss nur eben mal kurz telefonieren.“

Wenig später hatte Michael Wagner seinen, bei der letzten Verbrecherjagd neugewonnenen Freund Alexander Kranz an der Strippe.

„Hi Alex – ich ruf’ dich aus Österreich an. Wir haben hier ein Problem, bei dem mir deine beiden Carter-Brüder vielleicht helfen könnten.“

Nachdem Michael die aktuelle Situation kurz geschildert und dabei auch nicht vergessen hatte, auf den wahrscheinlichen Zusammenhang mit den Falcone-Neffen hinzuweisen, sagte der ehemalige Kripobeamte Alexander Kranz die Hilfe seiner Piloten sofort zu.

„Bill und Nick sind noch in der Firma – und mein Jet Ranger ist ebenfalls verfügbar. Wo genau bist du?“

„Im Karwendelgebirge, nahe Seefeld in Tirol. Ich veranlasse, dass dir Walter Großkreuz unsere GPS-Koordinaten per SMS schickt. Mein Handy funktioniert hier im Tal nämlich nicht.

Landeplatz ist eine große Lichtung in der Nähe der Kornbichleralm. Nicht zu verfehlen, denn unser EC-635 steht auch noch dort. Wir haben hier einen Bell Jet Ranger, der unbedingt so rasch, wie möglich, zur Spurensicherung nach Innsbruck muss.“

„Verstanden, Micha. Ich kümmere mich darum. Bin mit Bill und Nick in ca. einer Stunde vor Ort.“

„Du musst doch nicht selber herkommen, wir brauchen hier nur einen erfahrenen Piloten, der den besagten Jet Ranger auf Flugtauglichkeit checkt und anschließend in Schutzkleidung nach Innsbruck fliegen kann. Vergiss nicht, in dem Heli wurde geschossen. Aber die Leiche ist inzwischen von den österreichischen Kollegen zur Forensik nach Innsbruck abtransportiert worden.“

„Doch Michael, ich komm’ mit. Nicht nur, weil auch ich auf meinem Jet Ranger ausgebildet bin, sondern vor allem, weil sich hier eine neue Spur auftut, die zu den Mördern deiner Eltern führen könnte.

Daher werde ich jetzt gleich noch mit Hans Breitner telefonieren. Wenn er Zeit hat, bringe ich auch ihn und seine ermittelnden Beamten von der Mordkommission und vom Dezernat OK gleich mit.“

„Danke Alex – ich danke dir sehr, dass du und deine Leute sich so in die Sache reinhängen. Wir haben es hier jetzt 15:30 Uhr, ich erwarte euch also in ca. einer Stunde bei den angegebenen Koordinaten.“

Als der rote Bell Jet Ranger der K&H Security, viel schneller als erwartet, am Tatort bei der Kornbichleralm eintraf, dauerte es nach der kurzen Begrüßung nur noch eine knappe halbe Stunde, bis der EC-635 und die beiden Bell Jet Ranger von Resis Weidegrund in Richtung Innsbruck aufstiegen. Nur waren die Münchner Beamten nicht, wie vorhergesagt, mit an Bord von Alex rotem Jet Ranger gewesen.

„Die kommen morgen früh mit dem ersten Flug aus München nach“, hatte Alex erklärt. „Heute haben sie es nicht mehr geschafft. Außerdem wollten sie noch die Ermittlungsergebnisse der Rosenheimer Kripo abwarten.“

Da die beiden Hubschrauber der österreichischen Flugpolizei schon eine Stunde früher mit dem COBRA-Team an Bord zurück nach Innsbruck gestartet waren, erfolgte der Flug der drei verbliebenen Helikopter in der abgesprochenen, umgekehrten Dreiecksformation. Wobei Michael Wagner an deren hinterem Ende genau aufpasste, dass er den Jet Ranger des erschossenen italienischen Geschäftsmanns stets im Blickfeld behielt.

„Dann wird das wohl heute unsere erste gemeinsame Hotelübernachtung, mein lieber Theo. Weil, mehr als ein Doppelzimmer werden uns die österreichischen Kollegen in Innsbruck sicher nicht anbieten können. Ich hoffe, du schnarchst nicht.“

Die Liga der Paladine

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