Читать книгу "Brender ermittelt" - Kim Scheider - Страница 12

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Köln Ehrenfeld, gegen 3 Uhr morgens

In dem Moment, in dem Müllenbeck die Entertaste seines PCs drückte, klingelte Walter Haferkorn zaghaft an der Haustüre seines langjährigen Freundes Bernd Breckerfeld.

Es hatte, wie zu erwarten war, eine ziemlich unschöne Szene im Hause Haferkorn gegeben, in deren Verlauf Elli ihn, ohne mit der Wimper zu zucken, vor die Tür gesetzt hatte.

Sie müsse nachdenken, sei maßlos enttäuscht von ihm, vor allem von der Tatsache, dass er nicht Manns genug gewesen war, mit ihr zu sprechen. Ob sie denn so ein Ungeheuer sei, dass er nach einer so langen gemeinsamen Zeit Angst vor ihr haben müsse und ob er glaube, er sei der Einzige, der in ihrer Beziehung auf Dinge verzichtet hätte?

Ziellos war er durch die nächtliche Stadt gefahren und hatte überlegt, wie es weitergehen sollte. Zu Christoffer brauchte er gar nicht erst hinzufahren. Der würde ihm wahrscheinlich nicht einmal aufmachen, geschweige denn, ihm Asyl gewähren.

Er hätte natürlich in das nächstbeste Hotel fahren können, aber er brauchte jemanden zum Reden. Jemanden, der ihn kannte und – im Idealfall – auch verstehen würde. Ein Hotelpage oder Barkeeper kam also nicht in Frage.

Ob Bernd wenigstens noch mit ihm reden würde? Sicher hatte man ihn auch schon befragt und er dürfte ziemlich sauer sein, dass er von der Polizei und nicht von ihm persönlich erfuhr, was in der Firma los war. Bernd hatte, genau wie Kitty, bestimmt schon zwanzig Mal auf seinem Handy angerufen, aber er hatte nicht den Mut gefunden, dranzugehen.

Obwohl im Haus noch Licht brannte, dauerte es lange, bis Haferkorn Breckerfelds Silhouette hinter dem Sichtfenster der Tür heranschlurfen sah. Sicher hatte er doch schon geschlafen.

„Ach, du traust dich noch hier hin?“, fragte Breckerfeld tonlos und hielt Haferkorn die Tür auf. „Na, dann komm mal rein. Dürftest ja jetzt obdachlos sein, schätze ich mal!“

Tiefe Dankbarkeit zeichnete sich in Haferkorns krisengeschütteltem Gesicht ab, als er, ganz entgegen seiner sonstigen Natur, zaghaft ins Haus schlich.

Breckerfeld und er kannten sich schon viele Jahre, länger sogar noch, als seine Freundschaft zu Frey andauerte. Sie hatten Ende der 70er Jahre zusammen studiert und es gab wohl niemanden, der ihn besser verstehen könnte, auch, was seine unschönen Seiten anging. Schon alleine deshalb, weil der Steuerberater und Pressesprecher selber schon so einigen Dreck am Stecken hatte. Haferkorn hatte trotzdem immer zu ihm gehalten und ihre Freundschaft auch vor Elli verteidigt, die sich durchaus seriösere Freunde und Geschäftspartner für ihren Mann gewünscht hätte.

Breckerfeld drückte ihn energisch in einen der gemütlichen Ledersessel, die sein Wohnzimmer dominierten und gab ihm wortlos einen doppelten Cognac in die Hand.

Auch wenn Haferkorn sich normalerweise nicht viel aus Alkohol machte, diesmal war es genau das, was er jetzt brauchte und er nahm dankend an.

„Na, geht es dir jetzt besser?“ Breckerfeld, der sich selber auch einen ordentlichen Schluck genehmigte, sah ihn forschend an. „Magst du erzählen, was passiert ist?“, fragte er schließlich.

„Ja!“, stieß Haferkorn hervor und schon sprudelte es nur so aus ihm heraus.

Wie er gehofft hatte, hielt sich Breckerfelds Entsetzen über seine Taten in Grenzen. Zum einen wusste er als einziger in Haferkorns näherem Freundeskreis bereits seit Jahren von dessen Neigungen, teilte sie sogar, beziehungsweise bildete sozusagen den Gegenpart. Während Haferkorn ganz klar die aktive dominante Seite des Sadomasochismus favorisierte, lag Breckerfeld eher der passive Part. Er hatte den jahrelangen Gewissenskonflikt Haferkorns hautnah miterlebt und auch maßgeblich zu der Lösung beigetragen, für die sich sein Freund schließlich entschied. Bernd kannte Leute, von denen Haferkorn besser gar nicht wissen wollte, was sie so alles auf dem Kerbholz hatten und nachdem er über einen von ihnen an das Computerprogramm gekommen war, das nun für solchen Wirbel sorgte, hatte er auch nicht weiter nachgefragt.

Zum anderen hatte Breckerfeld selber keine reine Weste mehr zu bieten und wäre schon alleine deshalb der Letzte, der ihm moralische Vorträge halten würde.

Ganz im Gegenteil.

Je länger er erzählte, desto weniger konnte Bernd sich sein Lausbubengrinsen verkneifen.

„Mann, Walter, da hast du aber echt einen gewaltigen Bock geschossen!“ Lachend griff Breckerfeld zur Cognacflasche und füllte ihnen nach. „Da werde ich wohl für längere Zeit einen Gast haben.“

Auch wenn der Filmproduzent die ganze Angelegenheit alles andere als lustig fand, so war er doch froh zu wissen, dass es noch jemanden gab, der zu ihm hielt.

„Danke, Bernd! Ich hatte schon Sorge, dass du mich jetzt auch noch hasst! Christoffer und Elli...!“ Ihm versagte die Stimme und er hätte vor lauter Frust und Selbstmitleid heulen können.

„Na, was hast du erwartet?“, fragte Breckerfeld. „Wart's ab, die werden sich schon wieder einkriegen. Zumindest Elli. Bei Christoffer bin ich da nicht so sicher. Immerhin hast du seinem Sunnyboy-Image geschadet. Das verträgt ein Narzisst wie er nicht so gut!“

„Nun hör doch mal auf, immer auf Chris rumzuhacken“, verteidigte Walter den Schauspieler, der jetzt nichts mehr von ihm wissen wollte. „Der ist schon in Ordnung.“

„Ja“, spottete Breckerfeld. „Deshalb lässt er dich ja jetzt auch hängen. Weil er ja so in Ordnung ist.“

Egal, wie schrecklich sich Haferkorn auch fühlte, das konnte er so nicht stehen lassen, auch wenn er wusste, dass Bernd nichts von Christoffer hielt.

„Das ist unfair, Bernd. Ich glaube, du wärst auch ziemlich angefressen, wenn man dir durch meine Schuld ein paar Morde anhängen wollte!“

„Ja, wahrscheinlich hast du recht“, lenkte Breckerfeld ein. „Zumindest wäre es nett gewesen, wenn du mal ans Telefon gegangen wärst und mich vorgewarnt hättest, dass die Polizei hier aufmarschieren wird. Kitty haben sie übrigens auch schon in die Mangel genommen.“

Haferkorn sackte wieder in sich zusammen.

Kitty, die niemand bei ihrem richtigen Namen nannte, weil sie stets von Kopf bis Fuß in rosa Kleidung mit dem berühmten Katzengesicht herumlief, würde er so schnell auch nicht mehr in die Augen gucken können.

Wie peinlich, zumal ihr Freund sicher auch noch da gewesen war.

„Ach was“, meinte Breckerfeld lachend. „Mach dir deshalb mal keinen Kopf. Dieser Typ scheint mir eine ziemliche Pfeife zu sein.“ Dass er im Geiste noch ein „Der ist auch nur wegen seines Aussehens so beliebt, genau wie Frey!“ hinzufügte, konnte Haferkorn zum Glück nicht hören.

Dieser entspannte sich, dank Breckerfelds Cognac zusehends und konnte zum ersten Mal seit Stunden wieder lächeln. Wie eine Intelligenzbestie hatte dieser Kerl auf ihn tatsächlich nicht unbedingt gewirkt. Aber das war Kitty, um ehrlich zu sein, manchmal auch nicht gerade, von daher passten die Beiden sicher ganz gut zusammen.

Haferkorn musste an ihre Gesichter denken, als er in Begleitung der Polizei die Firma betreten hatte. Kitty, die ihnen mit vor Staunen offenem Mund hinterher gestarrt hatte und ihr Freund, dem die Panik ins Gesicht geschrieben stand, als wären die Beamten gekommen, um ihn persönlich abzuholen.

So unangenehm die Szene für ihn gewesen war, es hatte schon lustig ausgesehen und er genehmigte sich ein weiteres Lächeln.

Als er wieder zu Breckerfeld hinüber sah, gähnte dieser gerade herzhaft und auch Haferkorn merkte, dass er die Augen nicht mehr lange würde aufhalten können.

„Wir sollten langsam mal zusehen, dass wir uns ein bisschen hinlegen“, meinte Breckerfeld immer noch gähnend. „Jetzt können wir sowieso nichts mehr unternehmen.“

Er begleitete Haferkorn ins Gästezimmer und wünschte ihm eine angenehme Nacht. Keine fünf Minuten später schlief sein Gast tief und fest.



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