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Meine erste Panamakanalpassage mit der KARPFANGER im Jahr 1959

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Unsere Anmarschreise zum Panamakanal dauerte knapp 48 Stunden. Natürlich hatte der Funkoffizier uns rechtzeitig über Funktelegraphie zum 23. Februar bei der Kanalbehörde, beim Lotsen und natürlich bei der Shipping Agency angemeldet. Das Wetter war ausgezeichnet, als wir endlich in die Bucht von Cristobal einliefen und mit Lotsenhilfe zunächst einen Ankerplatz aufsuchen mussten. Nachdem der Lotse uns entlassen hatte, dauerte es nicht lange, bis ein Speedboat mit einer Gruppe Hafenbürokraten, also Port Health, der Hafenarzt, Immigration und Custom längsseits kam und diese Heuschrecken den Kapitän in seiner Kabine heimsuchten. Die „immigration officers“ interessierten sich hauptsächlich für die Musterrolle des Schiffes und die Seefahrtsbücher. Im Anschluss daran musste die gesamte Mannschaft zur Gesichtskontrolle antanzen. Unter den „immigration officers“ befanden sich auch zwei Herren, die sich nur für die Ladungspapiere interessierten. Also Wirtschaftsspionage ganz legal.


Hier auf der Luftaufnahme erkennt man die Einfahrt zur Gatun-Schleusenanlage. – Quelle: Google; der Panamakanal

Und die „custom people“ und ein „agriculture inspector“ kamen eigentlich immer nur zum Abstauben an Bord. Natürlich musste dieser Mensch den Fleisch- und der Gemüsekühlraum versiegeln, doch das war aus meiner Sicht nur ein Vorwand, um sich anschließend die Taschen mit Zigaretten und Whiskey aufzufüllen. Alles legal, oder was dachten Sie lieber Leser! Wenn eine Abstaubergang 15 Schiffe für die Kanaldurchfahrt einklarierte, dann kamen am Tagesende zwischen 200 bis 250 Stangen Zigaretten zusammen. Von den alkoholischen Getränken habe ich noch nicht gesprochen. Der Hafenarzt kontrollierte die Impfpässe nach ihrer Gültigkeit der letzten Impfungen. Das war in diesem Fall wichtig für das Fahrtgebiet, denn schon beim Bau dieses Kanals hatten sich viele Arbeiter an Gelbfieber und Malaria angesteckt und waren daran gestorben. Diese Einklarierungszeremonie dauerte einige Stunden. Der Chiefsteward musste den Herren des Kanals schon etliche Flaschen kalten Gerstensafts servieren. Die US-Behörden ließen gegenüber jedem durchblicken, wer die Herren im Kanal waren.


Einfahrt zur Vorschleuse in die erste Schleusenkammer der Gatunschleuse. Jedes Schleusentor soll allein ein Gewicht von 730 to haben.

Quelle: Wikipedia

Links und rechts auf der Schleusenanlage erkennt man deutlich die Gleisanlagen der Zahnradlokomotiven, welche die Schiffe an ihren Trossen von einer Kammer in die andere bugsieren und während des Wasseraustausches in Position festhalten, damit das Schiff nicht ausbrechen kann.

Endlich war es soweit, die Vertreter der Bürokratie verließen zufrieden unser Schiff, und wir bekamen grünes Licht, um den Kanal zu passieren. Wenig später erschien ein neues Speedboat mit dem Lotsen, der uns jetzt den Befehl gab, den Anker zu hieven, damit wir anschließend mit langsamer Fahrt auf die erste Gatun-Schleusenanlage zusteuerten.

Zu den Schleusenaktivitäten: Ein Schiff wird grundsätzlich nie in der Schleusenkammer an Pollern befestigt, sondern aus Sicherheitsgründen bekommt das Schiff von den Zahnradlokomotiven deren mitgeführte Stahltrossen an Bord übergeben.

Diese auf beiden Seiten des Schiffes mitlaufenden Elektro-Loks manövrieren und stoppen das Schiff von Schleusenkammer zu Schleusenkammer ab. Ein Schiff wird in der Regel von drei E-Loks an Backbord- und an Steuerbordseite während des Schleusens assistiert und vom vollverantwortlichen Kanallotsen durch alle Schleusenkammern dirigiert.

Auf dem Wege zur Vorschleuse kam als letztes ein Crewboat längsseits, eine 12 Mann starke Festmachergang kletterte an Bord, um Vorbereitungen für die Übernahme der dicken Stahltrossen der „Schleusenzahnradlokomotiven“ zu treffen. Diese Jungens zählten zum Fußvolk der Kanaleigentümer, denn es waren alles schwarze Panamanesen, die die körperliche Schwerarbeit verrichteten, wenn sie beim Einlaufen in die Vorschleuse die Stahltrossen der E-Loks mittels einer dünnen Wurfleine zunächst mit den Festmacherwinden an Bord hieven mussten. Das Auge einer Stahltrosse wird, wenn es vorn auf der Back oder achtern auf dem Festmacherdeck angekommen ist, sofort von ihnen auf einen der Festmacherpoller gelegt, so dass der Lokführer auf seiner Lok mit seiner E-Winde diese schweren Stahltrossen „tightholen“ kann.

Auf den Fotos erkennt man aus nächster Nähe die Manövertechnik des Kanallotsen. Das in der ersten Schleusenkammer ruhig liegende Frachtschiff wird während des Schleusenvorgangs von je zwei vorderen und je vier hinteren E-Loks stramm tight gehalten.

Die kleinen gelben neben der Zahnradspur angeordneten Poller sind nur für äußerste Notfälle zum Festmachen gedacht, z. B. wenn eine der E-Loks ausfallen sollte. Die beiden vorderen Loks dienen als Antriebs- oder Zugloks, die vier achtern E-Loks als Bremserlokomotiven, also um das Schiff nach Einfahrt in die nächste Schleusenkammer aufzustoppen. Jede Schleusenkammer ist 305 Meter lang, 33,5 Meter breit und 26,3 Meter hoch.

Jedes Schiff musste 1959 einen nach den Osloer-Conventionen gültigen Messbrief mit sich führen. Eine der Hauptbedingungen war, dass die Schiffsbreite von 26,3 Meter oder 105,3 Fuß (feet) nicht überschritten werden durfte, sonst hätte die Kanalbehörde eine Durchfahrt nicht gestattet.

Ein beeindruckender Anblick, als wir endlich in die geöffnete erste Schleusenkammer einliefen. Mit solchen Ausmaßen konnte der Nordostseekanal mit seinen Schleusenanlagen nicht mithalten. Sobald wir in die Vorschleuse einliefen, setzten sich die schweren E-Loks in Bewegung und rollten an Backbord- und Steuerbordseite der Kaianlagen in Höhe der Back mit uns. Schon flogen auf beiden Seiten der Back die Schmeißleinen in Richtung E-Loks, wo ein Helfer diese auffing und sofort mit dem Auge der Trosse verknotete. Auf ein Zeichen des Festmachervormanns wurden die Trossen gefiert und von den schwarzen Festmachern auf der Back an Bord gehievt und das Auge über den Poller gelegt. Auf ein weiteres Zeichen des Vormanns wurden die Trossen durchgehievt, und die Loks zogen unser Schiff in die erste Schleusenkammer. Desgleichen passierte achtern auf dem Festmacherdeck. Als die KARPFANGER zwei Drittel der Kammer passiert hatte, ließen sich die vorderen und hinteren E-Loks zurückfallen. Sobald die Trossen tight waren, bremsten sie die Fahrt aus dem einlaufenden Schiff, bis der Steven fünf Meter vor dem Schleusentor zum Stehen kam. Nachdem das Schiff in der Kammer aufgestoppt lag, wurden achtern die Schleusentore mit Kraft geschlossen. Eine Minute später rauschte durch ein unterirdisches Rohrsystem das Wasser aus der mittleren in die untere Kammer. Man merkte, wie unser Schiff innerhalb von 15 Minuten wie in einem Fahrstuhl nach oben schwebte und dabei von den Loks in Position gehalten wurde. Kaum war der Wasseraustausch beendet, da öffneten sich schon die riesigen Tore der mittleren Kammer vor uns. Auf ein Zeichen des Lotsen mussten wir kurz die Maschine auf „Langsam Voraus“ anspringen lassen, die E-Loks fuhren auf beiden Seiten an unserer Back voraus und kletterten den steilen Anstieg zur mittleren Schleusenkammer hinauf. Anschließend zogen sie uns wieder zwei Drittel der Strecke bis zum nächsten Tor, um uns anschließend wieder aufzustoppen. Kaum waren wir in Position, schlossen sich achtern wieder die Tore, und schon rauschten die nächsten 197 Millionen Liter Süßwasser aus der oberen in die mittlere Schleusenkammer, und die KARPFANGER fuhr fahrstuhlartig wieder eine Etage höher. Als der Wasseraustausch beendet war, öffneten sich die Schleusentore der oberen Kammer, wieder verlangte der Kanallotse ein kurzes „Langsam Voraus“, bis wir Fahrt aufgenommen hatten. Die E-Loks zu beiden Seiten der Back kletterten ein letztes Mal den steilen Anstieg zu oberen Kammer, zogen uns in Position und bremsten uns ab. Die ganze Schleusenprozedur hatte in der Gatunschleuse keine 40 Minuten gedauert. Sobald die letzten oberen Tore geöffnet waren, gab der Lotse das Kommando „Maschine langsam voraus“, die E-Loks zogen uns kurz an, danach fierten sie ihre Stahltrossen auf, und unsere panamesische Festmachercrew auf der Back und achtern hob die schweren Augen der Stahltrossen von den Pollern und ließ die Trossen durch die Panamaklüse ins Wasser rauschen.


Der „Celubra-Cut“ an seiner engsten Stelle. Zwei Bulkcarrierer mussten wegen einen entgegenkommenden VLCOC:„very-large-crude-oil-carrier“ am Ufer festmachen, um ihn passieren zu lassen. – Quelle: Wikipedia

Wir waren im Gatunsee angekommen und setzten unsere Reise in Richtung Petro Miguel-Schleusenanlage fort. Wie man aus der Vogelperspektive-Karte des Gebiets vom Panamakanal erkennen kann, wurde der Verlauf des Kanals in einer roten Linie eingezeichnet.

Nach sechs Stunden gemütlicher Fahrweise näherten wir uns der Petro-Miguel-Schleusenanlage mit ihren zwei Schleusenkammern, und die ganze Bugsierprozedur wiederholte sich. Hier dauerte die Durchschleusung ganze 35 Minuten. Als letztes kam die Etappe bis zur Miraflores-Schleusenanlage in nächster Nähe zu Panama-City. Die ganze Durchquerung wird eine Dauer von 10 Stunden benötigt haben.


Auf jeden Fall waren wir spät abends am 23. Februar 1959 bereits unter der Panamerika-Highway-Brücke hindurch in den Pazifik eingelaufen, und vor uns lag die ganze Strecke nach Los Angeles.


Seefahrt unter dem Hanseatenkreuz der Hanseatischen Reederei Emil Offen & Co. KG um 1960

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