Читать книгу "Brender ermittelt" - Kim Scheider - Страница 11

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Polizeipräsidium Köln Kalk, weit nach Mitternacht

Der bestimmt zehnte Anruf in dieser Nacht ließ Herwig erschrocken zusammenzucken. Ihm waren vor Erschöpfung die Augen zugefallen, obwohl er am Schreibtisch saß und eigentlich arbeite.

Mit heiserer Stimme meldete er sich und war schlagartig wieder hellwach. Er hatte mit seinen Anrufen in Rostock und München ganz schön was angestoßen. Die Kollegen hatten sofort recherchiert und waren tatsächlich auf mögliche Zusammenhänge zwischen den gewaltsam verstorbenen Frauen und kürzlich aufgefundenen Suizidfällen gestoßen. Man hatte die Wohnungen der Selbstmörder durchforstet, ausnahmslos alleinstehende und gescheiterte Existenzen, und war dabei auf ähnliche Bekennerschreiben gestoßen, wie das bei Scharf gefundene.

Auch in Köln war man auf einen weiteren Fall aufmerksam geworden, in dem ein solcher Brief hinterlassen wurde, wie man feststellte, als man die Wohnung des Mannes aufgebrochen hatte.

Man hatte die Leiche schon vor ein paar Tagen am Rheinufer gefunden, aber jetzt erst die Verbindung zum ersten Kölner Brender-Opfer entdeckt.

Todesursache war bei allen Vieren eine Vergiftung mit Schlaftabletten gewesen, ein weiteres Indiz für einen gemeinsamen Hintergrund der Geschehnisse.

Es war komisch.

Sie hatten ihre Mörder.

Noch nie hatten sie in so kurzer Zeit so viele Ermittlungserfolge verzeichnen können und fühlten sich doch weiter denn je von der Lösung des Falls entfernt.

Derzeit ermittelten sie in alle Richtungen, um diesem Hintermann auf die Schliche zu kommen, von dessen Existenz sie alle überzeugt waren.

Der Leiter der SoKo und Grzyek durchleuchteten Freys und Haferkorns näheres Umfeld. In der ganzen Stadt waren ungeachtet der Uhrzeit Beamte in ihrem Auftrag unterwegs, um Leute zu befragen, die mit Frey, der Produktionsfirma oder seinem näheren Freundeskreis zu tun hatten.

Ihnen lief, wie so oft, die Zeit davon.

Die Namen und Adressen hatten sie von Frey und von Haferkorn. Es war nicht auszuschließen, dass jemand das alles inszenierte, weil er dem Schauspieler seinen Erfolg neidete, so wie es bei diesem Bernd Breckerfeld anscheinend der Fall war.

Breckerfeld war ein langjähriger Freund Haferkorns und arbeitete in der Produktionsfirma als Steuerberater und Pressesprecher.

Es war - laut Aussage einer gewissen Jennifer „Kitty“ Hölters - ein offenes Geheimnis, dass Breckerfeld schon mit dem jugendlichen Frey nicht klargekommen sei und dass er dem „Schönling“, wie er Frey wohl zu nennen pflegte, wenn dieser nicht anwesend war, seinen Erfolg zutiefst missgönnte. Breckerfeld, in allem ziemlich durchschnittlich einzustufen, schreibe Freys kometenhaften Aufstieg eher seinem ansehnlichen Äußeren und seinem Waisenschicksal zu, als seinen schauspielerischen Fähigkeiten.

Fast wäre der Mann dem Kommissar einen Moment lang sympathisch gewesen, doch Neid und Missgunst waren nicht Herwigs Sache und als er auf Breckerfelds Vorstrafenregister stieß, hatte sich jeder Funken Sympathie verflüchtigt. Selbst eine nicht unerhebliche Haftstrafe wegen schweren Betrugs war dort verzeichnet.

Haferkorn und Breckerfeld hatten beide ganz schön tiefe Abgründe zu bieten...

Zusehends füllten sich die zuvor noch so kargen Wände mit Fotos, Steckbriefen und Mindmaps, die es ihnen erleichterten, den Überblick über all die Querverbindungen zu behalten.

Müllenbeck indes hatte mit einem höchst kooperativen Walter Haferkorn das fragliche Suchprogramm gesichert und sich von ihm dessen Handhabung erklären lassen. Der vor Nervosität stark schwitzende Filmproduzent hatte ihm auch gezeigt, wie er auf die Videos gestoßen war und welche inoffiziellen Plattformen interessant bei der Suche nach dem Kommunikationsweg der Gruppe sein könnten. Danach hatten sie Haferkorn vorerst nach Hause entlassen, was für ihn unter Garantie eine größere Strafe war, als wenn sie ihn dabehalten hätten.

Seitdem durchforstete Müllenbeck die Abyssale des weltumspannenden Internets. Dabei war er gleich zuallererst auf das noch ausstehende Video von der Ermordung des vierten Opfers gestolpert und dieses Mal hatte er sich wirklich übergeben müssen.

Das war mit Abstand das Grauenhafteste, was er jemals sehen musste!

Als es ihm besser ging, begann er digitale Wege zurückzuverfolgen und versuchte Identitäten in den fraglichen Portalen zu knacken, die seiner Meinung nach auf das gesuchte Täterprofil passten.

Was aber derzeit eher ein Akt der Verzweiflung war, wie ihm durchaus bewusst war. Sie hofften einfach nur, dass sie es schaffen konnten, diesen Tom Lenz zu enttarnen, bevor es auch noch zu den nächsten zwei Morden kommen würde, die die beiden Staffeln komplett machen würden.

Denn das war im Moment das Schlimmste, das Wissen, dass noch zwei Folgen offen waren und dass der Initiator sicher nicht mittendrin aufhören würde.

Wer war dieser Mensch, der sich als Tom Lenz ausgab?

Wie brachte er die Männer dazu, sich nach der Tat umzubringen?

Hatte er vielleicht doch etwas gegen sie in der Hand?

Oder war er eine Art „Guru“?

„Wo, zum Henker, kann ich dich finden?“, flüsterte Müllenbeck erschöpft. Dann startete er resigniert den nächsten Suchlauf. Diesmal mit den Worten „Lenz“, „Stille“, „Wasser“ und „tief“. Denn so hieß die nächste Folge:

„Stille Wasser sind tief...“



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