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Kapitel 4–Aufbruch in den Norden

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Heiß brannte die Glut im Korb der Pfeife auf als Duk einen tiefen Zug in seine Lungen zog. Langsam glitt sein Blick über den Hof wo noch immer Männer eiligst damit beschäftigt waren, die Tiere für den Aufbruch vorzubereiten. Man merkte es deutlich, dass alle Männer die an seiner Seite in den Norden reiten sollten, mit jedem Finger nervöser wurden. Aber dafür wurden sie ausgebildet, für den Kampf und für den Schutz ihrer Heimat, andere zu Töten oder gar selbst für Worgu zu sterben. Jeder kannte die Gefahr, die das Leben als Soldat mit sich brachte. Viele hatten sie bereits hautnah erlebt, hatten Blut an ihren Händen wie so viele vor ihnen. Etwa sieben Tage würden sie brauchen um das Felsental zu erreichen, falls das Wetter sich hielt, und das hoffte er. Ein weiterer Zug an der Pfeife und er ging los. Jeder der Männer grüßte den beliebten Marschall und machte schnellstens Platz, wenn er sich näherte. Sein Ziel waren die Ställe der Ersten Reiterdivision Worgus.

Die Stallungen für die eintausend Pferde der Division waren gigantische Bauten aus dem grauen Stein, der auch für die restlichen Bauten genutzt wurde. Nur wirkten die in die Höhe gebauten Kasernen wie kleine Hütten gegen die hunderte Schritt langen Stallungen mit ihren dutzenden großen Toren für die Pferde. Aber auch trotz der schieren Größe der Stallungen mussten die Pferde dicht an dicht gereiht in ihren Verschlägen warten und kamen nur selten raus. Vor allem während der Wintermonde hausten die Schlachtrösser in den engen Ställen und gierten förmlich auf den Sommer. Sobald die Temperaturen nämlich wieder stiegen, ließen die Stallmeister die wertvollen Rösser endlich wieder zurück auf die großen Weiden außerhalb der Stadt Worgu. Strengstens bewacht von Soldaten der Kavallerie. Trotz der Todesstrafe die auf den Diebstahl eines Schlachtrosses stand, versuchten die ärmsten der Armen jeden Sommer aufs Neue eines der stolzen Schlachtrösser zu stehlen. Die Verlockung war einfach zu groß und ließ viele die Gefahr vergessen. Die Weiden waren weitläufig und nicht überall konnten die wachsamen Augen der Wachen sein, und ein Schlachtross Worgus konnte auf dem Schwarzmarkt für mehrere tausend Worgunische Mark verkauft werden. Eine Summe, die ausreichend war, um eine Familie über Winter hinweg zu ernähren. Die Gier nach dem schnellen Geld ließ die Menschen den Henker vergessen und leichtsinnig werden, und meistens waren es auch die letzten leichtsinnigen Ideen, die sie hatten.

Über den hektischen Hof hinweg erreichte Duk eine der großen Türen in die Ställe wo bereits mehrere in Kampfrüstung gekleidete und in Decken versteckte Männer warteten.

„Herr Marschall!“, wurde er mit militärischem Gruße vom kleinsten der sechs Männer begrüßt.

„Major Werop, ich grüße Euch.“ Erwiderte Duk den Gruß des Worgunischen Militärs. „Die Herren Leutnants“, nickte er den anderen Männern zu, die in Haltung neben dem Major standen.

„Es tut mir leid wegen der zweiten Schweren Hundertschaft, Herr Marschall. Aber der Prinz bestand darauf mit Panzerreitern den Cent entgegenzureiten“, begann der Major.

„Lasst uns drinnen weiterreden. Hier draußen werden wir noch erfrieren“, unterbrach Duk den Major der Ersten Reiterdivision und ging durch das massive Tor in die großen Ställe hinein.

In den Stallungen lag der typische schwere Geruch von Pferd und Mist in der Luft. Einer der vielen Gründe, weshalb Duk die Stallungen nur dann betrat, wenn er es unbedingt musste. Er mochte es nicht, seine Tiere so beengt zu sehen, ohne die Möglichkeit ihren Tatendrang auszuleben. Er merkte so jeden Winter aufs Neue, dass sein Herz immer noch für die Kavallerie schlug, auch wenn er als Marschall den militärisch höchsten Rang bekleidete und ihm somit auch die Infanterie unterstand. Aber seine Wurzeln lagen bei der Kavallerie. Vor zehn Wintern war er noch ein Major gewesen, und zwar Major genau dieser ersten Reiterdivision. Als dieser war er Befehlshaber der kompletten Division gewesen und nur der Marschall hatte in der Hackordnung über ihm gestanden - und natürlich der König. Unterstellt waren ihm damals die zehn Leutnants der Hundertschaften, die wiederum in zehn Stöße unterteilt von Korporals befehligt wurden. Für den Marschall der Armee war eine solche Nähe zur Truppe ungewöhnlich. Viele seiner Vorgänger hatten eine gewisse Distanz zu den Soldaten gepflegt und nur Kontakt zu den Offizieren gehalten. Ein Brauch, der für Duk nie in Frage gekommen war. Er war einfacher Soldat gewesen und würde das trotz seines Ranges auch für sich selbst weiter bleiben. Er würde nie Männer in den Tod schicken, ohne sich der selben Gefahr entgegenzustellen. Sehr zum Leidwesen seiner Offiziere.

„Endlich raus aus der Kälte!“, stöhnte einer der Leutnants, nachdem alle die Ställe betreten hatten und die Tore geschlossen waren.

In den Ställen selbst herrschte eine ähnliche Unruhe wie schon zuvor im Hof. Die tausend Pferde wurden Tag und Nacht von Stallburschen betreut, die aufgrund des bevorstehenden Ausreitens von sechshundert Pferden mehr als genug zu tun hatten. Sättel wurden hin und her getragen, Pferderüstungen poliert und die Pferde gestriegelt. Auch die Tiere tänzelten nervös umher und sahen sich gestresst um. Manches Tier schnappte gar nach den Stallburschen, um zuzubeißen. Mit störrischer Ruhe ignorierten die jungen Burschen die Angriffe der Pferde und gingen ihren Aufgaben weiter nach. Einer der Burschen bahnte sich vollbeladen mit dicken Holzscheiden seinen Weg durch das Labyrinth aus Pferden, um das Feuer in den speziell abgesicherten Öfen weiter zu schüren und die Kälte weiterhin draußen zu lassen. Selbst im tiefsten Winter herrschten somit angenehme Temperaturen in den Ställen. Dank der Absicherung der Öfen war es auch unmöglich, dass Feuer übersprang und so das Stroh hätte entzünden können.

Duk hatte sich mit seinen Offizieren neben genauso einem Ofen gestellt und merkte schnell die Hitze, die von dem großen steinernen Quadrat ausging. Auch die Männer um ihn herum entledigten sich schnell der Decken, die ihnen eben noch im Kampf gegen den Wind Schutz geboten hatten. Alle waren bereits in Kampfmontur gekleidet, die typische Lederrüstung der Leichten Kavallerie, einfach und funktional. Nur der Leutnant der zweiten Schweren Hundertschaft hatte schon seine massive Stahlrüstung angelegt und wirkte wie ein Koloss aus Stahl.

„Meine Herren. Ihr wisst was uns bevorsteht“, begann Duk ohne Umschweife, und auch um einen Gespräch über den Prinzen und der zweiten Schweren Hundertschaft aus dem Weg zu gehen.

„Irgendwer oder irgendwas wütet im Felsental. Und ich muss euch nicht erklären, wie wichtig das Felsental ist. Nicht nur für das Militär, sondern auch für die gesamte Wirtschaft Worgus.“ Zustimmendes Gemurmel war unter den Leutnants zu vernehmen.

Einer der Leutnants räusperte sich und richtete sich neugierig an ihn. „Herr Marschall?“ Seine Stimme war wie sein Gesicht - jung und unerfahren, voll mit falschem Tatendrang.

Duk blickte zum Leutnant und sah ihn fragend an.

„Entschuldigt, Herr Marschall“, der Leutnant schien sich nicht daran zu stören, seinen Marschall unterbrochen zu haben, „glaubt Ihr, dass es sich um Joglu handeln könnte, wie damals?“

Duk führte die Pfeife zu seinem Mund und lies die Augen, während eines langen Zugs über den Leutnant wandern. Er erkannte einen sehr jungen Leutnant. Wahrscheinlich gerade erst aus der Ausbildung und direkt ein hoher Rang. Es musste sich also um den Sohn eines Adeligen handeln. Ohne Zweifel musste der Vater des Jungen den König persönlich kennen und seinem Sohn so den hohen Posten besorgt haben. Sonst, da war Duk sicher, würde er sich an den Jungen erinnern.

„Wie ist euer Name Junge?“, wich er einer klaren Antwort aus.

„Hunner, Herr Marschall.“

„Wie lange seid Ihr schon Leutnant? Der dritten Hundertschaft, wie ich sehe.“

„Herr Marschall?“, der Leutnant schien verwirrt und schaute hilfesuchend zu den anderen Leutnants, die ihm aber keine Hilfe waren. „Seit dem Sommer, Herr Marschall“, antwortete er schließlich.

„Seit dem Sommer also“, nahm Duk einen Zug und hauchte langsam den Rauch aus. Er erkannte die abschätzenden Blicke der anderen Leutnants, die keinen Zweifel daran ließen, dass sie mit Hunner alles andere als zufrieden waren.

„Wenn die Götter uns gnädig sind, werden es keine Joglu sein“, beantwortete er schließlich die Frage.

„Und wenn es welche sind, werden wir sie daran erinnern, was beim letzten Mal geschah als sie Worgu angriffen!“, klatsche Hunner in die Hände.

„Herr Leutnant, etwas mehr Anstand“, zügelte Werop den übereifrigen Jungen.

„Verzeiht, Herr Major. Aber ich brenne darauf, endlich einen Kampf zu erleben. Wir werden schließlich nicht ausgebildet, um hier in der Kaserne zu versauern“, lächelte Hunner begeistert.

„Sicher“, winkte Duk ab, wendete sich wieder Werop zu und ignorierte den jungen Leutnant. „Werop? Sind die fünf Hundertschaften bereit zum Ausritt?“

Kurz erkannte er Trotz in Hunners Gesichtszügen. Der Leutnant rang mit sich, ruhig zu bleiben und nicht weiter nachzubohren. Er schien es nicht zu kennen, dass man ihn ignorierte. Nicht im Mittelpunkt zu stehen, war ihm unbekannt. Ohne Zweifel der Erstgeborene irgendeines Barons oder Herzogs, der jetzt nach Ruhm und Ehre gierte, um dann irgendwann später den Platz seines Vaters einzunehmen als gefeierter Kriegsheld. Duk hielt nicht viel von solchen Emporkömmlingen, im Gegenteil. Er hielt sie für die Männer und vor allem für sich selbst Gefährlich. Jeder wollte mit dem Kopf durch die Wand und hatte kein Gespür für Gefahr. Die Männer um sie herum waren nur namenlose Körper, die in der Schlacht verbrannt werden konnten.

„Ja, Herr Marschall. Die Dritte Hundertschaft ersetzt die Schwere Hundertschaft, die Prinz Catel…“, er stoppte kurz und vollführte eine abschätzige Geste, „benötigte.“

„Bestens“, ignorierte Duk die Anspielung auf den Prinzen. „Wir reiten heute noch los! Hart wie Stahl.“

„Und unaufhaltsam!“, war die gemeinsame Antwort aller anwesenden Männer.

Das Geflüster der Raben

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