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1.3 Die Einheit von Allgemeinem und Besonderem, von Zentrum und Peripherie.
Das Vermächtnis Amelia Podettis

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Zu Bergoglios peronistischen Bekannten jener Jahre gehörte auch eine hochrangige Denkerin, die für seine intellektuelle Entwicklung eine besonders wichtige Rolle spielte: Amelia Lezcano Podetti (1928-1979), Professorin für Philosophie und die Geschichte der modernen Philosophie an der Universidad del Salvador und der Universidad Nacional de La Plata.67 Bergoglio schätzte sie sehr. Podetti hatte in Paris bei Jean Wahl, Paul Ricœur, Ferdinand Alquié und Henri Gouhier studiert und zu Edmund Husserl geforscht; 1969 war der Band Husserl: esencias, historia, etnologia erschienen. Als sie nach dem Studium in ihr Heimatland zurückkehrte, war es ihr ein besonderes Anliegen, gegen die Hegemonie des positivistischen Szientismus und des Marxismus anzukämpfen und innerhalb der kulturellen Tradition des Landes ein Denken wiederzubeleben, das durch die hochrangige Auseinandersetzung mit der europäischen Philosophie eingebrochen war. 1975 wurde sie zur Directora Nacional de Cultura ernannt und begründete in dieser Funktion den »Premio Consagración Nacional«. Podetti darf wohl als die bedeutendste argentinische Denkerin der 1970er-Jahre bezeichnet werden. Sie leistete einen beachtlichen intellektuellen Beitrag zur peronistischen nationalen Sache und zur »Tercera Posición«, die sowohl Individualismus als auch Kollektivismus ablehnte.

Die einflussreichste Intellektuelle der Guardia an der USAL war Amelia Podetti, die Bergoglio 1970 kennenlernte. Sie machte ihn mit linksnationalistischen Denkern wie Arturo Martín Jauretche und Raúl Scalabrini Ortiz bekannt, über deren Ideen sie in ihren Lehrveranstaltungen an der Universität und später auch am Colegio Máximo sprach. Zudem gab sie Hechos y Ideas heraus, eine peronistische politische Zeitschrift, zu deren Lesern auch Bergoglio gehörte. Bis zu ihrem frühen Tod im Jahre 1979 gehörte sie zu einer Gruppe von Denkern (zu der auch der uruguayische Philosoph Alberto Methol Ferré gehörte), die der Kirche bei der Herausbildung eines neuen lateinamerikanischen kontinentalen Bewusstseins eine zentrale Rolle zusprach – la patria grande –, das in der modernen Welt seinen eigenen Platz einnehmen und entscheidenden Einfluss auf ihre Entwicklung nehmen sollte. Hier fühlte sich Bergoglio zu Hause, in einer Art katholischem Nationalismus, der sich mehr um das pueblo als um den Staat scherte, der über Argentinien hinaus ganz Lateinamerika im Blick hatte und die Erklärung von Medellín als Beginn einer Reise auf den Kontinent sah, der zu einem Leuchtturm für Kirche und Welt werden sollte.68

Podetti, die sich vor allem für die historischen und kulturellen Grundlagen von Ideen interessierte, hatte sich vor allem in zwei ihrer späten Werke mit Hegel auseinandergesetzt: Comentario a la Introducción de la Fenomenología del Espíritu erschien 1978, während La irrupción de América en la historia posthum 1981 veröffentlicht wurde.69 2007, also viele Jahre nach ihrem Tod schrieb Bergoglio das Vorwort zur zweiten Auflage ihres Hegel-Kommentars. Dort heißt es:

Bis heute halte ich die Erkenntnisse ihrer Forschung in Erinnerung, die in den 1960er- und 1970er-Jahren, einer fürwahr einzigartigen Phase der Geschichte Argentiniens, einen wichtigen Beitrag zur Reflexion und zum Selbstbewusstsein des Landes geleistet haben. Freilich sind uns aufgrund ihres frühen Tod viele weitere Früchte ihres Denkens vorenthalten worden, aber ihre Arbeit an der Universität, ihre Aufsätze, ihre Teilnahme an all den fruchtbaren Debatten, die in diesen Jahren in Argentinien geführt wurden, reichten aus, um Ideen und Forschungsschwerpunkte zu etablieren, die auch heute noch von großer Relevanz sind. In einer Zeit, in der Lateinamerika ein erneuertes Selbstbewusstsein braucht, das seinen Zustand und seine besonderen Bedürfnisse vollständig versteht und dadurch in der Lage ist, neue historische Antworten zu geben, halte ich es für zwingend geboten, dass wir uns an die Beiträge unserer Denker und Philosophen erinnern, ebenso wie wir es über Jahrzehnte hinweg mit unseren Schriftstellern und unseren Dichtern getan haben. Denn ich glaube: So wie wir bei der Würdigung unserer Literatur (teilweise angetrieben von außen) einen großen Sprung nach vorne gemacht haben – ich meine hier den großen Boom der lateinamerikanischen Literatur –, so müssen wir auch, was unsere philosophische Arbeit angeht, einen ähnlichen Satz vollbringen.70

Bergoglio zufolge lag Podettis Verdienst darin, dass sie einen Denkprozess in Gang gesetzt hatte, der der »Außenwelt« Argentiniens kulturelle Tradition eröffnet hatte, ohne dabei der Hegemonie der außerhalb des Landes dominierenden Ideen zu erliegen.

Amelia Podetti ermunterte zu einer vollständigen und bewussten Aneignung des klassischen, mittelalterlichen und modernen Denkens, damit sich unser Denken universell und nicht nur lokal ausgerichtet entfalten kann. Ohne Hegel wäre es schwierig, in unserer Welt heute Philosophie zu betreiben. Und Amelia Podetti war Teil einer Phase des argentinischen Denkens, in der man mit dem Denken des Philosophen aus Deutschland in Kontakt zu treten versuchte; zu den Protagonisten dieser Phase gehörten auch ihre Lehrer Carlos Astrada und Andrés Mercado Vera sowie viele weitere wichtige Personen. Ich glaube, dass ein Dialog dann authentisch ist, wenn die Fragen authentisch sind, wenn sie also zu uns gehören und wir sie nicht anderen kulturellen Kontexten entlehnt haben; wenn sie das Ergebnis einer Reflexion sind, die aus den Problemen, Herausforderungen, Ängsten und Hoffnungen einer bestimmten Gemeinschaft entstanden ist. Die großen Probleme der Menschheit sind zweifellos universell und in gewisser Weise auch zeitlos; aber im Bewusstsein des Philosophen laufen sie Gefahr, sich in leeren, abstrakten Formulierungen zu verflüchtigen, wenn sie nicht durch den Tiegel der harten und reinen Realität gehen. Und die Realität ist immer inkarniert, besonders, konkret. Es kann keinen Zugang zur Universalität geben, ohne die Inkarnation in ihrer Gesamtheit anzunehmen.71

Bergoglio sprach hier ein auch von ihm selbst hochgehaltenes gnoseologisches Konzept an, das »konkrete Allgemeine«, auf das später eingegangen werden soll. Amelia Podettis historisch-philosophische Überlegungen, die durch eine vertiefte Auseinandersetzung mit Hegel herangereift waren, dienten ihm als Leitbild. Bei Podetti heißt es:

Hegel betont zu Recht, dass es keinesfalls im Widerspruch zur Vielfalt der Völker steht, über die Einheit der Menschheit nachzudenken, und dass die Einheit der Menschheit nicht im Widerspruch zur Vielfalt der Kulturen und Völker steht, d.h. zu den historischen Formen, in denen der Mensch Mensch geworden ist. Zu denken, dass es einen Widerspruch zwischen Einheit und Vielfalt oder zwischen der Universalität der menschlichen Spezies und der Besonderheit realer historischer Individuen gibt, gehört zur traditionellen Logik, zur Logik dessen, was er als Verständnis bezeichnet. […] Was Hegel sagen will, ist, dass es in Wirklichkeit keinen Widerspruch gibt, sondern dass der Mensch durch eine besondere Art der Spannung und durch eine Beziehung, die zwischen dem Einen und dem Vielfachen, dem Allgemeinen und dem Besonderen entsteht, historisch verwirklicht wird. Mit anderen Worten: dass die Universalität des Menschen durch seine historischen Besonderheiten verwirklicht wird, und dass die Einheit der Menschheit durch Vielfalt und Verschiedenartigkeit verwirklicht wird: durch die besonderen Formen, in denen sie historisch Mensch geworden ist.72

Die Grenzen von Hegels Modell der Synthese des Allgemeinen und des Besonderen, das dem katholischen Modell zugleich entspricht und widerspricht, hätten sich jedoch in seinem Anspruch gezeigt, eine »Universalgeschichte« vorzulegen.73 Denn Hegels Geschichte sei eine »europäische« Geschichte geblieben. Verglichen mit dem Blick, der sich zu Beginn der Moderne durch die Entdeckung der Neuen Welt biete, könne man hier von einer Einengung sprechen.

Es gab eine Zeit, in der es so aussah, als könne das europäische Denken die Idee der Universalität entwickeln, und diese Zeit war zugleich die Zeit der Entdeckung und der Eroberung. Das heißt, diese Fragestellung tauchte – in gewisser Weise – im Humanismus und im Denken von Autoren wie Thomas Morus, Campanella oder Erasmus auf. Es ist durchaus interessant, dass die Entdeckung Amerikas im humanistischen Denken etwas generierte, das wir als »Wiedergeburt der Utopie« bezeichnen könnten. Renaissance-Autoren verfassten Utopien, die durch die Entdeckung neuer Welten und Kulturen angeregt waren. […] Diese Idee taucht auch im zeitgenössischen spanischen Entdeckungs- und Eroberungsdenken auf. Ich möchte nur Vitoria zitieren, einen Zeitgenossen des Erasmus. Vitoria entwickelte eine Theorie dessen, was wir als Völkerrecht bezeichnen können. Es war der erste Versuch, diese neue Universalisierung der Welt und des Planeten theoretisch zu formulieren.74

Amelia Podetti zufolge fand dieses universalistische Konzept durch die Krise des spanischen Reiches ein Ende:

Es scheint aber evident, dass sich das europäische Denken seit der Niederlage des spanischen Kolonialreichs – bzw. Hispanoamerikas, eines Reichs, das die ganze Welt umspannte – wieder auf den europäischen Raum beschränkte, auf einen traditionell bereits abgegrenzten europäischen Raum: Denn dieses Denken bewegt sich seit Descartes und Hegel bis heute innerhalb der Dimensionen der mediterranen Welt, innerhalb der Dimensionen des Römischen Reiches und seiner Grenzen, geht aber nicht darüber hinaus. Daher ist klar, dass Amerika für ein solches Denken kein integraler und wesentlicher Teil der Welt ist.75

Trotz all seiner Absichten blieb der hegelsche Universalismus ein »westlicher« Universalismus. Er unterscheidet sich daher vom lateinamerikanischen Modell, das im Kontext des katholischen Universalismus entstanden ist. Lateinamerika (und damit auch Argentinien) forderten, »eingegliedert« zu werden und zum Ganzen dazugehören zu dürfen. Daher hatte Bergoglio, als er sich auf Podettis Buch über Hegel bezog, vor allem den anderen von ihr vorgelegten Band im Blick, nämlich La irrupción de América en la historia. In den Aufsätzen, die in dem posthum erschienenen Werk zusammengetragen wurden, stellte Podetti eine aufschlussreiche historische Synthese des Allgemeinen und des Besonderen vor. Bergoglio kannte diesen Band und seinen Inhalt sehr gut, über den er sagte:

Das Denken Amelia Podettis, der jung verstorbenen Hegel-Spezialistin und Dekanin der Philosophie an der Universität, hat mich stark beeinflusst. Ihr verdanke ich die Erkenntnis des Konzepts der »Peripherien«. Sie hat viel dazu gearbeitet. Einer ihrer Brüder veröffentlicht noch heute ihre Schriften, ihre Notizen. Durch die Lektüre von Methol Ferrés und Podettis Büchern habe ich etwas von der Dialektik übernommen, in einer anti-hegelschen Form, denn sie war Hegel-Spezialistin, aber keine Hegelianerin.76

Bergoglio interessierte sich besonders für die Inkulturation des christlichen Glaubens in Lateinamerika, mit der Podetti sich ebenfalls befasst hatte.

Amerikas besonderer Platz in der Welt, in Raum und Zeit, offenbart sich in der Bildung der amerikanischen Kultur. Sie entwickelt sich und erscheint in der Geschichte wie eine vereinigende Matrix, die alles sammelt, absorbiert, synthetisiert und transformiert, was ihr Territorium erreicht. Sie reduziert die verschiedensten kulturellen Beiträge zu komplexen und stark ausdifferenzierten Einheiten, selbst solche, die aggressiv sind und versuchen, den tiefen, innersten und irreduziblen Kern des Amerikanischseins zu zerstören. Diese verbindende Kraft findet sich in den historischen Grundlagen Amerikas wieder, die sich in gut gekennzeichneten Profilen zeigen. Hier können wir einerseits den Eroberungs- und Kolonisierungswillen, andererseits das Verhältnis zwischen Christentum und Kultur beobachten, das sich in dieser Form nur in Amerika etabliert hat: Die amerikanische Kultur ist mit dem Christentum so tief verbunden und von ihm so stark durchdrungen, dass man fast behaupten könnte, die amerikanische Kultur sei vielleicht die einzig wirklich christliche, also von Beginn an und in ihren Wurzeln christliche Kultur. Diese Berufung zur Synthese, diese verbindende Kraft, diese Grundhaltung, verschiedene kulturelle Traditionen zu verändern, macht Amerika gleichermaßen besonders und universell. In Amerikas kultureller Eigenart besteht eine Neigung zur Universalität.77

So bot Podettis Hegel-Kommentar Gelegenheit, um über das universelle Schicksal Lateinamerikas in den neuen Umständen der Gegenwart nachzudenken. Bergoglio hielt diesbezüglich fest:

Aus eben diesem Grund formulierte Amelia Podetti in eben diesem Moment ihre Vorstellung vom Eindringen Lateinamerikas in die Geschichte als grundlegendem Ereignis der Moderne, das letztlich den Beginn der Universalgeschichte kennzeichnete. Und auch wenn Hegel das Konzept der »Universalgeschichte« umfänglich nutzte, unterscheidet sich Podettis Ansatz von dem des deutschen Philosophen sowie von anderen europäischen Vorstellungen von Geschichte, bei denen die »Planetarisierung«, so wie sie sie versteht, nicht in ihrer vollen historischen und philosophischen Bedeutung vorausgesetzt zu werden scheint.78

Letztgenannte Annahme ist in der Tat begründet, da die moderne »Planetarisierung« – wie Zbigniew Brzezinski in Between Two Ages: America’s Role in the Technetronic Era zeigt – Wissenschaft und Technologie, die im Kontext des christlichen spirituellen Horizonts der Transzendenz des Menschen über die Natur entstanden sind, auf faustische Weise nutzt.79 Jahre später sollte Bergoglio darauf zurückkommen, als er – damals schon als Papst – Romano Guardini heranzog, um auf die Grenzen des modernen Anthropozentrismus und der technologischen Degeneration hinzuweisen. Angesichts der Grenzen des westlichen Universalismus schlug Podetti Lateinamerika als Modell vor:

Amerika ist in der Lage, die Moderne in sein eigenes historisches und spirituelles Fundament zu integrieren, weil es in der Lage ist, die Universalität der Geschichte und die Bedeutung des Strebens nach Einheit auf dem Weg des Menschen auf Erden zu erfassen. Es scheint, als sei Amerika von Beginn an und aufgrund seiner Geschichte bereit gewesen, in dieser Phase der Universalisierung eine tragende Rolle zu spielen; einen Weg zur Universalisierung vorzuschlagen, der sich von dem der supertechnischen Gesellschaften unterscheidet und es gleichzeitig schafft, diese zu integrieren. Amerikas Mission und Bestimmung ist es, die Einheit zu erfassen und sie zu herbeizuführen.80

Lateinamerika ins »Zentrum« zu rücken bedeutete, die Koordinaten zu verschieben und das vergegenwärtigte »europäische« Modell der Beziehung zwischen Zentrum und Peripherie zu korrigieren. Bergoglio war diese Korrektur wichtig. Als Papst bekannte er:

Von ihr habe ich die Erkenntnis des Konzepts der »Peripherien« erhalten. Sie hat viel dazu gearbeitet.81

Dies ist ein wertvoller Hinweis. Das Thema »Peripherie«, das in Franziskus’ Pontifikat eine zentrale Rolle eingenommen hat, ist nicht der pro-marxistischen Theorie der »Abhängigkeit« entlehnt, die in den 1970er-Jahren sehr beliebt war, sondern sie resultiert aus Bergoglios Erkenntnis, dass es zu einem Perspektivwechsel kommt, wenn man sich für das entscheidet, was (scheinbar) marginal ist.82 Für Podetti galt: »Das Erscheinen Amerikas in der Geschichte verändert nicht nur die Sichtweise, sondern auch die Bedeutung der Reise der Menschheit auf Erden radikal. Die Entdeckung der ›Neuen Welt‹ ist im Grunde genommen nichts anderes als die Entdeckung der Welt in ihrer Gesamtheit, die Entdeckung, dass die Welt etwas ganz anderes ist als das, was sich die Menschen auf beiden Seiten bis dahin vorgestellt hatten. Die Universalgeschichte beginnt tatsächlich mit Amerika.«83 Für Bergoglio wurde die von Südamerika aus gesehene Welt zu einer Welt, die von der Peripherie, von den Barackenstädten, von den villas miseria, von den unendlich großen Metropolen Lateinamerikas aus gesehen wurde. Die philosophische Umwertung machte einer auf den Worten des Evangeliums begründeten Sichtweise Platz. Diese Wahrnehmung des Verhältnisses von Zentrum und Peripherie sollte sich für den späteren Papst als besonders wichtig erweisen.

Darüber hinaus machte Podetti ihn auf ein weiteres Thema aufmerksam: die Relevanz von Augustinus’ De civitate Dei. Einer der in La irrupción de América en la historia veröffentlichten Aufsätze trägt den Titel »San Agustín: el problema de la justicia«.84 Die Zwischenüberschriften weisen darauf hin, dass der »Stadt Gottes« besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird; sie lauten: »Justicia y pueblo para la tradición pagana (Cicerón)«; »La justicia en la visión cristiana (San Agustín)«, »El pueblo en la visión cristiana (San Agustín)«; »Las dos ciudades«; »El cristiano y el siglo«; »Justicia y universalización«; »Conclusión«. Bergoglio wusste um die große Bedeutung dieses Werkes. Im Vorwort zu Podettis Comentario schrieb der damalige Kardinalerzbischof von Buenos Aires: »Die Vorsehung wollte es, dass sie sich 1978 in einer ihrer letzten Lehrveranstaltungen der Philosophie der Geschichte widmete. In diesem Kurs, in dem sie sich dafür aussprach, die Geschichte des Westens zu überarbeiten, konzentrierte sie sich auf den heiligen Augustinus und auf Hegel. Sie befasste sich also mit den beiden ›Spitzen‹ der Philosophie der Geschichte im Westen.«85

Augustinus und Hegel: zwei Pole der Theologie und der politischen Philosophie des Westens. Während der Staat bei Hegel zum Reich Gottes auf Erden wird, verhindert bei Augustinus der Dualismus der beiden Städte, der irdischen Stadt und der Stadt Gottes, jeglichen theologisch-politischen Monismus. In ihrem Buch beschäftigte sich Podetti mit dem pueblo, doch vor dem Hintergrund des Augustinus war jede »populistische« oder nationalistische Ideologie unmöglich. Bei Augustinus »darf die Stadt des Menschen nicht mit dem Römischen Reich, irgendeinem anderen Staat oder historischen Reich verwechselt werden, ebenso wie die Stadt Gottes nicht mit der Kirche verwechselt werden darf. […] Ob es nun gute oder schlechte Menschen sind, Bürger der einen oder der anderen Stadt: Sie alle leben in der Welt, sie brauchen ihre Güter und ihren Frieden; der Friede ist ein der Stadt eigenes Gut, sei es nun die Stadt Gottes oder die Stadt der Menschen, gemäß jener Liebe, die die Bürger dieser Städte beseelt«.86

Papst Franziskus

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