Читать книгу Ribor Raskovnik's merkwürdige Reise - Levi Krongold - Страница 15

7. Kapitel

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Schaurig wenn ich daran denke! Es ist, als hätte sich dieser Moment in vielfacher Faltung in mein akustisches Gehirn eingraviert. Ich höre dieses grässliche Lachen noch immer, als käme es von draußen.

Aber das kann nicht sein. Ich befinde mich in einer sekundären Realitätsebene oder ist es inzwischen die tertiärste, quaternerste ... Was weiß ich?

Fest steht, dass dieses hinterbayrische Plumpsklo, in das ich mich irgendwie hineinkatapultiert habe, eine singuläre Erscheinung im All darstellen dürfte, von der ich nur hoffen kann, dass sie lange genug anhält, um nicht wie eine platzende Seifenblase in den Normalraum zu verschwinden und ihren Inhalt, das wären dann ich, ein Haufen Fäkalien und weitere Unannehmlichkeiten, ins Nichts des unendlichen Weltraums zu entleeren.

Letzteres wäre insbesondere mit heruntergezogenen Hosen und ohne fest schließende Raumkombination verheerend.

Vielleicht sollte ich vorsichtshalber den Raumanzug wieder vollständig anziehen!

Wenn es nur nicht - so - verdammt - eng wäre hier drin!

Es ist langsam so hell hier drin, dass immer mehr Einzelheiten sichtbar werden.

Genaugenommen scheinen alle Innenwände bekrakelt zu sein. Wenn ich richtig sehe, sogar die Sitzbank.

Das ist immerhin so merkwürdig, weil es einen Hinweis darauf geben könnte, dass vor mir schon andere hier gewesen sein müssen!

Vielleicht ist ja dieser Ort, oder Abort, gar nicht so singulär wie ich angenommen habe und es kreuzen sich verschiedene Raumzeitkoordinaten gerade an dieser Stelle. Ich glaube, rechnerisch wäre die Wahrscheinlichkeit dafür gar nicht zu ermitteln.

Aber was heißt schon Wahrscheinlichkeit? In einem unendlich großen Weltall, mit genügender zeitlicher Faltung, ist die Wahrscheinlichkeit, die unwahrscheinlichsten Ereignisse zu erleben, theoretisch unendlich groß. Was aber heißen würde, dass die Möglichkeit, einem Raumfahrer könnte im Laufe seines Lebens mehrmals dieselbe Situation zustoßen, nicht unwahrscheinlicher wäre, als beispielsweise die Geschichte, die Demian damals zugestoßen ist.

Demian war ein Kumpel von mir, der extrem reinlich war. Er war deshalb in der Abteilung für Putziges beschäftigt und extrem dick, da er auch Krümelreste entfernen musste, die beim Essen übriggeblieben waren. Das waren mitunter recht beträchtliche Mengen und da er auch dazu neigte, sich möglichst ökonomisch, dass heißt gar nicht, zu bewegen, weil dabei die eingesetzte Energiemenge im Vergleich zum Verbrauch am geringsten ist, griff er erst gar nicht zum Kehrblech sondern ließ nur den Unterkiefer herunterhängen, was in der Energiebilanz sogar positiv wirkt, weil es durch Weglassen der Muskelspannung im Mund bewirkt werden kann, ließ sich sodann gegen die Tischplatte sinken und atmete entweder tief ein oder ließ sich die Krümel von anderen in den Mund schaufeln.

Mit diesem Trick bekam er mehrfache Auszeichnungen für die ökonomischste Arbeitsweise in der gesamten Charge. Allerdings muss man wissen, dass der Samenspender ein hohes Tier in der Verwaltungshierarchie gewesen sein muss und da sollte die Anlage zu solchem Verhalten schon irgendwie mit vererbt werden.

Aber nicht nur damit erreichte er ein hohes Ansehen, was ihm später bei seiner Karriere sehr geholfen hat, sondern auch damit, dass er besonders putzig schauen konnte, so mit Schmusemund, herunterhängenden Backen und großen, unschuldigen Äuglein, die neben seiner kleinen Stupsnase immer wieder Anlass zu Entzücken bei den möglichen Eispenderinnen führte.

Einmal allerdings passierte etwas Entsetzliches. Demian wurde im Laufe seiner Ausbildung zum Sternbild Leier versetzt, wo die Bewohner zu dauerhaft schlechter Laune neigten. Sie nörgelten an allem und jedem herum.

Keiner seiner neuen Mitschüler war bereit, ihm die Krümel in den Mund zu schieben. Und gerade, als seine Rakete in eine Raumzeitturbulenz geriet, plärrte er so heftig und so laut über diese Bosheit, dass er die auf dem Tisch liegenden Krümel in die Ventilation blies, wo sie mit einer singulären Materieverdichtung interagierten, die eine mittlere Supernova zündete, wodurch das gesamte Sternbild der Leier ausgelöscht wurde und noch heute dort nur unmanifestierte schlechte Laune herrscht, so dass sich kein Raumschiff mehr dorthin wagt aus Furcht, als Kristallisationskern für derartige Empfindungen zu wirken.

Tja – so kann es zugehen im All.

Aber genauer betrachtet sind meine Überlegungen auch nicht logischer als wenn ich davon ausgehen würde, dass das gesamte Weltall eben aus dem hiesigen Abort entstanden wäre. Zu dieser Überlegung neigen jedenfalls die Virtualisten, denn sie behaupten, das gesamte Weltall leide nur unter der Illusion seiner Existenz. Es wäre weg, wenn gerade niemand hinschauen würde.

Der Urheber solcher Gedanken war, glaube ich, Max Planck, ein ebenso krauses Gehirn wie der verbotene Einstein.

Er hatte sogar die witzige Idee, dass Zeit aus kleinwinzigen Bausteinchen bestünde, die nur so winzig wären, eben klitzeklitzeklein, dass niemand sie wahrnehmen könnte, womit er eigentlich nur die alten Griechen imitierte, die damals an die Existenz eines Atoms glaubten, ohne je eines gesehen zu haben. Aufgrund dessen entwickelte er bezaubernde Formeln, die alle gemeinsam hatten, dass sie wunderschön waren, man damit alles Mögliche und Unmögliche beweisen konnte, nur dass sie eben nicht der Wirklichkeit entsprachen.

Na ja ... Philosophie ... wer hier wohl die Wände bekrakelt hat?

Und hier ist sogar ein Herzchen mit schrägen Pfeil durch. Da steht wohl auch was drüber …

Ribor liebt Cynthi!

Kann nicht sein ... so ein Zufall ... Ribor liebt Cynthi ...

Müssen wohl noch mehr Humogene so heißen wie ich.

Genaugenommen heiße ich 'Ribor Raskovnik H 32-A-0-5546H/univ.35Gte./clon201.typ34a, wobei 'Raskovnik' eigentlich ein unüblicher Namenszusatz ist, eine Laune einer unserer Züchter, der für seine Verschrobenheit bekannt war, weil er Geschichte primitiver Kulturen studiert hatte und ein Anhänger alter Romane war. Er soll sogar eine komplette Ausgabe von »In Hauspantoffeln durch den Weltraum« besessen haben, in gebundener Ausgabe aus einem Material, das aus Bäumen irdischer Urwaldbäume gewonnen wurde. Sie muss ein Vermögen gekostet haben, denn es sind immerhin über 2000 Bände.

Er gab jedem unserer Kohorte einen Zusatznahmen. Dies wurde zuerst nur als Scherz aufgefasst und war von seinen Vorgesetzten gar nicht gerne gesehen. Aber es bürgerte sich so ein und schließlich war es auch schneller auszusprechen als der gesamte Namen.

Und hier, schau mal da, hat jemand eine lange Reihe Striche in den Türpfosten geritzt. Was steht da drüber? »Wieder da!« und da unten: »Schon wieder da!« und ganz unten: »Verdammte Hacke !«

Vier senkrechte Striche drunter.

Wer besucht denn so oft ein Plumpsklo im All? Wird verdammt heiß hier drin, beginne zu schwitzen.

Willy Wikinger, da war doch noch was? Wieso muss ich immer an den Freibeuter denken?

Er hatte nicht gerade viel Geduld mit mir. Kaum hatte sich sein raues und spöttisches Gelächter gelegt, da brüllte er schon grimmig: »Komm raus da, du elender Wurm oder soll ich dich aus deiner Konservendose raus schütteln?«

Das Gesicht verschwand wieder und das Kreischen der Metallsäge begann wieder gefolgt von dem bekannten Geräusch zerschnittenen Metalls. Von neuem stieben gelbe und blaue Funken in die Rakete, als die Säge sich ein weiteres Mal durch die Bordwand fräste, diesmal ein bedeutendes Stück näher als vorher. Es dauerte gar nicht lange, da fiel wieder ein Segment der Rakete auf den Boden und das Loch war bedeutend größer als vorher.

Meine Gedanken rasten. An Entkommen war nicht mehr zu denken. Meine Rakete war unbrauchbar geworden, gestrandet auf einem gekaperten Polizeiraumer, denn so etwas war dies hier wohl.

Als sich wieder Willys Kopf in der Öffnung zeigte, war diese so groß, dass er bereits hindurchgepasst hätte.

»Buh!!« machte Willy plötzlich und lachte hämisch. Ich nehme an, ich wurde bewusstlos.

Jedenfalls wachte ich auf mit dem unangenehmen Gefühl, über rauen Boden gezogen zu werden und als ich die Augen aufschlug, stellte ich fest, dass das genau der Realität entsprach. Der Freibeuter hatte mich an den Beinen mit einem Strick zusammengebunden und zog mich hinter sich her.

Ich konnte gerade noch die Reste meiner Rakete entdecken, in deren Mitte ein kreisrundes Loch gesägt war, bevor sie hinter einer Ecke meinen Blicken entschwand. Obwohl mein Rücken brannte, als sei dort nur noch rohes Fleisch, zog ich es vor, keinen Laut von mir zu geben.

Ich polterte durch lange Gänge, die mit den unterschiedlichsten Gerätschaften ausgestattet waren, Rettungsankern, Nebelkerzen, die man als Notbeleuchtung vorn am Raumschiff anbringen konnte, wenn man durch einen Sternennebel flog, der die Sicht behinderte, und ähnlichen Notfallgegenständen.

Dann wurde ich eine verrostete Treppe runtergezogen, wobei mein Kopf bei jeder Stufe schmerzhaft aufschlug.

Während dessen brummelte, schimpfte und spuckte der Pirat unentwegt, tackerte mit seinem Ersatzbein auf den Boden, klack- tap –klack –tap, erreichte jedoch trotz dieser Behinderung ein erstaunliches Tempo.

Nach endloser Zeit hielt er schließlich an einer großen Metalltür, die mit einem quietschenden Geräusch ungeölter Türangeln aufgestoßen wurde und in einen stickigen, feuchten Raum führte. Dort hinein schleifte er mich, ließ mich achtlos fallen und verließ den Raum. Das Tap–klack der sich entfernenden Schritte vernahm ich noch eine ganze Zeit lang, denn sie schienen im gesamten Metallgehäuse des Schiffes wieder zu hallen, bis es plötzlich verklang.

Dann war es ruhig bis auf das Singen und Klingen in meinem Kopf, der höllisch schmerzte und das brennende Gefühl in meinem Rücken noch weit übertraf.

Nein, es war gar nicht ruhig!

Nachdem nach einiger Zeit meine Benommenheit langsam nachließ und das Summen und Dröhnen in meinem Kopf mehr dem leisen Sirren von drucklagergedämpften Ventilatorengeräuschen ähnelte, hörte ich eindeutige schnaufende Atemgeräusche, zwar sehr leise und auch nicht in unmittelbarer Nähe, aber dennoch unzweifelhaft vorhanden. Ich lauschte in die Dunkelheit. Mal kam ein Schnaufen von links, mal weiter von rechts, mal schien es aus einer gegenüber liegenden Ecke zu kommen. Im Laufe der Zeit konnte ich vier verschiedene Schnaufgeräusche unterscheiden, zwei zu meiner linken und zwei weitere, entferntere.

Vor Schreck hielt ich den Atem an und versuchte, in der Dunkelheit irgendetwas zu erkennen. Vergeblich. War ich mit irgendwelchen Tieren zusammen gesperrt? Möglicherweise auch mit fleischfressenden Pflanzen?

Man munkelte, dass die Raubkartoffel (solanum tuberosum krokodilensis) aus einem Versuchsgehege entwichen sei und sich nun in manchen Teilen des bewohnten Universums seuchenartig ausgebreitet habe. Sie haust vor allem in Lüftungsschächten und Kanalisationen.

Diese Züchtung war ein Versuch, den Kartoffeldiebstahl zu verhindern. Auf manchen Planeten mit besonders mineralhaltiger Krume erwiesen sich Kartoffeln als unglaublich problemlose Nahrungspflanzen, war es erst einmal gelungen, sie im Boden zu halten und ausreichend zu wässern.

Die Kartoffel lässt sich ja nur ungerne versenken. Sie neigt dazu, dem Pflanzer aus den Händen zu springen und über das Feld zu flüchten, was auf Planeten mit geringer Schwerkraft zu absonderlichen Sprüngen führen kann. Die Kartoffel schwingt sich dabei mit dem Kraut vom Boden hoch, um dann irgendwo wieder zu Boden zu fallen.

Selbstverständlich sind Kartoffeln nicht besonders klug, ja, man könnte sagen, je klüger der Bauer, desto dümmer die Kartoffel. Sie flüchten oft in panischer Angst zu Dutzenden blindlings irgendwohin, um sich dann wieder einsammeln zu lassen, weil sie beim Wiederauftreffen auf dem Boden bereits wieder vergessen zu haben scheinen, warum sie geflüchtet sind. Dann lassen sie sich mühelos zurücktragen. Sichten sie aber von neuem ein Pflanzloch, dann geht das Spiel wieder von vorne los.

Deshalb ist man gut beraten, den Kartoffeln die Augen zu verbinden, bevor man sie einpflanzt. Sind sie erst einmal mit Erde bedeckt und mit Wasser begossen, so verwandeln sie sich in sehr anhängliche und angenehme Pflanzen, deren Früchte man problemlos einsammeln kann. Sie sind je nach Bodenbeschaffenheit aromatisch salzig oder süßlich. Nur in der Nähe schwefelhaltiger Vulkane sind sie ungenießbar, wachsen dort aber zu prächtigen Pflanzen heran, die später als Zuchtkartoffeln beliebt sind.

Leider hatte sich bei Raumfahrern eingebürgert, sie als willkommene Zwischenverpflegung einzusammeln, was insbesondere bei intergalaktischen Flügen zu einer angenehmen Abwechslung auf dem Speiseplan führt. Dadurch waren die Kartoffelanbauern mit der Zeit so verärgert und auch geschädigt, dass sie beschlossen, Abwehrmaßnahmen zu ergreifen. Da sie jedoch unmöglich alle Kartoffelfelder aller bebauter Planeten und Trabanten kontrollieren konnten, wurde ein Forschungsauftrag an das Institut für Kartoffelanbau und Schädlingsbekämpfung vergeben, wo man auf die glänzende Idee kam, die Kartoffel mit einem Krokodil zu kreuzen, damit es zubeißt, wenn es gepflückt wird. Das gelang zum allgemeinen Erstaunen auch recht leicht, führte nur leider zu der schon erwähnten bissigen und nicht ganz ungefährlichen Kartoffelsorte. Sie war unverkäuflich, denn sie neigte dazu, beim Einpflanzen nicht nur wegzulaufen, sondern auch gleich kräftig in die Finger zu beißen. Der Biss ist an sich nicht groß, jedoch äußerst schmerzhaft und neigt zu lange schwelenden Entzündungen an der Bissstelle, weil sich die Kartoffel natürlich nicht die Zähne säubert.

Aber atmeten Kartoffeln eigentlich?

Ich war mir nicht ganz sicher und beschloss, wieder einmal die Methode der ruhigen Erstarrung anzuwenden und abzuwarten.

Das Atmen wurde zeitweilig von einem gurgelnden oder schnaubenden Laut unterbrochen, manchmal gar von einer Art heiserem Räuspern.

Je mehr ich darüber nachdachte, umso mehr wurde ich zuversichtlicher, dass es sich bei den Atmern und Schnaufern um menschliche Wesen handeln musste. Sie kamen nicht näher und entfernten sich auch nicht und ich war mir sicher, dass sie mein Eintreffen bemerkt haben mussten. Daraus schloss ich, dass sie wohl möglich Leidensgefährten sein konnten.

Ich nahm also allen meinen Mut zusammen und rief in die Dunkelheit: « Hallo ist da jemand?«

Das Atmen und Schnaufen hörte schlagartig auf und wich einer atemlosen Stille.

Ich fürchtete schon einen kapitalen Fehler gemacht zu haben, da hörte ich einen Laut der wie ein »hmmhmhhmhmhhm!« klang. Dann wieder ein ähnlicher Laut auch aus der anderen Richtung. Und ein drängendes »hmhmhmhmhmmmmmm« links von mir. Dann wieder Stille.

Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte.

Aber nichts näherte sich mir, was wohl bedeutete, dass ich nicht in unmittelbarer Gefahr war. Ich begann an meinen Fußfesseln herumzufingern in der Hoffnung, sie irgendwie lösen zu können. Vergeblich!

Es waren zwar nur normale Stricke, aber so raffiniert verknotet, dass ich nirgendwo einen Anfang oder ein Ende entdecken konnte.

Außerdem begannen mir langsam die Füße taub zu werden, weil die Stricke mir die Blutzufuhr in denselben drosselten.

Nach einigen vergeblichen Versuchen, mich aufzurichten, gab ich es auf, da ich keinerlei Gefühl mehr in den Beinen hatte und daher hilflos und schmerzhaft umstürzte.

»HmhMMhMmhhM« , kam es aus einer Ecke.

»Hallo, ist da wer?«, fragte ich nochmals.

»Hmhmhm«

»Verstehen Sie mich?«

»Hmhm«

»Wer sind Sie?«

»HmHmHm.«

Damit konnte ich wenig anfangen. Wie konnte man sich mit »hmhms« verständigen? Eine derartige Sprache war mir völlig unbekannt und mein Translator baumelte zwar noch an meinem Gürtel, war aber nun leicht beschädigt und Batterien hatte er auch keine mehr.

Ich zermarterte mir mein Gehirn bei dem Versuch, irgendeine Anweisung zu erinnern, die bei der Belernung für solche Fälle vorbehalten waren.

Die Standartanweisung: »Verständigen Sie einen Vertreter des Konzerns!«, galt zwar für alle außerplanmäßigen Situationen, konnte jedoch gegenwärtig nicht umgesetzt werden. Außerdem hatte ich langsam den Verdacht, dass den Konzern eine nicht unerhebliche Mitschuld an meiner derzeitigen Situation traf, so dass ich ohnehin nicht gut auf deren Vertreter zu sprechen war.

Möglicherweise hätte eine Kontaktaufnahme mit einem dieser Herrschaften zu meiner unmittelbaren Desintegration geführt, anstatt zu einem positiven Ausgang der Geschichte.

Und Geschichten sollten am besten positiv ausgehen, dass hatten wir im Fach Geschichte gelernt. Entscheidend war nicht der tatsächliche Hergang der Ereignisse, sondern die pointierte Darstellung von Gut und Böse, das Weglassen ungünstiger Aussagen über den eigenen Konzern und die Begradigung unlinearer Geschichtsverläufe zur Verbesserung der eigenen Selbstdarstellung, sowie das Happy End und damit der Sieg über die dunklen Mächte zum Beispiel andere Konzerne etc.

Auch war es ganz vorteilhaft, sich ganze Episoden geschichtlicher Abläufe zu erstellen, wenn dies geeignet war, die Aufrichtigkeit des eigenen Charakters zu betonen. Diese Technik war sehr alt, weshalb das Fach Geschichte eines der ehrwürdigsten unseres Belernungsprogrammes war.

Hochgestellte Persönlichkeiten wie ein Regent namens Caesar, äh, Vatikan und wie hieß er noch, Usa, aber auch andere, waren Meister in dieser Kunst und wurden sehr verehrt von den Dozenten, auch wenn dies die sehr frühe Antike der Geschichte repräsentierte. So entschied ich mich vorerst, die Möglichkeit, irgendwie mit einem Vertreter des Konzerns Kontakt aufzunehmen, erst einmal zurück zu stellen.

Ich überlegte, ob diese merkwürdige Sprache, die aus der Aneinanderreihung verschieden betonter »Hm's« bestand, vielleicht auf eine besondere anatomische Eigenart des Kehlkopfes der anwesenden Kreaturen schließen ließ.

Mir fielen die Rhetoriker ein, eine ganz ausgebuffte Rasse, deren ungeheure Beredsamkeit sogar ihren Appetit so sehr überstieg, dass sie allesamt ganz mager waren, weil sie ununterbrochen redeten und kaum Gelegenheit fanden, zwischen den Sätzen einen Brocken Nahrung herunter zu bekommen.

Es bestand jedoch kaum Kontakt zu anderen Spezies, da Verhandlungen mit ihnen schon daran scheiterten, dass man nicht zu Wort kam.

Immerhin wurden sie gerne engagiert, wenn es darum ging, Entscheidungen des Konzerns weiter zu geben, auch wenn dies erst einmal ungünstig erschien und zum Nachteil der Betroffenen. Die Rhetoriker redeten solange, bis sich die Versammelten langweilten und wieder nach Hause gingen.

Oder die Retroverbaliker, die jeden Satz von hinten anfingen, was zu nicht unerheblicher Verwirrung führen konnte, wenn der Satz vorne und hinten auf das gleiche Wort endete.

Der Translator brachte dann oft nur ächsende Würgelaute hervor und es drehte sich einem alles im Kopf.

Nein, das hier war eine ganz andere Spezies. Der Lautform nach zu schließen mussten sie über sehr einfache, ungeformte Kehlköpfe verfügen, die lediglich einfache Windgeräusche zuließen, ohne merkliche Artikulationen. Wenn man von der Kehlkopfform auf die sonstige Anatomie schließen konnte, sollten diese Kreaturen siebenarmig sein, kein Skelett besitzen, möglicherweise Knorpel oder Gräten und sackförmige Mundöffnungen besitzen, über denen tellergroße kurzsichtige Augen saßen.

Mich fröstelte bei diesem Gedanken!

Über Beine konnten sie ebenfalls nicht verfügen, sonst hätten sie sich mir schon genähert. Möglicherweise saugten sie sich am Boden fest wie die sagenhaften in vielen Liedern besungenen »Einmännleinstandimwalde«, Kreaturen der Urzeit. Ich fragte mich gerade, ob ich den Versuch unternehmen sollte, mich ihnen vorsichtig zu nähern, da hörte ich das bekannte 'Tap – Klack, tap – klack' und kurz darauf das Geräusch der sich öffnenden Stahltüre. Licht flutete in den Raum und ein Schalter wurde umgelegt, so dass alles in helles neonweißes Licht getaucht wurde. Ich musste momentan geblendet die Augen verschließen.

»Na – Herrschaften! – jetzt gibt es happi – happi und dann gehts nach Hause, harharhahrhahr«, hörte ich die gefürchtete Stimme von Willy Wikinger. Ich öffnete langsam die Augen hinter meiner vorgehaltenen Hand und spähte im Raum umher. Ich befand mich offenbar in einer Art Abstellkammer, deren rostige Stahlwände bräunlich, grünlich wirkten.

Zu meinem größten Erstaunen entpuppten sich die Wesen, die sich ebenfalls im Raum befanden, vier an der Zahl, wie ich richtig vermutet hatte, als gefesselte Polizisten, denen Willy Wikinger die Uniform ausgezogen haben musste, denn sie lagen allesamt in langer weißer Unterwäsche gefesselt auf dem Boden und hatten einen dicken braunen Klebstreifen über dem Mund.

Erleichterung und Entsetzen machten sich gleichzeitig in mir breit.

Willy Wikinger musste also die Besatzung des Polizeikreuzers überwältigt und gefangen gesetzt haben, so dass jede Möglichkeit, Hilfe herbei zu rufen, aussichtslos erschien.

Die Gefangenen rollten zornig mit den Augen und stießen heisere »hmhm« – Laute hervor, was darauf schließen ließ, dass sie mit ihrer Behandlung ebenfalls nicht einverstanden waren.

Willy Wikinger schien jedoch der Anblick sich zornesrot windender Polizisten eher in Vergnügen zu versetzen. Er schüttelte sich vor Lachen, so dass sein hervorstehender Bauch auf und ab wippte.

Dann plötzlich veränderte sich seine Stimmung drastisch. Er schrie: »Ihr Höllenhunde, ich schwöre euch, ich werde jeden Einzelnen von Euch am Spieß braten, bis er knusprig ist oder unter der Rakete Kiel holen lassen, wenn ihr auch nur eine unbedachte Bewegung macht oder einen Muks von euch gebt, wenn ihr Zicken macht. Meine Mannschaft wird euch gnadenlos in Stücke hacken und sie den Kaimanern überlassen, damit sie ihre Haustiere damit füttern können. Die lieben Menschenfleisch, wie ihr wisst!«

Mir erstarrte das Blut in den Adern. Ich wusste nicht, was schlimmer wäre, Willy Wikinger oder die Kaimaner. Ihre Haustiere, die Teckel, waren wohl die blutrünstigsten Kreaturen im ganzen Universum. Sie lebten ausschließlich von Fleisch und es waren durchaus Fälle bekannt, wo sie ganze Mannschaften gestrandeter Raumschiffe buchstäblich mit Haut und Haar gefressen haben sollen. Obendrein hatten sie zwei Köpfe, an jedem Ende einen und ihre niedliches Schnäuzchen und die Hängeohren täuschten argwöhnisch Friedfertigkeit vor. Wollte man sie darauf hin streicheln und hätscheln, was der Sinn dieser Mimikri war, so biss das ein oder andere Ende einem mit seinen kleinen scharfen Zähnen in die Hand. Da das andere Kopfende auch etwas will und dem angreifenden Kopfende den Bissen missgönnt, steigert sich das Wesen in gegenseitiger Konkurrenz der Kopfenden in einen wahren Blutrausch hinein, bis vom armen Opfer buchstäblich nichts mehr übrig bleibt. Dann will es meist Gassi gehen und sich erleichtern.

Die Kaimanier sehen diesem Treiben mit unverantwortlicher Gleichgültigkeit zu, sind sie doch Vegetarier und haben gar keinen Sinn für das grausige Schauspiel.

Nachdem Willy Wikinger eine bedeutungsvolle Pause gemacht hatte, um die Wirkung seiner Worte zu prüfen, grunzte er zufrieden in seinen Bart, denn so nennt man den unteren Teil des Fells, der Mund und Kinn umschließt und blitzte uns der Reihe nach an. Dann zeigte er mit dem Finger auf mich und schrie: »Du da, du Grottenolm, komm her!«

Ich muss gestehen, es hätte nicht viel gefehlt und ich hätte mir vor Schrecken in die Hose gemacht, die er mir, wie ich erst in diesem Moment bemerkte, erstaunlicherweise gelassen hatte.

Ich lag vor Entsetzen steif auf dem Boden und rührte mich nicht.

»Na, hat dich der Schlag getroffen, du Hosenscheißer?« Nachdem ich mich immer noch nicht und auch gemäß der Notfallvorschrift bewegt hatte und noch nicht einmal wagte, mit den Augen zu zucken, schrie er: « Na, wirds bald Freundchen oder soll ich dir Beine machen?«

Da endlich fiel ihm offensichtlich ein, dass er mir die Beine ja ordentlich zusammengeknotet hatte. Er tapste zu mir heran - 'tapp - klack - tapp -klack' und zog sein gewaltiges Messer aus dem Gürtel.

Glücklicherweise benutzte er es nicht in der Weise, dass er mich in Stücke sägte, sondern mit einem gewaltigen Ruck trennte er die Stricke an meinen Füßen durch, dass ich nur so herumgeschleudert wurde.

»So, jetzt auf, du Missgeburt!«, brüllte er wenig charmant und riss mich an den Armen hoch, so dass ich halbwegs zum Stehen kam, sofort jedoch wieder zusammensank, da meine Beine ohne jegliches Gefühl waren und ich ansonsten zitterte, als hätte ich einen Anfall von Weltraumfieber.

»Willst du wohl stehen bleiben, du Kröte? Wie heißt du eigentlich?« Ich war unfähig zu antworten, weil meine Kiefer sich in einem unangenehmen Muskelkrampf befanden.

»Na, egal«, grunzte er, sah mich von oben bis unten an und meinte abschätzig, indem er auf den Boden spuckte: »Ich nenne dich Olm ... siehst ja auch so aus!«

Ich wusste damals nicht, was ein Olm ist, aber dass es wohl kein Kompliment sein sollte, war mir bereits am Tonfall klar und ich sollte es auch in den nächsten Stunden und Tagen erfahren.

Später erfuhr ich, das war glaube ich auf der Vega, dass Olme in modrigen Dunkelhöhlen gezogen werden, meist auf Planeten, die durch menschliche Besiedlung unbewohnbar geworden waren und so als Exo-Planeten wieder verlassen und verwüstet im Weltall herumtrudeln. Da sie meist in einem Haufen von Müll und Unrat, vergifteten Tümpeln und radioaktiven Seen zu ersticken drohten, versuchte man eine biologische Lösung.

Die einzige Spezies, die genügend Widerstand gegen derartige Nekrotope entwickeln, sind die gemeine Küchenschabe, die zu monströser Größe heranwächst, und der Grottenolm. Er ist an sich klein und kugelig, völlig unbehaart und seine glitschige Haut ist fast durchscheinend. Auch sieht er nahezu nichts, da er stets im Dunklen lebt. Bereits von geringer Sonnenbestrahlung bekommt er einen tierischen Sonnenbrand, so dass er sich krebsrot verfärbt. Tierschutzorganisationen, die sich dem Schutz der niederen und missachteten Lebensformen verschrieben haben, insbesondere der Grottenolme, forderten deshalb bereits die Verdunklung des einen oder anderen Sterns, allerdings bislang ohne Erfolg.

Neben der moralischen Motivation zum Schutz gegen die Sonnenbestrahlung der Grottenolme zu Felde zu ziehen, kommt allerdings auch eine nicht unerhebliche akustische hinzu. Grottenolme mit Sonnenbrand jammern und klagen derartig nervtötend in den schrillsten Tönen, dass man leicht einen Hochtongehörschaden davontragen kann. Sie werden deshalb schon von Gesetz wegen völlig verdunkelt gezogen.

Da der Grottenolm an sich eher kugelig und klein ist, geröstet aber einen angenehm nussartigen Geschmack entwickelt und als Spezialität in der asiatischen und japotrabantischen Küche gilt, wird er im Laufe der Entwicklung von speziell ausgebildeten Erziehern täglich ein wenig in die Länge gezogen, bis er sich im Alter von 2 Normaljahren ungefähr bequem um ein Essstäbchen wickeln lässt.

Dennoch gilt er bei dem Rest der Galaxis als so ziemlich das niederste denkbare Lebewesen. Vom Grottenolm sind auch ungefähr nur zwei Gedanken bekannt: »Hau ab!« und »Lass mich in Ruhe!« (Ein weiterer Gedanke gilt als fremdenfeindlich und wird deshalb verschwiegen: »Verdammte Schlitzaugen!«)

Ich schaute also hilflos und unfähig, mich aufzurichten, in das über mich gebeugte, struppige ungewaschene Gesicht des Freibeuters und wurde zum ersten Mal Zeuge seiner häufigen und plötzlichen Stimmungswechsel, die so charakteristisch für ihn sein sollten.

Plötzlich traten ihm Tränen in die Augen, sein Mund verzog sich zu einem fast debil zu nennenden Grinsen und er beugte sich so tief über mich, dass ich von seinen stinkenden Atem vor seinen maroden und braungelb gefärbten Zahnstummeln herrührend fast betäubt wurde. Er stupste mir mit seinen dicken Fingern leicht unters Kinn und sagte: »Du bist ja ein putziges Kerlchen, Olmi! - Komm mach Pappi eine Freudi, Freudi und sei ein bisschen lieb zu ihm! - Lauf nicht weg ... Willy kommt gleich wieder!«

Damit richtete er sich auf und entfernte sich schnellen Schrittes aus dem Raum 'tapklacktappklacktappklack'. Die mächtige Stahltür knallte er mit einer derartigen Wucht zu, dass der ganze Raum in minutenlanger Vibration durchgerüttelt wurde.

Da Willy Wikinger das Licht angelassen hatte fand ich nun Gelegenheit, mich ein wenig umzuschauen.

Die vier Polizisten lagen fest verschnürt in jeder der vier Ecken des Raumes. Auch sie brauchten offenbar einige Zeit, um sich von dem Schreck zu erholen.

Einer der Polizisten, ein Dicker, mit unglaublich großem Kugelbauch und Doppelkinn, schaute unentwegt in meine Richtung und bewegte ruckartig den Kopf. Dabei stieß er ein bittendes »hmhmhm« aus.

Ich massierte unentschlossen meine Beine, damit wieder Gefühl in sie hineinkam. Langsam hörte das Kribbeln in den Füßen auf und ich konnte den ein oder anderen Zeh bereits wieder bewegen.

Der Polizist stieß wieder ein heiseres, diesmal drängenderes »hmhmh-hmmm« aus und wackelte mit dem Kopf.

Nun war mir die »HMHM«-Sprache ja völlig fremd, so dass ich den Sinn dieser Laute nicht genau verstand und annahm, er wolle sich mir vorstellen.

Ich sagte: »Hallo, wie geht es Ihnen? Hatten sie eine gute Reise?«

So begrüßte jedenfalls der Translator jeden Außerirdischen und deshalb konnte dies nicht falsch sein.

Die Polizisten schauten sich gegenseitig an und fingen an zu grimmassieren.

Sie hatten wohl meine Worte verstanden und wollten zum Ausdruck bringen, dass ihre Reise offenbar nicht so günstig verlaufen war.

Das war verständlich, denn sie befanden sich auch in einer jämmerlichen Situation. Nicht nur hatten sie den Mund zugepflastert, sie waren auch derartig verschnürt, dass keiner von ihnen sich auch nur einen Normmillimeter von Fleck bewegen konnten.

Ein besonders langer dünner Polizist bewegte seine Zehen hin und her und ich verstand, dass sie wohl eine Art Zeichensprache benutzten, um sich zu verständigen.

Ich versuchte es auf diese Weise, indem ich meinen Fuß etwas vom Boden anhob, damit sie ihn besser sehen konnten, und wackelte mit den Zehen.

Dies hatte sofortigen Erfolg.

Sie hmhmhmten jedenfalls nun alle zusammen und rollten mit den Augen und es klang wie Zustimmung.

Daher wackelte ich nochmals mit den Zehen, rollte mit den Augen und stieß ein langes »hmhmhm« aus.

Dies schien sie zu beruhigen, denn sich entspannten sich augenblicklich, ließen ihre Köpfe wieder sinken und atmeten hörbar durch die Nase aus.

Vielleicht konnte ich auf diese Weise eine Art Kommunikation mit ihnen entwickeln?

So wurde damals auch mit den Semantikern verfahren.

Die Semantiker waren die erste sprachbegabte Spezies, auf die die ins Weltall aufgebrochene menschliche Spezies traf. Das war kurz nach dem Interkontinentalcrasch.

Die Semantiker kamen, soweit man weiß, aus dem orthographischen Galaxiennebel und sprachen eigentlich kyrillisch. Sie hatten eine Technik entwickelt, die es ihnen ermöglichte, Zeit durch Worte zu überbrücken.

Wie jeder Weltraumfahrer ja weiß, ist die Zeit das größte Hindernis bei der Überbrückung von Entfernungen. Die Zeit ist elastisch und verhält sich unberechenbar. Mal ist sie lang und vergeht langsam, mal ist sie kurz und fliegt sozusagen dahin. Deshalb wusste man in den Kindertagen der Raumfahrt lange nichts damit anzufangen. Jeder Versuch, den Abflug und die Ankunft eines Raumschiffes fahrplanmäßig genau anzugeben, scheiterte daran, dass die Zeit überall unterschiedlich verging. So konnte es sein, dass eine Rakete zwar Sonntagmorgen abhob, und die Mannschaft hoffte am Abend rechtzeitig zum Essen wieder zurück zu sein, bei der Ankunft jedoch feststellen musste, dass bereits Dienstagabend war und nur noch das dreckige Geschirr herumstand, was abgewaschen werden musste, vom Abendessen jedoch vielleicht nur noch ein paar vertrocknete Brötchen oder vermatschte Nudeln übrig waren.

Auch machte es jede Berechnung der Flugdauer unmöglich. In näherer Umgebung der Erde, etwa bis zum Pluto, macht das noch nicht so viel aus. Jedoch darüber hinaus wird es problematisch.

Dadurch bekam man früher den Eindruck, dass eine Reise zum Beispiel zum benachbarten Orion sich nicht lohne, da dort erst die Enkelkinder ankämen.

Dieses Problem überbrückten die Semantiker in genialer Weise.

Sie schufen zeitlose Sätze, so dass der Einfluss der Zeit unbedeutend wurde, sie benutzten den Zeitgeist, um sich zu verständigen und waren daher nicht auf die langsamen elektromagnetischen Wellen angewiesen, und sie vertrieben die Zeit, sobald sie sie auf ihrer Reise auch nur ansatzweise entdeckten mit unsinnigen Aneinanderreihungen von Wörtern und ganzen Sätzen. Dies war lustig und nützlich gleichzeitig, denn das wichtigste auf jeder Raumreise ist eben der Zeitvertreib.

Als nettes Nebenprodukt ihrer Kunst entstanden haufenweise Bücher, die aus dem Antrieb ihrer Raketen ins All katapultiert wurden, wo sie es um nette, wenn auch vergleichsweise nutzlose Werke bereicherten. Auch diese Zeilen entstanden letztlich aus diesem Ausstoß.

Dadurch konnten sie sich mühelos von einem Ort zum anderen bewegen.

Als einziges Nahrungsmittel war ihnen die Herbstzeitlose erlaubt, denn andere Nahrung hätte zu einer zeitweiligen Rückkehr der Zeit geführt und ihre Reise unterbrochen. Das ist nicht jedermanns Sache, denn der Geschmack der Herbstzeitlosen ist auf die Dauer etwas eintönig, weshalb sich diese Art des Reisens nicht allgemein durchsetzen konnte.

Wollten sie eine Stadt erbauen oder eine Raketenrampe erneuern, so redeten sie es sich einfach ein, wodurch eine hohe und differenzierte Kultur in ihrer Konfabulation entstand.

Es gab mehrere Konfabulationen, die miteinander durch lange Sätze verbunden waren und komplizierte Gebilde darstellten, die alle jedoch von einem Regenten beherrscht wurden, dem Grammatiker. Dieser waltete streng über die Konfabulationen.

Alle anderen Bewohner betrachteten sie jedoch abschätzig und pflegten sich mit ihnen nur lautlos durch Zeichensprache zu unterhalten, da sie sie ihrer Worte nicht wert erachteten.

So entstand mit der Zeit ein ausgeklügeltes nonverbales Signalsystem, welches sich schnell im All verbreitete, bevor die Translatoren erfunden und sie Grundlage der Kommunikation wurden.

Als Beispiel sei das Tippen des Fingers an die Stirn und das Hochheben des Mittelfingers bei geschlossener Faust genannt, um zum Beispiel jemanden darauf hinzuweisen, dass er gerade eine rote Ampel übersehen, die Vorfahrt missachtet oder eine Parklücke genommen hat, die man selbst benutzen wollte, weil einem nach stundenlangem Suchen auf einer Kreisbahn um einen Planeten langsam der Treibstoff ausging.

Was aber das Wackeln von Zehen betraf, da konnte ich mich an keine spezielle Bedeutung erinnern. Aber es gibt ja auch Dialekte!

Indes brauchte ich nicht länger über die Angelegenheit zu grübeln, weil ich durch das bekannte tap-klack-tap-klack, welches die Rückkehr unseres Schinders ankündigte, unterbrochen wurde.

»Olm!«, brüllte er, kaum dass die Tür mit einem Krachen aufgeflogen war, »Zu mir!«

Da ich der Einzige war, der auf diesen Namen hören sollte, blieb mir nichts anderes übrig, als mich wackelig auf meine Beine zu stellen und zu ihm hin zu staksen. Er blickte mich so finster an, dass ich wieder zu zittern anfing.

»Hör mit deiner Zitterei auf, du Weichei, und nimm das!«

Er streckte mir vier Beutel entgegen, die unzweifelhaft Nahrungskonzentrat enthielten, so wie es in der ganzen Galaxis verwendet wurde. (Natürlich war das Haltbarkeitsdatum lange abgelaufen, wie ich mich später mit einem Blick überzeugen konnte und der rote Doppelstrich der Gesundheitsbehörde prangte auch unverkennbar auf den Etiketten, was nicht anderes bedeutete, als dass von dem Verzehr behördlich abgeraten wurde und jedes in Verkehr bringen strafrechtliche Folgen nach sich ziehen konnte.)

Ich bemühte mich, meine Hände ruhig zu halten, als ich die Beutel entgegen nahm, was seine Gesten offenbar bedeuteten.

»Du gibst denen da ...«, er deutete mit dem Kinn in Richtung der gefesselten Polizisten, »jetzt was zu essen und dann wartest du auf mich, verstanden?«

Als ich völlig verblüfft von meiner neuen Aufgabe nicht antwortete schrie er :« Hast – du – verstanden?« »Ja-ja … ja«, stotterte ich.

Ich zählte still die Beutel in meiner Hand, es waren derer vier, aber wir waren zu fünft, wenn man mich mitzählte.

Verständnislos blickte ich ihn an und er hatte sofort meine Frage verstanden, die offenbar in meinen Augen geschrieben stand: Warum nur vier?

»Das ist für diese Tölpel, Olmi, … du brauchst das nicht ... hahaha.«

Er brüllte vor Lachen, dass sein dicker Bauch geschüttelt wurde, schrie mich aber im nächsten Augenblick an: »Nun mach oder willst du hier anwachsen?«

Damit knallte er die Türe wieder zu und tappte davon.

Ich stand wie betäubt in der Tür und starrte die Nahrungsbeutel an.

Auf dem Etikett konnte man noch in verblichenen Buchstaben lesen »Seemanns-Tod – Sondernahrung für festliche Angelegenheiten«, was nichts anderes hieß, als dass etwas von dem sonst strikt verbotenem Alkohol darin sein musste.

Derartige Nahrung war nur besonderen Ereignissen vorbehalten und durfte nur genau dosiert verabreicht werden. Sie war auch lediglich außerhalb von Raketen erlaubt, denn es konnte durchaus vorkommen, dass ein Übermaß des ungewohnten Getränkes später eine derartige Übelkeit hervorrufen konnte, zusammen mit höllischen Kopfschmerzen, dass es schwierig war, den Mageninhalt da zu behalten, wo er hingehörte, nämlich im Magen und nicht in der Kabine der Rakete, wo er ausnehmend schlecht wieder einzusammeln war, vor allem bei Schwerelosigkeit. Aus diesem Grunde war es uns Konzernangehörigen strengstens untersagt, derartige Nahrungsmittel zu konsumieren.

»Seemanns-Tod« war meiner Erinnerung nach so etwas wie eine Mutprobe in der Mannschaftsausbildung, insbesondere nach bestandener Astronautenprüfung, da wurde gerne gefeiert.

Es bestand meines Wissens aus dem Saft einer Pfefferpflanze, gemischt mit reinem Alkohol, Tomatensaft und Ei zu gleichen Teilen. Es galt als äußerst nahrhaft, aber ungenießbar.

Auch gab es nur eine Möglichkeit, es zu sich zu nehmen, und das war in einem Schluck, weil es einem sonst die Schleimhäute verbrannte, so dass man tagelang fasten musste.

Wie der Freibeuter daran gekommen war, war mir rätselhaft. Andererseits wird behauptet, dass die Freibeuter nur derartige Trinknahrung zu sich nehmen und das in großen Mengen.

Ich wandte mich also den anderen Gefangenen zu, die mich neugierig anschauten. Ratlos schaute ich von einem zum anderen, bis mich der Dicke mit einem energischen »hmhm« begleitet von heftigem Zehenwackeln auf eine Idee brachte.

Ich entschloss mich, den Versuch zu wagen und ihm den Klebstreifen vom Mund zu entfernen, denn wie auch anders hätte ich den Saugschlauch in ihn hineinführen können, um ihm die Nahrung zu verabreichen?

Kaum war das geschehen, was mit einem rauen »hmhmhm« kommentiert wurde, da erlebte ich meine erste Überraschung, er konnte sprechen und das auch sehr laut und deutlich!

»Du Volltrottel, hat man dir ins Hirn geschissen oder was? Mach uns sofort los, du Schwachkopf!«

Ich fuhr erschrocken zurück. Mit einem Mal verstand ich meinen gesamten Irrtum. Natürlich, mit ihrem »hmhmhm« hatten sich nichts anderes als das andeuten wollen, nämlich, dass ich ihnen etwas zu essen besorgen sollte!

Schnell stopfte ich dem Dicken den Schlauch in den Mund und entleerte den Inhalt des Nahrungsbeutels in seinen Mund, was den wohltätigen Effekt hatte, dass das Geschrei und die Beschimpfung verstummten, nur um allerdings kurz darauf umso stärker wieder anzuheben, nur dass es diesmal nach dem Heulen eines Newöl klang und das hört sich an, als wenn man einer Katze auf den Schwanz getreten hätte.

Ratlos ging ich zum nächsten Gefesselten und probierte dort mein Glück, leider mit ebenso wenig Erfolg.

Auch beim Dritten lief es nicht anders und dem vierten musste ich sogar den Schlauch mit etwas Nachdruck zwischen die zusammengebissenen Kiefer schieben.

Eine Undankbarkeit war das!

Glücklicherweise ließ nach einiger Zeit das ohrenbetäubende Geheul nach und wich einem ruhigem Schlaf.

Völlig erschöpft ließ ich mich in einer Ecke nieder und dachte nach.

Was sollte ich zu essen erhalten? Vielleicht hatte Willy Wikinger gar vor, mich selbst von seiner Mannschaft verspeisen zu lassen? Andererseits glaubte ich da nicht mehr wirklich dran und ich sollte recht behalten.

Es stellte sich nämlich heraus, dass der Freibeuter etwas anderes mit mir vor hatte.

Kaum war es ruhig geworden und das Geschrei einem gleichmäßigen Schnarchen gewichen, da schaute das behaarte Gesicht des Freibeuters wieder durch die Tür.

»Gut gemacht, Bürschen! Bist ja doch für was zu gebrauchen.«

Er hüpfte herum wie ein kleines Kind und rieb sich vor Freude die Hände, zupfte mal dem einen Polizisten in die Wange, knuffte den anderen mit dem Holzbein in den Bauch und zog dem dritten am Bart. Nichts geschah, die Polizisten schliefen weiter.

»So und jetzt hilf mir!«, wandte er sich an mich.

Ich schaute in verdutzt an.

»Na, guck nicht so blöd, die müssen weg hier!«

Er begann den Dicken an den Beinen zu ziehen, nachdem er die Fesseln von den in der Wand eingelassenen Ringen abgeschnitten hatte und zog ihn zur Tür. »Na, los, fass mit an, mach dich nützlich!« Ich half mit, an den Beinen des schlafenden Polizisten zu ziehen, was aber nur schwer ging, immerhin bemühte ich mich.

Willy Wikinger schnaufte und fluchte, denn der Dicke war wirklich schwer.

Ich fragte mich, wie er es geschafft haben mochte, ihn zu überwältigen.

Und ich fragte mich, wieso ihm niemand von seiner Mannschaft half.

Nach einer Weile hatten wir es geschafft, den Dicken in den Hangar zu ziehen, wo meine Rakete stand. Vielmehr gestanden hatte, denn von der war nichts mehr zu sehen.

Statt dessen stand an der Stelle, wo sie hätte sein müssen ein kleiner, handlicher, kompakter Blechwürfel.

Willy Wikinger fing meinen suchenden Blick auf, grinste und zeigte mich dem Finger an die Decke: »Super Schrottpresse, das!«

Als er mein betroffenes Gesicht sah klopfte er mir so kräftig auf die Schulter, dass ich fast gestürzt wäre: »Lass mal gut sein, mit deiner Blechbüchse wärst du ja doch nirgends wo mehr hin gekommen!«

Tatsächlich entdeckte ich einen großen Greifer an der Decke, dessen metallene Klauen von einer kranartigen Vorrichtung drohend herabhingen, so als wolle es sich jeden Moment in Bewegung setzten, nach unten senken und alles, was in seine Reichweite kommt, zermalmend packen. Mich fröstelte und ich muss wohl eingestehen, dass ich auch ein bisschen traurig war um meine Rakete, die ich trotz aller Unzulänglichkeiten lieb gewonnen hatte. Besonders aber trauerte ich um die kleinen niedlichen Gardinen an den Fenstern, die noch von einer Eizelle meiner Vorfahrensproduktion stammte, Oma Gerda, wurde sie liebevoll genannt, was natürlich nur eine Abkürzung war für »O 54.76 M 3458z Anti /5 Gravi. Erde R/45 Dus/selig /Aberat.4/4-

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« ihren Gen-Code.

Nun denn, andererseits musste ich Willy Wikinger recht geben, dass sie unbrauchbar geworden war und meine Reise offenbar anders weitergehen musste ...!

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Ribor Raskovnik's merkwürdige Reise

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