Читать книгу White Moon - Leni Anderson - Страница 8

4 Kapitel

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Ich erwache in einem Zimmer, das ich nicht kenne. In Bettwäsche, die nicht nach mir riecht. Und in einem riesigen Shirt, das nicht mir gehört. Vorsichtig setze ich mich auf. Der spitze Schmerz in meinem Kopf verheißt nicht Gutes. Als würde sie mich verhöhnen, scheint auch noch die Sonne in voller Pracht ins Zimmer.

Wo zum Teufel war ich?

Als hätte jemand meine Gedanken gehört, klopft es auch schon an der Tür.

Chris.

Behutsam guckt er ins Zimmer, sieht, dass ich wach bin, und tritt schließlich ein.

„Guten Morgen, Sonnenschein.“ Dieses Grinsen. Für einen kurzen Moment kribbelt es wie verrückt in meinem Bauch.

„Morgen“, bringe ich nuschelnd hervor. „Wo bin ich?“

„Bei mir zu Hause. Kaffee?“

Ich nicke.

„Brauchst du Milch?“

Ich nicke erneut. Und starre ihn an. Hatte er gestern auch schon so gut ausgesehen? Diese Augen. Diese Gesichtszüge. Diese Wangenknochen. Und diese verdammt vollen Lippen, eingerahmt von einem leichten Dreitagebart, der einen etwas dunkleren Ton aufweist als seine dunkelblonden Haare, die er auch heute leicht nach hinten gestylt hat. Ich schlucke.

„Bin gleich wieder da.“

Ich reibe mir vorsichtig über Augen und Schläfen. Was auch immer er mir gestern in den Drink getan hatte, musste echt ein fieses Zeug gewesen sein. Ich fühle mich, als hätte mich ein Bus überfahren. Moment, klebt da ein Pflaster an meiner Stirn?

Und dann fällt es mir wieder ein. Mein Abgang. Mein Taumeln. Mein Sturz. Ich brauche dringend einen Spiegel. Bitte lass mich nicht so schlimm aussehen, wie ich mich fühle.

Mit einem Ruck schwinge ich mich aus dem Bett. Und bereue es sofort. Alles dreht sich und mir bleibt nichts anderes übrig, als mich zurück ins Bett fallen zu lassen.

Fuck.

In meinem Kopf hämmert ein Presslufthammer.

„Einmal Kaffee mit Milch.“ Chris steht grinsend im Türrahmen.

Dankend nehme ich die dampfende Tasse entgegen und trinke einen kleinen Schluck. „Der Kaffee ist gut.“ Etwas Geistreicheres fällt mir im Moment nicht ein.

Chris wirkt besorgt. „Wie geht’s dir heute Morgen?“ Langsam kommt er auf mich zu und setzt sich auf die Bettkante. „Du hast gestern ganz schön was abbekommen.“

„Hmm. Das hast du mitbekommen, ja?“

„Ich stand praktisch neben dir, als du gefallen bist.“

„Und du bist nicht auf die Idee gekommen, mich aufzufangen?“ Ich bereue meine Worte augenblicklich. Er konnte ja nun wirklich nichts dafür.

Chris schnappt nach Luft. „Es ist nicht so, dass ich es nicht versucht hätte, aber du warst leider nicht ganz in Reichweite. Und ...“

„Schon gut“, falle ich ihm ins Wort. „Du trägst keine Schuld daran.“ Ich nippe an meinem Kaffee. „Danke, dass du dich um mich gekümmert hast.“

Eine leichte Röte steigt ihm ins Gesicht. War er etwa ...

„Wie spät ist es?“, frage ich nach, bevor die Situation noch unangenehmer wird. Der Sonne nach müsste es schon fast Mittag sein.

„Es ist kurz nach zehn“, klärt Chris mich auf. „Und das Serum sollte deinen Organismus bald verlassen haben.“

Ich verschlucke mich an meinem Kaffee.

Serum? Organismus?

Und dann kehren meine Erinnerungen schlagartig zurück. Das All in. Meine Suche nach Hailey. Unsere seltsame Flucht aus dem Club. Unser Gespräch auf der Brücke. In der Bar.

All das war wirklich passiert.

Und dieses Summen.

Vorsichtig horche ich in mich hinein. Es war immer noch da ...

Erschrocken blicke ich ihn an.

„Chris, ich ...“, stammle ich.

„Ich weiß. Ich ...“ Weiter kommt er nicht.

Zwei mir völlig unbekannte Personen betreten das Zimmer und beenden unser Gespräch. Chris verdreht die Augen und murmelt ein „Sorry“ in meine Richtung.

„Guten Morgen ihr beiden!“ Ein junger Typ steht in Boxershorts und freien Oberkörper im Türrahmen. Er hat den Arm um eine nicht minder bekleidete Brünette gelegt und zeigt das gleiche schelmische Grinsen wie ... Chris?

„Hey Liam. Darf ich vorstellen?“, fragt er an mich gewandt. „Mein Bruder.“

„Hey Sweety, endlich lerne ich dich mal kennen.“ Er zwinkert mir zu.

„Und die andere Halbnackte ist Angel“, fährt Chris fort, „seine ...“

„Seine gar nichts“, fällt Angel ihm ins Wort, „wir ficken nur.“

Liam blickt schmunzelnd zu Boden. Dann reißt er Angel in einer ausladenden Bewegung an sich und küsst sie. Wenn mich nicht alles täuscht, sehe ich Zungen aufblitzen ...

„Himmel, Leute, echt jetzt“, murrt Chris, „euer Zimmer ist den Gang runter links.“

„Wissen wir, Chris“, schnurrt Angel während einer kurzen Atempause, „aber ich bin noch viel zu wund, um da weiterzumachen, wo wir gerade aufgehört haben.“

Ich verschlucke mich erneut an meinem Kaffee und sitze hustend im Bett.

„Beruhig dich, Sweety“, murmelt Liam und beendet endlich den Kuss mit Angel. „Wir wollten nur kurz Hallo sagen. Treffen wir uns nachher beim Frühstück?“

Er nimmt Angel bei der Hand, zwinkert mir erneut zu und verschwindet mit ihr den Gang herunter.

„War das wirklich ...“, fange ich an.

„Jipp, das war wirklich mein Bruder. Und seine, na ja, nennen wir es mal Bettgespielin.“

„Nicht seine Freundin?“

„Nein.“ Chris schüttelt den Kopf. „Sie bestehen beide darauf, dass sie kein Paar sind.“

„Warum denn das?“

„Das erkläre ich dir ein anderes Mal. Erstmal nimmst du das hier und eine heiße Dusche.“ Er drückt mir eine kleine weiße Tablette in die Hand und für einen Moment steigt Panik in mir auf.

„Keine Sorge, das ist nur 'ne Aspirin. Deine Klamotten hat Roberta für dich gewaschen. Du findest sie im Bad.“

„Die Klamotten oder Roberta?“ Jetzt ist es an mir, zu grinsen. Der hämmernde Kopfschmerz lässt mich dies aber augenblicklich bereuen.

„Witzig“, zwinkert mir Chris zu, dem mein schmerzverzerrtes Gesicht nicht entgangen ist.

„Danke“, nuschle ich, „und wer ist Roberta? Ist sie auch ein ...“ Ich wage nicht, das Wort in den Mund zu nehmen. Den ganzen Morgen schon wirbelt es in meinem Kopf herum. Wenn Chris einer ist, dann Liam garantiert auch. Und Angel. Und folglich vielleicht auch ...

Oh Himmel! Das ist doch absurd.

„Nein, sie ist kein Vampir. Sie ist Puerto Ricanerin und die gute Seele unseres Hauses. Na ja, unserer Wohnung. Sie trägt das Herz auf der Zunge und stellt nicht allzu viele Fragen. Den Rest bemerkst du schon noch, wenn du ihr begegnest. Das Bad befindet sich den Gang runter rechts.“

„Du meinst gegenüber von ...?“

„Ja, genau. Hör einfach nicht hin. Man gewöhnt sich mit der Zeit daran.“ Mit diesen Worten steht er vom Bett auf und verlässt das Zimmer. „Ich bin in der Küche.“

Der Tag schien verheißungsvoll zu werden.

Das Bad ist mehr, als man von einem Badezimmer einer Wohnung erwartet hätte. Sowohl eine geräumige Dusche als auch eine Badewanne finde ich vor. Alles ist aus edlem weißen Marmor. Das Doppelwaschbecken verfügt sogar über indirektes Licht.

Nicht schlecht.

Auf einer kleinen hölzernen Truhe finde ich meine Hose, mein Spitzentop und, herrje, sogar meine Unterwäsche. Erst jetzt fällt mir auf, dass ich eine eng anliegende Boxershorts trage.

Verdammt.

War das etwa seine? Ich beschließe, lieber nicht danach zu fragen, und denke auch lieber nicht darüber nach, wie sie an meinen Körper gekommen ist.

Stattdessen stelle ich mich in die Dusche und lasse das Wasser an. Vorsichtshalber dränge ich mich in die äußerste Ecke der Kabine, doch anstatt kalten Vorwassers läuft es direkt in einer angenehm warmen Temperatur aus der Düse.

Die heiße Dusche tut gut. Es fühlt sich fast an, als würde ich all den Frust von gestern, allen Stress und Ärger abwaschen und zum Abfluss hinunter spülen.

Nachdem ich mich abgetrocknet und angezogen habe, die Klamotten duften herrlich, sehe ich mich nach einer Bürste für meine Haare um. Als hätte Roberta meine Bedürfnisse vorausgeahnt, liegen im Spiegelschrank über dem Waschbecken in einem Utensilio mit der Aufschrift Hannah eine neue Bürste, Schminkutensilien und, dem Himmel sei dank, eine neue Zahnbürste bereit. Sogar einen neuen Föhn finde ich im Unterschrank des Waschbeckens.

Eine ganz passabel aussehende Hannah schaut mir im Spiegel entgegen. Durch das Wasser ist allerdings das Pflaster an meiner Stirn völlig aufgeweicht. Gebannt ziehe ich es ab. Ein hässlicher Kratzer kommt zum Vorschein, umgeben von einer rötlichen Beule.

Das wird bestimmt noch schön blau.

Dann mache ich mich auf den Weg in die Küche. Schwer zu finden ist sie nicht. Das Stimmengewirr ist zu hören, noch bevor ich die Tür vom Badezimmer vollständig geöffnet habe. Leise trete ich auf den Flur und lausche.

„Himmel, Chris, hast du sie immer noch nicht verwandelt?“, höre Liam fragen.

„So schwer ist das nicht, weißt du“, stimmt Angel ihm zu. „Nur ein kurzer Biss hier, ein bisschen Blut da, ein kleiner Tod und: Tadda! Ein neuer Vampir ist geboren.“

„Ich weiß, wie das mit der Transformation funktioniert“, erwidert Chris genervt. „Ich will sie nur erst kennen lernen, bevor ich sie verwandle.“

„Wovor hast du solche Angst?“, fragt Angel genervt. „Ich meine, ihr seid Seelenpartner. Was soll passieren?“

„Na ja“, erwidert Liam, „mir würde da schon was einfallen.“

Ein bisschen schäme ich mich, dass ich hier so reglos auf dem Flur herumstehe. Ob ich mich vielleicht doch bemerkbar machen sollte?

„Hannah, ich weiß, dass du vor der Tür stehst. Komm ruhig rein.“

Chris.

Wie hatte er das nur bemerkt?

„Guten Morgen nochmal“, begrüße ich alle schüchtern.

Angel und Liam sitzen am Frühstückstisch und haben diesmal glücklicherweise mehr Klamotten an als vorhin. Chris steht mit einer Tasse Kaffee in der Hand an den Küchentresen gelehnt. „Setz dich doch.“

Der Tisch ist herrlich gedeckt und lässt an nichts mangeln. Von frischen Brötchen über Eier, Obst und Joghurt, an alles ist gedacht. Schade nur, dass mir nach den kurzen Gesprächsfetzen der Appetit vergangen ist. Um mir nichts anmerken zu lassen, greife ich wenigstens nach einer Tasse und gieße mir den nächsten Koffeinkick ein.

„Also, Hannah“, sagt Angel kauend zu mir „was meinst du, warum er dich noch nicht verwandelt hat?“

Gebannt starre ich in meinen Kaffee und beobachte die kleinen Blasen, die beim Eingießen der Milch entstanden sind und jetzt langsam vor meinen Augen zerplatzen. Es dauert einen Moment, bis ich meine Sprache wieder finde. „Verwandelt hat?“

Drei Augenpaare schauen mich todernst an. Dann wenden sich zwei dieser Augenpaare an Chris.

„Ich dachte“, fängt Liam an.

Chris reibt sich genervt über die Augen. „Fuck, so weit war ich noch nicht.“

Angel lacht genervt auf. „Echt jetzt? Du triffst sie seit Wochen und sie weiß noch nichts über ihr Schicksal?“

Betreten schaut Chris zu Boden.

„Welches Schicksal?“, frage ich so ruhig nach, wie ich es in dieser Situation eben aufbringen kann.

„Welches Schicksal?“ Angels Tonfall wird zunehmend gereizt.

„Okay, Angel, genug. Ich denke es liegt an mir, ihr alles zu erzählen. Und das werde ich garantiert nicht hier tun.“ Chris‘ Stimme lässt keine weiteren Widerworte zu.

„Ich finde, sie sollte ausreden.“

Chris funkelt mich an.

Ich versuche, möglichst gelassen an meinem Kaffee zu nippen.

Das Grinsen auf Angels Gesicht strahlt eine gewisse Selbstzufriedenheit aus. Hoffentlich hatte ich nicht zu sehr ins Hornissennest gestochen ...

„Also, pass auf: Du und Chris seid füreinander bestimmt. Er weiß das und du auch. Oder willst du mir weiß machen, dass du das Summen in deinem Körper nicht hörst? Ich kann es sehen. Es leuchtet in deinen Augen. Und als eine der älteren Vampirinnen kann ich es sogar hören.“

Sie macht eine kurze Pause und wartet meine Reaktion ab. Ich bin sprachlos.

„Seid zehn Wochen drückt sich Chris schon davor, dich zu verwandeln. Und dass, obwohl er weiß, dass es keinen Weg drum herum gibt. Und so langsam stellen wir uns einfach die Frage, worauf er wartet?“

Das war viel. Viel Bedeutung für wenige Worte. Das Summen in mir konnte ich nicht abstreiten. Es war ... einfach da. Allgegenwärtig. Wie ein stiller Begleiter, den ich seit der Begegnung mit Chris nicht mehr ablegen konnte. Aber was sie da von verwandeln gesagt hatte ...

„Angel, Baby, meinst du nicht, das war ein bisschen zu direkt?“, bricht Liam schließlich das Schweigen.

„Wieso?“, erwidert sie bissig, „war doch längst an der Zeit, dass jemand sie mal aufklärt. Und dieser eine bestimmte jemand“, ein vorwurfsvoller Blick fliegt in Richtung Chris, „schiebt es seit zehn Wochen vor sich her.“

„Angel, das reicht.“ Chris‘ Stimme ist ruhig, aber bestimmt. „Ich denke, alles Weitere geht nur Hannah und mich etwas an.“

„Ach, komm schon, Chris.“ Angel erhebt sich vom Tisch. Ein Funkeln ist in ihren Augen zu sehen.

Ich nippe lieber weiter an meinem Kaffeebecher.

„Wir alle wissen, dass es für dich unerträglich wird, wenn du sie nicht verwandelst, noch unerträglicher, als es ohnehin schon ist. Verdammt sei doch froh, dass du sie endlich gefunden hast. Ihr beiden werdet die Zeit eures Lebens haben, aber dafür muss sie eine von uns werden!“

„Genug!“ Chris starrt Angel finster an.

Diese hebt beschwichtigend die Hände und setzt sich wieder, ohne ein weiteres Wort zu verlieren.

„Hannah, lass uns doch lieber in der Stadt frühstücken gehen“, schlägt Chris vor, ohne den Blick von Angel zu nehmen.

„Klar“, nuschle ich in meinen Kaffeebecher. „Du weißt aber schon, dass draußen die Sonne scheint?“

Fragend schaut er mich an.

Angel kichert leise vor sich hin. Sie schaltet schneller, als ich erwartet hätte. Vielleicht freunden wir uns doch noch an.

„Da macht sich jemand wohl schon länger Gedanken über Vampire“, wirft Liam glucksend ein.

Nun schaltet auch Chris. Ein Grinsen legt sich auf sein Gesicht. „Weißt du, wir sind geborene Vampire. Die Sonne macht uns nichts aus.“

White Moon

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